Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

Ich bin froh, dass es - wie mein Kollege Bosse vorhin gesagt hat - in diesem Parlament anscheinend eine große Mehrheit dafür gibt, dass wir diesen Antrag auf den Weg bringen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Vielleicht können wir noch den einen oder anderen Experten - vom LBEG oder von der BGE - zu diesem Antrag hören. Und dann schauen wir mal, was daraus wird!

Alle Niedersachsen können sich darauf verlassen: Wir sorgen an diesem Punkt für Transparenz. Denn ohne Transparenz - da bin ich mir mit Marcus Bosse einig - werden wir das bis zum Jahr 2031 - oder später - niemals hinbekommen.

Wir haben die Standortsuche schon einmal versemmelt. Diesmal müssen wir es gut machen. Darauf haben alle Menschen in diesem Land Anspruch.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Für die Landesregierung hat nun der Minister Olaf Lies das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns steht ein durchaus schwieriger Prozess bevor, der recht abstrakt ist, weil wir uns - nachdem es klar war, dass es zunächst zumindest keinen Endlagerstandort Gorleben geben wird - ein bisschen mit der Tatsache abgefunden haben, dass diese Diskussion nicht mehr wirklich stattfindet. Jetzt stehen wir - eigentlich unmittelbar, da es um den Herbst dieses Jahres geht - vor einer beginnen

den, intensiveren Debatte in Deutschland um die Frage, an welcher Stelle es einen Endlagerstandort geben wird. Lassen Sie mich vorweg sagen: Das ist eine extrem schwierige Aufgabe. Aber es gibt keine Alternative dazu.

Wir haben - erstens - vielmehr die Verpflichtung, auch den nachfolgenden Generationen gegenüber sicherzustellen, dass eine Lösung für ein Problem gefunden wird, das wir geschaffen haben - nicht die nachfolgenden Generationen! Wir können nicht - wie ich es immer wieder höre - sagen: Lasst es doch einfach liegen, und irgendwann - in 20, 30, 50 Jahren, wann auch immer - wird irgendjemand eine bessere Lösung finden! - Wir brauchen vielmehr einen geordneten, gesicherten Prozess hin zu einer Endlagerung in tiefen Schichten, der - „von einem Erfolg gekrönt sein wird“, mag ich nicht sagen - zu einem Ergebnis führt.

Aber - und das gehört auch dazu - es gibt im Endlagergesetz eine Lösung, die besagt, dass während der Betriebsdauer des Endlagers eine Rückholung und für eine Zeit danach eine Bergung möglich sein muss. Das heißt - und es gab darüber auch in Frankreich eine intensive Diskussion -, es gibt einen reversiblen Prozess. Trotz der heutigen Entscheidung, dass es keine sicherere Lösung als die Endlagerung in tiefen Schichten gibt, kann - falls es in 50 Jahren eine bessere Lösung geben sollte - die Chance auf Rückholung und auf eine andere Lösung genutzt werden.

Aber nicht umgekehrt! Die Antwort darf nicht sein: Lasst es einfach stehen, es wird sich schon eine Lösung finden. - Der Verantwortung, die wir für die folgenden Generationen haben, würden wir damit nicht gerecht.

Zweitens müssen wir auch dafür sorgen, dass die Interessen, die dabei eine Rolle spielen, vertreten werden. Wir sind so etwas wie der Anwalt der Bürger - der Bürger Niedersachsens, die ein Interesse daran haben, dass tatsächlich alle möglichen Standorte für Endlager in Deutschland berücksichtigt werden und nicht nur die Daten in Niedersachsen eine besondere Rolle spielen -, aber eben auch der Anwalt der folgenden Generationen, die den Anspruch darauf haben, dass tatsächlich ein Endlagerstandort ausgewählt wird, dessen Nutzung auch umgesetzt werden kann.

Die BGE hat - auch hier in Hannover - erste Informationen vorgestellt. Es wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres eine Karte von Deutschland geben, die nicht mehr weiß ist, sondern die Flächen ausweist, für die es theoretisch denkbar wäre - es also

nicht ausgeschlossen ist -, dass dort ein Endlager eingerichtet werden kann. Ich denke, auf dieser Karte werden auch Teile Niedersachsens vertreten sein, weil Niedersachsen über Horizonte mit Tonen und Salzen verfügt, also über Wirtsgesteine, die auf einer solchen Karte aufgezeigt werden.

Niedersachsen wird - das haben wir auch in den vorherigen Reden gehört - natürlich in besonderer Weise und zuerst im Fokus stehen, weil es für Niedersachsen eine unglaublich gute Datengrundlage gibt, da in der Vergangenheit sehr viele untersuchende Bohrungen stattgefunden haben, aber auch Bohrungen, die dazu geführt haben, dass Rohstoffe gefördert wurden.

Wir befinden uns also in einem Auswahlverfahren und müssen aus den Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht wurden, lernen. Die Fehler - das haben wir im Fall von Gorleben deutlich gesehen - sind ja nicht allein am Ende des Prozesses mit der Entscheidung gemacht worden, sondern auch am Anfang, als weder der Prozess klar war, noch alle Rahmenbedingungen eingehalten wurden.

Das Gleiche kann uns auch dieses Mal passieren, wenn wir Ende dieses Jahres mit einem Prozess starten, der zwar munter und mutig ist, aber nicht transparent und ohne Verfügbarmachung aller Daten. Wir würden 15 Jahre über den richtigen Weg streiten. Es würde zwar eine Entscheidung geben, aber nach 15 Jahren würde sich die Diskussion hauptsächlich darum drehen, warum wir am Anfang nicht alles berücksichtigt haben, was die Transparenz angeht, die notwendig ist, um den bestmöglichen, den sichersten Standort auszuwählen.

Meine große Sorge ist, dass es zwar einen Prozess mit viel Streit und viel Aufregung gibt, aber 15 Jahre später - wenn es denn bei optimistischer Betrachtung bei diesem Zeitrahmen bleiben sollte - keine Entscheidung für ein Endlager gibt und damit nichts für die nachfolgende Generation erreicht wurde.

Der Erfolg dieses Prozesses hat für uns alle in Deutschland zur Voraussetzung, dass wir uns offen und vertrauensvoll an die Regeln dieses Prozesses halten. Und er hat zur Voraussetzung, dass die Bedingungen gleich sind.

Deswegen ist die Frage der Standortauswahl so eng mit der Frage des Geologiedatengesetzes verbunden, weil dieses eine damals definierte Grundlage für die Endlagersuche war. Man hat damals gesagt, dass das Geologiedatengesetz

angepasst werden muss, was übrigens für den Sommer 2016 angekündigt war. Im Sommer 2016 sollte das Geologiedatengesetz angepasst vorliegen. Wir haben bald Frühjahr 2020.

Das zeigt natürlich auch, dass der Zeitdruck ein anderer ist. Ich finde, eines geht auch nicht: Wir können jetzt nicht sagen: „Okay, weil das jetzt länger dauert, dauert das ganze Verfahren länger.“ So werden wir der Verantwortung, die wir haben, auch nicht gerecht.

Wir brauchen einen klugen Weg. Der zuständige Ausschuss im Bundesrat hat einen, wie ich finde, guten Beschluss gefasst, der dann hoffentlich auch als Schlichtungssache im Bundesrat eine Chance hat. Es wird ganz deutlich die größtmögliche Transparenz gefordert; es wird gefordert, alle Daten und Informationen der Kommission und auch weitere Entscheidungen zur Lagerung radioaktiver Abfälle öffentlich zugänglich zu machen. Dieser Beschluss ist nichts anderes als das, was sozusagen schon Vorgabe war. Das ist ja nicht neu erfunden worden, sondern es war eine Maßgabe für unser Handeln.

Das wird, glaube ich, ganz entscheidend sein: dass alle Daten, die wir benötigen, am Anfang für alle zur Verfügung gestellt werden. Die Frage ist natürlich auch, wie man eigentlich mit den Daten umgeht, die auch eine wirtschaftliche Bedeutung haben. Das muss man sauber klären. Da brauchen wir für alle Verlässlichkeit. Da sehe ich im Moment noch große Herausforderungen. Deswegen ist das, was im Moment mit dem Geologiedatengesetz kommen soll, notwendig ist. Ich glaube, ganz entscheidend ist, dass die Gleichbehandlung für alle Regionen Deutschlands gewährleistet wird.

Entschuldigung, Herr Minister, jetzt ergreife ich die Chance: Herr Kollege Wenzel möchte eine Zwischenfrage stellen.

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Wenzel!

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Minister, Sie hatten darauf hingewiesen, dass das Geologiedatengesetz eigentlich schon 2016/2017 hätte

fertig sein sollen. Ziehen Sie im Kabinett in dieser Frage denn auch alle an einem Strang?

(Jörg Bode [FDP]: Und in die gleiche Richtung? - Heiterkeit)

Bitte schön, Herr Minister!

Ich möchte die beiden Fragen im Zusammenhang beantworten: Wir im Kabinett ziehen an einem Strang und in die gleiche Richtung - selbstverständlich. Und es ist natürlich ganz klar, dass es auf der einen Seite die Notwendigkeit gibt, vertrauliche Daten wirtschaftlicher Art zu schützen - das ist das Interesse auf der einen Seite -, und dass es auf der anderen Seite die Transparenznotwendigkeit gibt.

Da werden wir einen gemeinsamen Weg finden; denn wir in der Landesregierung haben gemeinsam die Verantwortung und die Pflicht, diesen Prozess sicher zu gestalten. Wenn wir das nicht schaffen, dann - diese Sorge teilen wir ja - scheitert der Prozess nicht morgen, dann scheitert er auch nicht in fünf oder zehn Jahren an der Frage, für welche Gebiete mehr detaillierte Informationen zur Verfügung stehen, sondern er scheitert am Ende. Und dann fangen wir wieder ganz von vorn an. Das können wir nicht wollen.

Wir sind wirklich die Generation - auch in politischer Verantwortung -, die sicherstellen muss, dass es ein gesichertes und am Ende auch breit akzeptiertes - nicht unbedingt vor Ort akzeptiertes; das wird schwierig - Endlager gibt, das dafür sorgt, dass wir hoch radioaktiven und Wärme entwickelnden Abfall sicher lagern können. Das muss unser Anspruch sein. Und da arbeiten wir auch gemeinsam in eine Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag hat es deutlich gemacht, und er wird das auch noch im Ergebnis mit sich bringen.

Ich will noch kurz darauf eingehen, was hier auch eine große Rolle gespielt hat: Natürlich machen sich andere Länder vom Acker. Das wird für uns auch nicht angenehm. Heute ist es noch relativ entspannt. Ich glaube, der größere Teil sagt: Na gut, wir diskutieren über das Geologiedatengesetz; das ist noch nicht ganz so tragisch. - Im Herbst wird das anders aussehen. Wenn dann eine Karte auf dem Tisch liegt, man draufguckt und feststellt:

„Das ist ja bei mir! Theoretisch könnte bei mir ein Endlager sein“, dann wird die Stimmung steigen. Ein Jahr vor der Kommunalwahl wird es Debatten, Bürgerinitiativen, Beschlüsse geben. Unsere Aufgabe muss sein, diesen Prozess - auch mit der Maßgabe, ihn sachlich und transparent zu machen; auch wenn das vermutlich fast unmöglich ist, aber wir bemühen uns mal - so ruhig wie möglich durchzuführen und nicht das ganze Land in Aufregung zu versetzen.

Vor uns liegt ein unglaublich langer Weg der Entscheidungsfindung. Deshalb müssen wir mit

Transparenz und mit unserer Arbeit den Bürgern vermitteln, dass selbst dann, wenn aus der Karte der Eindruck entsteht, „Das könnte bei mir sein“, wir das noch gar nicht wissen. Es wird eine ergebnisoffene Suche sein. Es wird niemand ausgeschlossen bei dieser Suche, und es gibt auch keine Vorfestlegung. Das ist der einzige Weg, den wir wählen können, wenn wir nicht über 10 bis 15 Jahre eine unglaubliche Debatte im Land haben wollen, die uns nicht weiterhilft bei der Suche nach einem Endlager. Das würde übrigens auch den Anforderungen der nächsten Generationen nicht gerecht. Das ist der Ansatz, den wir haben. Deswegen spielt das Geologiedatengesetz neben dem Prozess, der ja festgelegt ist, und der breiten Beteiligung, die wir haben, zu Beginn eine große Rolle.

Dann muss der zweite Schritt kommen. Das haben wir in Frankreich gelernt. Wir haben uns in Frankreich über das Wirtsgestein Ton informiert. Wir haben uns Finnland angesehen. Wir werden jetzt noch in die Schweiz fahren - Kollege Wenzel war ja auch schon da -, um uns dort auch zu informieren. Wir werden deutlich machen müssen, dass unterschiedliche Wirtsgesteine infrage kommen. Das ist eben nicht nur Salz, weil man die Erfahrung in Gorleben gemacht hat. Es kann Ton, es kann aber auch kristallines Gestein sein.

Eins ist aber ganz wichtig: In Deutschland gibt es gar keine Erfahrungen mit der Endlagerung in Ton oder in kristallinem Gestein, weil man sich auf Salz konzentriert hat und für Salz auch Endlagermethoden entwickelt hat. Deswegen ist es umso wichtiger - abgesehen von dem Geologiedatengesetz -, zu sagen, dass wir eine deutliche Ausweitung der Verpflichtung haben, den Austausch über die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen, die man in den anderen Ländern bezüglicher anderer Wirtgesteine hat, die für Deutschland infrage kommen, herbeizuführen. Wir dürfen nicht am Ende sagen: „Wir haben zwar auch andere geolo

gische Strukturen in Deutschland, aber wir haben ja gar keine Erkenntnisse, wie man dort sicher einlagern kann“, und dann wieder auf Salz zurückfallen. Das darf es nicht sein. Was es am Ende wird, weiß ich nicht. Aber es darf keinen Ausschluss geben, keine Festlegung, dass etwas nicht geht.

Was auch eine Rolle spielt - deswegen haben wir uns das angesehen -, ist der soziale Dialog. Ich würde mir wünschen, dass es uns in diesem gesamten Dialog - er beginnt quasi heute mit einer öffentlichen Debatte; und er wird im Sommer oder im Herbst noch aktiver - gelingt, auch junge Menschen an dem Prozess zu beteiligen, damit sie als kritischer Teil der Öffentlichkeit diesen Prozess verfolgen, sich einbringen. Denn am Ende werden sie es sein, die in 15 Jahren wo auch immer in politischer Verantwortung sein werden und Entscheidungen mittragen können. Je besser es uns gelingt, diese Generation, die dann Entscheidungen mittragen kann, mitzunehmen, desto größer ist unsere Chance, dass das, was wir heute machen, nicht vergebens ist, sondern dass wir mit der Entscheidung, die wir treffen, auch wirklich die Chance eröffnen, eine sichere Endlagerung für etwas herbeizuführen, das wir irgendwann einmal als Lösung für die Energieversorgung der Zukunft angesehen haben.

Ich hoffe, auch der Letzte lernt bei einer solchen Debatte, dass es für die Kernenergie in Deutschland keine Chance mehr gibt. Auch das muss das klare Signal sein.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist beendet. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Empfohlen wird der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.