Ich finde es deshalb ärgerlich, weil die Politik versäumt hat zu handeln. Die EU hat die Grenzwerte für die Belastung durch Stickoxide und Feinstaub in den Städten schließlich nicht zum Spaß festgelegt. Es ist die verdammte Pflicht der Bundesregierung und der Landesregierung, Maßnahmen zu entwickeln, um die Grenzwerte möglichst schnell einzuhalten. Es geht um die Gesundheit der Menschen, die wir hier im Parlament vertreten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf saubere Luft.
Meine Damen und Herren, was wir stattdessen in den letzten Jahren erleben durften, war die organisierte Verantwortungslosigkeit - zuerst in den kleinen geheimen Zirkeln in den Konzernen. Dass jetzt diejenigen die Last tragen sollen, die im guten Glauben an niedrige Abgaswerte die scheinbar sauberen Diesel der neuen Generation gekauft haben, ist eine Schande.
Verantwortungslosigkeit haben wir aber auch in der Politik erlebt. Wir haben als Grüne über Jahre hinweg Vorschläge gemacht, wie die Schadstoffbelastung reduziert werden kann. Wir haben seit 2013 gemeinsam mit der SPD den ÖPNV massiv gestärkt und den Radverkehr endlich in dem Maße gefördert, wie es die heutige Realität auf den Straßen erfordert. Sobald wir aber einen Vorschlag machen, der direkt bei den Abgasen ansetzt, ist das Geschrei groß: Tempo 30 in den Innenstädten - wirtschaftsfeindlich und unnötig!
Die Blaue Plakette - behindert die Mobilität der Bürger! Nachrüstungen an den Dieselfahrzeugen, finanziert durch die Konzerne - der Untergang des Abendlandes, technisch nicht machbar und selbst, wenn doch: Das kann man doch unseren Autobauern nicht antun!
Windelweich werden die betrogenen Verbraucherinnen und Verbraucher von der Kanzlerin und dem Verkehrsminister Dobrindt mit SoftwareUpdates abgespeist. Ich finde das erbärmlich. Da muss erst der ADAC - das muss man sich einmal vorstellen! - nachrüsten, nachrechnen und vorstellen, dass eine technische Nachrüstung möglich ist und effizient ist. Wo ist denn da die Politik am Start? - Die haben wir nirgendwo gesehen. Der ADAC muss das vorlegen.
Meine Damen und Herren, die GroKos in Land und Bund verweigern die Arbeit. In einem sind sie allerdings alle groß, nämlich darin, lautstark gegen Fahrverbote zu sein. Das findet sich übrigens auch in diesem Koalitionsvertrag.
Und ganz ehrlich: Der Ministerpräsident ist ja jetzt leider nicht da, wahrscheinlich ist er gut gelaunt irgendwo anders. Ich finde, ein Ministerpräsident, der guten Mutes ist, ist eine schöne Sache. Gut gelaunte Ministerpräsidenten sind sicherlich nicht zum Schaden für das Land. Aber an dieser Stelle würde ich sagen: Da muss gearbeitet werden, da reicht der gute Mut nicht!
Das ist so, als wenn man sich hinstellt und sagt: Mein Dach ist undicht! Da sind Löcher! Also fordere ich, dass es da nicht hereinregnet! - So kommt mir die Arbeit der Landesregierung an dieser Stelle vor. Das ist inkonsequent. Dagegen ist Christian Lindner, den ich inhaltlich überhaupt nicht richtig finde
Der steht wenigstens dazu, dass er Grenzwerte aufweichen will. Das ist schon einmal ehrlicher als der Schlingerkurs dieser Landesregierung.
Ich sagen Ihnen etwas: Die Fahrverbote, die jetzt kommen werden, sind die Folge der Arbeitsverweigerung und der Weigerung, Verantwortung zu übernehmen. Wenn man dieser Tage die Zeitungen liest, muss man sich wirklich fragen: Ist das Ignoranz, oder ist das Unvermögen?
Ich möchte dazu etwas zitieren; denn wenn man den niedersächsischen Experten im VW-Aufsichtsrat, Wirtschaftsminister Dr. Althusmann, hört, bekommt man den Eindruck, hier liegt eine beglückende Einsicht zum Thema streckenbezogene Verkehrsverbote vor. Das möchte ich einfach einmal vortragen, weil sie so schön ist. Von unserem Experten im Aufsichtsrat wird gesagt:
„Wenn einzelne Strecken gesperrt werden, ist zu erwarten, dass sich der Verkehr lediglich auf parallele Strecken verlagert.“
Chapeau, Herr Dr. Althusmann! Diese Einsicht freut mich unheimlich; denn das ist genau das Ziel solcher Maßnahmen. Die Verkehre sollen verlagert werden. Beim Diesel geht es nämlich nicht um CO2. Da ist es egal, wo es in die Luft geblasen wird. Hier geht es um Stickoxide und Feinstaub. Die sind eben genau an einigen Straßenabschnitten, sozusagen an den Hotspots, besonders konzentriert. Deswegen ist es sinnvoll, die Autos da nicht fahren zu lassen.
Jetzt komme ich noch einmal zu Herrn Bode. Die FDP ist ja gestern vorangeprescht. Ihr Vorschlag: grüne Welle, flüssiger Verkehr - alles in Butter! - Nichts für ungut, aber daraus spricht doch vor allen Dingen - Herr Bode, dazu stehen Sie ja auch; das sagen Sie ja auch so ehrlich - das Interesse der Autofahrerpartei. Nichts gegen grüne Wellen. Sie können dann alle die Fußgänger mitnehmen. Ich glaube ja, dass die FDP eine große Mitfahrgelegenheitszentrale aufbauen wird; denn diese Idee taugt für eine Zielgruppe besonders gut, und zwar die Autofahrer. Die Fußgänger und die Leute, die mit dem Fahrrad unterwegs sind, haben davon wenig.
Die Forderung nach technischer Auf- und Nachrüstung hat unser Umweltminister bereits geliefert. Wir haben bereits gestern festgestellt: Wir haben zwei Parts in diesem Hause, die solche Sachen entscheiden. Deswegen wären wir Grüne außerordentlich dankbar, wenn sich an dieser Stelle die beiden agierenden Landesregierungen zu einer einzigen zusammentun würden. Dann könnte man der Forderung nach technischer Nachrüstung ein bisschen mehr Nachdruck verleihen.
Auch bei allen anderen Maßnahmen kann ich Ihnen schon sagen: Egal, was Sie vorlegen, wir lassen Sie in der Debatte nicht allein. Wir werden das unterstützen. Aber entscheiden Sie sich, etwas zu tun, und kommen Sie endlich in die Puschen!
Vielen Dank, Frau Piel. - Die nächste Wortmeldung kommt von der Fraktion der SPD. Herr Kollege Bosse, bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anfang, liebe Anja Piel, war: Es wird Fahrverbote geben! - Ich sage Ihnen und dir, liebe Anja Piel, auch: Die Landesregierung ist sich da einig. Es wird keine Fahrverbote in Niedersachsen geben! - Das steht für uns an der Stelle schon fest.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU und Zustimmung von Jörg Bode [FDP] - Anja Piel [GRÜNE]: Seien Sie vor- sichtig! Das ist alles zitierfähig ir- gendwann!)
Wir haben uns auch bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt über ein Gerichtsurteil unterhalten. Selten gab es ein so ergreifendes Thema, auf das sich die Medien und die Politik so gestürzt haben, wie auf das Urteil des Bundesverwaltungsgericht.
Nun entsteht erst einmal dicke Luft, klar. Aber ich denke: Man merkt das auch in einigen Bereichen, in denen sich die einen oder anderen Ideologen durchaus die Finger reiben und denken, jetzt könne und werde es möglicherweise auch Fahrverbote geben. Denn es heißt in dem Urteil: Grundsätzlich sind Fahrverbote zulässig.
Aber wollen wir einmal von den Verlierern sprechen. Verlierer sind die Diesel-Fahrer. Unendliche viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich ein solches Fahrzeug in dem guten Glauben gekauft, etwas Gutes zu tun. Verlierer sind letzten Endes auch die Kommunen, die wir natürlich unterstützen wollen und unterstützen müssen. Verlierer sind natürlich auch und ganz deutlich die Hersteller. Die Unternehmen müssen jetzt unbedingt die Chance ergreifen, an der Stelle nachzusteuern.
Aber um auf Niedersachsen zurückzukommen: Niedersachsen wird wahrscheinlich gar nicht so sehr betroffen sein.
Das betrifft erst einmal zwei Städte: einerseits den Stadtstaat Hamburg, nämlich den Ortsteil Altona, und andererseits die Stadt Stuttgart, die auch enorme Probleme hat. Also sind Niedersachsens Städte an der Stelle erst einmal gar nicht so stark betroffen.
Zur Wahrheit gehört an der Stelle auch, dass die niedersächsischen Städte in den letzten Jahren auch besser geworden sind.
Diesel-Fahrverbote verhindern! - Warum sage ich das? Ich glaube: Die Mehrheit in diesem Haus sagt, dass ein solches Fahrverbot in der Tat an der Realität vorbeigeht. Um noch einmal auf die Verlie
rer zu sprechen zu kommen: Wen betrifft es denn? - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Handwerksbetriebe, Zulieferbetriebe! Das betrifft doch die Kleinen! Diejenigen müssen letztlich darunter leiden. Das können wir doch nicht dulden, liebe Kolleginnen und Kollegen.