Sie wissen, dass es in der Koalition unterschiedliche Grundauffassungen zu diesem Thema gibt. Dennoch haben es CDU und SPD auch bei diesem Thema geschafft, im Haushalt erneut ihre Kompromissfähigkeit und ihren Handlungswillen unter Beweis zu stellen. Das finde ich auch gut und wichtig.
Im Übrigen sage ich Ihnen: Wer der Pflege wirklich helfen will, wer das wirklich will, der lässt die Kammer endlich mal in Ruhe ihre Arbeit machen.
In Wirklichkeit haben wir in der Pflege ganz andere Probleme - sie sind meines Erachtens so gewaltig wie noch nie -: erstens erhebliche Nachwuchsprobleme, zweitens vergleichbar schlechte Bezahlung, drittens Struktur- und Finanzierungsprobleme.
Bis 2030 wird die Erwerbsbevölkerung um 13 % abnehmen, während der Anteil der Pflegebedürftigen dramatisch steigen wird. Sind wir noch vor zehn Jahren davon ausgegangen, dass wir in diesem Jahr in Niedersachsen rund 280 000 Pflegebedürftige haben würden, haben wir tatsächlich gegenwärtig schon fast 400 000 Pflegebedürftige. In zehn Jahren wird es knapp eine halbe Million sein. Allein in Niedersachsen fehlen gegenwärtig schon über 3 000 Pflegekräfte. In zehn Jahren werden es mindestens 30 000 sein.
Sehr unterschiedliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Versorgungslücke in zehn Jahren bundesweit bei mindestens 300 000 Vollzeitkräften liegen wird. Die Versorgungslücke wird dabei regional sehr unterschiedlich ausfallen. In Niedersachsen wird sie bei über 50 % liegen; laut Bertelsmann Stiftung werden es 51 % sein. Das ist dramatisch. Es ist aber der Bundesschnitt. Beispielsweise in Brandenburg wird die Versorgungslücke 77 % betragen.
Schauen wir uns einmal an, was das heruntergebrochen auf unsere eigenen Landkreise heißt: Die höchste Versorgungslücke wird im Landkreis Harburg und im Landkreis Osterholz mit annähernd 80 % vorliegen. Wir haben also erheblichen Handlungsdruck, wenn es darum geht, die Situation der Pflege zu verbessern.
Trotzdem gibt es dramatische Nachwuchsprobleme. Wir haben in Niedersachsen die Schulgeldfreiheit eingeführt. Das hat sich ausgesprochen positiv ausgewirkt. Dadurch konnte die Zahl der Auszubildenden alleine in der Altenpflege um über 30 % gesteigert werden. Auf Bundesebene konnte sie nur um 17 % erhöht werden; und das übrigens ausschließlich durch Auszubildende mit Migrationshintergrund. Die Zahl der deutschen Auszubildenden ist um 1 % zurückgegangen. Das heißt, dass die Pflege zurzeit in ganz starkem Maße von der Migration lebt. Auch das ist etwas, Herr Bothe, was Sie ab und zu mal zur Kenntnis nehmen sollten.
Wer Karriere machen will und auch ein auskömmliches Einkommen haben will, geht jedenfalls nicht zuerst in die Pflege. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen und vor allen Dingen endlich eine anständige und tarifvertragliche Bezahlung. Genau deshalb sagen wir seitens der Koalition erneut: Wir wollen in Niedersachsen einen Tarifvertrag Soziales auf den Weg bringen, der dann auf der Bundesebene vorangebracht wird.
Liebe Meta, das war bisher ein einmütiger Beschluss in diesem Haus; lediglich die FDP hat immer eine andere Position gehabt. Ich glaube nicht, dass das falsch ist. Es kann nicht sein, dass eine Vollzeitpflegekraft in Niedersachsen im Schnitt 2 600 Euro verdient, während die gleiche Pflegekraft für die gleiche Tätigkeit in NordrheinWestfalen oder in Hamburg 3 000 Euro bekommt. Es kann nicht sein, dass wir bundesweit eine Spreizung von 1 700 bis 3 200 Euro haben. Es kann schon gar nicht sein, dass 70 % der Vollzeitpflegekräfte in der Altenpflege mit unter 2 100 Euro brutto nach Hause gehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht nur unangemessen; das ist unanständig und auch würdelos.
Deshalb hoffen wir, dass es der Sozialministerin gelingt, die Akteure auch an dieser Stelle an einen Tisch zu bringen, um hier den Tarifvertrag Soziales anschieben zu können.
Lassen Sie mich auch etwas zu der Konzertierten Aktion sagen. Ich finde nicht, dass sie schlecht gewesen ist und erfolglos gewesen ist. Es ist schon ein Wert an sich, dass sie überhaupt stattgefunden hat und dass die Akteure endlich einmal aufeinander zugegangen sind. Dabei sind dann auch noch ziemlich ansehnliche Ergebnisse herausgekommen, insbesondere was tarifliche Bezahlung betrifft. Dafür danke ich Ihnen, Frau
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Neben allen Schwierigkeiten, die wir in der Pflege haben, ist das alles überlagernde Problem in der Pflege das System der Teilkaskoversicherung. Das wird sich auch durch noch so viele Beitragserhöhungen nicht lösen lassen.
Wir brauchen deutlich besser bezahlte Pflegekräfte und bessere Arbeitsbedingungen, wenn wir eine Versorgungskatastrophe in der Pflegelandschaft verhindern wollen. Jede Verbesserung führt gegenwärtig zu einer Erhöhung der Eigenanteile und/oder zu einer Belastung der Sozialhilfe. Die Pflegeversicherung wollte ursprünglich einmal verhindern, dass Menschen mit Eintritt des Pflegefalles in die Sozialhilfe rutschen. Das hat auch lange funktioniert. Zwischenzeitlich landen aber schon wieder über 40 % insbesondere aller Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen in der Sozialhilfe.
Wir sind uns sicherlich einig, dass es höchste Zeit wurde, dass auf Bundesebene endlich über dieses Kernproblem diskutiert wird. Dort schwirren viele Schlagworte durch den Raum: steuerfinanziert, Eigenbeteiligungsdeckelung, Verschiebung zwischen Pflege und GKV, Pflegevollversicherung, Sockel-Spitze-Tausch, Bürgerversicherung usw. Ich finde, allein das Wirrwar dieser Vorschläge ist ein erneuter Beweis dafür, wie sehr es der Pflege immer noch daran mangelt, dass sie keine durchsetzungsfähige Lobby hat. Ich bleibe dabei: Eine durchsetzungsfähige Lobby sind für mich starke Gewerkschaften und gut arbeitende Pflegekammern, meine Damen und Herren.
Der Pflegenotstand - das bestreitet, glaube ich, niemand - hat schon eingesetzt. Spätestens wenn die Babyboomerjahre - sie beginnen übrigens jetzt - verstärkt in die Pflegebedürftigkeit rutschen,
stehen wir vor einer bisher nicht lösbaren dramatischen Versorgungslücke, und zwar sowohl in Bezug auf den Fachkräftemangel als auch in Bezug auf die Finanzierung. Wir brauchen deshalb schnelle, zukunftsfähige Lösungen. Die Politik hatte genug Zeit zu handeln, sie muss es tun. Deshalb ist jede Initiative zu begrüßen. Genau das sind auch die inhaltlichen Forderungen unseres Entschließungsantrags.
Vielen Dank, Kollege Schwarz. - Zu einer Kurzintervention hat sich nun die Kollegin Meta JanssenKucz gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich an dieser Stelle erst einmal für die sehr sachliche Debatte zu diesem Thema bedanken.
Sehr geehrter Herr Kollege Schwarz, ich habe ein bisschen den Eindruck, dass Sie nicht ausreichend mit ambulanten Pflegediensten, also den privaten Pflegediensten, und auch kaum mit den Wohlfahrtsverbänden - Caritas, Diakonie usw. - sprechen; denn diese berichten zumindest mir gegenüber in allen Gesprächen, wie es beim Themenfeld Refinanzierung der Löhne hakt und wie hochproblematisch die Situation ist. Vor allem die kleinen privaten Pflegedienste leiden sehr, weil sie nicht ausreichend professionell aufgestellt sind und nicht ausreichend Unterstützung haben.
Wir werden uns heute bei der Abstimmung über den Antrag enthalten, weil Sie unter Nr. 6 einen Punkt aus unserem Antrag aufgenommen haben: Die Landesregierung wird gebeten, alle aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten gegenüber den Kostenträgern landesseitig auszuschöpfen. - Ich sage Ihnen: Es ist Januar. Schöpfen Sie die jetzt aus! Die sollen sich bitte an die Vereinbarungen, die sie in der KAP.Ni getroffen haben, halten und nicht die Pflegedienste - weder die ambulanten privaten noch die der Wohlfahrtsverbände - am langen Arm verhungern lassen. Letzteres schadet den Pflegekräften und noch mehr den zu Pflegenden und ihren Angehörigen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Meta Janssen-Kucz, wir brauchen uns nicht gegenseitig vorzuhalten, ob wir etwas von der Materie verstehen oder nicht. Ich meine, wir können einander wechselseitig unterstellen, dass wir das tun. Natürlich haben die ambulanten Pflegedienste ein Problem; das streitet doch auch niemand ab. Das Problem ist auch nicht neu. Das Problem ist insbesondere im ländlichen Bereich extrem hoch, weil die Wegepauschalen hinten und vorn nicht auskömmlich sind.
Genau an dieser Stelle ist die Sozialministerin auch tätig geworden. Das muss man fairerweise einmal zur Kenntnis nehmen. Es hat bei den ambulanten Pflegediensten eine Budgeterhöhung von 5 % gegeben. Das ist schon ein anständiger Schluck aus der Pulle. Es hat eine Verbesserung bei der Wegepauschale gegeben. Auch das ist gut. Und es gibt eine klare Vereinbarung, dass wir für diese Wegepauschale eine bundeseinheitliche Regelung brauchen. Auch dazu gibt es - über die Konzertierte Aktion - die Absprache, dass das in Niedersachsen sofort umgesetzt wird.
Tun Sie doch nicht immer so, als wenn hier nichts passiert! Dass das alles nicht auskömmlich ist, das weiß doch hier jeder. Aber Sie brauchen auch Verhandlungspartner. Und dabei ist dieser Verhandlungserfolg, der vor zwei Monaten nicht ansatzweise denkbar gewesen ist, schon ein ziemlich guter Verhandlungserfolg.
Nun zum letzten Punkt, den ich ansprechen will. Jeder im Haus weiß, dass ich Sympathie für aufsichtsrechtliche Mittel habe. Aber die kann ich nur dann ansetzen, wenn es einen Tatbestand gibt, bei dem sie angesetzt werden können. Bei dem Tatbestand, den Sie mit der Entschließung seinerzeit vorgetragen haben, gab es diesen Ansatz nicht, weil es sich um eine Bundesleistung handelt; da kann das Land nicht aufsichtsrechtlich tätig werden. Ansonsten bin ich wirklich dafür, aufsichtsrechtliche Mittel zu nutzen, um Druck auszuüben. Ich habe an keiner Stelle gehört, dass dieses Sozialministerium sich weigert, das zu tun, wenn es dafür tatsächlich die gesetzlichen Möglichkeiten hat.
Danke schön, Kollege Schwarz. - Abschließend hat sich die zuständige Ministerin Frau Dr. Reimann gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich setze mich für eine gute medizinischpflegerische Versorgung im Land ein, und zwar im ländlichen wie im städtischen Raum, im ambulanten wie im stationären Bereich. Die Pflege nimmt durch den demografischen Wandel eine immer bedeutendere Rolle in unserer Gesellschaft ein. Uwe Schwarz hat gerade darauf hingewiesen: Wir stehen vor einer riesigen Aufgabe.
Heute liegen drei Entschließungsanträge zur Situation der Pflege im ambulanten Bereich vor. Die AfD plädiert für die Einführung eines Pflegegeldes. Ich habe bereits bei der Einbringung des Antrages dargelegt, dass dies aus meiner Sicht keine zielführende Lösung ist. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die FDP fordern dazu auf, aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegenüber dem Kostenträger zu ergreifen. Das ist weder belastbar noch der richtige Weg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, daneben liegt ein weiterer Antrag zur freiwilligen Mitgliedschaft zur Kammer vor. Die Regierungsfraktionen haben mit dem Haushalt 2020 die Beitragsfreiheit für die Pflegekammer möglich gemacht. Das ist eine gute Botschaft für die Pflegekräfte. Die Beitragserstattungen können nach einer neuen Beitragsordnung der Pflegekammer und den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts erfolgen. Die Pflegekammer schafft aktuell die Voraussetzungen dafür. Dafür schaffen wir eine kostenlose Pflichtmitgliedschaft. Das ist weiterhin wichtig für die Legitimation der Kammer; denn nur so kann sie für die Pflegenden in Niedersachsen sprechen und sie vertreten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die vor uns stehenden Herausforderungen können nur gemeinsam, mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren, bewältigt werden. Deshalb ist es gut, dass der Bund in der Konzertierten Aktion mit allen Beteiligten Ideen und Lösungsansätze zusammengetragen hat. Ich habe im Sommer letzten Jahres die Konzertierte Aktion Pflege Niedersachsen deshalb ins Leben gerufen, um zusätzlich eigene Maßnahmen für die in Niedersachen be
Im Oktober letzten Jahres haben alle Mitglieder der Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen im Rahmen einer Konferenz eine Kooperationsvereinbarung für einen Neubeginn geschlossen. Damit ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog verbunden. Zum gemeinsamen Leitbild gehören eine attraktive Vergütung der Pflege und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Dafür benötigen die Anbieter eine entsprechende Refinanzierung der tariflichen Bezahlung. Deshalb haben sich die Partner in Niedersachen darauf verständigt, dass nachgewiesene Tarifsteigerungen von den Kassen finanziert werden. Auch die Pflegepauschalen werden dann, wenn sie auf Bundesebene beschlossen sind, hier in Niedersachsen unverzüglich umgesetzt; ich hatte mich bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin, auf der Bundesebene, dafür eingesetzt. Wir haben dafür jetzt eine gesetzliche Grundlage.
Darüber hinaus leistet die Landesregierung durch die Novelle des Niedersächsischen Pflegegesetzes einen ganz konkreten Beitrag zur KAP.Ni. Danach soll die Förderung der Investitionskosten an eine tarifliche Entlohnung geknüpft werden. Wir sind derzeit in der Auswertung der Verbandsanhörung und wollen den Gesetzentwurf bis zum Sommer dem Landtag vorlegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist aber auch wichtig, dass auf der Bundesebene die Pflegeversicherung weiterentwickelt wird. Bessere Löhne für die Pflegekräfte führen zu steigenden Kosten bei den Eigenanteilen für die Pflegebedürftigen und für deren Angehörige. Sie müssen immer höhere Anteile zahlen; denn die Pflegeversicherung zahlt ja je nach Pflegebedürftigkeit nur einen festen Zuschuss und einen Zuschlag. Deshalb muss die Pflegeversicherung vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Aus diesem Grund habe ich Bundesgesundheitsminister Spahn aufgefordert, zügig Vorschläge zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vorzulegen, um den Eigenanteil zu begrenzen. Es bedarf meiner Ansicht nach dringend eines Steuerzuschusses und der Begrenzung der Eigenanteile. Die Pflegeversicherung ist die einzige Sozialversicherung, die bislang keinen Steuerzuschuss erhält. Sozialversicherungsbei
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der von den Regierungsfraktionen vorgelegte Antrag fordert, dass wir alles unternehmen, um zügig einen Tarifvertrag Soziales zu bekommen. Heute Morgen kam die Mitteilung, dass der Pflegemindestlohn auf bis zu 15,40 Euro steigen wird. Damit hat die Pflegekommission auch erstmalig einen Mindestlohn für Fachkräfte festgelegt und beschlossen. Das ist ein konkretes Ergebnis und ein konkreter Fortschritt der Konzertierten Aktion auf Bundesebene.
Ich selbst finde aber und hoffe persönlich, dass es gelingt, einen Tarifvertrag auf Bundesebene abschließen zu können, und dass er zustande kommt. Auch ein Verbandsklagerecht, das von den Regierungsfraktionen gefordert wird, und Vereinbarungen mit Dachverbänden können Instrumente sein, um die Leistungsanbieterinnen und -anbieter in den Verhandlungen strukturell zu stärken. Diese Forderung unterstütze ich ausdrücklich. Ich würde mich freuen, wenn Sie den Empfehlungen des Ausschusses folgen und diesem Antrag zustimmen würden.