Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

(Beifall von der CDU)

Der Finanzminister hat zu schnell aufgehört. Es gab zwei Zwischenfragen, die Herr Linssen erkennbar nicht zulassen wollte. Das ist sein gutes Recht.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Ich war fertig!)

- Genau: Er war fertig.

Wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes angelangt. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir stimmen über die Überweisung ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/710 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales - federführend - und mitberatend an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration, den Haushalts- und Finanzausschuss, den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Frauenpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dieser Überweisungsempfehlung zu? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Überweisung einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

3 Mit einer attraktiven und leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur fit in die WM 2006

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/704

Ich weise hin auf den Entschließungsantrag der SPD Drucksache 14/817 und bitte Sie, ihn bei den Beratungen zu berücksichtigen.

Ich eröffne die Beratung und gebe als erstem Redner für eine der beiden antragstellenden Fraktionen Herrn Abgeordneten Lehne das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerne begründe ich den Antrag von CDU und FDP „Mit einer attraktiven und

leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur fit in die WM 2006“. Der FIFA-Präsident Joseph Blatter präsentiert die WM mit dem Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“. CDU und FDP haben sich vorgenommen, alles Notwendige zu veranlassen, damit sich die Besucher bei uns in NordrheinWestfalen wohl fühlen.

Etwa 3,2 Millionen Fußballfans - davon 1 Million aus dem Ausland - wollen die WM in Deutschland erleben. Wir in Nordrhein-Westfalen sollten uns den Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ zu Eigen machen. Es handelt sich um eine einmalige Gelegenheit, Nordrhein-Westfalen als Sportland und als Wirtschafts- und Tourismusstandort weltweit im besten Licht zu präsentieren, da 16 von 64 Begegnungen und damit der Großteil der Spiele dieser WM an drei Standorten in unserem Bundesland stattfinden.

NRW lockt mit seiner zentralen Lage und den vielfältigen Kultur- und Unterhaltungsangeboten an Rhein und Ruhr. Die Spiele werden im Übrigen Besucher und Besucherinnen nicht allein in die WM-Zentren führen. Wie bereits ausgeführt, rechnet das deutsche Organisationskomitee mit rund 3,2 Millionen Fußballfans, die es nicht nur durch die Spiele, sondern auch kulturell und durch andere Angebote zu befriedigen gilt. Hierfür muss die notwendige Infrastruktur des Straßennetzes und des öffentlichen Personennahverkehrs vorgehalten werden, um einen reibungslosen Ablauf dieser Großveranstaltung zu gewährleisten.

Die Verkehrsverbünde, die Deutsche Bahn und die DB Regio sowie der Individualverkehr bilden das Rückgrat der Mobilität mehrerer Millionen Fans und der Bürger. Die Mobilität der Besucher und Besucherinnen muss sichergestellt sein. Die positiven Eindrücke, die unsere Gäste bei den Veranstaltungen gewinnen, dürfen nicht durch Verspätungen, Staus oder verwahrloste Fahrzeuge und Bahnhöfe getrübt werden. Dazu muss der öffentliche Verkehr nicht nur in der Leistungsfähigkeit, sondern auch bei den Qualitätsstandards optimal auf die Herausforderungen vorbereitet sein. Es gilt, Nordrhein-Westfalen als moderne Region mit attraktiver und leistungsfähiger Infrastruktur weltweit zu präsentieren und die Stärken Nordrhein-Westfalens herauszustellen.

Die Erfahrungen von Weltjugendtags und Confederations Cup sollen in die Umsetzung zur WM 2006 einfließen. Schonungslos müssen wir die Schwächen aufdecken. So gilt es zum Beispiel, Fehler wie beispielsweise die etwas chaotischen Verhältnisse beim Abtransport der Pilger vom Marienfeld bei Köln während des Weltjugendtags zu vermeiden.

Es geht nicht nur allein um Technik und Abwicklung, sondern auch um das Erscheinungsbild, insbesondere des ÖPNV.

Zu berücksichtigen ist auch, dass Großereignisse wie Fußball-Welt- oder -Europameisterschaften und Olympische Spiele auch weit nach deren Ende dazu beitragen, Gelder in die Austragungsorte und Regionen zu bringen.

Eine Studie des Lehrstuhls für Unternehmensführung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Stadt Nürnberg hat am Beispiel des Austragungsorts Nürnberg ergeben, dass die dortige Region im Prognosezeitraum 2004 bis 2015 erheblich von der WM profitieren wird:

Für den Wirtschaftsstandort wird ein mögliches Umsatzpotenzial von 218 Millionen € geschaffen. Ein wichtiger Bestandteil sind hier auch die ca. 550.000 zusätzlichen Besucher, die man nur in Nürnberg erwartet.

Der Imagegewinn, der durch internationale Medienberichterstattung erzielt wird, liegt nur für die Stadt bei 6,8 Millionen €.

Dies ist nur ein Beispiel, und es ist zu beachten, dass es sich nur um einen Austragungsort handelt. In Nordrhein-Westfalen haben wir drei Austragungsorte, und die Ergebnisse werden weitaus positiver sein.

Umso wichtiger ist es für Nordrhein-Westfalen, dass das von uns geforderte Papier schnellstens ausgearbeitet wird. Nur so können wir unserer politischen Verantwortung zur Kontrolle gerecht werden. Es ist also durchaus relevant zu erfahren, auf welchem Stand sich die Vorbereitungen im Bereich Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen befinden und in welchem Ausmaß noch Anstrengungen unternommen und gegebenenfalls vom Landtag beziehungsweise der Landesregierung angestoßen werden müssen.

Aus diesem Grunde halten CDU und FDP einen ausführlichen Bericht für unbedingt erforderlich. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Antrag dem ernsthaften Bemühen gilt, die Situation in Nordrhein-Westfalen zu durchleuchten und die notwendigen Schritte zur Verbesserung möglichst zügig einzuleiten.

Umso mehr verwundert der Entschließungsantrag der SPD, der lediglich ein kraftloser Schauantrag zur reinen Selbstdarstellung ist.

(Dieter Hilser [SPD]: Sie verwechseln wahr- scheinlich die Drucksachen!)

Die SPD-Landtagsfraktion hat offensichtlich nicht begriffen, dass dieses Thema, auch wenn es - allerdings in einem anderen Rahmen - bereits in zwei Sitzungen des Ausschusses für Bauen und Verkehr behandelt worden ist, noch nicht ausreichend aufgearbeitet wurde.

(Zuruf von der SPD: Warum muss man das dann hier behandeln?)

- Ich komme gleich darauf. - Der Minister für Bauen und Verkehr hat bisher sehr gute Arbeit geleistet. Es ist nur positiv, wenn uns der Minister im Ausschuss die Vorbereitungen zur WM in Nordrhein-Westfalen betreffend auf dem Laufenden hält. Daran ändert im Übrigen auch der schriftliche Bericht des Ministers nichts, in dem zum Beispiel nicht auf die Abwicklung der Besucherströme eingegangen wird. So ist etwa im schriftlichen Bericht von vielen Schwachpunkten die Rede, die erkannt worden sind und beseitigt werden müssen. Detailliertes wird allerdings nicht ausgeführt. Demnach kann keine Rede davon sein, dass das Thema bereits vollständig und umfassend aufgearbeitet ist.

CDU und FDP halten es mit den Worten des Ministerpräsidenten aus seiner Regierungserklärung vom 13. Juli 2005. Damals erklärte er:

„Der Weltjugendtag im August und die Fußballweltmeisterschaft 2006 sind großartige Ereignisse. Wir sind stolz, dass sie bei uns stattfinden. Wir heißen Hunderttausende Gäste aus aller Welt willkommen und freuen uns, mit ihnen zu feiern. Wir werden als Gastgeber alles dafür tun, dass sie gerne hier sind und dass es sicher zugeht.“

Wir wollen die bereits durchaus attraktive und leistungsfähige Infrastruktur fitter für die WM 2006 machen und keine bösen Überraschungen erleben.

Wir wollen der Öffentlichkeit deutlich machen, dass wir hinter solchen Großereignissen stehen und diese für das Land ausschließlich vorteilhaft und gewinnbringend sind.

Wir wollen gerüstet sein, wissen, welche Probleme auf uns zukommen können, und wollen nicht nur erfahren, wie es die SPD-Fraktion hier im Landtag durch ihren Entschließungsantrag verdeutlicht, was bereits geschehen ist. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zeigen mit Ihrem Antrag, dass Sie in der Vergangenheit leben. Wir wollen die Zukunft gestalten. Wir wollen keine billige Polemik wie im Entschließungsantrag in der Begründung, sondern Fakten erfahren, um verantwortlich erkennen und handeln zu können.

Hierfür brauchen wir den Bericht, wie im Antrag eingefordert.

Ich kann Ihnen zum Schluss nur raten, Ihren Antrag zurückzunehmen und sich unserem Antrag anzuschließen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Rasche das Wort; denn auch die FDP hat diesen Antrag mit gestellt.

So ist es, Herr Präsident.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis zum Eröffnungsspiel der Fußball-WM am 9. Juni 2006 sind es noch exakt 191 Tage. Nordrhein-Westfalen ist mit drei von zwölf Spielstandorten und 16 von 64 Spielen besonders stark an der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft beteiligt. Es wird insgesamt mit 3,2 Millionen Stadionbesuchen gerechnet. Hinzu kommen die Fans, die keine Eintrittskarten haben und sich die Spiele unter anderem auf öffentlichen Plätzen an Großbildschirmen anschauen. Rund 1 Million Besucher werden in Nordrhein-Westfalen erwartet.

Dieser Besucheransturm stellt die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen vor gewaltige Herausforderungen. Das gilt sowohl für die Schiene als auch für die Straße. Die Investitionen in die Infrastruktur sind im Bau oder bereits fertig gestellt. Dabei ist klar, dass die Projekte nicht erst seit dem 22. Mai geplant und umgesetzt werden. Auch der rot-grünen Landesregierung war bekannt, dass wir im nächsten Jahr ein besonderes Ereignis in Deutschland haben werden und dass die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen erhebliche Defizite aufweist.

Es war richtig - das ist doch klar, Herr Wißen -, dass die alte Landesregierung damit begonnen hat, die vorhandenen Defizite, die für die FußballWM 2006 von besonderer Bedeutung sind, zu beseitigen. Bezeichnend ist aber, meine Damen und Herren, dass sämtliche Infrastrukturprojekte zur Erleichterung und Verbesserung der Organisation der Spiele auch ohne die WM notwendig gewesen wären. Das heißt, dass Rot-Grün einen gewaltigen Investitionsstau zu verantworten hat, der mit Blick auf die WM jetzt lediglich punktuell aufgelöst wird. Rot-Grün hat sich auf die WM-Projekte konzentriert, und dabei blieben weitere dringende Verkehrsprojekte in Nordrhein-Westfalen auf der Strecke.

Im Entschließungsantrag der SPD wird festgestellt, dass die alte Landesregierung 200 Millionen € für Infrastrukturprojekte im Zusammenhang mit der WM 2006 zur Verfügung gestellt hat. Das ist nur die halbe Wahrheit. Verschwiegen wird, dass etliche ebenso wichtige Projekte nicht durchgeführt worden sind. Hier hätte wesentlich mehr getan werden müssen.

Es ist klar, dass für Infrastrukturprojekte, die bis heute noch nicht auf den Weg gebracht worden sind, bis zum Beginn der WM keine Chance auf Realisierung besteht. Deshalb, meine Damen und Herren, geht es in unserem Antrag nicht primär um die Infrastruktur, sondern darum, dass die vorhandene Infrastruktur im Interesse der WMBesucher optimal genutzt wird. Insofern geht der Entschließungsantrag der SPD, in dem unsere Initiative als Showantrag bezeichnet wird, völlig an der Sache vorbei. Denn die optimale Nutzung der vorhandenen Infrastruktur ist überhaupt noch nicht gewährleistet. Vielleicht erreichen wir dieses Ziel ja gemeinsam.

Vor besonderen Herausforderungen bei der Bewältigung der WM-Zuschauerströme steht der öffentliche Nahverkehr. Hier wird für die Zeit der WM mit etwa 350.000 zusätzlichen Fahrten pro Tag gerechnet. Zum Vergleich: Allein im VRR werden derzeit etwa 2 Millionen Fahrten täglich gezählt. Damit die Besucher ein positives Bild mit nach Hause nehmen, brauchen wir ein leistungsfähiges, zuverlässiges und qualitativ hochwertiges Angebot im ÖPNV.

Ein wesentlicher Baustein dazu ist das von VRR und VRS federführend entwickelte und noch zu bearbeitende Nahverkehrskonzept zur FußballWM 2006, für das die neue Landesregierung - die neue Landesregierung, Herr Wissen - eine finanzielle Förderung in Höhe von 5 Millionen € bewilligt hat. Hier geht es um die Verstärkung des Leistungsangebotes, den Einsatz von zusätzlichen Sicherheitskräften, die Qualifizierung von Servicepersonal, eine bedarfsgerechte Fahrgastinformation sowie den Vertrieb spezieller ÖPNV-Tickets.

Die ÖPNV-Zweckverbände, die Deutsche Bahn AG und die örtlichen ÖPNV-Unternehmen sind bereits auf einem guten Weg. Aber der reibungslose Transport von mehreren hunderttausend zusätzlichen Fahrgästen pro Tag ist kein Selbstläufer, meine Damen und Herren. Deshalb haben wir die Landesregierung um einen umfassenden Bericht nicht nur über die Infrastruktur, sondern insbesondere auch über die vorgesehenen Verkehrsangebote und die Verkehrsorganisation gebeten. In diesem Bericht müssen auch die nicht immer positiven Erfahrungen aufgearbeitet werden, die

beim Weltjugendtag und beim Confederations Cup 2005 gemacht worden sind.

Angesichts der herausragenden Bedeutung und der gewaltigen Chance der Fußball-WM für das Land Nordrhein-Westfalen sollte auch der Landtag Gelegenheit haben, sich rechtzeitig vor der WM über den Stand der Vorbereitungen im Verkehrsbereich zu informieren, um gegebenenfalls Nachbesserungen einzufordern. Auch deshalb ist der Tenor des Entschließungsantrags der SPD absolut unangebracht. Sie können doch nicht ernsthaft sagen, wenn Sie ein sehr umfassendes Thema in den Ausschuss bringen und es dort auch behandelt wird, sei das gut und richtig. Machen das Gleiche aber FDP und CDU speziell in der Ausrichtung, die ich Ihnen erklärt habe, sei das ein Showantrag.

Ich glaube, das ist dieser Fußball-WM unangemessen. Wir sollten Nordrhein-Westfalen gemeinsam positiv darstellen. Wenn in gut einem halben Jahr Sportler, Offizielle, Fußballfans und Journalisten aus aller Welt in Nordrhein-Westfalen zu Gast sind, müssen sie ein effizientes und leistungsfähiges Verkehrssystem vorfinden.