Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Ja, das ist eine ernste Gefährdung. Ich habe damit, das festzustellen, Herr Kollege Keymis, überhaupt kein Problem. Ich will mich auch nicht herauswinden. Ich will auch nicht so tun wie Herr Wittke, als sei der sich mit seinem CDU-Kollegen in Berlin einig, während wir uns bei unseren nicht durchsetzen könnten. Nein, das ist ein Konflikt zwischen Land und Bund, den es oft gibt. Und bei einer solchen Konfliktlinie ist die entscheidende Frage für einen Landespolitiker doch ganz einfach zu beantworten.

Ich will nicht kommentieren, was Sie im Einzelnen beantragt haben; auch das ist eine ziemliche Taktiererei. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, anders als in Ihrem Antrag suggeriert, kann kein Land einen Bundeshaushalt im Bundesrat teilweise ablehnen. Das geht überhaupt nicht. Sie können nur entscheiden, dass Sie den Vermittlungsausschuss anrufen.

(Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Genau!)

Ich bin einmal gespannt, ob die Landesregierung Rüttgers das tun wird, nachdem Herr Rüttgers selber Mitglied der Kommission gewesen ist, die diesen Koalitionsvertrag in Berlin ausgehandelt hat.

(Beifall von der SPD)

Zünden Sie keine Nebelkerzen! Wir werden bald erfahren, wie Sie sich dort verhalten werden.

Zur Sache. Herr Minister Wittke, Herr Schulte, Herr Rasche und andere, die für die Verkehrspolitik in der Koalition Verantwortung tragen: Sie wissen doch, dass der Antrag der SPD nur allzu berechtigt ist.

(Christof Rasche [FDP]: Kontraproduktiv!)

Wenn auch nur ein Teil der Kürzungen kommt, die der Bund uns zurzeit androht, sind in NordrheinWestfalen sehr schwierige Fragen zu beantworten, die dieses Haus massiv beschäftigen werden. Es wird darum gehen, ob das ÖPNV-Gesetz novelliert werden muss. Es geht um Verteilungsfragen zwischen den Zweckverbänden in NordrheinWestfalen. All das rumort doch politisch schon. Herr Schulte, Sie sitzen doch schon auf dem Schleifstein zwischen den großen Zweckverbänden VRR und VRS, in denen CDU-Leute das Sagen haben, und Ihren Leutchen bei den ländlichen Aufgabenträgern. Glauben Sie, wir hören nicht zu, was für eine Debatte dazu in Nordrhein-Westfalen stattfindet?

Natürlich muss sich dann die Landespolitik mit der Frage beschäftigen: Was tun wir eigentlich? Ich bitte Sie um eines – nicht nur, weil Sie hier so tun, als wären wir diejenigen, die dem Bund die Kürzungen anbieten würden, sondern auch der Sache wegen –: Setzen Sie keine Illusionen in die Welt nach dem Motto „Na ja, da kommen Kürzungen, dann müssen wir eben die neun Zweckverbände in Nordrhein-Westfalen fusionieren“! Ich sage Ihnen: Damit haben Sie nicht einen Bruchteil des Problems gelöst – wenn der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen dadurch überhaupt besser würde. Man muss es auch noch einmal von der Sache her diskutieren.

Nein, selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, 10 oder 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim VRR, beim VRS und sonst wo einzusparen, weil Sie bestimmte Aufgaben zusammenlegen, werden Sie so mit einer solchen Kürzung nicht umgehen können.

Deswegen ist sehr bald eine Diskussion ernsthafter und substanzieller Art darüber notwendig, was dann

passiert. Es muss Aufgabe der Landesregierung sein – auch des Landtags Nordrhein-Westfalen –, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, damit bei Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr eben nicht Streckenstilllegungen und maßlose Preiserhöhungen die Antwort sind, sondern womöglich wirtschaftlichere Lösungen. Da wird das Land gefordert sein.

Das beginnt bei der gelungenen Kooperation zwischen dem Land und den kommunalen Aufgabenträgern. Kooperation Land – Kommune ist wichtig. Herr Kollege Lehne, wer wüsste das besser als Sie; Sie bemühen sich ja in einem speziellen Fall um die bessere Kooperation zwischen Land und Kommune.

(Demonstrativer Beifall von der CDU)

Damit haben Sie einen kleinen Ausschnitt, und Sie können vielleicht ahnen, was auf Sie zukommt. Ich kann nur empfehlen, diese enge Kooperation tatsächlich zu suchen.

Wenn eine Lösung für den Umgang mit weniger Geld gefunden werden soll, kann sie nur darin bestehen, wirtschaftlichere Lösungen für die Organisation, aber auch für die Leistungserbringung im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen zu entwickeln.

Ich sage ganz deutlich: Ich glaube, dass es nach zehn Jahren an der Zeit ist, dass sich die Zweckverbände in Nordrhein-Westfalen eines stärkeren Wettbewerbs befleißigen, als das gegenwärtig der Fall ist.

Einige Aufgabenträger nutzen sehr intensiv die Möglichkeit, über Ausschreibungen Preisvorteile bei der Erbringung von Leistungen zu erhalten. Es gibt andere, denen man ein bisschen auf die Sprünge helfen muss. Sie haben lange Zeit ganz gute Argumente gehabt: Das geht so nicht, es gibt für die Bahn keine leistungsfähige Konkurrenz. All diese Argumente verlieren an Bedeutung. Und deswegen glaube ich, dass es, nachdem wir eine Qualitätsoffensive im ÖPNV gemacht haben und das ÖPNV-Gesetz in Nordrhein-Westfalen so fortentwickelt haben, dass mehr Qualität zum zwingenden Bestandteil der Verkehrsverträge wird,

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

an der Zeit ist, dass sich das Land auch gesetzgeberisch überlegt, was es tun kann, um mehr Wettbewerb zu forcieren – gerade beim öffentlichen Nahverkehr.

Herr Kollege Horstmann, Sie haben Ihre Redezeit schon etwas überzogen.

Letzte Bemerkung: Um die Marktmacht derjenigen, die Verkehrsverträge zu vergeben haben, zu stärken, ist die Agentur Nahverkehr Nordrhein-Westfalen gegründet worden. Die Nachfragemacht auf der Aufgabenträgerseite sollte gestärkt werden. Die Bahn sollte nicht neun Aufgabenträger so leicht gegeneinander ausspielen können, wie es in der Vergangenheit möglich war.

(Christof Rasche [FDP]: Die Redezeit, meine Güte!)

Herr Kollege Horstmann, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Dass Sie nun ausgerechnet in Ihren Beitrag zum Umgang mit weniger Mitteln im SPNV in Nordrhein-Westfalen einsteigen, indem Sie diese Agentur zur Disposition stellen, halte ich, ehrlich gesagt, für den falschen Ansatz.

(Beifall von der SPD)

Das ist der falsche erste Schritt, Herr Minister Wittke. Ich fordere Sie auf, Ihren Kurs neu zu bestimmen und zu ordnen.

(Unruhe)

Herr Kollege Horstmann!

Herzlichen Dank – vor allem für das Verständnis der Frau Präsidentin!

(Beifall von der SPD)

Das neigte sich soeben seinem Ende zu – genau wie Ihre Redezeit! Herzlichen Dank, Herr Kollege Horstmann. – Als nächster Redner hat dann der Kollege Schulte für die Fraktion der CDU das Wort.

Vielleicht eine Bemerkung zur Erläuterung: Die Redezeit ist zunächst für den ursprünglichen Antrag unter Tagesordnungspunkt 3 eingestellt. Das heißt: Der Redner selbst kann am Mikrofon schlecht beurteilen, wie weit seine Redezeit überzogen ist.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Sonst wäre mir das nämlich nicht passiert!)

Das sage ich vielleicht zur Erläuterung für alle anderen, warum es hier etwas energischer zuging.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Einlassung vom Kollegen Horstmann hat eines wieder ganz deutlich gemacht: Vor dem Hintergrund einer erfolgreichen Koalition von CDU und FDP in NordrheinWestfalen

(Gisela Walsken [SPD]: Was für eine Koaliti- on?)

und Ihrer Rolle als Opposition in diesem Hause ist der Gedanke an eine große Koalition in Berlin von Tag zu Tag neu zu erarbeiten und schwer abstrahierbar. Das ist eine deutliche Feststellung.

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Und Sie haben – ich will es ja ausgeglichen machen, Herr Kollege Horstmann – einen wahren Satz gesagt – ich habe ihn mir aufgeschrieben –: Was aus Berlin kommt, ist eine große Gefährdung für Nordrhein-Westfalen.

(Bodo Wißen [SPD]: Das war Ihr Minister! – Weitere Zurufe)

Jetzt personifizieren wir doch einmal das, was aus Berlin kommt.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD: Ja, gerne!)

Wer sind denn da die verantwortlich handelnden Personen? In der wichtigen Frage der Regionalisierung spielt der Bundesverkehrsminister keine Rolle.

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Den kennt in Nordrhein-Westfalen niemand. Aber sein beamteter Staatssekretär hat bis vor wenigen Monaten noch auf dieser Bank gesessen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Den gab es noch gar nicht, als der Koalitionsvertrag ge- schrieben wurde! – Zuruf von Gisela Walsken [SPD] – Weitere Zurufe)

Und der beamtete Staatssekretär im Verkehrsministerium ist der Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfe des Bundesfinanzministers,

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Ach!)

der das Diktat der Verkehrspolitik schreibt. Dieser Finanzminister war Ministerpräsident in diesem Hause.