Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Es gehört auch dazu, die Interessen so stark wie möglich gemeinsam zu vertreten. Ich finde es schade, dass die CDU-Fraktion das nicht tut, weil Sie etwas Eigenes machen und deshalb einen solchen Beschluss alleine fassen wollen.

Ich will auf einen Punkt in Ihrem Antrag eingehen, auch wenn wir heute keine Hartz-Diskussion führen. Diesen Punkt hatte auch Herr Engels erwähnt. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, sie wollten Mitnahmeeffekte verhindern. – Über

Mitnahmeeffekte kann man gern und immer wieder reden. Im Moment gibt es eine öffentliche Debatte, in der viele behaupten, es gäbe Mitnahmeeffekte über die „Zellteilung der Haushalte“.

Auch aus den Zahlen der BA in NordrheinWestfalen aber geht hervor: Es gibt keinen Beleg für diese „Zellteilung“. Es wurde die Vermutung in den Raum gestellt, viele Jugendliche würden aus den Haushalten ausziehen. So lange man das nicht zahlenmäßig belegen kann, sollte man eine solche Position nicht unterstützen. Denn das stigmatisiert Menschen und schafft eine gewisse Stimmung. Es ist kontraproduktiv zu dem Bemühen, Lösungen im Interesse aller zu finden.

Deswegen möchte ich Sie bitten: Ziehen Sie diesen Punkt aus Ihrem Antrag zurück. Ohne das zahlenmäßig belegen zu können, tuten Sie in ein Horn, das überhaupt nicht der Realität entspricht. Sie unterstellen Jugendlichen etwas, das in diesem Lande überhaupt nicht passiert. Ich möchte Sie bitten: Nehmen Sie von diesem Punkt Abstand.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Steffens. – Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung.

Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Zunächst lasse ich deshalb abstimmen über den Inhalt des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/579. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Wer stimmt dagegen? –

(Zurufe von SPD und GRÜNEN: Oh! – Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit der Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt.

Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/611. Wer stimmt dem Entschließungsantrag zu? – Wer stimmt gegen den Entschließungsantrag? –

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag mit großer Mehrheit von CDU und FDP angenommen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

6 Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer

Eilantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/604

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 7. November 2005 fristgerecht einen Eilantrag zum Thema „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ eingebracht. Ich eröffne die Beratung und gebe Frau Löhrmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir haben heute eine sehr interessante und wichtige Tagesordnung.

(Unruhe)

Dieser Tagesordnungspunkt, den wir jetzt nur sehr kurz beraten, gehört zu den sehr wichtigen Punkten, die viele Menschen im Land bewegen. Es geht um die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Wie groß ist die Erhöhung, die bei den laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin beschlossen wird? – Das brennt vielen im Moment unter den Nägeln.

(Anhaltende Unruhe)

Endlich geht es nicht mehr darum: Wer wird was? Es geht nun um die Frage: Was wird wie?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle haben im Moment einen ungeheuren Gesprächsbedarf. Dafür haben wir großes Verständnis. Bitte befriedigen Sie diesen Gesprächsbedarf aber außerhalb des Plenarsaals.

(Beifall von CDU, SPD und GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Präsident.

Die Katze ist aus dem Sack. Es scheint beschlossene Sache, dass die Mehrwertsteuer kräftig erhöht werden wird. Ich hätte den Ministerpräsidenten, der jetzt leider nicht mehr anwesend ist, gern gefragt, ob er glaubt, dass die Menschen in diesem Land an kompletter Amnesie leiden. Noch im Juni dieses Jahres hat der Ministerpräsident eine Erhöhung der Mehrwertsteuer rundweg abgelehnt.

Seine Argumente waren absolut richtig. Eine Mehrwertsteuererhöhung ist das beste Mittel, die Konjunktur weiter abzuwürgen. Sie ist ein ausgezeichnetes Programm zur Förderung der

Schwarzarbeit. Sie schadet dem Handwerk, also gerade den kleinen und mittelständischen Unternehmen, deren Interessen Sie doch sonst fast schon wie eine Monstranz vor sich hertragen. Eine Mehrwertsteuererhöhung ist sozial ungerecht, denn sie trifft die am härtesten, die am wenigsten haben.

(Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Was machen unser Ministerpräsident und die CDU nach der Wahl?

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Als der Ministerpräsident merkt, dass der Zug Richtung Erhöhung abfährt, schlägt er einen Haken und lässt noch in der letzten Woche die Kollegen in Berlin wissen: 50 % der Mehrwertsteuererhöhung steht den Ländern zu – zum Stopfen der Haushaltslöcher, nicht zur Senkung der Lohnnebenkosten, wie vor der Wahl versprochen.

Was macht er heute? – Wie den Zeitungen heute zu entnehmen, macht er heute „wieder einen auf nachdenklich“. Das war wieder einmal eine typische Rolle Rüttgers.

Der Herr Ministerpräsident ist nicht nur beim Personal gescheitert. Er wird auch inhaltlich scheitern. Er ist auf dem Weg, sich in Berlin seine nächste Niederlage abzuholen, meine Damen und Herren.

(Unruhe)

Was in Berlin passiert, ist ein vorsätzlicher und fahrlässiger Angriff auf die zukünftige Entwicklung unseres Landes. Senkung der Abgabenbelastung und Aufkommensneutralität? – Fehlanzeige!

Angeblich sind über Nacht wie aus dem Nichts urplötzlich diese für niemanden vorhersehbaren Haushaltslöcher aufgetaucht. – Ja meine Güte, wo kommen denn diese Haushaltslöcher her? – 35 Milliarden € Defizit: Das hätte kein Mensch ahnen können, oder?

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, da wird ein mieses Stück aufgeführt. Das weiß jeder. Sie offenbar auch, Herr Schittges. Deshalb regen Sie sich auch so auf. Das merkt auch jeder. Das merken die Menschen in unserem Land. Deswegen schadet es der Glaubwürdigkeit der gesamten Politik.

Das gilt in diesem Falle auch für die Rolle der SPD. Das tut mir Leid, aber ich kann es Ihnen nicht ersparen. Jeder weiß, dass man in einer Koalition Kompromisse machen muss, aber Ihre

Leute in Berlin vollführen im Moment eine üble Täuschung der Wählerinnen und Wähler.

Frau Löhrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Fraktionskollegen Dr. Vesper?

Aber gerne.

Das habe ich mir gedacht.

Ich weiß aber nicht, was er fragt!

(Zurufe von der CDU)

Bitte schön, Herr Dr. Vesper.

Frau Kollegin Löhrmann, haben Sie mit mir den Eindruck, dass angesichts des Lärmpegels bei CDU und SPD bei dieser Frage deutlich wird, wie peinlich den Kolleginnen und Kollegen diese Debatte offensichtlich ist?

(Heiterkeit und Zurufe von der CDU: Oh!)

Frau Löhrmann, bitte.