Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für jede Gesetzesberatung gibt es drei Ebenen.

Es geht einmal um die grundsätzliche politische Haltung. Diese ist hinlänglich bekannt. Wie lehnen ebenso wie die SPD-Fraktion Studiengebühren für das Erststudium ab.

Das Zweite ist die Umsetzung in konkrete Gesetzestexte, in konkrete Regelungen. Ich muss sagen, ich habe selten ein handwerklich so schlechtes Gesetz gesehen wie dieses. Es ist einfach nicht praktikabel. Das werden Sie auch noch erleben, wenn Sie es umsetzen: Die BAföGRegelung, der Ausfallfonds, der Wechsel von einer Hochschule zur anderen und der Übergang zwischen den Bundesländern, das alles ist nicht eindeutig geregelt, alles völlig unklar, alles nebulös.

Die dritte Ebene ist: Bewegt sich das Gesetz auf dem Boden der Verfassung? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können doch nicht einfach ignorieren, dass renommierte Verfassungsrechtler Bedenken gegen die Ausgestaltung dieses Gesetzes darlegen. Das haben die Verfassungsrechtler bei der Anhörung überwiegend getan. Und das hat Prof. Hermes in seinem Gutachten getan.

Herr Minister Pinkwart hatte mir im Ausschuss eine rechtliche Stellungnahme zu diesem Gutachten zugesagt. Bis heute hat der Ausschuss diese Antwort nicht bekommen.

Dass die paar Sätze, die Sie gerade hier hingeworfen haben, Herr Pinkwart, nicht ausreichen, um ein solches Gutachten zu widerlegen, das wird doch wohl der Öffentlichkeit und auch dem Parlament klar sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, das Gutachten, das wir vorgelegt haben, hat zwei Teile. Richtig: Der Gutachter hat festgestellt, dass der Vertrauensschutz durch das von Ihnen beabsichtigte Gesetz nicht generell verletzt werde. – Gibt es einen besseren Beweis als diesen, dass Ihr schlimmes Wort vom „Gefälligkeitsgutachten“ falsch ist? Damit ist doch Ihre Position bestätigt worden.

Lieber Herr Lindlar, Gutachter in grüne, gelbe, rote und schwarze aufzuteilen – ich habe das im Ausschuss schon einmal angemerkt und bin deswegen enttäuscht, dass Sie Ihre Aussage hier wiederholt haben –, hat wirklich nichts mit Liberalismus zu tun. Das ist außerordentlich illiberal und zeigt ein Menschenbild, das nicht meines ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Man kann sich nicht nur die Seite heraussuchen, die einem passt. Deswegen müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Delegation der Entscheidung über die Einführung von Studiengebühren auf die einzelnen Hochschulen nicht nur politisch falsch ist, sondern auch gegen unsere Verfassung verstößt.

Warum machen Sie das denn? – Sie tun das doch nicht wegen Autonomie und Freiheit. Das ist doch hohles Gerede, meine Damen und Herren. Sie machen das, um sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen, um später mit dem Finger auf die Hochschulen zu zeigen und sagen zu können: Die waren es doch, die Studiengebühren eingeführt haben!

Was ist der Preis dafür? – Sie tragen die Auseinandersetzung in jede einzelne Hochschule. Statt sich mit Lehre und Forschung zu beschäftigen, was Ihnen doch angeblich so wichtig ist, reden die Hochschulen wochen- und monatelang über nichts anderes als über das Ob und das Wie der Einführung von Studiengebühren.

Ich habe es mir in Bielefeld ja angesehen. Da gehen massenhaft Ressourcen aufseiten der Lehrenden und Studierenden und auch der Universitätsverwaltung verloren, die wir dringend für die Verbesserung unserer Hochschulen bräuchten. Das haben allein Sie, meine Damen und Herren, zu verantworten.

Es geht hier auch nicht um Partnerschaft. Das ist ein seltsames Verständnis von Partnerschaft, Herr Pinkwart, denn: Studierende sind nicht Partner der Hochschulen, sondern Studierende sind Teil der Hochschulen, nicht Partner, Kunden oder wie Sie das in Ihrer neoliberalen Haltung immer ausdrücken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Einführung konkreter Studiengebühren und die damit verbundene Regelung des Hochschulzugangs ist ein so wesentlicher –

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

ich komme gleich zum Schluss – Eingriff des Staates, dass er nicht der Entscheidung von Hochschulgremien überlassen werden kann, sondern zwingend eines Gesetzes bedarf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist interessant, dass sich Frau Kollegin Sommer in einer ganz ähnlichen Streitfrage hat überzeugen lassen. Da ging es um die soziale Staffelung der Elternbeiträge für Ganztagsbetreuung.

Auch die wollten Sie auf die Kommunen delegieren. Weil das aber die Gleichheit der Lebensverhältnisse in unseren Städten und Gemeinden beeinträchtigt, sind dagegen Bedenken vorgetragen worden. Anders als Sie, Herr Pinkwart, hat Frau Sommer darauf reagiert und wird eine gesetzliche Grundlage dafür dem Landtag vorlegen. Hört, hört, kann man da nur sagen. Die Einsicht in der Landesregierung, dass das Wesentlichkeitsprinzip gilt, ist offenbar doch noch vorhanden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darum, meine Damen und Herren: Legen Sie die Brechstange wieder in die Werkzeugkiste zurück! Prüfen Sie endlich ernsthaft die vorgetragenen Argumente und stimmen Sie einer Rücküberweisung in den Ausschuss zu!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Vesper. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung.

Wir haben jetzt über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/725 in der Fassung des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie zu entscheiden. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/1179 anzunehmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist gegenteiliger Meinung? – Gibt es jemanden, der sich enthält? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD angenommen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat eine dritte Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes beantragt. Nach § 73 unserer Geschäftsordnung findet eine dritte Lesung statt, wenn eine Fraktion oder ein Viertel der Mitglieder des Hauses dies beantragen. Der Antrag muss vor Schluss der zweiten Lesung bei der Präsidentin schriftlich vorliegen. Das ist der Fall. Über diesen Antrag ist nicht abzustimmen.

Darüber hinaus hat die SPD-Fraktion nach § 73 Abs. 2 der Geschäftsordnung beantragt, zur Vorbereitung der dritten Lesung den Antrag an einen Fachausschuss, und zwar an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, zu überweisen. Über diese Frage ist hier abzustimmen.

Ich sehe jetzt eine Wortmeldung des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion, Herrn Biesenbach. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben das Verfahren in der Runde der PGs bereits besprochen. Wir haben für den Fall, dass eine Rücküberweisung beantragt wird, angekündigt, dass wir der Rücküberweisung nicht zustimmen werden.

Ferner habe ich bereits für meine Fraktion und auch für die FDP-Fraktion beantragt, die dritte Lesung morgen stattfinden zu lassen. Wir werden morgen früh vor Eintritt in die Tagesordnung über die Änderung der Tagesordnung abstimmen, werden dann morgen auch die dritte Lesung durchführen und werden dem Gesetz damit morgen zur Rechtskraft verhelfen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen liegen mir zwei Wortmeldungen vor. Wem darf ich das Wort erteilen?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich wollte eine Zwischenfrage stellen!)

Herrn Remmel also. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es kurz: In der Konsequenz unseres Antrages von heute morgen unterstützen wir das Anliegen – wir tragen es gemeinsam vor –, eine dritte Lesung durchzuführen.

Selbstverständlich sprechen alle Argumente, die wir heute vorgetragen haben, für die Rücküberweisung in den Ausschuss, damit die Landesregierung noch einmal Gelegenheit bekommt, dort zu den rechtlichen Fragen, insbesondere mit Blick auf die Verfassung, Stellung zu nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Remmel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt ein Antrag der SPD-Fraktion auf Rücküberweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Drucksache 14/725 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft Forschung und Technologie vor. Wer dieser Rücküberweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? –

Das ist nicht der Fall. Dann ist die Rücküberweisung abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion wird nach der dritten Lesung entschieden, nicht jetzt.

Über die Frage, ob es morgen eine dritte Lesung gibt, entscheidet der Landtag morgen vor Eintritt in die Tagesordnung ebenso wie darüber – das wird dann die Präsidentin morgen mitteilen –, an welcher Stelle wir diesen Punkt aufrufen werden. Ich gehe davon aus, es wird der Tagesordnungspunkt 9 sein. Damit sich die Rednerinnen und Redner darauf vorbereiten können: Wir werden Ihnen den Redezeitblock I vorschlagen.

Meine Damen und Herren, das wäre es zu diesem Punkt.

Wir kommen zu:

4 Landesregierung muss endlich einen Stufenplan zur Realisierung ihrer bildungspolitischen Versprechungen vorlegen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/1425

Für die antragstellende Fraktion hat der Abgeordnete Link das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion fordert die Landesregierung auf, endlich einen Stufenplan zur Realisierung ihrer bildungspolitischen Vorstellungen und Versprechungen vorzulegen.

Die harten Fakten sind: Sie benötigen über 14.000 Stellen zur Einlösung ihrer bildungspolitischen Versprechungen, beispielsweise Englisch ab Klasse 1, die Ausweitung des Unterrichts in der Sekundarstufe I, für die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls oder die Förderung des Ganztags. Macht unter dem Strich summa summarum 700 Millionen €.