Protokoll der Sitzung vom 27.02.2020

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN - Zu- stimmung bei der AfD)

Gerade die Menschen, die unseren Rechtsstaat repräsentieren und durchsetzen sollen, dürfen im persönlichen Umfeld nicht zur Zielscheibe von Extremisten, egal aus welcher Richtung, werden. Das gilt ausdrücklich auch für Rechtsextremisten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Die im Antrag genannten Personengruppen müssten daher noch um weitere ergänzt werden, u. a. um Polizisten, Justizvollzugsbeamte und Richter. Bei all diesen Personengruppen darf es nicht mehr so einfach sein, an persönliche Daten aus dem Melderegister zu kommen. Insoweit bin ich skeptisch, ob der vorgeschlagene Weg, der betroffenen Person vor der Auskunftserteilung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, am Ende praktikabel ist. Das erscheint mir doch sehr aufwendig. Denn im Zweifel müsste die betreffende Person gegebenenfalls mehrmals am Tag eine solche Stellungnahme abgeben. Ich bevorzuge daher den Weg über die Einführung einer gesetzlichen Vermutung, dass bei diesen Personenkreisen die Voraussetzungen für eine Auskunftssperre nach § 51 Abs. 1 Bundesmeldegesetz vorliegen.

Aber das löst das Problem der Zunahme von Gewalt und Hass gegen Mandatsträger und andere Repräsentanten unseres demokratischen Staates nicht. Ich halte die Zunahme von Hass und Hetze, die insbesondere in der digitalen Welt verbreitet werden, für eine zentrale Herausforderung unserer Gesellschaft und auch unserer Demokratie.

Am Ende - damit komme ich ein Stück weit zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Watermann - muss es die Gesellschaft sein, die einerseits die Grenzen der Meinungsfreiheit deutlich macht, aber andererseits die Meinungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Diskurs verteidigt.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dazu gehören eine Stärkung der Strafverfolgungsbehörden und sicher auch bessere Rahmenbedingungen für Menschen, die sich gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen wehren möchten. Was jedoch nicht geschehen sollte, ist eine übereifrige Ausweitung des Strafgesetzbuches.

Dass z. B. jetzt auch die Drohung mit einer einfachen Körperverletzung strafbar werden soll, kann zu massiven praktischen Problemen führen. Bereits bei niedrigschwelligen Drohungen, möglicherweise in Form einer rhetorischen Frage, so wie wir es oft auf dem Schulhof oder in einer Kneipe erleben, mit dem schärfsten Schwert des Rechtsstaates, nämlich mit dem Strafrecht, zu kommen, erscheint mir überzogen. Mal abgesehen davon, dass dies zu einer weitergehenden Überlastung unserer Strafverfolgungsbehörden führen würde, käme es auch zu einer kaum beherrschbaren Kriminalitätszunahme insbesondere im Bereich der Jugend. Ohne dass sich die tatsächliche Kriminalität verstärken würde, bekäme die Bevölkerung bei der Veröffentlichung der nächsten Statistik das Gefühl, die Kriminalität würde explodieren. So etwas nützt nur einer Partei, meine Damen und Herren.

Bei allen Verschärfungen im Strafrecht ist daher mit Bedacht vorzugehen. Aber über all diese wichtigen Dinge werden wir sicherlich in den Ausschussberatungen, die wir dazu führen werden, weiterdiskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Genthe. - Für die CDU-Fraktion hat sich nun der Kollege Thomas Adasch zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Klima in unserer Gesellschaft ist rauer geworden. Das bekommen insbesondere diejenigen zu spüren, die mit ihrem Einsatz und Engagement ganz wesentlich zum Funktionieren unserer Gesellschaft beitragen, ob Polizisten, Feuerwehrleute, Mitarbeiter der Rettungsdienste oder seit einiger Zeit auch vermehrt Politiker.

Beleidigungen, Bedrohungen und teilweise körperliche Übergriffe sind für viele traurige Realität, ganz aktuell der Farbanschlag auf das Wohnhaus des Oberbürgermeisters von Goslar, Oliver Junk - Beleidigungen, bei denen sich jeder anständige Mensch mit Ekel abwenden möchte, Bedrohungen gegen Leib und Leben, bei denen auch Familienangehörige nicht außen vor bleiben, körperliche Übergriffe bis hin zum Mord. Einige prominente Fälle sind uns allen dabei in schmerzhafter, teils noch frischer Erinnerung.

Gerade auf kommunaler Ebene gibt es jedoch auch viele weniger prominente Fälle. Vielfach sind dabei Ehrenamtliche betroffen, und vielfach kommt auch hier die Gefahr von rechts außen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat ein Bürgermeister einen Waffenschein beantragt. Er war bedroht worden, nachdem er gegen antisemitische und menschenverachtende Wahlplakate einer rechtsextremen Partei vorgegangen war. Das ist nur ein Beispiel von vielen im Lande.

Im Kampf gegen Hass und Hetze im Netz hat die Große Koalition im Bund bereits 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen, welches die verschiedenen Plattformbetreiber bei der Unterstützung dieses Kampfes in die Pflicht nimmt.

Im Angesicht der schrecklichen Ereignisse, die sich seitdem ereignet haben, hat das Bundeskabinett am 19. Februar einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität beschlossen. Bei konkreten Anhaltspunkten, etwa Morddrohungen, Volksverhetzung oder Androhung sexueller Gewalt, sollen die Plattformbetreiber zukünftig zu einer Meldung an das Bundeskriminalamt verpflichtet werden. Zudem sollen solche Delikte in Zukunft deutlich härter bestraft werden. Es soll eine Anpassung von Straftatenkatalogen erfolgen, um verschiedene Lücken zu schließen.

Die sozialen Medien sind nur eine Seite der Medaille. Denn wie wir wissen, finden Hass und Hetze nicht nur in der virtuellen Welt statt, sie bahnen sich ihren Weg in die Realität, wo sie auch in Gewalt gipfeln. Darum sieht der Gesetzentwurf einige Verbesserungen hinsichtlich des Melderechtes vor.

So sollen die bislang sehr strengen Voraussetzungen für die Erteilung einer Auskunftssperre gelockert werden. Zudem sollen die schutzwürdigen Interessen, die eine Auskunftssperre rechtfertigen, um den Schutz vor Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugter Nachstellung erweitert werden.

Auch die Große Koalition in Niedersachsen beschäftigt sich schon lange mit dem Themenkomplex. Im letzten Jahr wurde durch den Landtag ein Entschließungsantrag der die Koalition tragenden Fraktionen angenommen. Dieser widmete sich dem besseren Schutz von Einsatzkräften und Amts- und Mandatsträgern und umfasste u. a. die Erarbeitung eines Fünf-Punkte-Plans zum Schutz kommunaler Mandatsträger.

Im Landeskriminalamt wurde eine zentrale Stelle zur Bekämpfung von Hass im Internet eingerichtet, die u. a. als zentraler Ansprechpartner für die Polizeibehörden dient und gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt Gefährdungsbewertungen für Niedersachsen erstellt und fortschreibt. Auch die Sichtung von Feindeslisten politischer Extremisten und die Information der Betroffenen zählen zu ihren Aufgaben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Problemlagen sind erkannt. Sowohl in Niedersachsen als auch auf Bundesebene wurde und wird entschieden reagiert. Die unbedingte Entschlossenheit, gegen Hass, Hetze und Gewalt vorzugehen und die davon Betroffenen zu schützen, ist Konsens unter den demokratischen Parteien in diesem Hause.

Über die im Einzelfall besten Wege werden wir dabei gemeinsam diskutieren. In diesem Sinne freue ich mich auf die konstruktive Beratung im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Adasch. - Für die AfDFraktion hat sich der Kollege Jens Ahrends zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Menge, ich danke Ihnen für die sachliche Einbringung zu diesem Thema. Auch wir, die AfD, sehen den Antrag der Grünen als sehr sinnvoll an. Er macht auch für mich persönlich Sinn; denn er erinnert mich stark an einen ähnlichen Antrag, den die AfD gestellt hat.

Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu tätlichen Angriffen gegen Politiker, aber auch ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche Akteure sowie Journalisten und andere Personen des

öffentlichen Lebens haben in der letzten Zeit leider zugenommen. Dabei hat unabhängig von einer Parteizugehörigkeit die Gefahr für alle Angehörigen und Vertreter öffentlicher Mandate ebenso zugenommen. Dem muss begegnet werden.

Nicht nur der Deutsche Richterbund forderte kürzlich eine Vereinfachung von Auskunftssperren aus Sicherheitsgründen. Nein, auch die AfD - ich erwähnte es - hat dies in der Drucksache 18/1518 bereits im September 2018 gefordert. Im September 2018!

Was die Grünen allerdings nicht fordern - die AfD aber schon -, ist eine Auskunftssperre für den Polizeidienst, für den Justizvollzugsdienst, für die Staatsanwaltschaft und für Richter; Herr

Dr. Genthe hat es zitiert. Es ist in der Vergangenheit leider vorgekommen, dass Polizisten an ihrem Wohnort von Personen aus dem kriminellen Umfeld bedroht und auch ihre Familien in Angst und Schrecken versetzt wurden. Dem muss u. a. mit einer Auskunftssperre entgegengewirkt werden.

Deshalb begrüßen wir zunächst den hier gestellten Antrag, würden aber auch gemäß unseres Antrages ergänzen wollen, dass eine Auskunft über die Zulassungsstellen gemäß § 39 Straßenverkehrsgesetz ebenso erschwert wird. Hiernach kann man bislang relativ einfach aufgrund des Kennzeichens eines Fahrzeugs auch die Adresse des Halters erfragen. Auch das muss gestoppt werden.

Auch Wohnanschriften der Kandidaten, die sich zu einer Wahl stellen, nicht mehr vollständig zu veröffentlichen, macht natürlich Sinn. In diesem Zusammenhang befürworten wir auch eine härtere Sanktionierung von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, wie von Ihnen gefordert wird.

Die Regierungsparteien sind nach eigener Aussage an einem ähnlichen Gesetzentwurf dran. Wir dürfen gespannt sein, wie weit dieser seit September 2018 schon gediehen ist.

Welcher Antrag auch immer zum Schutz der Mandatsträger, der Ehrenamtlichen, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens seinen Weg ins Plenum findet, wird dann ganz bestimmt mit den Stimmen der AfD beschlossen. Wir hoffen, dass er deswegen nicht rückgängig gemacht werden muss.

Nicht anschließen können wir uns jedoch Ihrem Antrag gegen Hate Speech. Natürlich verurteilen wir ebenso wie Sie jede Art von Drohungen oder Gewalt; das ist ganz klar. Wir befürchten jedoch,

dass Ihr Antrag vor allem darauf abzielt, die freie Meinungsäußerung in unzulässiger Weise einseitig einzuschränken, um mit Ihren vermeintlichen Bildungsangeboten politische Indoktrination betreiben zu wollen.

Nur ein Richter sollte entscheiden dürfen, ob eine Aussage noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, oder ob sich die Person der Beleidigung, der Volksverhetzung oder Ähnlichem schuldig gemacht hat. Das können nicht die Mitarbeiter von Frau Kahane, von Facebook und Co.

So gibt es Hate Speech laut Ihrer Definition fast ausschließlich gegen Migranten und Minderheiten. Ich frage Sie: Was ist mit den verbalen Angriffen gegen Andersdenkende? Ist es für Sie okay, wenn Menschen als „Gesindel“ oder als „Krebsgeschwür“ bezeichnet werden, oder ist das auch Hate Speech?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist nicht okay, natürlich nicht!)

Wir sollten eher daran arbeiten - das wurde gestern schon gesagt -, die Verfasser strafbarer Postings leichter zu identifizieren, indem wir z. B. die IP-Adressen länger speichern und diese auch leichter zugänglich machen, um im Falle einer Strafanzeige schneller den Urheber eines Posts nach den bestehenden Gesetzen zur Verantwortung ziehen zu können. Es darf nicht immer mehr Denk- oder Sprechverbote geben. Das ist mit der AfD nicht zu machen.

Dieses „Das darf man ja nicht mehr sagen“ haben wir heute leider schon viel zu oft gehört. 69 % der Befragten geben bei einer Umfrage zu, dass es schlimmer geworden ist und sie sich in der Öffentlichkeit nicht mehr trauen, viele Dinge auszusprechen. Das ist eine Entwicklung, der wir entgegenwirken müssen. Wir alle wollen doch sicher nicht, dass die Verhältnisse in unserem Land einer DDR immer ähnlicher werden.

(Zuruf von der SPD)

Herr Watermann, zu Ihnen: Ich weiß nicht ganz genau, was Sie mit „Frankfurt“ meinen. Wenn Sie den Mord an dem achtjährigen Leon S. meinen, der vor einen einrollenden Zug gestoßen wurde - da fehlen mir wirklich die passenden Worte. Da haben Sie recht: Es kann sein, dass die Reden nicht passen, aber ich war ein bisschen emotional, als ich dazu etwas gesagt habe. Solch ein schreckliches Verbrechen! Ich habe mir in meiner

schlimmsten Phantasie nicht vorstellen können, dass so etwas mal passiert.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ahrends. - Es liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor. Das Wort hat der Kollege Watermann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau da ist es wieder: Alles ist erlaubt und alles, was man sagen kann, ist zulässig? - Es gibt dafür Grenzen, und für das gesprochene, geschriebene oder geäußerte Wort trägt man Verantwortung.