Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Dies vorangestellt, möchte ich Sie jetzt näher über Herrn Ajatollah Shahroudi und seinen besagten Aufenthalt in Niedersachsen unterrichten.

Nach vorliegenden Informationen ist er Vorsitzender des Schlichterrats der Islamischen Republik Iran und war in dem Land mehrere Jahre lang u. a. Oberster Richter. Als Vorsitzender des Schlichterrats ist er laut Angaben der Iranischen Botschaft - ich zitiere - den Chefs der drei Gewalten der Islamischen Republik Iran gleichgestellt. Er gilt als einflussreicher Funktionär innerhalb des iranischen Herrschaftssystems.

Wie bereits das Auswärtige Amt in einer Regierungspressekonferenz der Bundesregierung vom 15. Januar 2018 mitgeteilt hat, war Ajatollah Shahroudi mit einem von der deutschen Botschaft in Teheran ausgestellten Visum zur humanitären medizinischen Behandlung nach Deutschland gereist. Bei dem erteilten Visum dürfte es sich um ein sogenanntes Schengen-Visum handeln. Derartige Visa werden durch die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen ohne Beteiligung der Länder erteilt. Ausländer, die sich für einen kurzfristigen Aufenthalt visumfrei oder mit einem Schengen-Visum in Deutschland aufhalten, unterliegen - auch das sei noch einmal in Erinnerung gerufen - keinerlei aufenthaltsrechtlicher Anzeige oder Meldepflicht.

Am 21. Dezember 2017 reiste Herr Ajatollah Shahroudi über den Flughafen Hamburg in die Bundesrepublik ein. Die Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin teilte dem Auswärtigen Amt in einer sogenannten Verbalnote mit, dass Ajatollah Shahroudi nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten wird. Im Anschluss an die Einreise über Hamburg hielt er sich nach vorliegenden Informationen dann in Berlin auf. Später reiste er nach Hannover weiter.

Hier hielt er sich seit dem 26. Dezember 2017 zu medizinischen Untersuchungen auf. Erst an diesem Tag, nämlich am 26. Dezember 2017, teilten das Auswärtige Amt der Niedersächsischen Staatskanzlei und das Bundeskriminalamt dem Landeskriminalamt Niedersachsen mit, dass sich Herr Ajatollah Shahroudi in Hannover befindet. Dies geschah aufgrund einer Verbalnote der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin vom selben Tag. Entsprechend bat die Niedersächsische Staatskanzlei das Niedersächsische Innenministerium, Weiteres zu veranlassen. Dazu gehört routinemäßig u. a. die Prüfung polizeilicher Schutzmaßnahmen.

Seinerzeit mitgeteilte Informationen hinsichtlich einer Gefährdung des Ajatollah Shahroudi galt es zu klären und zu bewerten. Im Raum standen zunächst Informationen, die auf mögliche Angriffe gegen die Person hindeuteten. Durch mein Haus wurde dann die für den Aufenthaltsort der Person örtlich zuständige Polizeidirektion Hannover beauftragt. Diese sollte anlassbezogene und insoweit erforderliche Maßnahmen nach eigener Lagebewertung prüfen und durchführen. Das Landeskriminalamt Niedersachsen wurde in diesem Kontext beauftragt, eine Gefährdungsbewertung durchzuführen.

Im Ergebnis führte die Polizeidirektion Hannover zunächst auf der Grundlage der eigenen polizeilichen Lagebeurteilung Schutzmaßnahmen durch. Daraufhin floss die Gefährdungsbewertung des Landeskriminalamtes in die Arbeit der PD ein.

In den folgenden Tagen des Aufenthalts wurden weitere gefährdungsrelevante Informationen bekannt. Vor diesem Hintergrund wurde die Gefahrenlage ebenfalls bewertet und wurden als notwendig erkannte polizeiliche Schutzmaßnahmen durchgeführt und nach und nach ausgeweitet.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Kollegen Toepffer für seine Klarstellung, in welcher Rolle hier die Polizei in einem Rechtsstaat tätig wird!

Meine Damen und Herren, richtig ist: Die PD Hannover hat verschiedene polizeiliche Maßnahmen zum Schutz von Ajatollah Shahroudi bis zu seiner Anreise zum Flughafen Hamburg am 11. Januar durchgeführt. Dies passierte aus den eben von mir beschriebenen Gründen und selbstverständlich nicht zu dem Zweck, dass sich eine Person einer Strafverfolgung entziehen kann.

Hinsichtlich der in Niedersachsen bekannt gewordenen Vorwürfe - und das ist wichtig, meine Damen und Herren - gegen Herrn Ajatollah Shahroudi, die sein Wirken in der Islamischen Republik Iran betreffen und die ich persönlich an dieser Stelle nicht kommentieren werde, ist es Fakt, dass die in Niedersachsen zuständigen justiziellen Stellen und von dort der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe umfassend nach eigener Kenntnisnahme und sofort unterrichtet worden sind.

In Strafanzeigen und in einem offenen Brief an Herrn Ministerpräsident Weil wurden Herrn Ajatollah Shahroudi sinngemäß Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch vorgeworfen. Gemäß

§ 142 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 120 Abs. 1 Nr. 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist zur Verfolgung eventueller Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch - ich bitte um Aufmerksamkeit! - der Generalbundesanwalt zuständig. In diesem Zusammenhang weise ich auch darauf hin, dass alle Anfragen von Medien und anderer Seite seitens der niedersächsischen Behörden sofort und dem jeweiligen Kenntnisstand entsprechend beantwortet worden sind.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Birkner zu?

Nein, ich möchte zunächst zu Ende ausführen; danach gern.

Letztlich steht dem Generalbundesanwalt und nicht der örtlichen Staatsanwaltschaft die Befugnis zu, die Frage des Anfangsverdachts einer Straftat im eben beschriebenen Sinne zu bejahen oder zu verneinen. Um dem Generalbundesanwalt dies zu ermöglichen, kommt der frühzeitigen Vorlage durch den Landesstaatsanwalt eine maßgebliche Bedeutung zu. Gemäß gesetzlicher Vorgaben sind im vorliegenden Fall die Staatsanwaltschaft Hannover und die Generalstaatsanwaltschaft Celle verfahren. Auch über das Bekanntwerden der avisierten Ausreise der Person in Niedersachsen wurde die Bundesanwaltschaft unverzüglich informiert.

Lassen Sie mich zum Schluss mein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass hier - wenn auch mit unterschiedlicher Intonierung - von der AfD und von den Grünen Kritik daran geübt wurde, dass die Landesregierung jemanden nicht in Haft genommen hat, wobei gar kein Haftbefehl vorgelegen hat. Ich muss schon sagen: Ich finde das einigermaßen erstaunlich. Der Rechtsstaat sollte sich an seine eigenen Regeln halten.

Danke.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, es liegt noch eine Wortmeldung von Herrn Lilienthal, AfD-Fraktion, vor. Sie haben entsprechend § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die Möglichkeit, hier noch einmal das Wort zu nehmen. Ich erteile Ihnen das Wort für zwei Minuten. Ob sich danach Herr Dr. Birkner auf diesem Weg noch einschalten will, werde ich notieren. - Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Besucher auf der Tribüne! Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie werden irgendwie nicht müde, der AfD-Fraktion die Fähigkeit zum politischen Diskurs abzusprechen. Dabei beziehen Sie sich jeweils - bisher zumindest - nicht auf unsere Fraktion. Dabei sitzt die AfD hier doch in Sichtweite. Sie greifen regelmäßig auf Zitate unserer Bundesführung zurück. Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich freue mich sehr darüber, dass Sie offensichtlich ein Follower und ein großer Fan von Herrn Gauland und von Frau Petry sind.

(Zustimmung bei der AfD - Zurufe)

- Ja, ich komme gleich noch dazu.

Allein: Herr Gauland sitzt hier nicht. Wenn Sie sich mit Herrn Gauland streiten wollen, müssen Sie sich auf Bundesebene ambitionieren oder einen persönlichen Termin mit Herrn Gauland verabreden. Das kriegen wir sicherlich hin. Solange das aber nicht der Fall ist, sollten Sie sich mit uns beschäftigen.

Herr Bothe hat hier gerade eine Rede gehalten, auf die Sie hätten aufspringen können. Das aber haben Sie nicht gemacht. Beschäftigen Sie sich mit uns! Tun Sie das gern hart in der Sache, aber mit Anstand! Bisher vermissen wir diesen Anstand. Gestern ist hier von SPD-Seite gesagt worden, wir sollten uns schämen - und das beim Thema „Klimawandel“. Dieses Thema in Verbindung mit Scham, also einem höchstpersönlichen Gefühl, zu bringen, halte ich für reichlich krude.

Ganz ehrlich: Aus meiner Sicht könnten Sie hier meinetwegen behaupten, die Erde sei eine Scheibe. Ich würde nicht dazu kommen, Sie zu bitten, sich dafür zu schämen; denn Scham muss bei ganz anderen Themen angesprochen werden.

(Beifall bei der AfD)

Oder die Reaktion des Innenministers gestern auf die Rede unseres Fraktionsmitglieds Jens Ahrends, als er sagte, wir würden von Freiheit und Toleranz faseln: Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Innenminister, nicht die AfD braucht Nachhilfe im Parlamentarismus, Sie brauchen Nachhilfe im Parlamentarismus. Das haben Sie gestern und heute eindrucksvoll bewiesen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn Sie meinen, Sie können Meinungen, die Ihnen nicht genehm sind, hier so wegdrücken, dann brauchen Sie nicht nur Nachhilfe im Parla

mentarismus, sondern dann müssen Sie ihn möglicherweise sogar ganz neu lernen. Denn die AfD repräsentiert - ob Ihnen das nun gefällt oder nicht - eine wachsende Masse unseres Volkes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. - Ich nehme Herrn Dr. Birkner noch dazu, ebenfalls für zwei Minuten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der AfD, ich möchte mir nicht zu eigen machen, was die Kollegen von SPD, Grünen oder von anderen Parteien sagen. Jeder spricht für sich selbst, und ich muss sie auch nicht verteidigen. Aber Sie müssen sich in gewisser Weise schon vorhalten lassen - Sie gehören nun einmal zu einer bestimmten Partei -, dass dort bestimmte Meinungen vertreten werden. Deshalb verstehe ich Ihre Dünnhäutigkeit nicht so ganz. Wenn wir so dünnhäutig wären wie Sie, dann würden wir das eine oder andere Mal doch erhebliche Probleme damit haben, im parlamentarischen Diskurs weiter dabei zu sein.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Also: Klären Sie diese Dinge eher in Ihrer Partei, als zu versuchen, dies hier zu tun!

Aber zurück zur Sache!

Herr Minister, eigentlich wollte ich Ihnen eine Frage stellen. Sie sind leider sehr schnell vom Redepult weggegangen. Wie dem auch sei!

Für mich ist die entscheidende Frage: Wann sind denn diese Ermittlungen dann tatsächlich durch die niedersächsischen Behörden geführt worden? Sie haben zwar zu Recht auf die Zuständigkeiten des GBA und von anderen hingewiesen, aber wenn ein Anfangsverdacht vorliegt, wird ein Polizeibeamter ja nicht sagen: „Oh, da ist der GBA zuständig, darum kümmere ich mich nicht“, sondern er hat ja einen Verfolgungszwang.

Also: Wann haben tatsächlich die niedersächsischen Behörden angefangen, Ermittlungen zu führen und den GBA darüber zu informieren? Das ist für mich die entscheidende Frage. Hat man zugekuckt und gewartet, bis irgendetwas passiert, oder hatte man Kenntnisse, die dazu geführt haben, dass man es früher gemacht hat?

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Herr Pistorius? - In der Dringlichen Anfrage geht es mit dem gleichen Thema weiter.

Mir liegen zu Punkt c der Aktuellen Stunde keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Aktuelle Stunde schließe.

Wir gehen über zu dem

Tagesordnungspunkt 14: Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Sie kennen das: am besten gar keine Einleitung, kurz und heftig die Fragen, auf den Punkt, ohne Werturteile, ohne Beleidigungen, ohne strafrechtliche Hintergründe usw. zu benennen, und dann gibt es eine flotte Antwort. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Jetzt geht es los mit

a) Umstrittener ehemaliger Oberster Richter der iranischen Justiz im INI - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/200

Wenn ich jetzt eine Wortmeldung aus der Fraktion bekäme, wüsste ich, wer diese Anfrage offiziell einbringt. - Herr Meyer, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stellen die folgende Dringliche Anfrage, über die wir eben schon diskutiert haben: „Umstrittener ehemaliger Oberster Richter der iranischen Justiz im INI“.

Der ehemalige Oberste Richter des Iran, Ajatollah Mahmud Shahroudi, wurde im Januar 2018 in einer Privatklinik in Hannover behandelt. Laut Amnesty International fallen in seine Zeit als Justizchef der Islamischen Republik (1999 bis 2009)