Protokoll der Sitzung vom 14.09.2020

Das Wiesenvogelschutzprogramm wird eine der ganz großen Aufgaben sein, der wir uns widmen. Aber auch hierfür gilt - Herr Meyer, weil Sie ja behaupten, es gebe darauf keine Antwort, weil nichts im Gesetzentwurf stehe -: Es gehört zur Wahrheit dazu, dass sich die beteiligten Umweltverbände, die Landwirtschaft und die Ministerien darauf verständigt haben, den Weg über die Anreizprogramme zu gehen - nur dann, wenn das nicht funktioniert, gehen wir den Weg über die Anordnung -, weil wir sicher sind, dass sich die Landwirte ihrer Verantwortung für den Wiesenvogelschutz bewusst sind und die erforderlichen Maßnahmen bewusst umsetzen wollen.

Wenn wir uns wenigstens darauf verständigen können, ehrlich nur das zu sagen, was mit dem Niedersächsischen Weg gemeint ist und was wir wirklich gemeinsam erreichen wollen, und darüber eine ehrliche und offene Debatte führen, dann hätten wir den Sachverhalt, dann hätten wir die einmalige Chance, hier als Parlament mit breiter

Mehrheit nicht nur für eine Legislatur, sondern weit darüber hinaus etwas für Umwelt-, Natur- und Artenschutz zu tun.

Ich würde mich freuen, wenn uns das gelänge. Ich freue mich auf die weitere Diskussion. Ich bin mir ganz sicher, dass wir es schaffen, dass die Partner, die jetzt Teil des Niedersächsischen Weges sind und die jetzt daran mitarbeiten und das auch weiterhin tun werden, nicht sagen werden, dass das Volksbegehren abgebrochen wird, sondern erkennen, dass wir das Volksbegehren nicht mehr brauchen, weil wir gemeinsam schon mehr erreicht haben. Das wäre ein Erfolg für uns alle,

(Johanne Modder [SPD]: Und schnel- ler!)

- dazu auch noch schneller.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Punkt nicht vor, sodass wir zur Ausschussüberweisung kommen können.

Federführend soll sein der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Mitberaten sollen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Inneres und Sport, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen und der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich nun um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Die sehe ich nicht. Gibt es Enthaltungen? - Gleichfalls nicht. Dann haben Sie das so entschieden.

Wir kommen zu dem

Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung nachrichtendienstlicher Bestimmungen - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/7315

Für die Landesregierung hat sich gemeldet Herr Minister Boris Pistorius.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung nachrichtendienstlicher Be

stimmungen ist ein weiterer und wichtiger Schritt zur Stärkung des niedersächsischen Verfassungsschutzes.

Die Herausforderungen im Hinblick auf die Sicherheitslage in Niedersachsen sind unverändert hoch. Die Gefahr eines - seit Jahren erstarkenden - Rechtsextremismus sind nicht erst seit dem Mordanschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und dem antisemitischen Anschlag in Halle für jeden erkennbar und greifbar. Auch die vom islamistischen Terrorismus ausgehende Bedrohungslage ist unverändert hoch.

Ganz aktuell ist im Zuge der andauernden CoronaPandemie zu beobachten, wie Verfassungsfeinde versuchen, Demonstrationen zu unterwandern und mit Verschwörungstheorien für ihre Zwecke zu missbrauchen. Umso wichtiger ist es, dass wir wachsam sind. Ein demokratischer Rechtsstaat muss wehrhaft sein gegen Extremisten, die versuchen, ihn mit Hass, Hetze und Gewalt zu bekämpfen, auszuhöhlen oder zu stürzen.

Genau hierzu, meine Damen und Herren, zum Schutz unserer freiheitlichen demokratischen

Grundordnung, leistet der vorliegende Gesetzentwurf einen weiteren Beitrag.

Ziel des Entwurfs ist es, durch gezielte Anpassungen der Befugnisse eine noch effektivere Aufgabenwahrnehmung durch den Verfassungsschutz zu erreichen. Dabei - das war und ist mir ein besonderes Anliegen - schaffen wir mit den geplanten moderaten Änderungen einen angemessenen Ausgleich zwischen der Wahrung der Freiheitsrechte und der größtmöglichen Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger.

Die Niedersächsische Landesregierung hat sich schon im Koalitionsvertrag auf eine Erleichterung bei der Speicherung von Daten Minderjähriger verständigt. Wir haben die Erfahrung insbesondere im salafistischen Bereich gemacht, dass Radikalisierungen eben auch bisweilen schon in jungem Alter stattfinden, z. B. wenn dies von einem entsprechenden Elternhaus oder Umfeld unterstützt oder gar betrieben wird.

Um auch bei radikalisierten Minderjährigen handlungsfähig zu sein, wird das Mindestalter für eine Speicherung moderat herabgesetzt. Dabei betone ich ausdrücklich: Eine altersunabhängige Speicherung lehne ich entschieden ab. Vielmehr orientiert sich der Gesetzentwurf an der Strafmündigkeit, die erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres be

ginnt. Eine Speicherung vor diesem Mindestalter bleibt weiterhin nicht zulässig.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Wir haben hier eine sinnvolle Abwägung zwischen sicherheitsbehördlichen Anforderungen und dem Schutz und der besonderen Berücksichtigung von Minderjährigen gefunden.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Erleichterung des Verfahrens zum Einsatz von Vertrauenspersonen vor; ebenfalls wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Einsatz von Vertrauenspersonen zählt in der Praxis - das wissen Sie alle - zu den effektivsten nachrichtendienstlichen Mitteln. Er ist daher zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes unverzichtbar. Der Einsatz von Vertrauenspersonen stellt einen nicht unerheblichen Grundrechtseingriff dar. Dies wird auch zukünftig im Verfassungsschutzgesetz berücksichtigt.

Zwar wird die erhebliche Bedeutung des Verdachts- und Beobachtungsobjekts als Voraussetzung für den Einsatz von V-Personen gestrichen. Die Entscheidung über einen Einsatz von V-Personen ist jedoch - das wissen alle; auch diejenigen, die die Streichung dieser Passage kritisieren - in jedem Einzelfall strengstens am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Diese Prüfung ist im Gesetz auch derzeit schon vorgeschrieben. Wie für jedes andere nachrichtendienstliche Mittel gilt der Grundsatz, dass der Einsatz eben nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes steht, insbesondere nicht außer Verhältnis zu der Gefahr - ich betone: zu der Gefahr -, die von dem jeweiligen Beobachtungs- oder Verdachtsobjekt ausgeht oder ausgehen kann.

Zudem bedarf es - auch das will ich noch mal unterstreichen, weil das in der öffentlichen Debatte der letzten Wochen immer wieder gern unterschlagen wurde - nach wie vor der Zustimmung durch die G 10-Kommission.

Eine weitere Änderung betrifft die Datenübermittlung an die Träger von Einrichtungen, die in der Präventions- und Ausstiegsarbeit tätig sind. Auch darüber haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder gesprochen. Wir wollen durch maßvolle Erleichterungen bei der Datenweitergabe die wichtige Präventionsarbeit dieser Einrichtungen sowohl in der Einzelfallbearbeitung als auch bei der Abstimmung von Sensibilisierungsmaßnahmen stärken.

Die außerdem vorgesehene Anpassung des Auskunftsanspruchs schafft ein Gleichgewicht zwi

schen den Sicherheitsinteressen einerseits und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung andererseits. Durch die landesrechtliche Umsetzung wird die Kontostammdatenabfrage zukünftig auch dem niedersächsischen Verfassungsschutz ermöglicht, womit Finanzermittlungen maßgeblich erleichtert werden.

Schließlich haben wir im Gesetzentwurf erforderliche datenschutzrechtliche Anpassungen vorgenommen.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen. Der Verfassungsschutz operiert in einem hoch dynamischen Bereich - das wissen Sie - mit sich stets verändernden Bedrohungsformen. Das macht nun einmal immer wieder auch gesetzliche Anpassungen nötig, um die Sicherheit und die Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürger auch in diesen Zeiten gewährleisten zu können.

Wir brauchen einen starken und zugleich sensiblen Verfassungsschutz. Das ist unser Anspruch, und mit dem Gesetzentwurf schaffen wir deshalb eine moderne, zeitgemäße Grundlage, die den sicherheitspolitischen Anforderungen ebenso gerecht wird wie den berechtigten Erwartungen im Hinblick auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit und Verhältnismäßigkeit.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Minister Pistorius. - Wir kommen jetzt zu dem Beitrag für die AfD-Fraktion von Herrn Klaus Wichmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man dem Herrn Minister zugehört hat, hat man festgestellt, dass gar nicht viel passiert. Alles notwendig! Alles verhältnismäßig!

Schauen wir uns das mal an: Beim Auskunftsanspruch erfolgt eine Abkehr vom Mehraugenprinzip. Der Vorbehalt des Abteilungsleiters bei volumenstarker, aber eingriffsschwacher Auskunft zu Bestandsdaten wird aufgehoben. Es soll nun eben nicht mehr von mehreren Mitarbeitern auf unterschiedlichen Ebenen geprüft werden. Das klingt harmlos. Es geht nur um eingriffsschwache, aber volumenstarke Fälle.

Aber wer definiert diese Begriffe? Das ist meine Frage.

Bis wann ist ein Fall eigentlich eingriffsschwach? In einem Rechtsstaat definieren letztlich Gerichte solche Begriffe. Sie tun das aber nicht einfach so, weil sie gerade nichts zu tun hätten, sondern dann, wenn genau zu einem solchen Punkt über eine Klage zu entscheiden ist, aber nicht vorher.

Bis dahin - richtig? - entscheidet ausschließlich die Behörde. Vielleicht ist es am Ende sogar eingriffsschwach, wenn der V-Mann nur ein bisschen zugehört hat, wenn nur ein bisschen abgehört wurde. Nein! So etwas muss man tatsächlich präziser fassen.

Es geht weiter: Ein Auskunftsanspruch soll nur noch dann gegeben sein, wenn ein konkreter Sachverhalt vorgetragen wurde. Auf Deutsch: Die allgemeine Auskunftspflicht des Verfassungs

schutzes, wie sie jetzt im Gesetz steht, wird mit einem Federstrich abgeschafft. Und wieder ein Bürgerrecht kassiert!

Von mir wieder die Frage: Wer definiert, was ein konkreter Sachverhalt ist? Reicht die Teilnahme an einer Demo? Reicht die Teilnahme an einer Demo, auf der irgendwelche Spinner irgendwelche versponnenen Flaggen gezeigt haben? Reicht es, Jäger zu sein, also Waffen zu haben? Reicht es aber nicht, Bogenschießen als Sport zu betreiben, also auch Waffen zu haben?

Eine Behörde, die so viele Möglichkeiten zum Eingriff in die Grundrechte hat, muss auskunftspflichtig sein. Denn was ist, wenn ich erst Jahre später erfahre, dass ich beobachtet wurde, und dann der konkrete Sachverhalt vielleicht nicht mehr gegeben ist? Dann erhalte ich keine Auskunft mehr? - Das ist Willkür, meine Damen und Herren! Das ist die Aufgabe von Bürgerrechten völlig ohne Not.

Und es geht weiter: Die Sperrung und Löschung von Daten soll nun erst nach fünf Jahren erfolgen, statt, wie bisher, nach drei Jahren. Das ist fast eine Verdoppelung der Zeit, in der der Verfassungsschutz Daten von Bürgern für alle Fälle mal aufheben kann.

Wenn man Bürgerrechte aufhebt, wenn man Bürgerrechte einschränkt, wenn man Bürger rechtlich schlechterstellen will, dann muss man schon einen sehr guten Grund dafür haben. Angabe von Gründen zur Verdoppelung dieser Zeit in der Gesetzesvorlage? - Keine! Dabei stellt dies eine erhebliche Schlechterstellung der Betroffenen hinsichtlich ihrer Rechtsposition dar. Was ist denn mit Personen, die zu Unrecht beobachtet werden? Was ist denn, wenn der Verfassungsschutz - es tut mir

leid - mal wieder schlampt und harmlose Bürger für Extremisten hält? Ich will nicht in Wunden rühren, aber wir hatten diesen Fall zuletzt in unserem Land laut HAZ erst im Juni dieses Jahres.

Eine Löschung nach fünf Jahren? Ich bitte Sie! Das ist nun wirklich völlig unverhältnismäßig.

Aber es geht noch weiter: Der Einsatz von Vertrauenspersonen soll nun nicht mehr ausschließlich bei Anwendung oder Vorbereitung von Gewalt oder aus anderen vergleichbaren erheblichen Gründen erlaubt sein. Diese Liste wird erweitert. Nun sollen Vertrauenspersonen auch eingesetzt werden dürfen bei besonderer ideologischer Bedeutung, besonderer Strahlkraft, besonderer Finanzstärke, erheblicher Größe und bei Vergleichbarem.

Wer definiert diese Begriffe? - Bis auf Weiteres die Behörde. Hier in Niedersachsen ist der Verfassungsschutz nach wie vor keine eigenständige Behörde, sondern eine Abteilung des Innenministeriums. Im Zweifel bestimmt also der Innenminister über diese Abteilung.