Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

In diesem Papier steht auch die freiwillige Einführung einer Differenzierungsklausel – ich weiß, dass das auch bei unserem Koalitionspartner nicht so gesehen wird, bei uns schon –, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften vereinbaren können – darin liegt allerdings der Unterschied –, Gewerkschaftsmitgliedern einen Extrabonus zu gewähren. Aber auch hier fordern wir kein Muss, sondern ein Kann und erhoffen uns davon einen Anreiz für die Arbeitnehmer, wieder verstärkt in Gewerkschaften einzutreten.

Fazit: Nur starke Gewerkschaften und starke Arbeitgeberverbände gewährleisten den sozialen Frieden in Deutschland. Auch das hat etwas mit Gerechtigkeit zu tun.

Wenig gerecht war auch Ihre Förderung der Regionen, wobei es eigentlich nur das Ruhrgebiet war, das großzügig mit Fördergeldern ausgestattet wurde. Andere Regionen gingen mehr oder weniger leer aus.

(Lebhafter Widerspruch von der SPD)

Wir haben es geschafft, beispielsweise auch das Bergische Land, das ebenfalls stark vom Strukturwandel betroffen war, zu fördern und damit zu stärken. Das ist Gerechtigkeit.

Wir haben noch etwas auf den Weg gebracht, das für mehr Gerechtigkeit steht: das KiBiz! Was haben Sie gegen dieses Gesetz gewettert! Kollege Jörg sprach von einem kinder- und familienpolitischen Totalschaden, Frau Löhrmann meinte sogar, dass diese Kindergartennovelle kinderfeindlich, familien- und kommunalfeindlich sei. Kollegin Altenkamp, die leider gerade nicht da ist, bezeichnete das KiBiz jetzt auch noch als unterfinanzierten Mumpitz.

Tatsächlich aber sieht es so aus: Zufriedene Kommunen, zufriedene Sozialdezernenten und zufriedene Eltern und Kinder!

(Lebhafter Widerspruch von der SPD – Zuruf von der SPD: Lächerlich!)

Hören Sie einfach zu. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus der „Westdeutschen Zeitung“ vom 10. November: Die Umsetzung des KiBiz sei ohne personelle Einschnitte gelungen, so Cornelia Weinbruch, Leiterin des Stadtbetriebs Tageseinrichtungen für Kinder. KiBiz hat es uns ermöglicht, flexibel auf den Bedarf zu reagieren. – Gelobt werden hier besonders der neu eingeführte Rechtsanspruch und die Sprachförderung in den Kitas.

Auch Wuppertals Sozialdezernent Stefan Kühn, ein Parteigenosse von Ihnen, sieht das KiBiz als Riesenchance aus bildungspolitischer Sicht, weil vor allem das Angebot für die Kleineren sehr gut nach

gefragt wird. Der ganze Lärm, den Sie im Vorfeld um das KiBiz veranstaltet haben, war nur dazu geeignet, die Betroffenen massiv zu verunsichern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, glauben Sie eigentlich, dass die Leute im Land Sie nach solchen Anträgen noch ernst nehmen,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!)

dass Sie als Sozialdemokraten als die einzigen Wächter über soziale Gerechtigkeit gesehen werden? – Das glauben die Leute nicht mehr.

Unsere Maßnahmen haben mehr als deutlich gemacht, dass wir es mit der Gerechtigkeit in Nordrhein-Westfalen trotz der schwierigen Haushaltslage ernst nehmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, auch wenn Sie es nicht geschafft haben, mir immer zuzuhören. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brakelmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Romberg das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Der ist noch schlimmer!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Herr Kollege Groschek, Ihre Rede war eine laute Generalsekretärsrede, die keine Ausstrahlung sozialer Sensibilität hatte, sondern eher die eines Eisschranks.

Glauben Sie wirklich, dass Gemeindeordnung und Sparkassengesetz die drängendsten Themen sind, die Menschen bewegen, wenn Sie sie auf der Straße nach sozialer Gerechtigkeit fragen? Oder überlegen sich die Menschen auf der Straße vielleicht, wie sie mit dem, was sie verdienen, überhaupt noch auskommen, nachdem Steuern und Abgaben immer weiter gestiegen sind, sodass ihnen nichts mehr richtig zum Leben übrig bleibt, weil der Staat immer weiter abkassiert?

(Beifall von der FDP)

Oder fragen sich die Menschen: Bekomme ich für das, was ich in die Rentenkasse einzahle, überhaupt jemals etwas heraus? Oder ist das alles nur für die jetzige Generation gedacht?

Oder es stellt sich die Frage: Warum kommt ein Gesundheitsfonds, alles wird teurer, die Gesundheitskosten steigen, aber nichts wird besser? – Ich glaube, dass das die Fragen sind, die sich die Menschen stellen.

Vielleicht werfen Sie noch einmal einen Blick auf die Sozialberichte werfen, die in den letzten Jahren veröffentlicht worden sind, und betrachten dabei

besonders den Regierungszeitraum von Rot-Grün in Land und Bund: In den zehn Jahren rot-grüner Regierungszeit ist die Anzahl armer Menschen in diesem Land erheblich angestiegen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Richtig! So ist es!)

Auch die Anzahl reicher Menschen ist erheblich gestiegen. Das war rot-grüne, sozialdemokratisch geprägte Politik.

Aber die Zahl der normalen Menschen, die arbeiten gehen und normal verdienen, ist immer geringer geworden. Ist das die soziale Gerechtigkeit, die Sie uns verkaufen wollen? Ich meine, Sie haben keine Hoheit mehr, hier über soziale Gerechtigkeit zu debattieren, liebe Sozialdemokraten.

(Beifall von FDP und CDU)

Ganz im Gegenteil! Die SPD hat mit dem vorliegenden Antrag eher den hilflosen Versuch unternommen, ihren vermeintlichen Markenkern zu unterstreichen. Der ist Ihnen aber abhanden gekommen. Herausgekommen ist ein uninspiriertes Sammelsurium unterschiedlicher Vorschläge, dessen Essenz in nostalgischer Erkenntnis gipfelt, dass früher alles schöner und besser war.

Für den Zustand der sozialdemokratischen Partei trifft das ganz sicher zu. Aber wenn es um die elementaren Fragen geht, welche politischen Maßnahmen heute und zukünftig das Prädikat der Gerechtigkeit verdienen, dann darf man wirklich mehr Tiefgang erwarten. Rückbesinnung auf die politischen Konzepte früherer Tage sind nur dann sinnvoll, wenn man sich dazu durchringt, diese weiterzuentwickeln, falls es die Verhältnisse erfordern.

Wir als FDP sind dazu willens und fähig. Dagegen kann die nordrhein-westfälische SPD mit Zumutungen einer kritischen Selbstüberprüfung offenkundig wenig anfangen. Lieber gibt sie sich gewohnt strukturkonservativ und beratungsresistent, frei nach dem Motto: Wer nichts macht, macht auch keine Fehler. – Nur so konnte es dazu kommen, dass in keinem anderen Bundesland die soziale Herkunft, also der Geldbeutel der Eltern derart über die Bildungschancen von Kindern entschieden hat wie hier unter Rot-Grün.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das muss „Schwarz-Gelb“ heißen, Herr Kollege!)

Die Leidtragenden waren vor allem Kinder mit Migrationshintergrund. Sie haben tatenlos zugesehen, dass eine viel zu große Anzahl dieser Kinder zu den Verlierern und zu Außenseitern wurden, weil sie irgendwann ohne Schulabschluss, ohne Lehrstelle und schließlich auch ohne Arbeitsplatz dastanden. Auf die sozialen und gesundheitlichen Folgeprobleme will ich gar nicht eingehen.

Die viel beschworene Teilhabeorientierung unter Rot-Grün war ebenfalls eine Farce. CDU und FDP

fördern dagegen mit dem Kinderbildungsgesetz bereits die frühkindliche Bildung und haben dafür gesorgt, dass inzwischen 44.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stehen. Damit erfüllen wir nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern unterstützen die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade für Alleinerziehende, Geringverdiener ist das etwas ganz Wichtiges. Dagegen sah die rot-grüne Bilanz beim Regierungswechsel mit 11.000 Plätzen eher mager aus.

Wir investieren außerdem in nicht gekanntem Maße in Schulbildung. So geben wir den Eltern die Sicherheit, dass ihre Kinder individuell gefördert, ihre Stärken gestärkt und ihre Schwächen behoben werden. Seit Regierungsübernahme haben wir mit dem kommenden Haushalt zusammen über 1,4 Milliarden € zusätzlich in Schulbildung investiert. Wir stellen insgesamt knapp 7.000 zusätzliche Lehrkräfte ein und belassen über 7.000 Lehrerstellen als Demografiegewinne im System.

(Zuruf von der SPD: Alles virtuell!)

Mit diesen zusätzlichen Finanzmitteln und den Lehrkräften sichern wir individuelle Förderung der Kinder, bauen Ganztagsangebote massiv aus und senken kontinuierlich Unterrichtsausfall. Wir investieren in helle Köpfe und eben nicht in dunkle Schächte, wie Sie es immer noch propagieren, liebe Sozialdemokraten. Das ist die beste Armutsprävention. Es ist wichtig, dass auch Prävention gemacht wird und nicht immer nur Reparaturbetrieb.

(Beifall von FDP und CDU)

Durch unsere Hochschulpolitik haben wir dafür gesorgt, dass Bildung in NRW wieder den Stellenwert erhält, den das Thema auch verdient, und sind auch stolz darauf, das bundesweit sozialverträglichste Beitragsmodell auf den Weg gebracht zu haben. Statt vorhandene Probleme – sei es im Bereich der Bildung oder des Arbeitsmarktes – bei den Wurzeln zu packen, hat man sich bei der SPD auf eine Politik des schlechten Gewissens verständigt und die sozialen Wohltaten mit der Gießkanne über das ganze Land verteilt. Das war bequem ehrlich; denn schuld waren ja alleine die bösen Verhältnisse, und die SPD als Hüterin der Gerechtigkeit wachte darüber, dass der Geldhahn aus den Mitteln der Steuerzahler beständig weiter floss.

Die Zeche müssen wir jetzt ausbaden. Wir haben diese Mammutaufgabe, den völlig überschuldeten Haushalt zu sanieren. Diese schwere Aufgabe bedingt auch, dass mit kleinen Eingriffen nichts zu bewirken war. Aber ein „Weiter so!“ wäre angesichts der Folgen für die nachfolgenden Generationen unverantwortlich, geradezu verheerend gewesen. Diese nämlich wollen auch noch funktionierende Strukturen und Rahmenbedingungen vorfinden, eine soziale Infrastruktur, die diesen Namen auch verdient, um ihr Leben dann auch selbstbestimmend gestalten zu können.

Das Gleiche gilt für die Arbeitslosenstatistik. Hier sollte sich die SPD daran erinnern, dass im Jahr 2005 die Anzahl bei rund einer Million Arbeitslosen in NRW gestanden hat, und davon allein 125.000 Jugendliche. Statt neue Arbeitsplätze durch gute Mittelstandspolitik und Bildungspolitik schaffen zu wollen, klammern Sie sich aber weiterhin an schädliche Instrumente wie den Mindestlohn, der ausgerechnet im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze vernichtet.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Quatsch!)

Damit befördern Sie genau diese Menschen ins gesellschaftliche Abseits, deren Unterstützung Sie sich eigentlich auf die Fahnen schreiben. Das gilt auch für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen. Die kollektive Verdrängung der Agenda 2010 bei der SPD ist deshalb ein Trauerspiel. Denn die Reformschritte sind im Kern richtig gewesen. Natürlich schafft Politik keine Arbeitsplätze, aber sie muss alles dafür tun, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Es hat viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, dass Menschen auch eine Arbeitsstelle finden und den Lebensunterhalt selbst verdienen können. Wir haben das in NRW mit Erfolg getan. 340.000 weniger Arbeitslose, 320.000 neue sozialversicherungspflichtige Stellen seit 2005 zeigen das.

Das waren einige Beispiele, die Ihnen zeigen, dass wir mit unserer Politik die notwendige Erneuerung dieses Landes auch tatsächlich vorantreiben und nach vorne gebracht haben und dass die Frage der Gerechtigkeit bei uns garantiert ganz oben steht. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Frau Kollegin Löhrmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Romberg, wenn das alles so einfach wäre, wie nach Ihrer Aufzählung von vermeintlichen Wohltaten. Vielleicht überlegen Sie einmal, warum ich in meinem Beitrag mit der Aussage anfange, dass viele Menschen – das zeigen alle Studien dazu – zum Ausdruck bringen, dass ihrer Meinung nach etwas in NordrheinWestfalen und in Deutschland ungerecht ist.

Daher kann es ja nicht stimmen, dass Sie die soziale Gerechtigkeit so wunderbar hinbekommen und regeln.