Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir hatten das Thema „Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie“ schon heute Morgen auf der Tagesordnung. Jetzt kommt es noch mal im Gewand eines Entschließungsantrags.
Sicher ist es richtig, auch von dieser Seite her Druck aufzubauen und eine Korrektur zu verlangen. Aber Sie, verehrte Grüne, übernehmen in Ihrem Antrag exakt die Punkte, die das Bundeskabinett am 20. Mai selbst schon herausgestellt hat. Das können Sie tun. Okay.
Ich nutze die Gelegenheit, das bedrückende Thema geschichtlich zu betrachten. Liebe SPDFraktion, liebe Grüne, viele von Ihnen erinnern sich sicher an das Jahr 2003 und an die Agenda 2010, die Sie gemeinsam und maßgeblich geboren haben. Damit haben zumindest Sie, sehr geehrte
Am 1. Januar 2003 hob der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der Regierung Schröder, Wolfgang Clement, ebenfalls SPD, zum Zwecke der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes mehrere gesetzliche Rahmenbedingungen für die Zeitarbeit aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auf. Die Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer, das Befristungsverbot und das Wiedereinstellungsverbot wurden zugunsten der Zeitarbeit und zulasten der Arbeitnehmer ersatzlos gestrichen.
Den dafür als Ausgleich vorgesehenen Grundsatz des Equal Pay Treatment versahen Sie damals mit einem Tarifvorbehalt, der es ermöglichte, von diesen Ausgleichselementen nach unten abzuweichen. SPD und Bündnis 90/Die Grünen schufen so das Einfallstor für den gigantischen Aufwuchs der Zahl der Arbeitnehmer der zweiten Klasse von 300 000 auf über 800 000 Personen. Die selbsternannte Arbeiterpartei eröffnete also das Arbeitnehmerdumping.
Wer, meine Damen und Herren, solche sozialschädlichen Geister laut ruft, der macht Unternehmer mit wenig Gemeinsinn oder sich nur durch Ausbeutung rechnende Geschäftsmodelle hoffähig. Werkverträge wuchern wie Pilze und führen zu Verantwortungsdelegationen - am besten ist die Kette so lang, dass keiner mehr dahinterkommt -, Unübersichtlichkeit und einem weiteren Absinken der Löhne nicht nur in dieser Branche.
Der Staat muss hier jetzt endlich die Reißleine ziehen. Ich hoffe, dass der Rechtsrahmen jetzt endgültig und neu justiert wird. Wissen Sie, wir sind eine Erwerbsarbeitsgesellschaft. Deshalb müssen Arbeitsbedingungen und Löhne auskömmlich sein.
Liebe SPD, wie man hört, wurde Ihr Sigmar Gabriel nicht nach einem Werkvertrag bezahlt. Ich weiß, bei Ihnen sind alle Arbeitnehmer gleich, nur manche sind gleicher.
Ganz ehrlich, 2015 ist Sigmar Gabriel als Paulus zu Tönnies gefahren. Als Saulus hat er den Betrieb wieder verlassen. Meine Güte, Herr Tönnies muss wirklich ausgesprochen leckere Schnitzel verteilen.
Danke, Herr Henze. - Jetzt erhält Frau Miriam Staudte für Bündnis 90/Die Grünen nochmals das Wort. Sie haben noch 1:19 Minuten.
Zuerst zu Ihnen, Herr Henze: Sicherlich, viele Punkte der Agenda 2010 muss man rückblickend kritisch betrachten. Wir haben uns in vielen Punkten neu positioniert und erwarten das tatsächlich auch von anderen.
Herr Henning, es ist doch paradox, zu sagen, wir unterstützen dieses Eckpunktepapier von Herrn Heil und wollen, dass das alles umgesetzt wird, aber wir können dem hier im Landtag nicht zustimmen. Das passt doch nicht zusammen.
Dann müssen Sie sich doch nicht wundern, wenn wir den Eindruck haben, dass das Lippenbekenntnisse sind.
Herr Bley, heute ist an so vielen Stellen gesagt worden, die Selbstverpflichtungserklärungen sind gescheitert. Dann können Sie sich doch nicht hierhin stellen und sagen: Meine Bitte an alle Unternehmen ist, machen Sie es so wie Goldschmaus. - Das ist doch wieder ein Hinweis darauf, dass Sie immer noch die Hoffnung haben, dass es mit Selbstverpflichtungen funktioniert.
Jetzt mit Berufsfreiheit und Handlungsfreiheit zu argumentieren, also mit den angeblichen Rechten dieser ausgebeuteten Menschen, ist absolut zynisch.
Danke, Frau Staudte. - Zu Ihrem Redebeitrag hat sich jetzt Herr Kollege Bode noch mal zu einer Kurzintervention gemeldet. Danach folgt der Kollege Henning.
Liebe Frau Kollegin Staudte, ich bin dem Kollegen Bley dankbar, dass er den anderen Aspekt auch noch mal eingeführt hat. Es gibt ganz viele Schlachtbetriebe, gerade mittelständische und familiengeführte Unternehmen, die mit solchen Konstruktionen gar nichts am Hut haben, die damit auch gar nichts am Hut haben wollen, nicht in den gleichen Topf geschmissen werden wollen und sich sehr darüber ärgern, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung immer mit diesem Vorbehalt und diesem Makel der anderen zu kämpfen haben. An die müssen wir dabei auch denken, und wir müssen immer wieder deutlich aufzeigen, dass es diese Beispiele tatsächlich gibt.
Die schwarzen Schafe müssen wir massiv bekämpfen, wir dürfen dabei aber die anderen nicht mit in den Topf schmeißen.
Frau Präsidentin, vielen Dank. - Liebe Frau Staudte, es ist uns einfach zu wenig, nur den Beschluss der Bundesregierung nachzuvollziehen
Nehmen Sie unser Anliegen doch ernst! Ich finde, das hat das Thema wirklich verdient. Ich stimme in weiten Teilen auch dem Redebeitrag von Herrn Bode zu.
Natürlich müssen da noch ein paar Dinge mehr bedacht werden, die wir dann im Ausschuss vernünftig diskutieren können. Mit einem Werkvertragsverbot allein wird es vermutlich auch nicht getan sein. Deswegen müssen wir genau hingucken. Wir werden das im Ausschuss vernünftig diskutieren.
Frau Staudte, lassen Sie mich noch mal eines sagen: Sie haben sich gerade halb für die Agenda 2010 entschuldigt, die Rot-Grün damals eingeführt hat. Sie sind da leider sehr geschichtsvergessen
Nicht Rot-Grün hat die Werkverträge erfunden. Die Werkverträge sind auch nicht unter der rot-grünen Agenda-Politik entstanden. Sie sind viel, viel älter. Sie sind nämlich unter Helmut Kohl und der schwarz-gelben Bundesregierung entstanden. Sie haben damals in bilateralen Verhandlungen über Werkvertragskontingente für ungarische und rumänische Arbeiter auf dem Bau und in der Fleischindustrie derartige Vereinbarungen getroffen, weil deren Länder damals noch gar nicht zur Europäischen Union gehörten.
Das ist also eine ganz alte Geschichte, die auf Helmut Kohl und die damalige Bundesregierung zurückzuführen ist. Rot-Grün hat 2005 dann versucht, die Fleischindustrie in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufzunehmen. Das ist dann am Widerstand der Union gescheitert.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Bode, sicherlich gibt es auch einige gut wirtschaftende Betriebe in diesem Bereich. Das sind dann welche, die keine Werkvertragsarbeiter beschäftigt haben.