Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

Daher haben wir diesen Nachtragshaushalt im Rahmen der Regeln der Geschäftsordnung schnell und zugleich gründlich, präzise und in großer Verantwortung für das Land und vor unserer Verfassung beraten. Das ist gelungen, meine Damen, meine Herren.

Wir haben insbesondere den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums und der gesamten Landesregierung, der Landtagsverwaltung, auch den Fraktionen mit ihren Mitarbeitern, dem Landesrechnungshof, den kommunalen Spitzenverbänden sowie dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zu danken. Denn wir beweisen gerade gemeinsam, wie handlungsfähig und schlagkräftig unsere parlamentarische Demokratie in dieser Krise ist, meine Damen und Herren.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist doch ein Hohn! Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst konnte das gar nicht prüfen!)

Das war aller Ehren wert. Vielen Dank für diese Kraftanstrengung und für diese Leistung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen, meine Herren, um diese außerordentliche Notlage zu meistern, mobilisiert dieser Landtag mit dem ersten Nachtragshaushalt 2020, mit dem Errichtungsgesetz zum Corona-Sondervermögen und mit diesem zweiten Nachtragshaushalt insgesamt 9,788 Milliarden Euro und ein Bürgschaftsvolumen von noch einmal 3 Milliarden Euro. Dafür müssen wir die Neuverschuldung um bis zu 8,788 Milliarden Euro erhöhen. Die CDULandtagsfraktion gibt diese Kreditermächtigung nicht gerne; das können Sie mir glauben. Aber wir sehen in dieser Notlage keine andere Möglichkeit, die krisenbedingten Einnahmeausfälle und die notwendigen Mehrausgaben zu schultern.

Die aktuelle Notsituation beweist aber gerade auch, dass die Schuldenbremse tatsächlich funktioniert; denn sie hat vor der Krise die Haushaltsdisziplin gestärkt und gibt jetzt in der Krise klare Leitplanken für ein Handeln mit Maß und Mitte, für die Verpflichtung zu einem Tilgungsplan, der dafür sorgt, dass wir die jetzt aufzunehmenden Kredite innerhalb einer Steuerzahlergeneration wieder zurückzahlen. Die Schuldenbremse, meine Damen und Herren, bewährt sich gerade in dieser Krise.

(Christian Grascha [FDP]: Die wird doch schon von Ihnen ausgehebelt!)

Meine Damen, meine Herren, wir sind sehr klar der Auffassung, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Nettokreditaufnahme von der Ausnahmeregelung vom Verbot der Kreditfinanzierung in Artikel 71 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung in Verbindung mit Artikel 109 Abs. 3 des Grundgesetzes gedeckt ist. Die Ausschussdebatten zu den verfassungsrechtlichen Fragen kann und will ich hier nicht im Detail wiederholen; all das ist in den Protokollen nachzulesen.

Da das Parlament in dieser Frage aber seine Einschätzungsprärogative nutzen muss, möchte ich für die CDU-Landtagsfraktion die wichtigsten Argumente kurz zusammenfassen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Schon mal vorsorglich für das Staatsgerichtshof- verfahren!)

Erstens, Herr Birkner: Artikel 71 Abs. 4 NV verlangt eine inhaltliche und eine zeitliche Kausalität zur außerordentlichen Notlage. Dies stellen wir mit der

in Artikel 2 des Haushaltsbegleitgesetzes jetzt abschließend formulierten Zweckbestimmung des COVID-19-Sondervermögens und der Befristung des Sondervermögens selbst sicher.

Zweitens. Wir halten zudem die im Haushaltsgesetz und im vorgelegten Maßnahmenfinanzierungsplan vorgeschlagenen Maßnahmen für notwendig und auch für geeignet, in ihrer Summe sowie im Zusammenwirken mit den Maßnahmen des Bundes der außerordentlichen Notlage deutlich entgegenzuwirken.

Zudem - in der Debatte war das umstritten; es wurde gerade auch noch einmal angesprochen - gab es die Frage, ob die Nettokreditaufnahme in diesem Umfang erforderlich ist. Diese Frage, die im Wesentlichen der Landesrechnungshof aufgerufen hat, beantworten wir mit „ja“. Der Landesrechnungshof hat erklärt, dass sämtliche verfügbaren anderen Mittel des Landes eingesetzt werden müssen, bevor es zur Aufnahme zusätzlicher Kredite kommen darf.

Diese Auslegung der Verfassung ist unserer Auffassung nach von Sinn und Zweck der Schuldenbremse nicht gedeckt. Schon der Grundsatz der Vorherigkeit öffentlicher Haushalte kann nur zusammen mit vertretbaren Spielräumen bei der Veranschlagung künftiger Bedarfe und bei der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel gedacht sein. In Krisenzeiten, in denen die Bandbreite möglicher Entwicklungen und die Heftigkeit einzelner Ausschläge unkalkulierbar sind, wäre es völlig sinnwidrig, uns jeglicher Reserve zu berauben.

Erstens halten wir es daher für geboten, die Rücklage des Landes nicht vollständig zu entleeren. Sie wird zur Risikovorsorge sowohl für weitere Unwägbarkeiten außerhalb dieser Krise als auch für die Stabilität der Landesfinanzen im weiteren Krisengeschehen benötigt. Daher belassen wir es bei der Rücklagenentnahme von 880 Millionen Euro in 2020.

Zweitens sind die Vorsorgemittel in Höhe von 500 Millionen Euro, die hier mehrfach kritisiert wurden und die im Finanzierungsplan zum Sondervermögen Corona vorgesehen sind, aus unserer Sicht erforderlich, um kurzfristig auf unerwartete Krisenentwicklungen wie eine zweite Infektionswelle reagieren zu können.

Drittens ist es selbstverständlich verfassungskonform, in dieser Notlage die Einnahmeausfälle des Landes von insgesamt ca. 4,4 Milliarden Euro durch Kreditaufnahmen auszugleichen. Damit stel

len wir die dringend notwendige Handlungsfähigkeit des Staates sicher.

Meine Damen, meine Herren, die Finanzierung der Bewältigung dieser außerordentlichen Notlage über die Bewirtschaftung eines Sondervermögens - auch das wurde kritisiert - ist aus unserer Sicht nicht nur zulässig, sondern - das sage ich ausdrücklich - sinnvoll. Diese Krise ist nicht am Ende des Haushaltsjahres vorbei. Daher müssen die Maßnahmen zur Krisenbewältigung mit hoher Verlässlichkeit auch überjährig wirken können. Zudem verschafft das Sondervermögen der Landesregierung mehr Flexibilität im Krisenmanagement und dem Parlament zugleich ein höheres Maß an Transparenz über den krisenbedingten Mitteleinsatz neben dem normalen Haushalt.

Meine Damen, meine Herren, mit diesem Haushalt und dem hinterlegten Maßnahmenpaket, mit Zusammenhalt und festem Willen bewältigen wir in Niedersachsen gemeinsam diese Krise und geben den Menschen in unserem Land neue Perspektiven. Im Interesse dieser Menschen bitte ich Sie, den Gesetzesvorlagen zum zweiten Nachtragshaushalt 2020 und zum Haushaltsbegleitgesetz zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die AfDFraktion die Fraktionsvorsitzende Frau Guth. - Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute erneut einen Nachtragshaushalt, und wäre man nicht dabei gewesen, dann könnte man es kaum glauben. Gab man sich in Niedersachsen bisher immer den Anstrich des risikobewussten Sachwalters, stehen wir nun abermals vor einer Situation, in der es plötzlich heißt: Was kostet die Welt?

Die SPD - wie wir eben gehört haben - bricht in historischen Dimensionen alle Rekorde. Das Framing bordet über: die „neue Normalität“ und „gestärkt aus der Krise“. Das ist jetzt die neue Ansage: „gestärkt aus der Krise“.

Wenn man Ihr Regierungshandeln in der CoronaKrise unter ein Motto stellen müsste, dann wäre „zu spät, zu viel, zu lang“ angemessen. Mit Ihrem

Nachtragshaushalt ergänzen Sie das Ganze nun um „zu teuer“. Die Geldpresse wird bedenkenlos angeworfen, um mit Milliarden - die Sie nicht haben und die Ihnen auch nicht gehören - die schlimmsten Schäden, die Sie selbst mitverursacht haben und weiterhin Tag für Tag vergrößern, zuzuschütten.

Jeder bemüht sich, ständig das Mantra „Die Krise ist nicht vorbei!“ vorzutragen. Stand gestern haben wir in Niedersachsen noch 384 Infizierte. Das sind 0,0048 % der Bevölkerung.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Trotzdem halten Sie an Ihren Maßnahmen fest. Es gibt keinen vernünftigen Grund, und von Verhältnismäßigkeit kann auch keine Rede sein, aber Sie machen einfach weiter. Ein großzügig geschnürtes Rettungspaket auf Kosten der Steuerzahler, auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder wird die Schäden aber nicht auffangen können. Das gibt kein Haushaltsbudget dieser Welt her; auch Ihre Corona-Bußgelder werden das nicht ausgleichen.

Aktuell halten Sie die Menschen immer noch mit Angst bei der Stange. Aber auch das wird nicht mehr lange funktionieren, und dann wird es eine Aufarbeitung geben. Und diese Aufarbeitung wird Fakten ans Licht bringen. Dann wird darüber zu sprechen sein, dass die Gefahr einer Pandemie von der Politik über Jahrzehnte hinweg schlichtweg ignoriert wurde, dass Ihre Parteien es versäumt haben, sich auf einen solchen Fall vorzubereiten, dass viele Menschen dank verschobener Behandlungen gesundheitliche Schäden haben oder eventuell verstorben sind, dass Menschen sich das Leben genommen haben, dass Menschen Opfer von Gewalt geworden sind. Wir werden dann auch aufarbeiten müssen, wie viele Unternehmen in Niedersachsen Insolvenz angemeldet haben, wie viele Arbeitslose hinzugekommen sind und wie verschuldet Niedersachsen am Ende ist - „gestärkt aus der Krise“.

Sie haben in den letzten Monaten jeden vernünftigen Vorschlag ins Lächerliche gezogen, jedes Argument vom Tisch gewischt - immer wussten Sie es besser.

(Zuruf von der SPD: Gut, dass Sie das so feststellen!)

Bitte übernehmen Sie auch die Verantwortung für Ihr Handeln, wenn die Bilanz offensichtlich wird!

Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung von heute Morgen heißt „In die Krise gestolpert“. Das liest

sich wie eine Blaupause für das Handeln des Landtags in den letzten Monaten - sehr empfehlenswert, sollten Sie sich mal anschauen.

Erklären Sie den Menschen in Niedersachsen in Zukunft dann einfach, dass Sie sich mit gendergerechter Sprache, rechtsradikalen Fahrzeugkennzeichen, Frauenquoten und der Paritätsregelung befasst haben, aber nicht daran gedacht haben, auch nur ansatzweise genügend Schutzmaterial für einen Pandemiefall vorrätig zu halten. Erklären Sie den Menschen, dass Sie unser ganzes Bildungssystem durcheinandergebracht, Schulformen aufgelöst und Unterrichtsstrukturen ins Chaos beschlossen haben, aber nicht ansatzweise dazu in der Lage waren, für eine Digitalisierung unserer Schulen, die wenigstens auf Basisniveau ist, zu sorgen. Erklären Sie den Menschen, warum die gesamte Infrastruktur marode ist und dies jetzt mal schnell mit einem schuldenfinanzierten Rettungspaket unter dem Deckmantel der Corona-Krise zugeschüttet werden muss.

Frau Kollegin Guth, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Limburg zu?

Nein, danke, ich möchte gern weiter ausführen.

Dann fahren Sie bitte fort!

Vielen Dank.

Auch dem wohlmeinendsten Wähler wird irgendwann die Erkenntnis dämmern, dass es mittlerweile gängige Praxis ist, Fehler der eigenen Politik mit dem Geld anderer Leute zu kaschieren. Alles mit Krediten! Sie stehen vor einem unlösbaren Dilemma: Sie halten Ihre Maßnahmen aufrecht und warten - bei noch 384 Infizierten; Tendenz fallend - weiterhin auf einen Impfstoff, mit allen Folgen für die Wirtschaft.

Kommt der Impfstoff nicht, dann müssen Sie ewig so weitermachen. Oder Sie stellen irgendwann fest, dass Sie die Maßnahmen nicht mehr aufrechterhalten können. Dann stehen Sie vor der Frage, warum Sie nicht eher auf die AfD gehört haben.

(Johanne Modder [SPD]: Sie würden alles lockern, sagen Sie das doch mal! Und dann übernehmen Sie die Verantwortung!)

- Liebe Frau Modder, wir haben diesen Antrag im letzten Plenum gestellt. Sie haben es gehört.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Schwarz oder Weiß, mehr kennen Sie nicht!)

Beides werden Ihnen die Wähler nicht verzeihen, und ich glaube, davor haben Sie momentan sehr viel Angst. Wir fordern Sie heute wieder auf: Kommen Sie zur Vernunft! Es ist nicht das Schlimmste, Fehler zu machen, sondern - aus Angst, diese zuzugeben - die Folgen immer mehr zu verschlimmern.

Wir haben einen eigenen Haushaltsentwurf vorgelegt, zu dem mein Kollegen Herr Lilienthal gleich sprechen wird.

Vielen Dank