Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Guter Antrag!)

kann man zu der Einschätzung kommen, dass er eigentlich doch ganz vernünftig klingt

(Demonstrativer Beifall von den GRÜNEN)

und dass man ihm eigentlich zustimmen könnte. Denn es gibt wohl niemanden, der ernsthaft vorhaben könnte, den Kommunen und ihren Betrieben die finanzielle Basis zu entziehen oder durch Änderungen im Steuerrecht die Leistungen der Kommunen zum Beispiel im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs oder auch der Wasserversorgung drastisch zu verteuern.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Doch, Herrn Wolf!)

Herr Becker, von daher wundere ich mich, dass Sie dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und jetzigen Bundesfinanzminister, Herrn Steinbrück, unterstellen, dass er die Absicht verfolgt – dies wollen Sie ja mit Ihrem Antrag geißeln –, die Kommunen finanziell massiv einzuschränken. Ich bin gespannt, wie die Kollegen von der SPD diesen Teil Ihres Antrages bewerten und ob sie auch dieser Meinung sind.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ja, ich bin gespannt, was sie sagen – und was der Bundesfinanzminister zu diesem Antrag der Grünen und vor allen Dingen zu der Begründung sagen würde.

(Martin Börschel [SPD]: Was Sie erzählen, ist Unsinn!)

Ich erkläre für meine Fraktion noch einmal ganz deutlich, damit das ganz klar ist: Die CDU wird alles dafür tun, die finanziellen Grundlagen der Kommunen und ihrer Betriebe, die aus dem steuerlichen Querverbund entstehen, auch zukünftig zu erhalten.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ob diese finanzielle Grundlage – und auch das muss man sich bei seriöser Betrachtung deutlich machen, Herr Becker – immer und auf alle Zeiten durch den derzeit bestehenden steuerlichen Querverbund geleistet werden kann, vermag niemand vorherzusagen und auch niemand zu garantieren.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Ha, ha, ha!)

Herr Sagel, Sie müssten einfach einmal zuhören. Das würde Ihnen gewaltig weiterhelfen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir hören ja zu und hören die Hintertürchen!)

Derzeit – das wissen Sie alle ganz genau – droht keine ernsthafte Gefahr für den steuerlichen Querverbund durch die Bundesregierung oder eine Landesregierung. Herr Becker hat es zum Teil angesprochen. Wenn es Bestandsrisiken für den steuerlichen Querverbund gibt, dann – auch das wird im Antrag zum Teil angesprochen – durch den Bundesfinanzhof, durch den Bundesrechnungshof und/oder durch europäische Rechtsetzung oder Rechtsprechung. Dabei weiß jeder, dass deren Entscheidungen – insbesondere auf europäischer Ebene – nur sehr schwer oder gar nicht vorherzusagen sind. Ich verweise hier nur auf den Komplex West-LB oder Sparkassen, der uns auch in diesem Haus lange beschäftigt hat und vorher doch teilweise zu Fehleinschätzungen geführt hat.

Deshalb geht es im Kern des Antrags gar nicht um den Bestand des steuerlichen Querverbundes; denn er ist lediglich Instrument.

(Horst Becker [GRÜNE]: Was ist denn jetzt mit den defizitären Betrieben?)

Vielmehr geht es darum, die finanzielle Basis der Kommunen und ihrer Betriebe bei deren Leistungserbringung langfristig zu sichern. Deshalb greift der Antrag der Grünen auch viel zu kurz.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie können uns ja noch toppen! Das wird aber schwer!)

Zudem versucht er, alle möglichen zusätzlichen Baustellen, zum Beispiel im Bereich des Wasserrechts und der Umsatzsteuer, gleich mit in diesen Antrag einzupacken.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

All diese Themen verlangen nach ausführlicher und intensiver interdisziplinärer Beratung, und zwar nicht nur im Ausschuss für Kommunalpolitik oder im Haushalts- und Finanzausschuss; auch im Umwelt- und im Wirtschaftsausschuss wäre eine Befassung dringend erforderlich.

Sie aber, meine Damen und Herren von den Grünen, bestehen auf sofortiger Abstimmung und gehen einer notwendigen umfassenden Beratung und Auseinandersetzung aus dem Wege. Offensichtlich geht es Ihnen gar nicht um den kommunalen steuerlichen Querverbund und gar nicht um die Sicherung der Leistungen der Kommunen und ihrer Betriebe für die Bürger. Offensichtlich wollen Sie wieder einmal – und wieder einmal vergeblich – einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen treiben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die Keile sind doch schon da! – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Dazu sind der Antrag und die Methode zu einfältig, Herr Becker. So kann man mit einem für unsere Kommunen so wichtigen Thema nicht umgehen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall von der CDU)

Als nächster Redner hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Börschel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich ursprünglich gefragt, ob der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier eingereichte Antrag wirklich dieser plenaren Debatte bedarf; denn das, was darin steht, ist für alle, die die Sorgen und Nöte der kommunalen Seite kennen und auch nur im Ansatz verstehen, eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die steuerliche Behandlung dauerdefizitärer Betriebe und der steuerliche Querverbund sind – das ist im Antrag auch schriftlich niedergelegt – wirklich tragende Säulen der kommunalen Daseinsvorsorge und auch tragende Säulen in der Finanzierung vieler kultureller Angebote und von Angeboten im Jugendbereich, im Kinderbereich und vielem anderem mehr.

Wir haben in Köln einmal ausgerechnet, dass alleine bei den dortigen Stadtwerken pro Jahr bis zu 50 Millionen € an zusätzlichen Lasten anfallen würden, wenn der steuerliche Querverbund wegfiele. Diese gigantische Summe zeigt: Es muss an dieser Stelle um ein Bewahren der Rechtslage gehen und nicht um ein Aushöhlen – egal von wem.

Deswegen frage ich mich und fragen sich viele Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, warum Sie – zumindest Sie von den regierungstragenden Fraktionen – sich eigentlich so winden. Der Landesfinanzminister ist leider nicht da. Das Vergnügen, den Innenminister zu hören, haben wir ja gleich noch. Warum eiern Sie hier und auch schon beim letzten Mal eigentlich ständig herum, wenn es einfach nur um das klare Bekenntnis zu Selbstverständlichkeiten geht?

Wir hatten das Vergnügen, in einer Plenarsitzung im Januar dieses Jahres den Finanzminister im Rahmen der Fragestunde inständig zu bitten, hier doch endlich eine kommunalfreundliche Position einzunehmen und zu sagen, dass er bei der Behandlung des steuerlichen Querverbundes und der dauerdefizitären Betriebe an der bisherigen Position der Landesregierung von NordrheinWestfalen festhält. Was damals der Landesfinanzminister gesagt hat und was jetzt auch der Kollege Lux hier zum Besten gegeben hat, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Wir erleben hier in der vorösterlichen Zeit ein ständiges Herumeiern, das dem Thema in keiner Weise gerecht wird.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich habe mich beim letzten Mal natürlich gefragt: Warum ist das so? Warum findet dieses ständige Herumeiern statt? Da ich von Natur aus ein bisschen naiv und leichtgläubig bin, habe ich mir gedacht, es läge vielleicht daran, dass der Landesfinanzminister aus ministerieller Kollegialität und Solidarität seinem Innenministerkollegen nicht in den Rücken fallen und daher diese Verirrung nicht öffentlich kommentieren will. Er hat ja gesagt, er kenne die Protokollnotiz nicht und wolle sie erst einmal lesen.

Das war aber immerhin im Januar dieses Jahres. Zwischenzeitlich müssten sowohl er als auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP Gelegenheit gehabt haben, das zu tun. Dass hier immer noch keine klare Stellungnahme von Ihnen kommt, lässt ja einen Verdacht reifen. Nachdem ich viele schlaflose Nächte in dieser Frage hatte und Sie mich hier völlig übernächtigt sehen, weil mich diese Frage so umtreibt, muss

ich ehrlich sagen, dass aus diesem Verdacht mittlerweile schlimme und katastrophale Gewissheit zu werden scheint; denn anscheinend wollen Sie schlicht und einfach nicht die bisherige Rechtslage bewahren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie wollen schlicht und einfach nicht an der Seite der Kommunen stehen. Das ist eine katastrophale Haltung, die Sie hier an den Tag legen. Der Finanzminister ist doch nicht alleine der Oberbuchhalter des Landes Nordrhein-Westfalen – so wenig, wie der Landesinnenminister gleichsam die ranghöchste Büroklammer des Landes ist. Sie müssen doch Ihren politischen Auftrag wahrnehmen. Herr Minister Wolf, Sie müssen sich als Kommunalminister an die Seite der Kommunen stellen und ihnen nicht in den Rücken fallen.

Deswegen appelliere ich an Sie: Verstecken Sie sich nicht hinter der Europäischen Union! Verstecken Sie sich nicht hinter dem Bundesfinanzhof, sondern sagen Sie, was Sie wollen! Bekennen Sie in Richtung der Kommunen, dass Sie sich an ihre Seite stellen wollen, statt ihnen in den Rücken zu fallen!

Deswegen die dringende Bitte, zu deren Befolgung Sie heute durch ein Ja zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ultimativ die Chance haben: Legen Sie alle Irritationen beiseite! Lassen Sie sich wachrütteln von dem Appell Ihrer übrigen 15 Ministerkollegen! Vielleicht ist das mittlerweile auch bei Ihnen angekommen, Herr Minister Wolf. Lassen Sie sich wachrütteln von der Resolution des Deutschen Städtetages! Lassen Sie sich wachrütteln von den vielen Resolutionen, die die Räte und die Kreistage dieses Landes in dieser Frage schon verabschiedet haben! Stellen Sie sich endlich an die Seite der Kommunen, statt ihnen in den Rücken zu fallen!

Das wäre Ihre Aufgabe, Herr Kommunalminister, nicht das, was Sie hier abziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir setzten die Debatte fort mit einem Beitrag von Herrn Engel von der FDP-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Becker und Herr Börschel, die Diskussion um die Beibehaltung des kommunalen Querverbundes wird seitens der Oppositionsfraktionen ganz offenkundig auf eine wenig ehrliche Art geführt.

Sie haben gesagt: „Wir sind in Sorge“, während für von der Privatwirtschaft geführte Unternehmen gebetsmühlenartig immer wieder mehr Transparenz eingefordert wird, und versuchen, mit Ihrem Antrag geradezu einen Schutzzaun mit Sichtblenden und „Becker-Nebel“ um kommunale Unternehmen zu zimmern.

(Martin Börschel [SPD]: Engel-Nebenkerzen! – Frank Sichau [SPD]: Das wird veröffentlicht, das wissen Sie doch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus – so haben wir inzwischen gelernt -soll zudem ein wesentliches Wettbewerbshemmnis auf den Strom- und Gasmärkten bestehen – so jüngst die Bundesnetzagentur –, nämlich die Kalkulationspraxis bei der Bestimmung der Netznutzungsentgelte von kommunalen Energieversorgern: alles zulasten der Verbraucher.

Herr Becker, das haben Sie sich wirklich fein ausgedacht. Wir möchten kommunale Aktivitäten möglichst transparent machen. Sie scheinen das Gegenteil anzustreben.