Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

In diesem Rahmen würde gegebenenfalls auch über die in dem Antrag thematisierte Frage eines etwaigen Erfordernisses von Expertenanhörungen zu befinden sein. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Schluss der Beratungen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ältestenrates. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1112 an den Rechtsausschuss. Dort soll die abschließende Beratung und Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, bitte ich mit der Hand aufzuzeigen. – Gegenstimmen! –

Enthaltungen? – Bei Zustimmung aller Fraktionen somit angenommen.

Wir kommen damit zu:

6 Kirchengebäude erhalten statt abreißen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1108

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion dem Kollegen Dr. Vesper das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird den einen oder anderen überraschen, dass dieser Antrag ausgerechnet von uns kommt. Meine Fraktionsvorsitzende hat mir gerade noch ein Jetztbin-ich-aber-Gespannt nachgeworfen.

Es handelt sich um ein sehr wichtiges Thema, das wir heute beraten, die Nutzung und Erhaltung von Kirchengebäuden.

„Die Aktualität und Brisanz dieser Fragen liegen auf der Hand. Denken wir nur an die demographische Entwicklung in unserem Land, an die Abwanderung vieler Menschen aus früheren Wohngebieten und an den Mitgliederschwund in den Kirchen; denken wir an die Probleme des rückläufigen Gottesdienstbesuches, des Priestermangels und – damit verbunden – der Fusion von Kirchengemeinden und der Bildung von sogenannten Seelsorgeeinheiten. Denken wir an den Säkularisierungsdruck in der Gesellschaft mit seinen Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens – auch des kirchlichen Lebens. Und denken wir vor allem an die enormen finanziellen Lasten, die mit einer angemessenen Bewahrung des Bestandes an Kirchengebäuden verbunden sind.“

Das war ein Plagiat oder – sagen wir es freundlicher – ein Zitat aus den Arbeitshilfen 175 „Umnutzung von Kirchen – Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen“ der deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahre 2003. Es zeigt, dass unser Thema in der Diskussion ist und Handlungsbedarf erfordert.

Dabei ist uns allen klar – ich sage das sehr deutlich –: Die beste Nutzung einer Kirche ist natürlich die Nutzung als Gotteshaus. Aber es ist Realität, dass in vielen Fällen – im Antrag sind Beispiele aufgelistet, ob es nun die Diözese Essen, die Diözese Köln oder die Evangelischen Landeskirchen

sind – Kirchen nicht mehr gehalten werden können.

Das ist dann nicht mehr nur allein ein Problem für die jeweiligen Kirchengemeinden, für die Landeskirchen oder für die Bistümer, sondern das ist ebenfalls ein Problem der Städte und Gemeinden und damit unseres Landes.

Eine Kirche, die verfällt oder abgerissen wird, die vielleicht Identifikationspunkt für einen ganzen Stadtteil war, reißt ein Loch in diesen Stadtteil und kann dazu beitragen, dass er sich destabilisiert. Deswegen müssen wir ein Interesse daran haben, dass diese Kirchen sinnvoll und würdevoll genutzt werden, denn in der Regel stehen die Kirchen mitten in der Stadt.

Es gibt sehr viele und sinnvolle Beispiele. Ich erinnere mich daran, dass ich schon Ende der 90erJahre in Mönchengladbach eine evangelische Kirche eingeweiht habe, die in ein Wohnhaus des sozialen Wohnungsbaus umgenutzt worden ist, sehr behutsam, von außen kaum sichtbar und mit einer sehr hohen Wohnqualität ohne Schnickschnack und Schnörkel.

In Bielefeld haben wir vor wenigen Wochen – der Name Bielefeld fällt häufiger, weil wir da der Entwicklung häufig weit voraus sind –,

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Günter Garbrecht war auch dabei, eine ehemalige evangelische Kirche, die Martinikirche, als ein Restaurant unter dem beziehungsreichen Titel „Glück und Seligkeit“ eingeweiht, und zwar ohne öffentliche Förderung. Das war eine private Initiative, die auch privat finanziert worden ist. Seitdem gelingt es mir nicht, in dieser Kirche einen Tisch zu bekommen.

(Günter Garbrecht [SPD]: Drei Monate!)

Man muss einige Monate im Voraus buchen. Das war, als sie noch als Kirche in Funktion war – das wurde mir erzählt; ich bin ja katholisch –, offensichtlich nicht der Fall.

In Münster wurde gerade das neue Verlagshaus der Bistumszeitung in der ehemaligen Bonifatiuskirche eingeweiht. In St. Martin an der Bilker Allee, nicht weit von hier, ist die Kirche gewissermaßen halbiert worden und wird nur noch halb als Gotteshaus genutzt. In der anderen Hälfte sind die Pfarreinrichtungen konzentriert worden.

Außerdem habe ich gehört, dass der Physiotherapeut von Michael Schumacher in einem Kloster sogar einen Wellness-Tempel aufgemacht hat.

All dies sind mögliche Nutzungen, die dazu führen, dass das Kirchengebäude erhalten werden kann, nicht verfällt und nicht abgerissen werden muss.

In unserem Nachbarland Holland macht das alles keine Probleme, bei uns bereitet es gelegentlich noch Probleme. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns mit diesem Thema befassen. Ich bitte Sie, den Antrag zu überweisen und freue mich auf gemeinsame Beratungen im Hauptausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Vesper. – Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Prof. Dr. Sternberg das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem hier zur Rede stehenden Antrag haben Sie ein Thema aufgegriffen, das viele Menschen im Land bewegt. Man braucht nur die Presse durchzusehen; es ist offensichtlich ein Thema, das auch die Medien anspricht.

Der drohende Abriss eines Gotteshauses scheint Fragen aufzuwerfen wie: Wer sind wir? In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Welche Orte gibt es in einer Stadt außerhalb von Konsum und Entertainment als öffentliche Orte?

Kirchengebäude zeugen aber auch vom Glaubensleben einer Gemeinschaft. Sie sind Gebäude, die oft die Eigenart einen Stadtteils, eines Dorfes prägen. Sie sind übrigens damit Mittelpunkt eines umfassenden sozialen kulturellen Lebens.

Auch wenn das Thema spektakulär zu sein scheint: Man sollte doch die Dimension im Blick behalten. Die katholische Kirche hat für Deutschland eine Untersuchung angestellt. Danach stehen 1,4 % ihrer Kirchengebäude in den nächsten Jahren zur Disposition. In der evangelischen Kirche sind Untersuchungen noch in Arbeit, wie viele von den etwa 20.000 Kirchengebäuden aufgegeben werden müssen.

Es ist auch kein neues Thema, über das wir reden. Erinnern Sie sich: Nach 1803 wurden nach der Säkularisierung jede Menge Kirchen aufgegeben. Sie wurden umgebaut. Wenn man aufmerksam durch die Städte geht, sieht man häufig umgebaute Kirchen. Das, was wir heute vor allen Dingen als Problem haben, sind die Kirchen der Nachkriegszeit. In der Nachkriegszeit wurden so viele Kirchen gebaut wie nie zuvor in einer anderen Epoche in Deutschland.

Es gab damals pastorale Konzepte, die auf 3.000 Kirchenmitglieder eine Kirche in fußläufiger Nähe vorsahen. Das war in jeder Hinsicht gewollt. Die neuen Wohnsiedlungen, die damals entstanden, wurden um die Kirche als Mittelpunkt herum gebaut. Das ist das, was im Moment zum Problem wird. Bei uns geht es ganz selten um alte historische Denkmäler wie in den neuen Ländern.

Wenn sich in Nordrhein-Westfalen die Kirchen vor der Situation sehen, einige ihrer Kirchengebäude aufzugeben, dann ist es vor allem eine Frage veränderter pastoraler Konzepte. Das lässt sich vor allen Dingen am Beispiel des Bistums Essen verdeutlichen. In Essen werden in den nächsten Jahren 96 Kirchen ein neues Zukunftskonzept benötigen. Von diesen Kirchen sind nur sieben aus der Zeit vor 1918. Aus den frühen 50er-Jahren sind es 18 und 56, mehr als die Hälfte, aus der Zeit nach der Bistumsgründung 1958, als man trotz eines kontinuierlichen Gläubigenrückgangs von 1,5 Millionen auf jetzt 950.000 120 neue Kirchen gebaut hat. Das sind die Fragen, für die Lösungen gesucht werden müssen.

Aber, meine Damen und Herren, das Thema ist vor allen Dingen ein Thema der Eigentümer, das heißt, der Kirchen. Sie befassen sich damit seit langem. Herr Vesper, Sie haben schon auf die Leitlinien hingewiesen. Ich durfte an diesen Leitlinien mitarbeiten, kenne sie daher sehr gut.

In solchen Leitlinien, die auch zurzeit in der evangelischen Kirche erarbeitet werden, finden sich Regeln, wie man mit solchen Kirchengebäuden umgehen kann. Es gibt nämlich Prioritäten. Es gibt Prioritäten, nach denen die christliche Nutzung besser ist als die öffentliche, die öffentliche Nutzung besser als die private ist, und dann geht es abgestuft herunter. Auf jeden Fall will man den Kitzel des Aufeinandertreffens unterschiedlicher Welten nicht. Etwa kirchliche Einrichtungen stehen lassen und dann auf der Kanzel ein DJ; das ist nicht das, was wir in Deutschland wollen, übrigens auch nicht das, was in Holland normalerweise praktiziert wird. Es gibt sehr gute holländische Beispiele.

Meine Damen und Herren, Herr Vesper verwies schon auf die Profanierung in Münster. Soeben wurde ein kirchlicher Verlag in einer Kirche untergebracht. Es gibt Planungen für Urnenfriedhöfe in Kirchen. Es gibt Planungen für Jugendzentren in Kirchen. Sehr vieles gibt es da.

Daher ist auch die Öffentlichkeit angesprochen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass, wenn eine Kirche aufgegeben wird, sich häufig gerade diejenigen angesprochen fühlen, die keinen Be

zug und keinen Kontakt mehr zur Kirche haben. Offensichtlich wird da Identität angesprochen. Offensichtlich ist auch die Identität der Gesellschaft angefragt, zudem die Erkenntnis, dass es sich um Stadtteilzentren handelt, die durch kommunale Einrichtungen nicht vollständig ersetzt werden können.

Wie wichtig das Thema auch für bürgerschaftliches Engagement ist, zeigen Fördervereine, die heute schon aufgegebene Kirchen erhalten. Das gibt es auch schon. Das Thema ist vor allem in lokalen Verhandlungen mit den Kommunen zu behandeln. Deshalb nennen die Leitlinien auch Kontaktaufnahme mit den Kommunen. Vielleicht findet sich sinnvoller Erhalt in gemeinsamer Überlegung. In Borken passiert das zurzeit etwa mit einer großen Kirche, die zu einem Jugendzentrum ausgebaut wird, übrigens auch unter Beantragung von Städtebaufördermitteln des Landes.

Ich komme noch einmal auf Essen zu sprechen. Unter den in Rede stehenden Kirchen sind in Essen zwei besonders wichtige Bauten des Baumeisters Rudolf Schwarz, in Bottrop übrigens mit den wunderbaren Fenstern von Georg Meistermann und in Essen. Es lässt sich die Frage stellen, ob man nicht hier wie auch in anderen Fällen in enger Kooperation mit den Kirchen, die natürlich Herrinnen des Verfahrens bleiben, den Erhalt über eine treuhänderische Stiftung sichern könnte. Vielleicht könnte die 1995 gegründete Stiftung zur Industriedenkmalpflege ein Vorbild sein. Das sind aber alles Gedanken, über die man diskutieren sollte.

Ich denke, was an den Kirchen und wie Kirchen verändert werden können, bleibt Sache der Kirchen. Das sei als kritischer Satz zum letzten Passus des Antrages gesagt. Das Thema eignet sich aber nicht für parteipolitische Kontroversen. Ich freue mich auf eine Debatte in den Ausschüssen. Ich würde mich freuen, wenn das auch im Ausschuss für Bauen und Verkehr und im Kulturausschuss diskutiert würde. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Sternberg. – Als nächster Redner hat Kollege Kuschke für die Fraktion der SPD das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mit hohem Interesse den Ausführungen des kirchenpolitischen Sprechers von Bündnis 90/Die Grünen gelauscht. Ich möchte auf einige Punkte gleich noch einge

hen, habe aber eine herzliche Bitte und Empfehlung, was den Antragstext anbelangt.

Auf der ersten Seite letzter Abschnitt bin ich über das Wort Konversionsmodelle gestolpert. Ich bin da konservativ und neige dazu, den Begriff Konversion eher Sachverhalten zuzuordnen, die etwas mit der Umwandlung von militärischen in zivile Einrichtungen zu tun haben.

Nun zu den aufgezählten Punkten. Ich möchte fünf Punkte nennen.

Punkt 1: Ich meine das gar nicht im Sinne von Abwehrhaltung, oder lasst das andere machen! Aber der Gegenstand, über den wir sprechen, mit dem sich der Antrag auch befasst, ist zunächst einmal auch eine Angelegenheit der Kirchen selbst. Die Aufzählung, die Kollege Dr. Vesper gemacht hat, und die zwar nicht abschließend, aber sehr beeindruckend war, zeigt, dass man sich bereits kümmert, dass es Initiativen und vernünftige Umnutzungsmöglichkeiten gibt.