Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Punkt 1: Ich meine das gar nicht im Sinne von Abwehrhaltung, oder lasst das andere machen! Aber der Gegenstand, über den wir sprechen, mit dem sich der Antrag auch befasst, ist zunächst einmal auch eine Angelegenheit der Kirchen selbst. Die Aufzählung, die Kollege Dr. Vesper gemacht hat, und die zwar nicht abschließend, aber sehr beeindruckend war, zeigt, dass man sich bereits kümmert, dass es Initiativen und vernünftige Umnutzungsmöglichkeiten gibt.

Zweite Anmerkung, auch nicht missverständlich im Sinne von Abwehr: Bei sakralen Gebäuden haben wir es natürlich mit Gebäuden von besonderen Rechtssystematiken zu tun, um das vorsichtig anzudeuten – Stichwort Konkordat und vieles andere mehr. Das gilt es zu berücksichtigen.

Dritte Anmerkung: Ich stimme den Vorrednern zu. Niemand stellt infrage, dass wir vor Ort Situationen haben, bei denen Städtebildprägung, Einbindung in den Stadtteil, besondere kulturhistorische Dinge oder architektonische Besonderheiten – es ist alles aufgezählt worden – vorliegen. Daher wird die Frage, was dort passiert, natürlich nie alleine von der Kirchengemeinde, vom Bistum oder von welcher Organisationsebene auch immer entschieden werden. Vielmehr wird sie vor allen Dingen im sehr engen Zusammenwirken mit den kommunalen Akteuren diskutiert und entschieden werden.

Vierte Anmerkung: Aus all diesen Gründen würde ich es außerordentlich begrüßen, Herr Minister Wittke, wenn die Landesregierung in geeigneter Form darüber nachdächte, was es dort an Hilfestellung gibt. Wir hatten in anderen Bereichen durchaus interessante Beispiele für Leitfäden, für Hinweise von entsprechenden Expertengremien.

Meines Erachtens setzt das aber voraus, dass man mit den Betroffenen, mit den Organisationen, in diesem Falle also mit den Kirchen, auch darüber spricht, was denn ihre Vorstellungen sind, und vor allen Dingen darüber – ich sage das einmal deutlich –, welche Hilfestellung sie denn möchten. Vielleicht bieten wir im Rahmen der Diskussion

an einem Punkt ja Hilfestellung an, die in dieser Form gar nicht erwünscht ist, weil sie auf der anderen Seite die Kirchen in einen Zugzwang hineinbringt, der vonseiten der Kirchen gar nicht gewünscht wird.

Lieber Herr Kollege Prof. Sternberg, dazu wird auch die Frage gehören: Gehen wir über eine Stiftung vor? Ist das als eine zentrale Stiftung gedacht? Oder kann man sich nicht auch vorstellen, dass bürgerschaftliches Engagement vor Ort dezentral seinen Weg finden kann – möglicherweise natürlich auch über Instrumente, wie Sie sie am Beispiel einer Stiftung angedacht haben?

Fünfte und letzte Anmerkung: Wir können uns gut vorstellen – wir wären froh darüber, wenn die antragstellende Fraktion und alle anderen Fraktionen das mit aufgreifen könnten –, dass wir diesen Tagesordnungspunkt im Hauptausschuss etwas verstärkt diskutieren – nicht in Form einer großen Anhörung, sondern möglicherweise im Rahmen eines Tagesordnungspunktes, bei dem wir ganz gezielt einige wenige Expertinnen und Experten mit einbeziehen, um über dieses Thema zu sprechen.

Ich glaube also Folgendes: Über den Antrag und die Diskussion wird deutlich, dass dieses Problem vorhanden ist. Wir wollen es auch nicht wegdrücken. Ich denke aber, dass wir mit Maß und Augenmaß herangehen müssen. Vor allen Dingen müssen wir zunächst einmal auch diejenigen dazu hören, die es in erster Linie angeht, und dann mit denjenigen sprechen, die vor Ort ein hohes Interesse daran haben, dass die Gebäude entweder einer vernünftigen Nutzung zugeführt werden oder möglicherweise auch andere Varianten infrage kommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kuschke. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Rasche für die Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Antrag befasst sich mit der Zukunft von Kirchengebäuden, die demnächst nicht mehr im üblichen Sinne genutzt werden sollen – ein Problem, das aktuell diskutiert wird, aber auch ein Problem, das sicherlich nicht ganz neu ist.

Die Analyse, aus welchen Gründen die katholische Kirche und die evangelische Kirche in Nordrhein-Westfalen gezwungen sind, Kirchengebäude aufzugeben, ist vielschichtiger, als dies im Antrag dargelegt wird. Finanzielle Gründe spielen

gewiss eine zentrale Rolle bei der Kirchenaufgabe; das geben wir gerne zu.

Meine Damen und Herren, die Kirchengebäude in Nordrhein-Westfalen stammen aus verschiedenen Epochen unserer Geschichte. Sie sind Kunstwerke und Zeugen der historischen Architektur. Deshalb sind sie für uns Bürger heute und auch in Zukunft sehr wertvoll – und sicherlich nicht nur deshalb; denn Kirchen sind Begegnungsstätten der christlichen Bürgerinnen und Bürger.

Der vorliegende Antrag bringt klar zur Geltung, dass das Leben vieler Christen natürlich eng mit ihrer Kirche verbunden ist. Kirchen mit ihren Begegnungsstätten sind gerade in ländlichen Räumen oft eine der wenigen kommunikativen Einrichtungen der Gemeindebewohner. Das Ladensterben und Dorfkneipensterben ist bereits vor Jahren erfolgt. Daher ist die Kirche einer der wenigen verbleibenden Treffpunkte der dörflichen Gemeinschaft. Manchmal ist sie sogar der einzige Treffpunkt.

Meine Damen und Herren, die Aufgabe von Kirchengebäuden ist eine Entscheidung der evangelischen beziehungsweise der katholischen Kirche. Allerdings hat dies Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben unserer Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Deshalb müssen sich zunächst die Städte und Gemeinden vor Ort mit den Folgen der Aufgabe von Kirchengebäuden auseinander setzen.

Ein Abriss oder ein Verfall aufgegebener Kirchen sollte nach Möglichkeit verhindert werden. Eine würde- und sinnvolle Folgenutzung wäre sehr erstrebens- und begrüßenswert. Die Folgenutzung und deren Akzeptanz in der Bevölkerung ist eine spannende Frage, die vor Ort geklärt wird und sicherlich zu vielen Diskussionen führt.

Meine Damen und Herren, wir sollten in den Ausschüssen darüber beraten, ob und wie der Landtag beziehungsweise die Landesregierung diesen Entwicklungsprozess im Bereich von Kirchengebäuden begleiten soll. Das betrifft im Rahmen der Diskussion dann auch eine eventuelle Denkmalförderung der aufgegebenen Kirchengebäude oder auch eventuelle Lösungen über Stiftungen. Ich bin gespannt auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Rasche. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Wittke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die mögliche Erhaltung von Kirchenbauten, die wie keine zweite historische Baugattung unsere Städte und Dörfer prägen, als Stätten abendländischer Kultur charakterisieren und im Übrigen unabhängig von der Konfession soziale und kulturelle Identität bieten, ist in der Tat eine außerordentliche Herausforderung.

Ich finde nur, dass wir einen Weg gemeinsam mit den Eigentümern, gemeinsam mit den Kirchen gehen sollten. Bevor wir eine Diskussion auf politischer Ebene beginnen, sollten wir zuerst einmal das Gespräch mit den Kirchen, mit den Eigentümern suchen.

Darum vermisse ich bei aller guten Absicht dieses Antrags von Bündnis 90/Die Grünen darin eine Initiative in Richtung Kirche, ein Zugehen auf diejenigen, die Eigentum an diesen Gebäuden haben; denn das muss an allererster Stelle stehen. Vielleicht ist es der grundsätzlich unterschiedliche politische Ansatz zwischen bündnisgrüner Politik und der Politik der Landesregierung, dass wir gemeinsame Lösungen erarbeiten wollen – und vor allem nicht diejenigen aus der Verantwortung lassen wollen, die Verantwortung mit übernehmen und tragen müssen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Vesper?

Bitte gern.

Herr Minister Wittke, wären Sie eventuell bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich den Antrag selbstverständlich auch mit beiden christlichen Kirchen besprochen habe und selbstverständlich der Meinung bin, dass man das mit den Kirchen gemeinsam machen muss? Dennoch ist es ein Problem, das sich auch städtebaupolitisch stellt. Würden Sie das vielleicht zur Kenntnis nehmen?

Das nehme ich gerne zur Kenntnis. Es wäre schön, wenn diese Erkenntnis auch Eingang in Ihren Antrag gefunden hätte. Darin ist nichts davon zu lesen, dass in Gemeinsamkeit mit den Kirchen Lösungen erarbeitet werden müssen.

Eines will ich noch einmal sagen: Ich glaube, dass die Zeiten, in denen Politik für alles zuständig ist und sich für alles zuständig erklärt, vorbei sind. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden. Des

halb ist es schon ein wenig erstaunlich, dass Sie allein auf die politische Verantwortung des Landes abstellen und nicht von Anfang an die Kirchen in diesen Prozess mit einbeziehen wollen.

Wir gehen da einen anderen Weg. Deshalb habe ich die fünf katholischen Bistümer unseres Landes, die drei evangelischen Landeskirchen und die Vertretungen der beiden großen Konfessionen beim Land zu einem Gespräch am 24. Februar in mein Haus eingeladen, um mit ihnen gemeinsam die zentralen Fragestellungen zu identifizieren. Dabei wird von entscheidender Bedeutung sein, erstens die Wartung und Pflege der aus denkmalpflegerischen und anderen Gründen erhaltenswerten Kirchenbauten finanziell tragfähig zu gestalten, zweitens mögliche Trägerkonzepte für liturgisch nicht mehr genutzte Kirchen zu entwickeln und drittens die adäquate Umnutzung von funktionslos gewordenen Kirchengebäuden beispielsweise durch pragmatische Lösungen planungsrechtlicher Belange zu organisieren und zu begleiten.

Ein grundsätzliches Ausschließen von Abriss von Kirchengebäuden sollten wir, wie ich finde, nicht so schnell im Munde führen. Denn es kann durchaus im gesellschaftlichen und im stadtentwicklungspolitischen Interesse sein, dass Kirchengebäude an der ein oder anderer Stelle niedergelegt werden, wenn dadurch beispielsweise in Stadtzentren oder auch anderswo betreutes Altenwohnen oder andere soziale Einrichtungen entstehen können.

Ich will und muss aber unterstreichen, dass heute nicht mehr all das, was von der Sache her wünschbar ist, finanziell tatsächlich geschultert werden kann – weder vom Land Nordrhein-Westfalen noch von den Kommunen.

Im Übrigen darf ich auch darauf verweisen, dass das Thema, mit dem wir uns aktuell beschäftigen, zwar nicht ganz so alt ist wie die Kirchen selbst, aber seit Jahrhunderten zum Erfahrungsschatz von Gemeinden gehört. Mit Reformation, 30jährigem Krieg, Säkularisation sind Phasen benannt, in denen Kirchen und Klostergebäude verstärkt zur Disposition standen. Sie blieben ungenutzt, wurden sogar als Heulager und Stallungen oder als Truppenunterkünfte und Waffenmagazine missbraucht. Auch Wohnungen und industrielle Werkstätten wurden in ihnen eingerichtet. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele bezeichnende Beispiele dafür.

Selbst der Abriss von Kirchengebäuden scheint früher weniger problematisch gewesen zu sein. Viele Kirchen aus der Gründerzeit, um deren Zu

kunft wir uns heute sorgen, haben mittelalterliche oder barocke Vorbauten ersetzt, weil diese im 19. Jahrhundert an der angestammten Stelle im Weg standen oder oftmals den Ansprüchen der Gemeinden im Hinblick auf Größe und Repräsentationsbedürfnisse nicht mehr entsprachen. Deshalb wurden sie an derer Stelle neu gebaut. Auch aktuelle Beispiele in Nachbarländern legen nahe, sich dem Thema realitätsbewusst zu nähern und die Handlungsmöglichkeiten richtig einzuschätzen.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalen das Problem aufnimmt und sich in den Konsolidierungsprozess, vor dem die Bistümer und Landeskirchen stehen, einbringen und ihn begleiten will. Unaufgeregt, mit Augenmaß und mit Blick auf die städtebauliche Situation, das finanziell Machbare und das kulturell Unabdingbare werden wir dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft mit dem Verlust von Kirchengebäuden nicht ihre Mitte verliert und ihre kulturelle Identität bewahrt.

Aber wir wollen diesen Prozess von Anfang an gemeinsam mit den Kirchen gestalten, nicht über ihre Köpfe hinweg, sondern gemeinsam im Konsens. Dazu brauchen wir die Kirchen, und – das sage ich genauso deutlich – wir werden die Kirchen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Nach einer gerade getroffenen Absprache der Fraktionen wird die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1108 an den Hauptausschuss – federführend –, den Ausschuss für Bauen und Verkehr, den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform und den Kulturausschuss zur Mitberatung empfohlen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Sind Sie mit dieser Überweisungsempfehlung einverstanden? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.

Ich rufe auf:

7 Jugendkriminalität mit wirksamen Maßnahmen begegnen – Möglichkeiten der integrativen Unterbringung von kriminell auffälligen Jugendlichen in geschlossenen Gruppen der Jugendhilfe anstelle von Untersuchungshaft verlässlich ausbauen!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/1117

Eine Debatte ist für heute nicht vorgesehen. Die Beratung soll nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen.

Ich komme also unmittelbar zur Abstimmung über die Empfehlung des Ältestenrats. Er empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1117 an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Sind Sie mit dieser Überweisungsempfehlung und der Verfahrensweise einverstanden? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Ich rufe auf:

8 Abkommen zur Änderung des Abkommens über die einheitliche Ausbildung der Anwärter für den höheren Polizeivollzugsdienst und über die Polizei-Führungsakademie

Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/835

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses Drucksache 14/1122

zweite Lesung