Aber es macht Mut, wenn man erfährt, dass zum Beispiel in Schleswig-Holstein die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und auch SSW in einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative für die Beibehaltung eines einheitlichen Strafvollzugs auf Bundesebene aus den eben genannten Gründen plädiert haben. Ich würde mich freuen, wenn es einen solchen gemeinsamen Aufschlag auch in Nordrhein-Westfalen geben könnte. Also fragen Sie einmal nach bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein, und geben Sie sich einen Ruck!
Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten ist die eine Aufgabe, aber Ziel jeglicher Vollzugsarbeit ist die Resozialisierung eines jeden Gefangenen. Meine Damen und Herren, wir wollen nicht, dass sie nach hinten rückt, nur weil sie teuer ist. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die föderale Staatsordnung der Bundesrepublik Deutschland hat sich bewährt. In mehr als 50 Jahren Verfassungsgeschichte hat sich jedoch die Verfassungswirklichkeit von der ursprünglichen Idee des Föderalismus immer weiter entfernt. Die Landtage haben durch die weitgehende Zentralisierung der Gesetzgebungskompetenz auf Bundesebene an Gestaltungskraft verloren. Die Verflechtung der Kompetenzen schränkte die Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern zunehmend ein. Der gewollte Wettstreit der Bundesländer um Ideen, Ziele und Wege trat immer mehr hinter die Diskussion um die Herstellung sogenannter einheitlicher Lebensverhältnisse in der gesamten Bundesrepublik zurück.
Mit der in der großen Koalition auf Bundesebene verabredeten Föderalismusreform wurde ein wichtiger Schritt getan, um den aufgezeigten Defiziten zu begegnen. Mit der Föderalismusreform werden zum ersten Mal in Jahrzehnten entstandene und immer schwerer zu durchschauende Verflechtungen zwischen Bund und Ländern aufgebrochen.
Zum ersten Mal werden in einem nennenswerten Umfang die Landtage in ihren Gesetzgebungskompetenzen deutlich gestärkt, indem sie in einer ganzen Reihe von Politikfeldern die Entscheidungskompetenz zurückerhalten. Damit wird der unterschiedlichen Gestaltungskraft der Länder Rechnung getragen. Nun ist wieder der Wettstreit der Bundesländer um Ideen, Ziele und Wege eröffnet.
Unser jetziger Ministerpräsident hat sich bereits in seiner Zeit als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung für mehr Subsidiarität, mehr Wettbewerb und mehr Gestaltungsfreiheit der Länder eingesetzt. Die Koalition der Erneuerung hält an dieser aktiven Rolle fest. Nun gilt es, die Gestaltungsräume, die sich den Ländern durch die Föderalismusreform eröffnen, zügig zu nutzen.
Durch diese Reform entstehen für unser Land Nordrhein-Westfalen neue oder veränderte Handlungsspielräume in den Bereichen, in denen die Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder übergehen sollen. Das gilt zum Beispiel für das Laufbahn-, Besoldungs- und Versorgungsrecht im öffentlichen Dienst, das Hochschulrecht, Wohnungswesen, Umweltgesetzgebung.
Zu den neuen Gestaltungs- und Verantwortungsbereichen der Bundesländer wird auch der Bereich des Strafvollzugs einschließlich des Vollzugs
der Untersuchungshaft gehören. Schon jetzt gibt es in der Gestaltung des Strafvollzugs teilweise erhebliche Unterschiede zwischen der Praxis in den einzelnen Bundesländern, je nachdem, wie die jeweiligen Landesregierungen Schwerpunkte setzen wollen.
Das jeweilige Landesparlament bleibt dann aber praktisch außen vor. Die Praxis im Strafvollzug unterliegt jedoch überall dem Prüfungsmaßstab des Grundgesetzes. Daran wird sich auch durch die Föderalismusreform und die Verlagerung der Zuständigkeit auf die Länder nichts ändern. Allerdings lässt die grundgesetzliche Vorgabe durchaus nicht unbedeutende Auslegungs- und Gestaltungsfreiräume für die ausführenden Verwaltungen zu.
Hervorzuheben ist, dass wir als Landesparlament von Nordrhein-Westfalen nun die Chance haben, die Option erhalten, auf parlamentarischer Ebene ein auf die Bedürfnisse des Landes und der Bürger in unserem Land passgenau zugeschnittenes Strafvollzugsgesetz zu schaffen. Wir sind bereit, diese Verantwortung zu tragen, und werden daher aus den vorgenannten Gründen später im Ausschuss den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nunmehr liegt das erste Ergebnis auf dem Tisch, soweit es um die Föderalismuskommission geht, nämlich die Tatsache, dass ein Teil der Zuständigkeiten auf die Länder zurückverlagert werden soll. In diesem Fall handelt es sich um den Strafvollzug. Ich hatte bei der Rede von Herrn Giebels gerade Angst, dass wir gar nicht mehr auf das Thema kommen. Er hat so viel zum Thema Föderalismus, aber so wenig zum Vollzug gesprochen. Ich war etwas erstaunt.
Ich bekenne direkt zu Beginn: Die Rechtspolitiker der SPD-Landtagsfraktion haben durchaus Schwierigkeiten mit dem Ergebnis der Föderalismusreform und der Tatsache, dass man sicherlich aus einem großen geschnürten Paket nur schwer wieder Teile herauslösen kann. Aber die Föderalismusreform war – keine Frage – überfällig. Sie ist aber kein Allheilmittel, wie es gerade schon gesagt worden ist. Dennoch – ich will es so formulieren –:
Mit ihr droht auch nicht der Untergang des vollzugsrechtlichen Abendlandes. Davon gehe ich zumindest derzeit nicht aus.
Wir nehmen als SPD-Landtagsfraktion durchaus mit einer gewissen Besorgnis die kräftigen Stimmen entgegen, die von den Berufsverbänden, den Richterinnen und Richtern, den Anwältinnen und Anwälten, der Praxis, aber auch der Wissenschaft formuliert werden. Diese Bedenken kann man sicherlich nicht einfach zur Seite schieben, sondern wir werden uns diesen Bedenken in der öffentlichen Diskussion im Ausschuss widmen müssen. Das ist noch einmal eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie in Schleswig-Holstein mit diesem Thema umgegangen worden ist. Das war ein guter Tipp.
Neu ist das Thema nicht zu sagen, Strafvollzug ist Ländersache. § 139 des Strafvollzugsgesetzes gibt den Ländern die Verwaltungshoheit über die Justizvollzugsanstalten. Das ist im Endeffekt nichts Neues. Der Kollege Giebels hat schon zu Recht darauf hingewiesen, dass inzwischen durch einzelne Verwaltungsvorschriften und unterschiedliche Erlasse die Länder durchaus eigene Akzente gesetzt haben. Es gibt also durchaus breite Unterschiede unter den 16 Bundesländern bei der Gestaltung des Strafvollzugs.
Verlegt man den Strafvollzug in die Länderhoheit, könnte das Land sicherlich schneller und flexibler auf Veränderungen eingehen, die sich mit dem Strafvollzug beschäftigen. Ich denke dabei zum Beispiel an den Chancenvollzug oder an die Möglichkeit, dass Gefangene mitarbeiten dürfen müssen. Das ist sicherlich eine Chance, die sich einem Land eher öffnet, wenn es eigene Gesetzgebungskompetenz hat.
Mit Interesse nehmen wir gleich von Ihnen, Frau Ministerin, die Stellungnahme entgegen. Nach meinem Kenntnisstand unterstützen Sie gemeinsam mit Ihrer niedersächsischen Kollegin die derzeitige Diskussion um die Föderalismusreform. Ich kann mich aber erinnern, dass zu Ihrer Zeit als Richterin und Landesvorsitzende des Richterbundes Ihre Meinung anders war. Im Übrigen ist das auch die Meinung Ihres Kollegen Arenhövel, des Bundesvorsitzenden, und Ihres Nachfolgers, der nun auf Ihrem Stuhl sitzt. Ich meine den Kollegen Gnieser. Diese beiden Kollegen teilen Ihre Auffassung nicht. Die Bedenken dieser beiden Kollegen oder auch der oben genannten Kritiker veranlassen uns, dass wir für den Fall, dass tatsächlich die Zuständigkeit auf das Land NordrheinWestfalen übergeht, genau beobachten, dass sichergestellt wird, dass die Behandlungsorientierung des Strafvollzuges erhalten bleibt. Das ist für
uns ein wichtiges Merkmal. Dies gilt umso mehr, als den Kolleginnen und Kollegen unter uns bekannt ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Chance zur Wiedereingliederung als Verfassungsgebot formuliert hat. Es kann nicht nur darum gehen, Menschen einfach so preiswert wie möglich wegzusperren und darauf zu warten, dass ihre Haftzeit abläuft. Es ist und war auch immer Wille der SPD-Landtagsfraktion, gleichwertige Lebensverhältnisse der Gefangenen herzustellen.
Eine gute Chance dafür sehen wir im übrigen auch darin, dass wir in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den anderen Bundesländern in der Bundesrepublik dafür Sorge tragen, dass in Europa gleiche Mindeststandards gelten – sowohl dort, wo sie bereits gegeben sind, als auch dort zu erreichen, wo wir meinen, dass sie noch nicht vorhanden sind; denn diese europäische Harmonisierung könnte dafür sorgen, dass die Bedenken, die bezüglich einer Absenkung der Standards formuliert werden, sich als haltlos erweisen.
Wir stimmen heute einer Überweisung des Antrages an den Rechtsausschuss zu und freuen uns dort auf die sachliche Diskussion. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat Kollege Dr. Orth für die FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es macht immer wieder eine wahre Freude, über Dinge zu reden, die im Kern das Plenum eigentlich gar nicht beschäftigten sollten; denn wenn ich zu Beginn des Antrags vom Koalitionsvertrag von SPD und CDU auf Bundesebene lese, so kann ich nur sagen: Diesem Koalitionsvertrag fühle ich mich als Liberaler nicht verpflichtet. Ich glaube auch, dass das hohe Haus diesem Vertrage nicht verpflichtet ist. Von daher frage ich mich allen Ernstes, was Sie mit diesem Antrag eigentlich bezwecken.
Wir haben doch alle als gut gebildete „Tagesschau“-Seher mitbekommen, dass die Föderalismusreform in groben Zügen auf den Weg gebracht ist. Es ist doch ein Irrglaube, dass man vonseiten der Justizpolitik in Nordrhein-Westfalen – wohl gemerkt nur begrenzt auf die Justizpolitik in Nordrhein-Westfalen – ein solches Mammutprojekt wieder aufschnüren könnte. Von daher sollten wir uns – auch den Realitäten ins Auge sehend – doch damit beschäftigen, wie wir in Zukunft den Vollzug in Nordrhein-Westfalen gestalten wollen.
Wenn Sie davon sprechen, dass Ihr Ziel Haftvermeidung ist, kann ich nur sagen: Für Liberale ist Haftvermeidung an sich kein Selbstzweck. Haftvermeidung gibt es auch nicht um jeden Preis. Das heißt: Ich lasse niemanden frei, wenn er hinterher ein Risiko ist. Das möchte ich hier einmal festhalten; denn das ist eine Chimäre, die häufig vor einem hergetragen wird.
Auch ist die Einheitlichkeit des Vollzugs heute keine Realität. Wer sich einmal in Bayern ein Gefängnis angeschaut hat und fragt, wie dort offener Vollzug praktiziert wird, und wer nach BielefeldBrackwede oder nach Senne gefahren ist, der weiß, dass es auch heute schon bei der gleichen Gesetzgebung Unterschiede gibt.
Wenn wir zudem berücksichtigen, dass auch heute schon jedes Land ein eigenes Landespolizeigesetz hat und Bundesrecht Strafrecht sozusagen exekutiert und Leute in Haft genommen werden, weil sie mutmaßlich eine Straftat begangen haben, die bundeseinheitlich geregelt ist, dann, glaube ich, können wir auch nach der Verurteilung mit Landesgesetzen operieren.
Ich will nicht verhehlen, ich persönlich hätte es mir gewünscht , wenn wir die Länderzuständigkeit nicht bekommen und wenn wir das bundeseinheitlich geregelt hätten. Aber in einem derart großen Paket ein Krümelchen herauszubrechen ist jenseits aller Realität.
Was mich allerdings an Ihrem Antrag unter „Demokratie-Aspekten“ jedoch persönlich erstaunt hat, ist, dass Sie in der Begründung schreiben: Wir erwarten, dass der Bundestag Gelegenheit hat, die Konsequenzen aus der Reform des Föderalismus eingehend zu diskutieren. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wohl nicht an uns als Parlamentarier Nordrhein-Westfalens, dem Bundestag, den Kolleginnen und Kollegen dort, Empfehlungen an die Hand zu geben, was sie denn bitte zu diskutieren hätten. Ich glaube, das können die selber entscheiden, und das werden die auch selber entscheiden. Sie werden sich dann ihre eigenen Gedanken dazu machen. Ich würde es mir auch verbitten, wenn ich erführe, dass andere Länder oder der Bund uns qua Parlamentsbeschluss bitten, in unserem Bundesland eine bestimmte Sachlage zu diskutieren. Ich glaube, das ist kein guter, demokratischer Stil. Im Übrigen sehe ich den Beratungen im Ausschuss entgegen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann mich zu diesem Tagesordnungspunkt kurz fassen. Die Überlegungen der Föderalismuskommission zielen darauf ab, durch eine Änderung des Grundgesetzes klare Zuständigkeiten und eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu schaffen und die Stellung der Länderparlamente zu stärken. Dazu gehört auch die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich ist mir bekannt, dass zahlreiche Stimmen in Praxis, Wissenschaft, Kirchen, Gewerkschaften und sonstigen Verbänden, sich gegen eine Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder ausgesprochen haben. Die hierbei angeführten Argumente finden sich zum Teil auch in dem uns vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Die Landesregierung nimmt die geltend gemachten Bedenken durchaus ernst. Sie muss jedoch auch anderen, und zwar nicht nur politischen, sondern auch sachlich begründeten Erwägungen Rechnung tragen. Dem Wunsch nach einer Beibehaltung des bisherigen Zustandes ist insbesondere entgegenzuhalten, dass die zunehmend kostenträchtige Finanzierung und insbesondere die tatsächliche Ausgestaltung des Strafvollzuges Ländersache ist.
Von daher besteht auch ein Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen an einer eigenständigen Regelungskompetenz für die Ausgestaltung des Strafvollzuges.
Diesem Interesse werden weder die bloßen Mitwirkungsrechte noch die Möglichkeiten von Gesetzgebungsinitiativen im Bundesrat hinreichend gerecht. Das gilt umso mehr, als nahezu ein Viertel der Gefangenenpopulation der Bundesrepublik Deutschland in Nordrhein-Westfalen inhaftiert ist.
Schon aus der weitestgehend unterschiedlichen Anzahl der Gefangenen in den einzelnen Ländern ergeben sich zum Teil auch unterschiedliche Anforderungen an die Rahmenbedingungen, die Ausgestaltung und gegebenenfalls auch die Schwerpunktsetzung im Bereich des Strafvollzuges.
So kann die Vollzugslandschaft in dem mehrfach erwähnten Land Schleswig-Holstein mit einer aus unserer Sicht äußerst geringen Gefangenenpopulation nicht mit den Verhältnissen in Nordrhein
Westfalen verglichen werden. Schon deshalb kann auch der Umstand, dass der Landtag Schleswig-Holsteins sich gegen eine Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz ausgesprochen hat, für uns kein Maßstab sein.
Aus Sicht der Landesregierung kommt hinzu, dass es sich bei der Föderalismusreform um ein mit Blick auf die künftigen Anforderungen an die Handlungsfähigkeit ganz Deutschlands eminent wichtiges, in ein Gesamtpaket eingebettetes Vorhaben handelt. Der Erfolg dieses Vorhabens wäre gefährdet, wenn nunmehr einzelne Teile aus dem Gesamtpaket herausgebrochen würden. Die Landesregierung hat ein vitales Interesse daran, dass die Föderalismusreform Erfolg hat.
Dazu gehört die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder.
Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die im Antrag zum Ausdruck gekommene Befürchtung eingehen, die Angelegenheit könne vom Deutschen Bundestag in einem der Sache nicht gerecht werdenden Eiltempo behandelt werden. Ich denke, dass diese Befürchtung unbegründet ist.
Verfassungsänderungen sind für alle hieran Beteiligten kein Alltagsgeschäft. Ich habe keinen Zweifel, dass die hier in Rede stehende Änderung des Grundgesetzes bereits im Vorfeld einer endgültigen Entscheidung des Deutschen Bundestages von den fachlich betroffenen Gremien unter Berücksichtigung und Abwägung aller das Für und Wider betreffenden Aspekte eingehend beraten werden wird.
In diesem Rahmen würde gegebenenfalls auch über die in dem Antrag thematisierte Frage eines etwaigen Erfordernisses von Expertenanhörungen zu befinden sein. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.