Protokoll der Sitzung vom 12.05.2020

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

Bitte sehr, Herr Bäumer!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder von uns kennt die Bilder von Wohnraum, der eigentlich unbewohnbar ist und trotzdem vermietet wird: feuchte Keller, zugige Fenster, Schimmelpilze und manchmal auch Schadnager - um das mal vornehm auszudrücken.

Für den Bürger war es bislang unverständlich, wie schwer sich die Kommunen in der Vergangenheit getan haben, diese unmenschlichen Zustände zu beenden. Das lag aber auch an der fehlenden gesetzlichen Grundlage. Mieter, die es sich leisten konnten, haben die Flucht ergriffen - in eine andere Wohnung. Das funktioniert aber nur, wenn es sich der Mieter leisten kann oder der Wohnungsmarkt mieterfreundlich ist. Das war und ist an

manchen Stellen in Niedersachsen nicht der Fall. Deshalb ist eine Erhöhung des Wohnungsbestandes der beste Schutz vor skandalösen Zuständen am Wohnungsmarkt. Solange dies nicht funktioniert, müssen die staatlichen Stellen Instrumente haben, die es ihnen leicht machen, skandalöse Zustände umgehend zu beenden. Wie schwer das sein kann, haben wir in der Vergangenheit - es wurde vorhin schon erwähnt - am Beispiel der Delmenhorster Großwohnsiedlung Wollepark gesehen. Solche Zustände gab und gibt es aber auch an anderen Orten in Niedersachsen, wo Eigentümer von Gebäuden nur noch Interesse daran haben, Geld aus diesen Gebäuden zu ziehen, aber keinen Euro mehr investieren.

Daher wird der vorliegende Gesetzentwurf von der CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich unterstützt, der das Ziel verfolgt, den Kommunen eine rechtliche Grundlage für schnelles Handeln bei unzumutbaren Wohnzuständen an die Hand zu geben. Zudem wird der Mieterschutz verbessert; denn mit diesem Entwurf wird menschenwürdiger Wohnraum gesichert. Wohnraum verkommen zu lassen, ist in Zukunft keine Option mehr.

Dieses Gesetz - davon haben meine Vorredner schon berichtet - wird seine Wirkung auch innerhalb von Quartieren entfalten; denn der Wert von intaktem Wohnraum sinkt natürlich, wenn der Nachbar seinen Wohnraum verkommen lässt. Die Bildung von Problemzonen in Kommunen, die hinterher häufig nur mit großem Aufwand geheilt werden können, kann mit diesem Gesetz schon in der Entstehung wirksam bekämpft werden. Das geschieht dadurch, dass die Kommunen in diesem Falle eine neue Aufgabe im eigenen Wirkungskreis bekommen. Die Kommune kann das Gesetz anwenden, sie muss es aber nicht. Das ist vorhin kritisiert worden. Aber man kann im Ausschuss ja noch darüber diskutieren, warum das so ist.

Trotzdem kann ich mir, lieber Kollege von der AfD, nicht vorstellen, dass eine Kommune dieses Gesetz nicht anwenden wird, weil sie das Problem, das entsteht, wenn Wohnraum verkommt, am Ende nur mit viel Geld lösen kann, wenn sie am Anfang nicht eingreift. Die Kommunen werden schon aus eigenem Interesse handeln, um den Anfängen zu wehren.

Wir definieren - mein Kollege Klein hat darauf hingewiesen - die Mindestausstattung einer Wohnung. Da geht es um natürliche Beleuchtung und Belüftung; es geht um Energie- und Wasserversorgung, um Anschlüsse in der Küche und um

sanitäre Einrichtungen. All das wird geregelt, und ich denke, das ist gut so. Das Gesetz verpflichtet den Eigentümer auch dazu, die Außenanlagen und Spielplätze instand zu halten, und legt eine Mindestgröße für die Wohnung fest.

Die Kommunen - auch davon war schon die Rede - bekommen die Befugnis, bei Pflichtverstößen des Vermieters - also bei Überbelegung, Verwahrlosung und anderen Missständen - geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Das kann eine Anordnung sein. Das kann die Erklärung der Unbewohnbarkeit sein. Das kann aber auch die Anordnung einer Teilräumung bei Überbelegung sein.

Wichtig ist mir der Hinweis - die Kollegin von der FDP hat es schon gesagt -, dass diese Eingriffsmöglichkeiten zukünftig aufgrund dieses Gesetzes auch schon unterhalb der Eingriffsschwelle nach Bauordnungsrecht oder allgemeinem Gefahrenabwehrrecht bestehen werden. Diese Möglichkeiten juristischer Art gab es in der Vergangenheit nämlich nicht. Sie waren zwar da, aber sie waren, wie die Erfahrung gezeigt hat, in vielen Fällen ein stumpfes Schwert. Das hat sich in der Vergangenheit leider auch bei der häufig viel zu menschenunwürdigen Unterbringung von Mitarbeitern von Schlachthöfen gezeigt. Das werden wir jetzt ändern; denn dieses Schwert wird nun schärfer.

Es liegt im deutlichen Interesse der Mieter in diesem Land, und wir sind fest davon überzeugt, dass eine große Mehrheit in Niedersachsen diese Möglichkeit begrüßen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Wohnen ein Menschenrecht ist, dann ist die Schaffung von menschenwürdigem Wohnraum eine Pflicht. Mit diesem Gesetz erreichen wir das.

Ich freue mich auf die Beratung des Entwurfes im Ausschuss. Dann können wir auch darüber sprechen, ob dieser Gesetzentwurf entbehrlich ist oder den Kommunen ein finanzieller Mehraufwand entstehen wird, wie das einige Kommunen in ihren Stellungnahmen geschrieben haben. Ich freue mich auf die Diskussion hierüber. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir dieses Gesetz als weiteren Baustein christlicher und sozialer Politik brauchen.

Wovor ich warnen möchte, ist, dass alle, die Mitarbeiter in der Schlachtindustrie oder Erntehelfer wohnen lassen, pauschal zu diffamieren. Es soll unter den Vermietern auch welche geben, die einen ordentlichen Job machen. Nicht alle Erntehelfer wohnen in menschenunwürdigen Verhältnis

sen. Kluge Landwirte wissen, dass der Erntehelfer im nächsten Jahr nur dann wiederkommen wird, wenn das Wohnumfeld in diesem Jahr in Ordnung war. Kluge Landwirte sorgen dafür, dass es so beschaffen ist, dass die Leute Lust haben, wiederzukommen. Dieses Gesetz zielt eindeutig auf die schwarzen Schafe ab.

Was die antieuropäische Politik meines Kollegen von der AfD angeht, so will ich das nicht weiter kommentieren. Sie machen das ja ständig; ich spare mir das.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Danke vielmals, Herr Kollege Bäumer.

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

Abschließend zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich der Umwelt- und Bauminister Olaf Lies gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal sind es möglicherweise die Bilder, die uns klar machen, dass Handlungsbedarf besteht. Da es noch nicht so lange her ist, erinnern Sie sich sicherlich alle an die Bilder vom Wollepark, wo die Eigentümer nicht bezahlt hatten und die Mieter letztlich unter unglaublichen Bedingungen ohne Strom und ohne Wasser dasaßen, aber eigentlich gar keine andere Wahl hatten, als dazubleiben, weil anderer Wohnraum, den Sie sich hätten leisten können, gar nicht zur Verfügung stand.

Oder erinnern Sie sich an die anderen Bilder aus den Jahren 2012 und 2013 - der Kollege Bäumer hat es beschrieben - von Unterkünften für Beschäftigte, die in unserem Land eine wertvolle Arbeit leisten, aber unter Bedingungen hier leben müssen, die unzumutbar sind! Diese Bilder haben uns meines Erachtens in diesen Jahren geprägt und auch zum Handeln gezwungen.

Es gibt zwei Dinge, die wir unterscheiden müssen.

Wir haben bereits 2013 erst mit einer Empfehlung und dann mit einem Runderlass deutlich gemacht, wie mit Unterkünften umzugehen ist. Das ist gere

gelt. Diesen Runderlass, der 2019 ausgelaufen ist, haben wir - richtigerweise übrigens - am 6. Februar 2020 in einer Neufassung wieder veröffentlicht. Gerade in dieser Zeit, wo wir dabei sind, die Pandemieauswirkungen zu kontrollieren, können wir froh sein, dass wir diesen Erlass haben.

Für die Unterkünfte haben wir es also vernünftig geregelt. Es ist aber schwer, die Unterscheidung zu treffen, was als Wohnung und was als Unterkunft gilt, wenn dort Menschen untergebracht werden. Wir reden ja nicht nur von hier untergebrachten Werkvertragsbeschäftigten, sondern auch von Menschen, die hier dauerhaft leben und die Anspruch auf anständigen Wohnraum haben, aber zum Teil unter unterirdischen Bedingungen leben. Aus diesem Grund ist dieses Wohnraumschutzgesetz für den Wohnraum - also für den anderen Teil - so entscheidend und wichtig. Wir haben auf den Bildern gesehen, was sich verändern muss.

Der Wollepark ist nur Beispiel dafür. Wir haben das auch in vielen anderen Bereichen gesehen, wo es kein Wasser, keinen Strom und keine Heizung gibt: Wir erinnern uns, dass die Leute im Winter in der Kälte gelebt haben und der Eigentümer nicht bereit war, in eine neue Heizungsanlage zu investieren, sondern noch warten wollte, aber keine alternative Lösung für die dort lebenden Menschen gefunden wurde.

Wir sehen, dass es auch zu einem Geschäftsmodell geworden ist, Schrottimmobilien zu kaufen, die die Bezeichnung Immobilie bzw. Wohnung gar nicht verdienen, die aber teuer als Unterkunft vermietet werden. Es wird mit denen, die in Not sind, mit denen, die darauf angewiesen sind, einigermaßen billigen Wohnraum zu haben, ein Geschäft gemacht. Aus diesem Grund haben wir gesagt, dass sich das verändern muss.

Ich finde, damit ist klar, dass der Staat bei den kriminellen und menschenunwürdigen Zuständen nicht einfach nur zuschauen darf, sondern handeln muss. Dieses Gesetz bietet die Möglichkeit dazu.

Anders, als es vorhin hier gesagt wurde, gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, die kommunale Seite zum Handeln zu zwingen. Vielmehr hat die kommunale Seite uns mit Nachdruck gebeten, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der sie in die Lage versetzt, Wohnraum zu betreten, weil der Eigentumsschutz ein hohes Gut ist und man nicht beliebig sagen kann, dass jeder alles kann. Deswegen war es nicht der Wunsch der Kommunen, zum Handeln gezwungen zu werden, sondern, dass wir ihnen die rechtliche Grundlage geben,

damit sie handeln und Wohnraum betreten können. An der Stelle will ich sagen, dass das das Verantwortungsbewusstsein unserer Kommunen zeigt. Den Eindruck zu erwecken, dass man sie zum Handeln zwingen muss, ist völlig falsch.

Die von uns definierten Regelungen - wir haben das vom Kollegen Klein und von anderen bereits gehört - sind sehr eindeutig. Man darf die Problematik aber nicht unterschätzen. Wir alle sind nicht damit zufrieden, wenn wir feststellen, dass Wohnraum nicht bewohnbar ist.

(Zuruf: Genau!)

Denn dann ist der Wohnraum weg. Die Argumentation muss so sein, wie wir sie auch an den anderen Stellen erarbeitet haben.

Wie müssen dafür sorgen, dass anständiger, bezahlbarer Wohnraum da ist! Wir müssen dafür sorgen, dass nicht einige an Schrottimmobilien verdienen! Aber wenn dieser Wohnraum nicht mehr bewohnbar ist, müssen wir den Menschen auch eine Alternative anbieten. Deswegen passt dieses Wohnraumschutzgesetz in die Gesamtaufgabe, die wir uns vorgenommen haben, bezahlbaren Wohnraum in einer menschenwürdigen Form zu schaffen. Und dann müssen wir denen entgegentreten, die das missbrauchen. Das ist in diesem Gesetz übrigens auch mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro belegt - nicht damit man 50 000 Euro Bußgeld einnimmt, sondern damit der Vermieter schon vorher handelt.

Das Gesetz ist aus meiner Sicht auch ein ganz wichtiger Baustein für den Erhalt des sozialen Friedens. Wir haben zu Recht von Herrn Bäumer gerade gehört, dass es sich um ein Gebäude in einem bestimmten Bereich handelt. Es strahlt aus und wird im Quartier dafür sorgen, dass dessen Qualität deutlich sinkt. Das Gesetz ist damit auch ein wichtiger Beitrag, um unhaltbare menschenunwürdige Zustände zu beenden.

Ich freue mich auf die weitere Beratung und glaube, den Kommunen mit dem Gesetz ein Instrument an die Hand zu geben, ist ein wichtiges Signal seitens des Landes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Danke vielmals, Herr Minister.

Wir können jetzt zur Ausschussüberweisung kommen.

Wer möchte, dass federführend der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz sowie mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen diesen Gesetzentwurf behandeln, den bitte ich nun um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? - Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann haben Sie sich so entschieden.

Wir kommen jetzt zu dem

Tagesordnungspunkt 12: Abschließende Beratung: Rahmenbedingungen des Lkw-Verkehrs verbessern, Kontrollen verstärken und technische Möglichkeiten besser nutzen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1535 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/6039

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Zunächst hat sich der Kollege Stefan Klein von der SPD-Fraktion gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es relativ kurz machen.