Protokoll der Sitzung vom 12.05.2020

Artikel 2 §§ 5 bis 7. - Unverändert.

Artikel 2 Überschrift. - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - CDU und SPD. - Wer ist dagegen? - AfD, FDP und Grüne. - Enthält sich jemand? - Das ist nicht der Fall. Somit wurde der Änderungsempfehlung des Ausschusses auch hier gefolgt.

Artikel 3. - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses folgen möchte, den bitte ich nunmehr um ein Handzeichen. - Das sind SPD und CDU. - Gibt es Gegenstimmen? - Gegenstimmen gibt es von AfD, FDP und Grünen. - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall.

Artikel 4. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Wer hier der Änderungsempfehlung des Ausschusses folgen möchte, den bitte ich nunmehr um ein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD und CDU. - Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktionen von Grünen, FDP und AfD. - Enthält sich jemand? - Das ist nicht der Fall. Somit ist auch hier der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Wer also diesem Gesetzentwurf mit seinen Änderungen zustimmen möchte, den bitte ich, sich jetzt vom Platz zu erheben. - Wer dagegen ist, möge sich jetzt erheben. - Gibt es Enthaltungen? Dann möge man sich jetzt erheben. - Das ist nicht der

Fall. Somit ist das Gesetz mit Änderungen angenommen worden.

Wir werden jetzt einen Wechsel in der Sitzungsleitung vornehmen.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult und den Platz der Sitzungsleitung)

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn im Hause Ruhe eingekehrt ist, rufe ich auf den Tagesordnungspunkt - - -

(Unruhe)

- Herr Kollege Bode, es ist übrigens Ihr Antrag, der jetzt gleich beraten wird. Ein bisschen Aufmerksamkeit, dann klappt das auch.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Deswegen ist er ja so aufgeregt!)

- So aufgeregt kenne ich ihn sonst nur bei anderen Gelegenheiten.

(Heiterkeit - Jens Nacke [CDU]: Bitte keine Details!)

Aber lassen wir uns von der Debatte überraschen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 18/6381

Zur Einbringung - und die Aufregung bei Herrn Bode steigt, wie ich sehe - hat sich der Kollege Dr. Birkner gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Gesetzentwurf für ein Niedersächsisches Gesetz zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie wollen wir zwei Bereiche regeln.

Der eine Bereich ist, dass wir damit einen Weg aufzeigen wollen, wie die Rechtsetzung in dieser Corona-Pandemie parlamentarischer gestaltet

werden kann, wie also wir als Landtag - wie wir

heute Morgen in der Aussprache zur Regierungserklärung an verschiedenen Stellen bereits angesprochen haben - sicherstellen können, dass der Niedersächsische Landtag - dieses Hohe Haus - in diese Beratung mit einbezogen wird und eben nicht nur informiert, sondern echt beteiligt wird.

Der zweite Punkt, den wir hiermit regeln, ist - die Grundsätze zur Bekämpfung der Pandemie definieren wir im § 3 -, dass es insbesondere um „die Verfügbarkeit der notwendigen medizinischen Versorgung“ geht und dass es darum geht, dass der öffentliche Gesundheitsdienst in die Lage versetzt werden und in der Lage bleiben muss, „die Ausbreitung des Virus wirksam zu bekämpfen“ - das sind aus unserer Sicht zwei wichtige Säulen, die sich in den letzten Wochen herausgestellt haben -, und dass die Landesregierung die Pläne, die sie dafür hat, dem Landtag regelmäßig zur Beratung zuzuleiten und darüber im Abstand von drei Monaten jeweils zu berichten hat.

Es soll also eine Berichts- und Beratungsgelegenheit bezüglich der grundsätzlichen Pläne geben, was die Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und was die Entwicklung der medizinischen Versorgung angeht. - Das ist also die zweite Säule.

Besonders zur ersten Säule - der Einbindung des Parlaments in die Entscheidungsfindung - möchte ich näher ausführen. Ich denke, der andere Bereich ist relativ selbstredend und klar.

Wir betreten mit unserem Gesetzesvorschlag durchaus Neuland. Gleichwohl ist es nach unserer Auffassung ein guter Weg, in dem bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen dazu zu kommen, dass der Niedersächsische Landtag - andere Landtage könnten es genauso machen - tatsächlich einbezogen wird.

Die bisherigen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen, die durch die Landesregierung erlassenen Ge- und Verbote, beruhen alle auf § 32 des Infektionsschutzgesetzes des Bundes. Dort ist eine Verordnungsermächtigung der Landesregierung eingeräumt - und zwar ausdrücklich und explizit der Landesregierung, die durch Verordnungen all das regeln darf. Auch die Exit-Strategie soll - so verstehe ich das - auf diesem Weg beschritten werden. Zumindest habe ich von der Landesregierung heute bedauerlicherweise nichts anders gehört. Auch hier könnte man ja von sich aus auf die Idee kommen, den Landtag stärker einzubeziehen.

Das ist also die Rechtsgrundlage, auf der gehandelt wird. Man muss sich auch klarmachen, dass in der Situation Grundrechte massiv betroffen sind. Das heißt, Rechtsverordnungen greifen massiv in grundrechtsrelevante Bereiche ein. Wir haben das hier ausgiebig diskutiert.

Dafür, wie die Landesregierung eine Verordnung erlässt, ist normalerweise wenigstens die Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung maßgeblich, in der die vorbereitenden Schritte einer Verordnungsgebung beschrieben sind. Soweit ich das wahrnehme, wird aber noch nicht einmal sie bezüglich der Abstimmungsprozesse, der Anhörungsvorschriften usw. eingehalten.

Es findet also ein - sicherlich auch der Situation geschuldet - extrem beschleunigtes Verfahren statt, in dem die qualitätssichernden Maßnahmen innerhalb der Regierungsarbeit nicht mehr eingehalten werden bzw. nicht mehr eingehalten werden können. Das führt zu hinreichend bekannten ungewollten Regelungen, die schnell wieder korrigiert werden müssen. Es leidet also auch die Qualität der Rechtsetzung darunter.

Bei dieser ganzen Rechtsetzung sind die Landtage überhaupt nicht beteiligt. Die Grünen haben einen Antrag auf Aktivierung von Artikel 25 gestellt. Das finde ich sehr naheliegend, und die Landesregierung hätte das eigentlich von sich aus eigentlich längst tun müssen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Offensichtlich bedarf es da einer Debatte über das Gesetz. Aber auch das ist zunächst einmal nur eine Unterrichtungsvariante und keine echte Beteiligungsvariante. Zugegebenermaßen gibt es die freiwilligen Unterrichtungen durch die Landesregierung in verschiedenen Ausschüssen wie dem Sozialausschuss. Aber es findet dadurch keine echte parlamentarische Mitwirkung statt. Man muss auch sagen, dass die gar nicht vorgesehen ist; denn es werden dort Verordnungen der Landesregierung erlassen. Insofern fällt die parlamentarische Kontrolle der konkreten Ge- und Verbote aus. Denn weder ist der Bundestag dafür zuständig, da es sich um exekutives Handeln einer Landesregierung handelt, noch der Landtag, weil die Landesregierung in § 32 explizit erwähnt ist.

Das alles ereignet sich vor dem Hintergrund, dass grundrechtsrelevante Regelungen erlassen werden. Das Wesentlichkeitsprinzip, das besagt, dass alle wesentlichen Entscheidungen durch Parla

mentsgesetz getroffen werden müssen, läuft hier völlig leer. Man sagt, dass es sich um ein exekutives Gesetz, eine Rechtsverordnung, handelt und das Parlamentsgesetz greift nicht.

Das ein oder andere Gericht hat dies schon aufgegriffen. Ich denke da an eine Kostenentscheidung des VG Osnabrück, in der das ausdrücklich erwähnt wurde. Die gestrige Entscheidung des OVG ist sicherlich nicht eindeutig so zu werten, weil dort ein spezieller Fall vorlag, ließ aber auch dieses Argument anklingen. Nach unserer Auffassung bedarf es insofern eines Parlamentsgesetzes.

Der Artikel 80 Abs. 4 des Grundgesetzes eröffnet den Weg dafür. Das heißt, wir brauchen gar keine Verfassungsänderung oder Ähnliches, weil es dort heißt, dass, wenn durch ein Bundesgesetz - in diesem Fall das Infektionsschutzgesetz - den Landesregierungen eine Verordnungsermächtigung gegeben wird, das Land durch den Landtag eine Regelung vornehmen kann. Wir können also in die Gesetzgebung eintreten.

Genau das schlagen wir mit diesem Gesetzentwurf vor, und zwar in einer anderen Variante, als man möglicherweise auf den ersten Blick denken könnte. Wir greifen nicht so weit, dass der Landtag alle materiellen Regelungen vornimmt, sondern greifen auf, was uns die Landesverfassung zubilligt. Wir nehmen uns die Gesetzgebungskompetenz, wie es Artikel 80 Abs. 4 vorsieht, und hinsichtlich der Ausübung der Gesetzgebungskompetenz greift dann das Landesverfassungsrecht. Unsere Landesverfassung sieht ausdrücklich vor, dass im Landesgesetz auch Verordnungsermächtigungen erteilt und diese unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt werden können.

Der Weg, den wir uns vorstellen, ist also: Wir als Landtag greifen uns die Gesetzgebungskompetenz aus § 32 und erteilen dann wieder eine Verordnungsermächtigung an die Landesregierung, stellen diese Verordnung der Landesregierung aber - das ist der materielle Unterschied - unter einen Zustimmungsvorbehalt, sodass sie uns vorher vorgelegt werden muss und wir darüber beraten können, eine inhaltliche Debatte führen können, die öffentlich zu führen wäre und damit auch Transparenz und Akzeptanz erzeugen könnte.

Für den Fall, dass die Dinge so eilbedürftig sind, dass sie sofort geregelt werden müssen, was bei Pandemiebekämpfung sicherlich immer der Fall sein kann, muss die Verordnung einer nachträglichen Genehmigung unterworfen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn die binnen sieben Tagen nicht erteilt wird, dann tritt die Rechtsverordnung, die von der Landesregierung aufgrund dieses Landesgesetzes erlassen wurde, automatisch außer Kraft.

So hätten wir einen Mechanismus, der auf der einen Seite die Handlungsfähigkeit in der Pandemiebekämpfung und auf der anderen Seite die parlamentarische Legitimation sicherstellt. Das ist eben mehr als eine - ich sage mal - freiwillige Beteiligung durch Informationsweitergabe. Es ist nämlich eine materielle, inhaltliche Mitsprache- und Entscheidungskompetenz.

Dafür, meine Damen und Herren, sind wir alle doch gewählt worden. Für das, was hier tatsächlich passiert, müssen sich doch insbesondere die Wahlkreisabgeordneten unter Ihnen vor Ort immer rechtfertigen. Bisher werden Sie aber außen vor gelassen.

Wir meinen: Der Landtag muss sich hier selbstbewusst behaupten - das Instrumentarium liegt auf dem Tisch - und muss diese Verantwortung annehmen. Er muss dabei effektives Handeln ermöglichen, aber gleichzeitig Legitimität und Transparenz erhöhen und damit auch all denjenigen, die das intransparente Handeln der Landesregierung zum Anlass nehmen, Verschwörungen zu wittern, den Boden entziehen.

Insofern ist unsere Bitte, diesen Gesetzentwurf sehr ernsthaft zu diskutieren. Wir wissen, dass er systematisch durchaus herausfordernd ist.

Herr Kollege, Sie sind deutlich drüber.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Wir wissen, dass wir damit Neuland betreten. Aber verfassungsrechtlich spricht aus unserer Sicht nichts dagegen. Wir sollten in dieser ungewöhnlichen Situation auch ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen und da durchaus mutig sein.