Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

„Die Schulministerin musste zugeben, dass das Versprechen, 6.100 zusätzliche Lehrerstellen bis 2005 zu schaffen, gebrochen wird.“

Herr Abgeordneter Recker, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Link?

Ich möchte meine Rede zunächst zu Ende führen. – Das schafft kein Vertrauen in Politik. Auch deshalb hat man Sie abgewählt.

Frau Schäfer, Sie werden mit Ihren immer neuen Versuchen, die Menschen in unserem Land zu verunsichern, ins Leere laufen. Sie müssen sich auch einmal positionieren. Am 19. August haben Sie formuliert: Die SPD wartet außerdem auf eine Antwort der Schulministerin, wie sie die rund 18.000 Lehrerstellen finanzieren will, die zur Umsetzung ihrer schulpolitischen Ideen notwendig sind. – Nun lesen wir in Ihrem Antrag, dass noch rund 14.200 Stellen benötigt werden. Entweder haben Sie im August falsch gerechnet oder jetzt.

(Ute Schäfer [SPD]: Schauen Sie in Ihren Koalitionsvertrag, was Sie da reingeschrie- ben haben und was Sie heute sagen!)

Sie müssen sich schon irgendwo positionieren. Dabei wird jedoch deutlich, von welcher Berechnungsgrundlage Sie ausgehen. Das zeigt: Hier geht es nicht um solide Argumente, sondern um Panikmache. Das ist die Botschaft dieses Antrags.

(Beifall von der CDU)

Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir haben mit dem Koalitionsvertrag einen ganz klaren Leitfaden der neuen Bildungspolitik festgeschrieben. Diesen werden wir in den nächsten Jahren Punkt für Punkt abhaken. Sie jedoch wollen eine Liste, in der Sie Punkt für Punkt Negatives abhaken können. Nur: Die Menschen in diesem Land wollen keine Luftnummern, sie wollen keine Versprechen, sie wollen Taten. Genau das unterscheidet uns.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie wissen genau, dass es in vielen Bereichen fast unmöglich ist, die Zukunft vorauszusehen. Ich nehme das Beispiel Berufskollegs. Sollte die Wirtschaft wieder anspringen – das wünschen gewiss alle hier im Raume –, so haben wir automatisch wesentlich weniger junge Menschen, die die berühmte Warteschleife in den Berufskollegs durchlaufen. Dabei geht es um Differenzen von mehreren hundert Stellen.

Heute für diesen Bereich Prognosen für die nächsten drei, vier Jahre aufzustellen, wäre völlig irreal und keine verantwortbare Politik. Es nutzt den betroffenen Schulen absolut nichts, wenn lediglich etwas auf dem Papier fixiert ist. Bei Prognosen beziehungsweise Ankündigungen waren Sie von Rot-Grün Weltmeister. Entscheidend ist nicht, was auf dem Papier steht, sondern das, was in der Schule wirklich ankommt. Das kann man nur zeitnah verantwortlich planen. Genau das werden wir tun. Wir werden das zeitnah umsetzen, was wir angekündigt und im Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Schon die Formulierungen in Ihrem Antrag zeigen, dass es Ihnen nicht um die Sache geht. Schauen wir uns die Formulierungen einmal genau an! Sie schreiben:

„Bisher hat die Landesregierung nicht aufgezeigt, wie sie diese Maßnahmen finanzieren beziehungsweise welche Ressourcen sie wann zur Verfügung stellen will.“

Waren Sie nicht in der letzten Sitzung des Schulausschusses zugegen? Haben Sie den Haushaltsplan für das neue Jahr nicht zur Kenntnis genommen? Haben Sie nicht mitbekommen, dass wir bereits 1.000 zusätzliche Stellen geschaffen haben? Haben Sie nicht mitbekommen, dass wir mit dem neuen Haushalt weitere 1.000 Stellen zur Verfügung stellen? Haben Sie nicht mitbekommen, dass wir 900 Stellen als neue Vertretungsreserve für die Grundschulen schaffen?

(Sören Link [SPD]: Auf Kosten von welchen Stellen?)

Haben Sie ferner nicht mitbekommen, dass wir für vollwertige Ganztagsplätze an Hauptschulen bereits 620 zusätzliche Stellen geschaffen haben und für die offene Ganztagsgrundschule weitere Lehrerstellen zur Verfügung stellen? Nehmen Sie die Realität nicht wahr, oder sind Sie wirklich so ins Scheitern verliebt, dass Sie diese guten Maßnahmen nicht anerkennen wollen?

Frau Schäfer, wir als CDU können nichts dafür, dass Sie sich bei Ihrem Finanzminister damals nicht durchsetzen konnten. Doch bei uns hat die

Bildungspolitik im Gegensatz zu Ihnen Gott sei Dank Vorrang.

(Beifall von CDU und FDP)

Wie weit Sie sich von der Realität entfernt haben, verrät uns Ihre Sprache im Antrag:

„Die Menschen im Land erwarten eine klare Aussage zu der soliden Finanzierung aller Maßnahmen, …“

Ich bin mir sicher, dass die Menschen in unserem Land viel mehr erwarten. Sie erwarten einen Neuanfang in der Bildungspolitik. Sie wollen, dass es sich zum Besseren wendet. Den Menschen geht es darum, dass sie spüren, dass es wieder besser wird.

Die Schulen merken heute schon, dass sich die Stellensituation verbessert. Sie fassen wieder Vertrauen, weil wir das tun, was wir sagen, meine Damen und Herren. Genau da liegt der Unterschied.

Es sind die Visionäre und nicht irgendwelche Erbsenzähler, die dieses Land groß gemacht haben. Wir haben die Vision, Nordrhein-Westfalen wieder zum Bildungsland Nummer eins zu machen. Wir machen vernünftige Bildungspolitik, die Vertrauen schafft und den jungen Menschen in unserem Lande endlich wieder eine Perspektive gibt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Recker. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Beer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Recker, wie lang muss die Pinocchio-Nase eigentlich sein, die Sie sich gerade selber gebastelt haben?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dass Sie das Wort „Wortbruch“ in den Mund nehmen, ist angesichts der Kürzungen im Jugendförderplan und bei der Weiterbildung eine Dreistigkeit ohne Gleichen. Das ist wirklich ungeheuerlich.

(Zurufe von CDU und FDP)

Herr Recker, die Tage der schwarz-gelben Selbstbeweihräucherung sind wahrlich vorbei. Denn mit der Vorlage des Haushalts für das Jahr 2006 wird endlich Tacheles geredet. Es werden

die Schleier der Vernebelungstaktik beiseite geschoben.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Es werden die Taschenspielertricks deutlich, die Sie vorführen, um Ihre Bilanz aufzupolieren, und es ist offensichtlich, wo Schulentwicklungs- und Unterstützungselemente zerschlagen werden, um die Fassade Ihrer Wahlversprechen aufrechterhalten zu können.

Sie geben den Schulen in die eine Tasche nur das, was Sie ihnen vorher aus der anderen gezogen haben,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und spielen Schulentwicklung gegen simples Stundenzählen aus. Qualität des Unterrichts spielt

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämt, Frau Beer!)

unter Schwarz-Gelb – das ist eine Tatsache, Herr Witzel – schon längst keine Rolle mehr. Ich werde Ihnen das gleich sehr deutlich machen.

Es ist schon erhellend, einmal genau hinzuschauen, was aus Ihren großspurigen Versprechen genau geworden ist. Noch am 15. Dezember kündigte die Landesregierung an, dass sie im Haushaltsjahr 2006 1.000 Stellen zusätzlich schaffen will.

Damit wir das alle nicht vergessen: Die 1000 Stellen, die Sie notwendigerweise wegen steigender Schülerzahlen 2005 einrichten mussten, rechnen Sie sich bereits großzügig auf die im Wahlkampf versprochenen 4.000 Stellen an. Decken wir, Herr Witzel, mal den Mantel der Barmherzigkeit über die Ankündigungen der FDP, die sogar 8.000 versprochen hatte.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Also: Am 15. Dezember wurden 1.000 neue Stellen in 2006 verkündet. Und was haben wir jetzt schwarz auf weiß mit diesem Haushaltsentwurf? – 500 Stellen bleiben es unter dem Strich, weil Sie alle kw-Vermerke bestehen lassen. Ich erinnere an dieser Stelle daran: „kw“ heißt „künftig wegfallend“.

Das bedeutet, dass Sie mit Ihrem Haushaltsentwurf ankündigen, bis 2009 insgesamt 2.000 Stellen abbauen zu wollen. Diese Stellen müssen Sie in Ihrer Bilanz dann bitte schön auch gegenrechnen.

Die 900 Stellen für die Vertretungsreserve schneiden sie aus dem Kapitel „Geld statt Stellen“ heraus. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie damit neue Wohltaten ausschütten.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die 210 Stellen für den offenen Ganztag in der Grundschule wandern nicht einmal fest in die Grundversorgung, sondern bleiben als Zuschläge für ergänzende Angebote bestehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade in diesem Zusammenhang will ich den Blick auch darauf lenken, was der Ministerpräsident dem Land, den Schulen, den Eltern, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern und auch den Kommunen einbrockt, indem er an seinem sturen Föderalismusreformkurs festhält. 914 Millionen € sind durch die Beteiligung des Bundes im Rahmen des Investitionsprogramms Zukunft von Bildung und Betreuung für die Entwicklung der Ganztagsangebote in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt worden. Nach 2007 ist Schluss damit.

In der Antwort auf meine Kleine Anfrage, wie dieser Ausfall kompensiert werden soll, ist der Offenbarungseid schwarz auf gelb erfolgt: Dafür gibt es kein Konzept zur Kompensation. – Dafür werden sich die Schulen und Kommunen bedanken, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Das gilt ebenso für den Ausfall der Schulentwicklungsmittel aus den BLK-Projekten. Dies sind über 10 Millionen € seit 1996. Kompensation Fehlanzeige!