Protokoll der Sitzung vom 07.10.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die niedersächsische Wirtschaft, die niedersächsischen Unternehmen und Beschäftigten haben unter den massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Ende Februar Niedersachsen erreichte, zu leiden. Keine Frage!

Einhergehend mit einem zu erwartenden drastischen Einbruch des niedersächsischen Inlandsprodukts von fast 17 % befinden sich mehrere Tausend Beschäftigte aktuell in Kurzarbeit oder sehen sich auch mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. Laut einer jüngeren Umfrage der IHK Niedersachsen rechnet mehr als die Hälfte der Unternehmen auf Jahressicht mit einem Umsatzrückgang von über 25 %, ein Viertel sogar mit über 50 %.

Zweifellos sind das alles Anzeichen einer - wie in dieser Aktuellen Stunde thematisierten - pandemiebedingten Wirtschaftskrise. Zwar hat Niedersachsen mit der bisherigen Umsetzung des niedersächsischen Stufenplans Schritte aus dem

Shutdown eingeleitet, und es mehren sich auch Anzeichen dafür, dass die niedersächsische Wirtschaft langsam an Fahrt aufnimmt. Doch bis zur Normalität ist es noch ein langer Weg.

Um dem pandemieinduzierten Verlust von Arbeitsplätzen sowie der Zunahme möglicher Insolvenzen entgegenzuwirken, bedarf es daher zum einen niedrigschwelliger, aber auch nachhaltiger Investitionen in Betriebe wie auch in die Infrastruktur und in die Digitalisierung. Selbstverständlich spielen auch Fragen wie beispielsweise die Entbürokratisierung eine große Rolle. Nötig sind Konjunkturimpulse durch Investitionsplanung und Zukunftsvorhaben quer durch die für Niedersachsen prioritären Wirtschaftsbereiche.

Zum anderen ist die Innovationskraft der niedersächsischen Wirtschaft - und damit auch die Leistungsfähigkeit des Landes - mittel- und langfristig zu erhalten und zu stärken, damit Niedersachsen schnell und gestärkt aus der Krise herauskommt.

Für uns ist dabei klar: Investitionen und Innovationen sind Konjunkturstützen, aber nicht nur. Gerade sie stärken vor allem langfristige Wachstumspotenziale und sorgen für Stabilität auf dem Arbeitsmarkt. Aber genau das, Herr Bode, haben wir mit der Verabschiedung des zweiten Nachtragshaushalts 2020, mit dem niedersächsischen - ich füge jetzt eine weitere Begrifflichkeit hinzu - Kraftpaket gegen die Corona-Krise und ihre folgenschweren Auswirkungen beschlossen. Im Rahmen der vom Landtag für die niedersächsische Wirtschaft zur Verfügung gestellten Mittel im Einzelplan 08 von rund 1,4 Milliarden Euro wurden Anfang September die ersten sechs Förderrichtlinien durch das Wirtschaftsministerium bereits veröffentlicht. Weitere werden folgen.

Mit niedrigschwellen Investitions- und Innovationshilfen sowie weiteren Sonderprogrammen und Soforthilfen sollen diese insbesondere unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen sowie wichtige Zukunftsinvestitionen im Bereich der Infrastruktur und der Nachhaltigkeit tätigen. Beispielgebend hierfür sind Innovationshilfen für KMU mit 410 Millionen Euro, Start-up-Förderung mit 100 Millionen Euro - wir hatten gestern allenthalben die Debatte hierzu -, Breitbandausbau mit 150 Millionen Euro und die Ladesäuleninfrastruktur für Elektromobilität mit 40 Millionen Euro. Damit sollen Branchen, Unternehmen und Beschäftigte gezielt hinsichtlich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie unterstützt und wirksame

Impulse für einen wirtschaftlichen Neustart in Niedersachsen gesetzt werden.

Verehrter Herr Kollege Bode, vor diesem Hintergrund kann ich den von Ihnen in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde konstruierten Widerspruch zwischen finanzieller Zuwendung und wirtschaftlicher Zukunftsfähigkeit absolut nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Mit den dringend notwendigen Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes verfolgen wir bereits jetzt das Ziel, „mit Fortschritt und Modernisierung Niedersachsen aus der pandemiebedingten Wirtschaftskrise“ zu „führen“, um den Titel Ihres Antrages zur Aktuellen Stunde zu zitieren.

Abschließend hege ich allerdings die Hoffnung, dass die von SPD und CDU beantragte eingehende Beratung der Richtlinien im Wirtschaftsausschuss für ausreichend Aufklärung sorgen könnte und wird.

In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehende Ausschussberatung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke vielmals, Herr Dr. Pantazis.

Bevor wir den nächsten Redner aufrufen, möchte ich mitteilen, dass der Tagesordnungspunkt 23 noch vor der Mittagspause beraten werden soll. Darauf haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführer verständigt.

Wir kommen jetzt zum Beitrag des Kollegen Detlev Schulz-Hendel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl vom Bund als auch vom Land Niedersachsen kommen viele Ideen, wie Branchen gestärkt werden und Unternehmen unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie ihren Erhalt sichern können. Aber - ganz ehrlich - nicht jede Idee davon ist auch zu Ende gedacht oder gar klug.

Wir haben es in diesem Plenum mehrfach diskutiert: Eine Branche fällt bisher trotz aller Ankündigungen - auch gestern und heute - durch alle Netze: Das ist die Veranstaltungswirtschaft. - Es kann

nicht angehen, dass Großkonzerne wie TUI großzügig und schnell unterstützt werden, aber mit der besonders hart betroffenen Veranstaltungswirtschaft noch nicht einmal mit dem notwendigen Ernst der Dialog gesucht wird. Ich weiß ja, Herr Wirtschaftsminister Althusmann, dass Sie gleich wieder antworten werden: Ja, aber ich spreche doch mit dem DEHOGA. - Entschuldigen Sie bitte, das sind zwar wichtige Gespräche. Aber Sie sollten auch mal mit dem Kleinunternehmer in der Veranstaltungstechnik sprechen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die Kollegin Wulf von der CDU sagte bei den Demonstrationen der #AlarmstufeRot: „Wir führen jetzt den Dialog und helfen Ihnen dabei, die Bundesförderungen in Anspruch zu nehmen.“ Dabei wurde aber ganz übersehen, dass die Bundesförderung an dieser Stelle viel zu bürokratisch und auch nicht zielgerichtet ist.

Vom Land - das muss ich so feststellen - kommt deutlich zu wenig Engagement. Es genügt also nicht, wenn der Kulturminister, Herr Thümler, den Veranstaltungstechnikern sagt: §Ich würde Ihnen ja so gerne helfen, komme aber nicht mit dem Finanzminister überein. Er hat andere Vorstellungen.“ Das gilt umso mehr, als Sie, Herr Wirtschaftsminister Althusmann, 10 m von den Demonstrationen entfernt sind und es nicht für nötig halten, sich dort auch nur einmal sehen zu lassen, um mit den betroffenen Menschen zu sprechen. Ich finde, das ist ein Unding!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir solidarisieren uns ganz klar mit dem Aktionsbündnis #AlarmstufeRot. Wir fordern hier deutliche ergänzende Hilfen. Legen Sie mal dazu die Ankündigungen zu Ihren Förderrichtlinien auf den Tisch!

Natürlich ist es auch Aufgabe der Politik, gerade Unternehmen, die vor der Corona-Krise gut dagestanden haben, beizustehen und sie durch die Krise zu bringen, sodass sie nach der CoronaKrise weiterexistieren können. Das gilt insbesondere für die Unternehmen, die weiterhin unter den massiven Einschränkungen ihrer Arbeit nur schwer nachgehen können.

Wir würden uns wünschen, dass so mancher Ansatz dazu ausgegorener und vor allem nachhaltiger wäre. Zum Beispiel die Idee des Bundeswirtschaftsministers, Teile der deutschen Wirtschaft im

Zweifelsfall zu verstaatlichen, sehe ich persönlich sehr kritisch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir als Grüne sind ja nicht grundsätzlich dagegen, dass der Staat ein Akteur in der Wirtschaft ist. Infrastruktur wie Bahnschienen, Stromnetze oder auch Aufgaben der Daseinsvorsorge wie die Wasserversorgung gehören in die öffentliche Hand. Wenn sich nun in einer Notsituation der Staat an Unternehmen beteiligt, dann muss das klar und deutlich anhand von Kriterien und Vorgaben geschehen. Ansonsten, meine lieben Damen und Herren, ist das kein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Und klare Kriterien fehlen hierbei deutlich - sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene.

Wir als Politik müssen die Richtung vorgeben. Dazu gehören klare Vorgaben für die Beschäftigungssicherung - genauso wie klare Vorgaben zum Thema Klimaschutz. Wir müssen diese Krise als Chance nutzen, um z. B. Unternehmen - ich nenne mal die Lufthansa - im Klimabereich zum Vorreiter zu machen, wenn denn das Fliegen nicht vermeidbar ist, nämlich mit CO2-armem Fliegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ganzheitlich und langfristig denken, das wäre jetzt unser Job! Wirtschaftsförderung muss aus unserer Sicht sozialökologisch ausgerichtet sein; denn damit stärken wir die Unternehmen, und damit sichern wir vor allem den Wirtschaftsstandort in Niedersachsen nachhaltig und lange.

Wir wollen mit einem sozialökologischen Konjunktur- und Investitionsprogramm die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bewältigen. Dazu haben wir Ihnen - das will ich jetzt nicht mehr im Detail ausführen - umfangreiche Vorschläge vorgelegt. Ihre Reaktion darauf bisher: null!

Wenn wir jetzt Milliarden investieren, müssen alle Maßnahmen eine doppelte Rendite haben: Sie müssen kurzfristig Unternehmen retten und mittel- und langfristig der Abwendung der Klimakrise dienen und die weitere soziale Spaltung verhindern. Das alles sind wichtige Bausteine, wenn wir in der Wirtschaftspolitik zielorientiert vorankommen wollen. Bitte, hören Sie mit Ihren Ankündigungen auf! Kommen Sie endlich mit vernünftigen Vorschlägen

rüber, die auch die Zustimmung der Opposition finden könnten!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke schön, Kollege Schulz-Hendel. - Für die CDU-Fraktion hat sich der Kollege Ulf Thiele gemeldet.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Bode, wissen Sie, was mir der Kollege Jörg Hillmer gerade zugerufen hat, als Sie hier die Mehrwertsteuerabsenkung so abschätzig kommentiert haben?

(Jörg Bode [FDP]: Du sollst nicht so grimmig gucken!)

Dass wir jetzt der FDP erklären müssen, dass Steuersenkungen besser sind als staatliche Lenkungsmaßnahmen, ist, für sich genommen, schon bemerkenswert. - Recht hat der Kollege Hillmer!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Das habe ich ganz anders gesagt!)

Ich komme zu einem Satz von Ihnen, den ich mir aufgeschrieben habe: Der Staat verfügt nicht über die Finanzmittel, um alle Probleme lösen zu können. - Da haben Sie recht. Er zeigt natürlich, was für Volten die FDP in dieser Krise in den letzten siebeneinhalb Monaten schlägt. Denn Sie waren es, Herr Bode, der im Frühjahr dieses Jahres - zu Beginn der Krise - hier gestanden und die Forderung aufgestellt hat, dass das Land Niedersachsen bis zu 75 % der Umsatzausfälle der Unternehmen übernehmen soll. Ich habe mal ausgerechnet, was das bis heute bedeutet hätte.

(Zuruf von Jörg Bode [FDP])

- Einen 75-prozentigen Ausgleich der Umsatzausfälle haben Sie hier gefordert.

Das hätte für das Land Niedersachsen bedeutet, dass wir allein für diese Maßnahme in diesem Jahr 15 Milliarden Euro hätten auf den Tisch legen müssen.