Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich bedanke mich seitens der CDU ausdrücklich für diese Regierungserklärung. Bei der letzten, der fünften Regierungserklärung haben wir beide ja darüber debattiert, ob ein gewisser Sättigungseffekt im Parlament eingetreten ist. Damals hätte ich das vielleicht nicht verneint,
einiges, worüber man reden muss. Ich meine nicht die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage - die ist bekannt; die kann man nachlesen - oder die Entwicklung der Infektionszahlen - auch die kann man nachlesen -, sondern reden müssen wir tatsächlich über die neue Corona-Verordnung. Herr Birkner, das will ich gerne gleich aufnehmen.
Aber vorab: Frau Hamburg, Ihren Mut bewundere ich. Ich wollte mich wirklich nicht mit dem Thema Schulen im Einzelnen beschäftigten. Aber Sie haben hier das Thema Lüften in Schulen angesprochen, Sie haben problematisiert, ob unsere Schulen zum Lüften in der Lage sind - Sie, die Sie aus Hannover kommen und ein grünes Parteibuch haben! In der gestrigen Hannoverschen Allgemeinen Zeitung findet sich ein interessanter Artikel auf der Titelseite. Dort heißt es:
„Ein Maulkorb für die Schulen? CDU will wissen, ob sich Fenster in den Gebäuden öffnen lassen - Hannovers Verwaltung blockt.“
Es ist der grüne Oberbürgermeister in Hannover, der verhindert, dass erhoben wird, welche Schulgebäude überhaupt gelüftet werden können. Das ist Ihrer!
(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Christian Meyer [GRÜNE]: Gibt es auch Schulen in anderen Orten? Es soll auch CDU-Bürgermeister geben!)
- Hier wird ja viel von Demagogie geredet. Ich kenne keinen CDU-Oberbürgermeister, der eine Antwort auf diese Frage behindert hätte, Herr Meyer. Da können Sie mich aber gern widerlegen; Sie haben ja noch reichlich Zeit.
Ich freue mich aber, dass es nun gelungen ist, eine neue Verordnung vorzulegen, die kürzer, einfacher und besser verständlich ist. Das haben wir seit Langem gefordert. Die Systematik ist jetzt in der Tat eine bessere. Zu einigen Punkten hätte ich Vorschläge, wie man es noch besser machen könnte, aber die Verordnung ist jetzt erst einmal neu konzipiert und damit auch besser.
Das eigentlich Neue an der Verordnung ist aber in der Tat die Neuregelung zu den Verhaltensvorschriften im privaten Bereich. Anfangs waren wir als Koalitionspartner uns da etwas uneinig; das gebe ich durchaus zu. Ich persönlich war der Meinung, dass man das von Anfang an hätte regeln müssen. Ich weiß noch, wie ich zum Ministerpräsidenten irgendwann einmal gesagt habe: Mensch, die erste Verordnung bezieht sich nur auf Verhal
tensregeln im öffentlichen Raum und nicht im privaten Raum. Ist das nicht ein Problem? Wird sich das Partygeschehen z. B. in einigen Stadtteilen meiner Heimatstadt jetzt nicht in die großen Altbauwohnungen verlagern? - Er sagte: Nein, ich glaube nicht, dass das passieren wird.
In der Tat, Herr Ministerpräsident, Sie haben auch lange Zeit recht behalten. Man muss wirklich sagen, dass sich die Menschen sehr diszipliniert verhalten haben. Sie haben die allgemeinen Hygieneregeln aus dem öffentlichen Raum auf den privaten Raum übertragen. Den von mir anfangs vermuteten Webfehler gab es dann vielleicht gar nicht.
Aber jetzt stellen wir fest, dass die Disziplin tatsächlich bröckelt. Und das ist auch nachvollziehbar. Anfangs haben viele Menschen vielleicht gedacht: Ich verschiebe meine private Feier um drei, vier oder fünf Monate, das ist nicht so schlimm, ich kann mich auch anders beschäftigen, ich kann auf Partys verzichten. Nun aber merken die Menschen, dass ihnen etwas fehlt. Ich denke, wir müssen jetzt kontrovers diskutieren, wie wir dieser Entwicklung Rechnung tragen. Herr Birkner, da komme ich, wie gesagt, gerne auf Sie zu.
Ich möchte aber noch eine Bemerkung vor die Klammer ziehen: Herr Birkner, ich schätze Sie wirklich als einen klugen Kollegen und einen guten Juristen. All das, was Sie hier zum Thema Parlamentarismus, zu den Rechten dieses Landtages sagen, nehme ich Ihnen 100-prozentig ab. Ich glaube nicht, dass Sie hier Theater machen und diese Thematik nutzen wollen, einfach um der Regierung zu schaden. Ich glaube, dass Ihnen das ein ehrliches Anliegen ist. Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte waren immer Themen der FDP, und es ist auch Ihre Aufgabe, das hier im Parlament anzusprechen. Sie tun das aus meiner Sicht glaubwürdig, und so manches Mal haben Sie bei mir auch einen Erkenntnisprozess in Gang gesetzt.
Das möchte ich vorwegstellen. Das sollten Sie auch weiter tun. Aber ich warne davor, diese Diskussion ausschließlich aus einer akademischstaatsrechtlichen Sicht zu führen.
Dieser Versuchung, finde ich, sind Sie ein wenig erlegen. Wenn Sie das Parlament an der Ausgestaltung der Corona-Verordnung beteiligen wollen - und das fordern Sie seit Monaten ein -, dann müs
sen Sie, wie es die Kollegin Modder gesagt hat, sich auch tatsächlich an der Diskussion über diese Regeln beteiligen und dürfen das nicht anderen ganz allein überlassen.
Auch das ist eine Form von Verantwortung, und das erwarten Demokraten in diesem Land. Sie waren es, der im Mai vehement in mehreren Pressemitteilungen eingefordert hat, dass die Informations- und Kontrollrechte dieses Parlaments besser wahrgenommen werden und dass die Verordnung dem Parlament vorab zur Kenntnis gegeben wird. Genau das ist dann passiert. Am 2. Juni wurde der erste Änderungsentwurf einer Corona-Verordnung dem Landtag übermittelt. Seit Juni bekommen wir diesen Entwurf - jedes Mal. Bevor er verkündigt wird und in Kraft tritt, bekommt dieser Landtag den Corona-Verordnungsänderungsentwurf.
Parallel gibt es dazu in jedem Plenarabschnitt eine Regierungserklärung und eine Debatte, in der man darüber diskutieren kann, was in dieser Verordnung steht, wie man es anders machen könnte und was gut ist und was nicht. Jedes Mal ist eine entsprechende Diskussion geführt worden. Aber Sie haben sich an dieser Diskussion nur unzureichend beteiligt. Sie haben diese Chance glatt vertan.
Ich will Ihnen das einmal darlegen. Ich hatte bisher immer nur das Gefühl, dass das so ist. Ich habe Ihnen immer aufmerksam zugehört, aber nach fünf Regierungserklärungen ist man sich nicht mehr so ganz sicher, wer was gesagt hat. Nun machen Sie sich häufig die Mühe und analysieren die Redebeiträge des Ministerpräsidenten. Sie gucken sich genau an, wie lange und zu welchem Thema er redet, und dann kritisieren Sie das.
Ich habe mir auch einmal die Mühe gemacht und Ihre fünf Erwiderungen auf Corona-Regierungserklärungen des Ministerpräsidenten analysiert. Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Diese fünf Erwiderungen von Ihnen umfassen rund 2 000 Zeilen im Stenografischen Bericht des Landtags. 2 000 Zeilen zum Thema Corona! Dann habe ich ganz großzügig geguckt, in wie vielen Zeilen davon un
sere Corona-Verordnung Thema ist. Können Sie sich das Ergebnis denken? Es sind ganze 60 Zeilen, etwa 3 % Ihrer Redezeit! In 3 % Ihrer Redezeit haben Sie sich detailliert damit beschäftigt, was in der Corona-Verordnung, die alle Menschen in diesem Lande betrifft, falsch sein könnte, was man ändern könnte. Mehr war es Ihnen nicht wert!
Sie haben sich mit ganzen vier Problemkreisen beschäftigt: mit der Öffnung von Spielhallen, mit der Situation auf Wochenmärkten, mit dem Hotelgewerbe und der damaligen Beschränkung auf 800 m² Verkaufsfläche im Einzelhandel. Und ich kann Ihnen sagen: Das ist in der Tat zu wenig, wenn Sie dieser Corona-Verordnung gerecht werden wollen.
Und ich hätte so unglaublich gern mit Ihnen über diese Corona-Verordnung diskutiert. Ich hätte gern einmal über konkrete Vorschläge geredet, was man ändern kann.
Heute haben Sie es doch z. B. wieder so gemacht. Heute reißen Sie das Thema Weihnachtsgottesdienste an, ohne diesem Parlament zu sagen, wie Sie sich einen solchen Gottesdienst vorstellen. Tun Sie das doch mal!
Das macht Frau Hamburg natürlich genauso, wie ich sagen muss. Das Thema Weihnachtsmärkte wird angerissen, wird kritisiert. Aber sagen Sie doch mal, wie Sie es sich vorstellen!
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Können wir gerne machen! - Weitere Zurufe von der FDP und von den GRÜNEN)
Sie haben hier seit dem 23. März nicht eine einzige konkrete Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie vorgeschlagen. Nicht eine!
Und wenn Sie über das Thema Lüften reden: Das Lüften steht leider Gottes nicht in der CoronaVerordnung beschrieben. Das ist ein anderes Thema. Ich hatte eben überlegt, ob ich es Ihnen noch hinzurechne.
Ja, Herr Kollege Toepffer, genau das wollte ich fragen. Ich entnehme daraus, dass Sie die Zwischenfrage des Kollegen Bode zulassen?