Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Zu einer Zusatzfrage hat sich auch Frau Abgeordnete Hendricks gemeldet. Bitte schön.

Frau Ministerin Sommer, ich habe voller Interesse gehört, dass Sie die Laborschule wertschätzen, und freue mich darüber sehr, weil die Laborschule wichtige Impulse für die Schulentwicklung in Nordrhein-Westfalen gegeben hat. Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie sich bezüglich des Haushaltes positionieren werden. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die 18 Stellen für die Laborschule erhalten bleiben, oder können Sie sich vorstellen, dass eine Abspeckung vorgenommen wird?

Frau Ministerin.

Liebe Frau Kollegin Hendricks, Sie sagten, dass die Laborschule wichtige Impulse gegeben hat. Ich möchte Sie an dieser Stelle etwas korrigieren. Ich habe eben einige wesentliche Punkte genannt, die uns als neue Regierung wichtig sind: Individualisierung, Reduzierung der vielen Nichtversetzungen, all diese Dinge. Ich wundere mich an dieser Stelle, dass diese wichtigen Impulse, die immerhin schon etliche Jahre beziehungsweise Jahrzehnte alt sind, keinen Eingang in das gefunden haben, was Sie 40 Jahre verantwortet haben.

Zu Ihrer Frage: Ich habe eben deutlich gemacht, dass 18 Stellen eine ganze Menge sind. Es wird überall Stellenabbau betrieben. Ich werde dazu heute weder Ja noch Nein sagen können, weil ich mir noch einmal sehr genau ansehen möchte, welcher Teil der Wissenschaft angehört. Diese 18 Stellen splitten sich ja auf; man muss da genauer hinschauen. Soweit ich weiß, sind fünf Stellen für die wissenschaftliche Arbeit, weitere 1,5 Stellen für besonders aufwändige Leistungen und die restlichen Stellen dafür veranschlagt, die Stammgruppen zu Beginn relativ klein zu halten. Jeder, der die Laborschule mit ihrem sehr offenen Charakter einmal wahrgenommen hat, weiß ja, dass viele Lehrerstellen dafür beansprucht werden, um die Stammgruppen relativ klein zu halten.

Ich habe mir das – Frau Beer hat es eben gesagt – als Schulaufsichtsbeamtin sehr wohl angesehen. Ich muss es mir nun unter dem Blickwinkel meiner jetzigen Rolle als Ministerin ansehen. An dieser Stelle möchte ich auch deutlich sagen, dass wir als Landesregierung an dem zweiten Ziel nicht vorbeikommen, und dieses Ziel heißt Haushaltskonsolidierung.

Zur ihrer zweiten und damit für heute letzten Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Löhrmann das Wort.

Ich möchte Sie – als Dritte, glaube ich – dafür loben, dass Sie die Arbeit der Laborschule so wertschätzen; das tun wir auch. Sie haben sie als Gesamtschule bezeichnet. Wenn Sie böse gewesen wären – was Sie nicht sind –, hätten Sie sie als Einheitsschule diffamiert; aber das nur am Rande.

Was macht die Philosophie der Laborschule aus Ihrer Sicht so besonders aus, und was bringt die individuelle Förderung zur Geltung?

Frau Ministerin.

Die Philosophie subsumiert sich letztlich unter die Gedanken, die ich schon genannt habe. Ich finde es richtig, an der Stelle über eine Schule zu verfügen, die Prinzipien verfolgt, die wir im Augenblick sehr befürworten. Denken Sie beispielsweise an die Individualisierung, die wir unseren Schulen jetzt auch abverlangen. Ich glaube, dass die Laborschule eine wichtige Vorreiterrolle einnimmt, und insofern – das möchte ich sagen – können wir einiges lernen.

Danke schön. – Nun hat sich Herr Abgeordneter Witzel, FDP-Fraktion, gemeldet.

Frau Ministerin, ich möchte noch einmal auf den Aspekt der Leistungsorientierung in der Laborschule und die dort erzielten Unterrichtsergebnisse zurückkommen.

Man hat aus den Ausführungen der Abgeordneten der Grünen-Fraktion eine sehr hohe Wertschätzung und Erfolgszumessung bei der Laborschule heraushören können. Ich frage Sie, zu welchem Gesamturteil Sie auch angesichts des erhöhten Ressourceneinsatzes dort im Vergleich zu normalen Schulen kommen.

Auch unter den letzten von Ihnen genannten Gesichtspunkten Bildungsökonomie und Effizienz stellt sich die Frage, wie repräsentativ angesichts der erhöhten Ressourcenverwendung solche Modelle in der breiten Fläche sind. Es stellt sich …

Herr Abgeordneter Witzel, jetzt haben Sie schon zwei Fragen gestellt. – Frau Ministerin Sommer.

Es umwölkte sich bei unserer Kollegin Beer gerade der Blick, als ich sagte, die PisaEgebnisse zur Laborschule seien nur mittelmäßig. Ich betone das hier noch einmal deutlich. Wir dürfen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Laborschule hat eine ausgesprochen auserlesene Klientel. Wer weiß, wo die Laborschule liegt, der weiß, welche Umgebung dort zu finden ist.

Bielefeld.

Selbstverständlich in Bielefeld. – Man kann davon ausgehen, dass die dortigen sehr bildungsnahen Familien ein entsprechendes Potenzial in die Schule hineinbringen. Unter diesem Blickwinkel hat beispielsweise Pisa – das greife

ich jetzt auf – gezeigt, dass die Laborschule zwar keine schlechten, aber in den Bereichen Lesen und Naturwissenschaften nur durchschnittliche Ergebnisse und in der Mathematik sogar leicht unterdurchschnittliche Ergebnisse gebracht hat.

Deutlich positiv ist als Nebeneffekt die Persönlichkeitsentwicklung anzuführen. Im Vergleich zu anderen Schulen, die eine ähnliche Population aufweisen, erbringt die Laborschule unter dem Aufwand der 18 Lehrerstellen mehr aber durchschnittliche Ergebnisse.

Vielen Dank. – Zu Ihrer zweiten und damit letzten Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Hendricks das Wort.

Frau Ministerin, Sie haben eben deutlich ausgeführt, dass aus der Laborschule wissenschaftliche Erkenntnisse für das gesamte Schulsystem gewonnen worden sind. Mich interessiert, ob Sie diese wissenschaftlichen Erkenntnisse so hoch einschätzen, dass es wichtig ist, den Standort zu erhalten, um weitere Erkenntnisse für das Schulsystem zu gewinnen.

Frau Ministerin.

Ich denke, die Standortfrage steht hier gar nicht zur Disposition. Es steht vielmehr die Ausstattung zur Disposition. Da muss man sehen, welche Dinge im wissenschaftlichen Bereich verfolgt werden, wie die Leistung erbracht wird und ob dieser Aufwand, der – dies betone ich noch einmal – sehr hoch ist, gerechtfertigt ist. Das ist die eigentliche Frage.

Zur ihrer dritten und damit letzten Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Beer das Wort.

Frau Ministerin, sind Ihnen die differenzierten Berichte des Pisa-Konsortiums Stanat, Watermann und anderen bekannt, die sehr wohl belegen, dass angesichts des Erwartungshorizonts – dies haben Sie angesprochen – und auch des soziokulturellen Hintergrunds der Schüler und Schülerinnen die Leistungen im oberen Bereich und an gewissen Punkten sogar deutlich darüber liegen? – Die Schule hat die Bereiche identifiziert, zum Beispiel Mädchenförderung, Jungenförderung in Bezug auf Mathematik, in denen nachzuarbeiten ist. Die Äußerungen, die Sie eben gemacht haben, spiegeln also nicht die Untersuchungsergebnisse wieder.

Ich möchte Sie außerdem noch fragen, …

Nein, Sie haben nur eine Frage, Frau Abgeordnete.

… ob Ihnen eigentlich die Längsschnittuntersuchungen bekannt sind, die über den Erfolg der Schülerinnen an gymnasialen Oberstufen Zeugnis geben.

(Unruhe)

Bei Herrn Witzel habe ich auch zwei Fragen zugelassen. Deswegen habe ich jetzt ausnahmsweise auch zwei Fragen zugelassen, zumal es sich um die letzte Zusatzfrage handelt. – Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Die Frage des Abgeordneten Witzel bezog sich auf die Leistung. Die habe ich dargestellt. Ich habe aber auch in der Antwort – ich wiederhole es gern noch einmal – deutlich gemacht, dass bei der Persönlichkeitsentwicklung die Laborschule deutlich gute Leistungen erbracht hat. Das ist das, was mir als Grundlage zur Verfügung steht.

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, damit ist auch diese Frage beantwortet. Wir haben es tatsächlich geschafft, sämtliche Fragen in unserer Fragestunde abzuarbeiten.

Ich rufe auf:

5 Bundeseinheitliche Regelung des Strafvollzugs beibehalten!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1112

Ich eröffne die Beratung und erteile als erster Rednerin für die antragstellende Fraktion Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalismusreform wird gegenwärtig ein wenig als Allheilmittel gefeiert. Entflechtung und Stärkung der Länder sind die Zauberworte in diesem Prozess. Dabei wird im föderalistischen Eifer oft vergessen, dass es im Bundesstaat Deutschland Prinzipien gibt, die eine Bundeszuständigkeit erfordern. Gleichwertige Lebensverhältnisse zu garantieren ist etwa nach

Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 des Grundgesetzes die Aufgabe der Fürsorgegesetzgebung. Ebenso ist das der Verfassungswille für den Strafvollzug.

Berlin will den Ländern nun erneut die Zuständigkeit für den Strafvollzug geben, und das vor dem Hintergrund einer Diskussion, in der sich die Experten darüber streiten, ob der offene oder der geschlossene Vollzug nach geltendem Recht der Regelfall ist.

Was viele renommierte Personen und Organisationen aus Praxis und Wissenschaft, Berufsverbände, Richter und Anwälte befürchten, so unterschiedlich ihre Anliegen und Bewertungen einzelner Regelungen des Strafvollzugs sind, ist der Abbau einheitlicher gesetzlicher Standards beim Strafvollzug in der Bundesrepublik Deutschland. In einem Appell an die Verhandlungsdelegation von CDU und SPD über den Koalitionsvertrag heißt es:

„Das nach jahrzehntelanger Diskussion 1976 mit den Stimmen aller Parteien vom Bundestag verabschiedete Strafvollzugsgesetz hat sich außerordentlich bewährt und dazu beigetragen, dass der deutsche Strafvollzug im internationalen Vergleich eine Spitzenstellung einnimmt. Er gilt insbesondere den jungen Demokratien in Mittel- und Osteuropa als rechtsstaatliches Vorbild. Zukünftig muss es in Europa darum gehen, gleiche Mindeststandards für den Strafvollzug in den Mitgliedstaaten des Europarates und der Europäischen Union zu erreichen und abzusichern.“

Wenn Sie, Frau Ministerin, in Ihren Eckpunkten zur Reform der Justiz- und Rechtspolitik ausdrücklich sagen, wir wollen die Stimme NordrheinWestfalens in Europa stärken, dann erscheint uns eine Zersplitterung der Landschaft in 16 Einzelgesetze doch eher wie ein Rückfall in die Kleinstaaterei und bringt uns wohl kaum dem Ziel näher, ein politisches Gewicht in Europa darzustellen. Denn aus unserer Sicht gibt es eben keine regionalen Besonderheiten des Justizvollzugs. Die Anforderungen an Sicherheit und Resozialisierung müssen denen des Grundgesetzes entsprechen, ob in Kiel oder in Nürnberg. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind auch für Gefangene zu sichern. Denn es darf doch wohl keine Rolle spielen, in welchem Bundesland jemand seine Strafe verbüßt.

Die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz würde den Ländern allerdings die Möglichkeit geben, den Strafvollzug nach Kassenlage zu gestalten. Natürlich muss – das ist uns auch klar – der Strafvollzug kostenbewusst arbeiten. Ich gehe

aber auch davon aus, dass er das tut. Aber Haftvermeidung ist das Entscheidende, nicht etwa die Einschränkung der bundesgesetzlich verankerten Standards.

Das sieht im Übrigen auch der Deutsche Richterbund in seiner jüngsten Stellungnahme so – ich zitiere –:

„Eine Kompetenzverlagerung auf die 16 Bundesländer wäre fatal. Zu befürchten sei, dass in den Ländern künftig sachfremde, weil wahltaktisch und fiskalisch motivierte, Erwägungen den gesetzlichen Rahmen für den Strafvollzug bestimmten. Dies würde auch die Sicherheit der Bevölkerung und auch den verfassungsrechtlichen Resozialisierungsauftrag gefährden.“

Wir alle wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Strafvollzug ist kein Gewinnerthema in der Politik. Hier gibt es keine starke Lobby wie für viele andere Politikbereiche. Gerade deshalb ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Entscheidungen über Standards im Strafvollzug oder über die Behandlung des Resozialisierungsgrundsatzes nicht nur vor dem Hintergrund wechselnder landespolitischer Orientierungen oder gar vor dem Hintergrund leerer Landeskassen stattfinden.

Mir ist bewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es nach der Konferenz der Ministerpräsidenten schwierig geworden ist, jetzt noch Einfluss zu nehmen auf die Föderalismusreform und aus dem Gesamtpaket einzelne Teile herauszunehmen.

Aber es macht Mut, wenn man erfährt, dass zum Beispiel in Schleswig-Holstein die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und auch SSW in einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative für die Beibehaltung eines einheitlichen Strafvollzugs auf Bundesebene aus den eben genannten Gründen plädiert haben. Ich würde mich freuen, wenn es einen solchen gemeinsamen Aufschlag auch in Nordrhein-Westfalen geben könnte. Also fragen Sie einmal nach bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein, und geben Sie sich einen Ruck!