Das werden wir uns nicht weiter gefallen lassen. Deswegen rege ich an, dass das einmal sehr deutlich zur Sprache gebracht wird.
Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen - deswegen haben die beiden Kollegen die Möglichkeit zur persönlichen Bemerkung erhalten -: Beide wurden persönlich angesprochen; das ist richtig. Allerdings ist auch richtig - darauf habe ich eben hingewiesen -, dass sie im Zuge ihrer persönlichen Bemerkung dann doch wieder von den persönlichen Be
langen zum eher Allgemeinen, was ihre Partei angeht, hinübergewechselt sind. Das wiederum war nicht korrekt.
Herr Nacke hat keinen Antrag gestellt, sondern er hat eine Anregung gegeben, die sicherlich an entsprechender Stelle aufgegriffen wird.
c) Rettet die 112 - Reform der Notfallversorgung nicht gegen Land und Kommunen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 18/5914
Für die SPD-Fraktion hat sich die Kollegin Dr. Thela Wernstedt zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt haben wir einen krassen Themenwechsel mit diesem wunderbar plakativen Titel „Rettet die 112“. Aber wie immer ist die Wirklichkeit komplizierter.
Die Verantwortlichkeiten und die Finanzierung des Gesundheitswesens und damit auch des Rettungsdienstes sind auf unterschiedliche politische Ebenen verteilt - wie fast alle Themen in unserem Land. Das macht auch jede politische Beschäftigung mit dem Gesundheitswesen heillos komplex. Kurze, verständliche Zusammenfassungen sind dabei eine Herausforderung.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten 2018 über die bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung die aktuelle Situation der Notfallversorgung in Deutschland analysiert und einen erheblichen Reformbedarf in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen festgestellt sowie richtungsweisende Empfehlungen zur Neuordnung erarbeitet.
Ich zitiere aus dem Referentenentwurf des BMG zur Reform der Notfallversorgung, der uns seit Januar 2020 vorliegt, dessen grundlegende Ideen aber schon über das gesamte letzte Jahr in den Fachkreisen diskutiert worden sind:
„Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es für eine bedarfsgerechte und ressourcenschonende Notfallversorgung einer einheitlichen, qualitätsgesicherten Ersteinschät
zung der von Hilfesuchenden als Notfälle empfundenen Erkrankungssituationen und einer professionellen Steuerung und Vermittlung in die aus medizinischer Sicht gebotene Versorgungsstruktur bedarf. Dies setzt eine integrierte Notfallversorgung voraus, die durch eine verbindliche Kooperation aller handelnden Akteure des Rettungsdienstes und der ambulanten und stationären Notfallversorgung zu erreichen ist und durch eine digitale Vernetzung begleitet sein muss.“
Die Landkreise sind Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes und stellen die Versorgung von Kranken und Verletzten rund um die Uhr innerhalb von 15 Minuten ab Meldung des Vorfalls sicher. Nur diese 15 Minuten hat man nämlich bei Vorliegen eines Kreislaufstillstandes zur Reanimation ohne zerebrale Folgeschäden. Die Landkreise nehmen diese Zuständigkeit professionell und zuverlässig seit vielen, vielen Jahren und mit guten Kenntnissen regionaler Besonderheiten wahr.
Wenn die kommunalen Spitzenverbände an dieser Stelle öffentlich Alarm schlagen, ist es richtig, hier genau hinzusehen.
In der Enquetekommission zur Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen haben wir uns im Frühjahr 2019 ausführlich mit den Problemen des Rettungsdienstes und der Notaufnahmen beschäftigt. Währenddessen kursierten schon die ersten Ideen für den Referentenentwurf zur Neuordnung des Rettungswesens nach den Vorschlägen des Sachverständigenrates durch die Fachgremien.
In dieser Enquetekommission haben wir nach den Vorschlägen des Sachverständigenrates die Bildung regionaler integrierter Leitstellen zur Koordination aller nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr und des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes bereits im letzten Frühjahr miteinander konsentiert. Das heißt konkret, dass nicht nur wie bisher die Rettung und der Krankentransport über die Feuerwehrleitstellen organisiert werden - hier kommt auch endlich die 112 ins Spiel -, sondern zusätzlich soll der kassenärztliche Notdienst, der jetzt bundesweit noch die Telefonnummer 116117 hat, dort integriert werden.
Hier gibt es aber eine folgenschwere Unschärfe, die von den kommunalen Spitzenverbänden aus meiner Sicht völlig zu Recht angemahnt wird: Das neue Terminservicegesetz nutzt die Telefonnum
mer 116117 ebenfalls - aber für Patientinnen und Patienten, die selbst keinen Facharzttermin bekommen. Gleichzeitig erreicht man aber bundesweit unter dieser Nummer den hausärztlichen Notdienst. Wenn zukünftig die Telefonnummer des Rettungsdienstes 112 mit der 116117 in einer integrierten Leitstelle aufläuft, um die Notfälle entsprechend ihrer Dringlichkeit durch die Disponenten zu steuern, ist schwer vorstellbar, wie diese Disponenten gleichzeitig noch für Facharzttermine sorgen sollen.
Der Referentenentwurf spart dieses Problem aus, aber es ist da und sollte im Vorfeld gelöst werden, ehe es in der praktischen Anwendung zu unlösbaren und damit auch gefährlichen Situationen kommt. In der Enquetekommission haben wir dieses Problem diskutiert, aber noch keine Position konsentiert.
Bei der Kostenschätzung im Referentenentwurf dazu, was die Veränderung der Verteilung der Patienten in die unterschiedlichen Träger kosten würde, gibt es große unbestimmte Bereiche. Dass die kommunalen Spitzenverbände dies nicht einfach so hinnehmen können, ist völlig verständlich. Das darf auch nicht passieren.
Ich fasse zusammen: In der hier vorliegenden Problemlage heißt es, dass die Rettungsleitstellen nicht mit Terminsuchen belastet werden dürfen, dass es keine unkalkulierbaren Kostenverschiebungen zu Ungunsten der Kommunen geben darf und überhaupt ohne die Beteiligung der Länder und der Kommunen keine strukturellen Entscheidungen bezüglich der Notfallversorgung einfach nur auf Bundesebene getroffen werden sollten.
Unsere Enquetekommission ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit allen wichtigen Playern auf diesem Gebiet strittig, aber am Ende im Konsens Entscheidungen treffen kann.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion der AfD hat sich nun der Kollege Bothe zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenden wir uns diesem Sachthema zu, welches wichtig ist, welches wir in
der Enquetekommission intensiv bearbeitet haben und welches wir auch in Zukunft weiter intensiv bearbeiten werden. Es hat schon verwundert, dass die SPD-Fraktion das jetzt aufs Tableau bringt. Aber warum nicht? Denn die Notfallversorgung und der Rettungsdienst müssen in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen verbleiben.
Wir als AfD-Fraktion positionieren uns klar gegen eine Verankerung der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes als einen eigenen Leistungsbereich im SGB V. Statt der Zentralisierung beim Bund müssen die momentanen Finanzierungskonzepte zugunsten der Länder und Kommunen angepasst werden, sodass diese atmen können und vorhandene gute Strukturen ausgebaut werden, wenn dies nötig ist.
Deshalb muss auf die Weiterentwicklung der Strukturen vor Ort abgezielt werden. Ein radikaler Systemwechsel, wie er jetzt in Berlin geplant wird, ist abzulehnen. Hierbei gilt es insbesondere, dass eine gleichberechtigte Mitsprache der Kommunen, der Feuerwehr sowie der Hilfsorganisationen maßgeblich sein muss, weil die Kommunen, aber auch die Akteure vor Ort am besten wissen, wo der Schuh drückt.
Die weiteren Akteure, die in diesem Zusammenhang wirklich berücksichtigt werden müssen, sind die Patienten. Denn bei allen Diskussionen geht es mittlerweile nur noch um Effizienz und Sparsamkeit, aber am Ende muss es um die Menschen gehen, die in Not sind und darauf angewiesen sind, dass jemand kommt und ihnen hilft.
Daher ist es dringend geboten, dass sich die Landesregierung und die Frau Ministerin dafür einsetzen, dass der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Reform der Notfallversorgung nicht in dieser Form angenommen wird. Insbesondere sind Sie als Landesregierung aufgefordert, die Vorschläge aus der Enquetekommission, die Frau Kollegin Wernstedt richtigerweise eben vorgelesen hat, umzusetzen, wenn diese komplett auf dem Tisch liegen.
Es ist ebenfalls erforderlich, dass die Notfallnummer 112 bei den kommunalen Trägern vor Ort verbleibt und sich in naher Zukunft mit dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst zusammen
Um ein reibungsloses Zusammenspiel der einzelnen Organe in der Notfallversorgung zu gewährleisten, ist auch das webbasierte Notfallmanagementsystem IVENA landessweit einzufordern. Zu
fördern sind auch Zusammenschlüsse der potenziellen kommunalen Leitstellen mit der Leistungsfähigkeit eines modifizierten flexiblen Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes.
Insbesondere gilt es aber, werte Kollegen, zu prüfen, wie die Modelle von Notfallpraxen, sogenannter Portalpraxen und Ein-Tresen-Modelle in der Notfallversorgung installiert und so mit dem Rettungswesen verknüpft werden können, dass hierbei Synergien geschaffen werden.
Außerdem gilt es, eine zusätzliche Prüfung der vorhandenen Strukturen und gesetzlichen Rahmenbedingungen angesichts der Maßnahmen innerhalb des Bereitschaftsdienstes vorzunehmen.
Jetzt, werte Kollegen, ist der Referentenentwurf auf dem Tisch. Wie wir den Bundesgesundheitsminister kennen, wird er diesen kurzfristig durchsetzen, sodass dieser Entwurf dann kurzfristig und wahrscheinlich nur mit kleinen Veränderungen im Bundestag durchgewunken wird. Daher bitte ich Sie als Landesregierung, aber auch die SPDFraktion, sich im Bund bei der Bundes-SPD dafür einzusetzen, dass die Kommunen hier nicht vergessen werden.
Ich fordere Sie auf, Frau Ministerin, dass Sie sich mit Ihren Länderkollegen zusammenschließen und diese radikale Reform des Bundes verhindern. Die Kommunen sind der Ort der Leitstellen, und da müssen sie bleiben.
Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Für die CDUFraktion hat nun der Kollege Hillmer das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD zur Aktuellen Stunde nimmt Bezug auf einen kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Reform der Notfallversorgung. Danach sollen künftig die Notfallambulanzen der Krankenhäuser durch Integrierte Notfallzentren an ausgewählten Standorten ersetzt werden, worüber Krankenkassen und Kassenärzte letztlich bestimmen sollen. Zudem ist vorgesehen, den kommunalen Rettungsdienst faktisch der Planung der Krankenkassen und Kassenärzte zu unterstellen.
Mit der Reform sollen vor allem die Rettungsstellen der Kliniken entlastet werden. Künftig soll stärker vorab entschieden werden, ob Patienten in die Notaufnahme kommen sollen oder ob etwa ein zeitnaher Arzttermin ausreicht. Notfallleitstellen sollen klären, ob ein Patient ins Krankenhaus kommen soll, ob der Bereitschaftsdienst zuständig sein soll oder ob auch eine normale Sprechstunde reicht.