Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Steffens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Romberg, ich habe von dieser Stelle aus schon oft gesagt, ich hätte gerne schon unter Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ein wirklich umfassendes und generelles Nichtraucherschutzgesetz gehabt. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Als ich 2001 schwanger war, hatte ich Schwierigkeiten, im Ausschuss durchzusetzen, dass dort nicht geraucht wird. Rauchen hatte in dieser Gesellschaft eine andere Normalität.
Sie können mir nicht erzählen, dass in einer Gesellschaft, in der selbst CDU-Politiker nicht in der Lage waren, das Rauchen einzustellen, sondern meinten, ich brauchte in einem solchen Ausschuss, in dem geraucht würde, doch keine Vertretung zu machen, die Mehrheit dafür dagewesen wäre, ein so umfassendes Gesetz durchzusetzen.
Frau Kollegin Steffens, der Abgeordnete Dr. Romberg möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?
Frau Kollegin Steffens, als ich im Jahre 2000 in dieses Parlament kam, fand ich das Rauchen hier absolut ungewöhnlich und störend. Mit dieser Meinung war ich nicht alleine.
Meine Frage an Sie: Wenn schon Abgeordnete in einem Parlament Rauchen als störend erachten, glauben Sie dann wirklich, dass es nicht eine Mehrheit dafür gegeben hätte, zumindest in den sensiblen Bereichen wie Schulen, Kindergärten und Jugendheimen einen Nichtraucherschutz gesetzlich zu installieren?
Nein, die Mehrheit gab es genau dort nicht. Die Diskussionen darüber haben wir ja auch an verschiedenen Stellen geführt.
Und in den Schulen gab es in weiten Teilen auch ein Rauchverbot – nicht so weitgehend wie jetzt; es gab aber eines. Es ist doch nicht so, als ob es dort gar nichts gegeben hätte.
In diesem Zusammenhang darf ich Sie daran erinnern, dass in den Ausschüssen darüber abgestimmt wurde. Wir haben im AGS noch darüber abgestimmt, ob dieser Ausschuss rauchfrei sein soll. Damals herrschte eine komplett andere Stimmung. In anderen Ausschüssen, in denen ich Kollegen vertreten habe, ist das Rauchen nicht eingestellt worden. Vielmehr hat man mir, die ich hochschwanger war, erklärt, ich könne die Vertretung ja sein lassen. – Das waren eine andere gesellschaftliche Mehrheit und eine andere Stimmung.
Ich kann auch noch einmal sagen: Es tut mir leid; ich hätte gerne mehr gemacht. – Jetzt sieht es aber doch anders aus! Heute gibt es in der Gesellschaft eine Mehrheit für die Einführung eines generellen Rauchverbotes. Lassen Sie uns deswegen hier und heute darüber reden. Wir sind bereit und haben den Willen dazu. Die SPD ist bereit und hat den Willen dazu.
Versuchen Sie doch nicht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, sondern sagen Sie einfach ganz ehrlich: Ich, Dr. Romberg, bin auch heute nicht dazu bereit. – Das ist nämlich die Faktenlage. Sie entziehen sich der Verantwortung.
Wir würden die Verantwortung gerne wahrnehmen. Die Zeiten werden sich auch ändern. Dann wird Nordrhein-Westfalen ein umfassendes Nichtraucherschutzgesetz bekommen.
Lassen Sie mich jetzt aber auf den Gesetzentwurf eingehen, den Sie hier vorgelegt haben. Wir haben es in der Anhörung des AGS deutlich gehört: 14 Bundesländer haben eine raumbezogene Ausnahmeregelung. Ein Bundesland, nämlich Bayern, hat eine situationsbezogene Ausnahmeregelung. Nur ein einziges Bundesland, und zwar Nordrhein
Westfalen, eröffnet alle Ausnahmemöglichkeiten, sowohl die raumbezogenen als auch die situationsbezogenen. Damit gibt es in diesem Land doppelt Möglichkeiten für Raucher und Raucherinnen und doppelt keinen Schutz für die Menschen. Hier sollten Sie sich einmal an Ihre Nase packen. Das ist das schlechteste Gesetz, das wir bundesweit haben.
Sie haben die gerade schon angesprochene Eckkneipenregelung in Bezug auf die zubereiteten Speisen geschaffen. Anhand der Beispiele, die wir auch im Ausschuss gehört haben, wird deutlich, welche Idiotie das ist! Wenn der Wirt die Frikadellen zu Hause brät, darf er sie in der Kneipe vertreiben, weil sie schon zubereitet sind. Brät er sie hingegen erst in der Küche der Kneipe, darf er sie dort nicht verkaufen. Wenn der Gast vom Tisch beim Wirt in der Küche anruft und das Essen ordert, darf er es erhalten, weil er es nicht in der Gaststätte angeboten bekommen hat, sondern beim Imbissservice in der Küche geordert hat. Bestellt der Gast das Essen direkt beim Wirt, darf der es ihm nicht servieren. Diese Ausnahmeregelungen führen zu Idiotien, wie man sie sich überhaupt nicht vorstellen kann.
Neben der Ausnahme für die Eckkneipen haben Sie noch die Möglichkeit geschaffen, dass in einem Nebenraum – der manchmal gar kein Nebenraum ist, sondern nur durch eine halbe Wand abgetrennt wurde – geraucht werden darf. Außerdem gibt es die geschlossenen Gesellschaften.
Ferner haben Sie die Raucherklubs ermöglicht, bei denen Sie, wie wir eben gehört haben, noch drei Jahre abwarten wollen, obwohl die kommunalen Spitzenverbände bei unserer Anhörung für alle Kommunen erklärt haben: Die Situation mit den Raucherklubs ist nicht akzeptabel; man kann das Ganze nicht umsetzen; man kann es nicht kontrollieren; es ist ein Wildwuchs ohne Ende. – Sie wollen aber noch drei Jahre abwarten.
Sie haben doch genauso wie wir die Beispiele gehört. Beispielsweise gibt es in Köln eine Bäckerei mit Stehcafé. Dort ist das Stehcafé mal eben zum Raucherklub gemacht worden. Das führt dazu, dass die Schüler und Schülerinnen morgens auf dem Weg zur Schule in dem Stehcafé kein belegtes Brötchen mehr kaufen dürfen, weil sie noch nicht 18 Jahre alt sind und deshalb den Raucherklub nicht betreten dürfen. – Das sind die Idiotien, die dieses Gesetz in unserem Land hervorbringt.
Dann meint man, die Kommunen müssten das Ganze umsetzen. Die Kommunen erklären, dass sie erstens nicht die Kapazitäten dazu haben –auch alle
In diesem Zusammenhang fallen mir auch die Einkaufszentren ein. Wenn man durch ein Einkaufszentrum geht, steht man plötzlich vor einem Café, das mit einer Absperrleine abgetrennt ist und an dem „Raucherklub“ steht. Dort kann man den Kinderwagen vor die Absperrleine stellen und darf hinter der Leine rauchend sein Wasser trinken. Das Kind darf man aber nicht am Glas trinken lassen, weil es noch nicht 18 ist.
Was ist das denn für ein Irrsinn, den Sie mit diesem Gesetz in Nordrhein-Westfalen provozieren und produzieren?
Meine Damen und Herren, setzen Sie sich doch einmal mit Ihrem Kollegen Henke auseinander, der als Mediziner anscheinend der Einzige ist, der weiß, was in diesem Land für Menschen eigentlich verkraftbar ist und was gesundheitspolitisch zu verantworten ist. Vielleicht setzen Sie sich auch einmal mit dem auseinander, was wir in der Anhörung zu hören bekommen haben.
Dieses Gesetz ist nämlich kein Gesetz, das Menschen schützt. Nach unserer Auffassung soll jeder selber entscheiden können, ob er raucht oder ob er nicht raucht. Nur: Es gibt kein anderes Gesetz, das als Rahmen regelt, an welcher Stelle und unter welchen Bedingungen ich andere Menschen vergiften darf. Dieses Gesetz tut das aber. Dieses Gesetz regelt nicht, wo ich rauchen darf, sondern wo ich andere Menschen vergiften darf. Deswegen wollen wir dieses Gesetz nicht.
Wir geben Ihnen heute mit unserem Änderungsantrag noch einmal die Chance, aus Ihrem defizitären, katastrophalen Gesetz doch noch ein Gesetz des wirklichen Nichtraucherschutzes zu machen. Ich würde mich freuen …
Frau Kollegin, der Abgeordnete Kleff möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Frau Steffens, Sie werden mir sicherlich recht geben, dass wir noch nie so viel Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen hatten wie heute.
Alles das, was Sie gerade angeführt haben, ist auch verfassungskonform. Oder sind Sie der Meinung, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz in Bezug auf Eckkneipen so zulassen würde, wenn auf diese Art und Weise Menschen vergiftet würden?
Das Bundesverfassungsgericht hatte nicht darüber zu entscheiden – das war nicht Bestandteil der Klage –, ob aufgrund der Bestimmungen dieses Gesetzes Menschen vergiftet werden oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich gesagt – wenn Sie sich genau mit seinem Urteil beschäftigt haben, wissen Sie das –:
Der Landesgesetzgeber muss abwägen, ob er den Gesundheitsschutz an erste Stelle stellt. Wenn er das tut und diese gesundheitspolitische Verantwortung übernimmt, ist ein generelles, ganz konsequentes Nichtraucherschutzgesetz verfassungskonform. Wir als Bundesverfassungsgericht können aber nicht entscheiden, ob der Gesetzgeber diese Verantwortung, die ihm von den Wählern und Wählerinnen übergeben worden ist, wahrnimmt.
Deswegen hoffe ich, dass Sie diese Verantwortung – entgegen dem Gesetzentwurf, den Sie uns hier vorgelegt haben – heute an dieser Stelle doch wahrnehmen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steffens. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Meurer, weil Sie mich heute auch persönlich angegriffen haben und außerdem erklärt haben, man habe vor Jahren hier nichts machen können, weil uns erst die Föderalismusreform die Kompetenz dazu gegeben habe, möchte ich Folgendes erwidern:
Es hätte Sie niemand daran gehindert, ein Rauchverbot in nordrhein-westfälischen Kindergärten zu beschließen.
Es hätte Sie niemand daran gehindert, ein Rauchverbot in nordrhein-westfälischen Schulen zu beschließen.