Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Das kenne ich noch von früher, Herr Palmen. Ich kann mir das sonst nicht erklären. Das Lachen Ihres Nachbarn signalisiert mir, dass ich damit nicht ganz falsch liege.

Das zweite Beispiel sind die Sportschulen, Herr Palmen. In der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten sind fünf Sportschulen angekündigt worden. Kein Mensch wusste genau, was das ist. Ich habe zweimal im Rahmen von Kleinen Anfragen nachgefragt. Die SPD hat einen Antrag eingereicht. Aber bis heute ist noch nicht erkennbar, was das eigentlich sein soll. Herr Recker hat wohl irgendwie einmal angekündigt, dass mit dem neuen Schuljahr die erste Sportschule errichtet werden soll. Das neue Schuljahr beginnt, glaube ich, am 8. August, liebe Frau Ministerin. Dann werden wir vielleicht bald einmal etwas erfahren. Aber es gibt bis heute noch keine belastbare Information darüber, was diese Sportschulen eigentlich sind, was sie sein sollen und wo sie geplant werden. Das kann ebenfalls nur damit zusammenhängen, dass da die Kompetenzen hin und her geschoben werden.

(Zuruf von der SPD: Das werden wir in vier Jahren noch nicht wissen!)

Das dritte Beispiel: Wo im Schulministerium ist dieses Schulsportreferat eigentlich angesiedelt? – Es fristet einsam und isoliert sein Schattendasein, und zwar in der Abteilung – man höre und staune – „Berufliche Bildung, Allgemeine Weiterbildung, Kirchen und Religionsgemeinschaften“. Da gehört es auch wirklich hin, meine Damen und Herren. Da muss der Schulsport hin! In Wahrheit ist der Schulsport damit irgendwo abgestellt worden wie in einer Besenkammer.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Besenkam- mer!)

Wie in einer Besenkammer, ganz genau. Dort gehört er überhaupt nicht hin. Dort schlummert er völlig isoliert einfach vor sich hin.

Dabei spreche ich, liebe Frau Ministerin Sommer, Ihnen das persönliche Interesse am Schulsport nun weiß Gott nicht ab. Sie sind sehr sportlich, wie ich weiß, und auch an Sport interessiert, wenn

auch vielleicht ein bisschen einseitig in den Sportarten. Aber auf das persönliche Interesse der Ministerin kommt es in diesem Fall ja nicht an.

Die Frage ist: Wie ist der Schulsport eingebettet? – Das hat nun wirklich nichts mit dem Abbau von Bürokratie zu tun, sondern mit dem Aufbau zusätzlicher Bürokratie. Es hat nichts mit einfachen Strukturen zu tun, sondern es verkompliziert die Strukturen.

Das haben der Landessportbund und die gesamte Fachwelt so gesagt. Das spricht aus vielen Zuschriften. Vor allem die Praktiker vor Ort sind besorgt, wie etwa das Schreiben der Berater im Schulsport der Förderschulen bei der Bezirksregierung Arnsberg zeigt. Sie sehen das in der Zuschrift 14/0436. Aber auch die Wissenschaft macht sich Sorgen um die Zukunft des Schulsports in Nordrhein-Westfalen.

Der Schulsport ist außerordentlich wichtig. Er hat es wirklich nicht verdient, so an die Seite geschoben zu werden.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Denn der Schulsport ist die einzige Instanz, durch die alle Jugendlichen, alle Kinder durch müssen und durch gehen, in der sie für den Sport begeistert werden können.

Ein sehr prominenter Sportwissenschaftler hat uns geschrieben. Ich zitiere:

„In der Sache stimme ich Ihnen völlig zu. Die beschriebenen Nachteile habe ich auch bereits in mehreren Zusammenhängen erfahren müssen. Eine Sportpolitik aus einem Guss scheint in NRW derzeit nicht möglich. Ich hoffe, dass Ihre Initiative zumindest Nachdenklichkeit auslöst.“

Das, meine Damen und Herren, wünsche ich mir auch, und zwar nicht, um hier die Vergangenheit nostalgisch zu beschwören, sondern weil es mir um die gute Zukunft des Schulsports im Bereich der Landesregierung geht, die meines Erachtens besser aufgestellt werden sollte, als sie es in der derzeitigen Struktur ist. Wenn Sie da Ihrem Herzen einen Stoß geben könnten – ich sehe das ja in Ihren Gesichtern, dass Sie meinen Argumenten nicht widerstehen können –,

(Beifall von den GRÜNEN)

dann können wir da vielleicht zu einer gemeinsamen Lösung kommen – im Sinne des Schulsports und der Sportpolitik insgesamt in NordrheinWestfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Dr. Vesper. – Für die CDU spricht der Abgeordnete Recker.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vesper, hier spricht nicht jemand als Wissenschaftler, aber als Praktiker. Ich spreche zu Ihnen als jemand, der seit vielen Jahren im Ausschuss für Schule und Weiterbildung tätig ist und auch seit vielen Jahren im Sportausschuss, wo ich sehr gerne tätig bin. Ich spreche aber auch als jemand zu Ihnen, der seit vielen Jahren an vorderster Front im Vereinssport tätig ist, ob als Trainer oder als Jugendwart. Ich war auch im Schulsport tätig und habe als Sportlehrer und als Schulleiter in dem Bereich Verantwortung getragen.

Aufgrund dieser praktischen Erfahrungen, Herr Vesper, kann ich nur mit Nachdruck bestätigen, wie wichtig gerade hier eine funktionierende Vernetzung ist. Vereinssport und Schulsport bedingen und ergänzen einander.

(Dr. Michael Vesper [GRÜNE]: Deswegen gehören sie zusammen!)

Insoweit, Herr Vesper, werden Sie verstehen, dass ich ein heftiger Befürworter dieser neuen Konstruktion bin, nämlich der Einbindung des Schulsports in das Ministerium für Schule und Weiterbildung.

Natürlich, Herr Vesper, kann man hier unterschiedliche Sichtweisen haben. Nur eines steht doch fest: Die Organisationspraxis und auch die Ressortzuschnitte der vergangenen Legislaturperiode, Herr Vesper, haben gezeigt, dass sich Schnittstellen nie vermeiden lassen. Im Übrigen würde sich bei einer Rückgliederung des Schulsportreferates in das Innenministerium an der Schnittstellenproblematik nichts ändern. Sie bestünde fort, allerdings in umgekehrter Weise.

Herr Recker, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Löhrmann?

Ja, gerne.

Bitte schön, Frau Löhrmann.

Herr Recker, dass es Schnittstellen gibt, ist klar. Aber der Eindruck, der in der Öffentlichkeit entstanden ist, ist ja nicht ganz unbegründet. Insofern würde ich Sie gerne nach Ihrer Einschätzung fragen, ob diese Aktion,

den Schulsport hier herauszulösen, nicht ein Kompensationsgeschäft war, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Herr Wolf, der ja Spitzenkandidat der FDP war, nicht stellvertretender Ministerpräsident geworden ist. Was sagen Sie zu diesem öffentlichen Eindruck?

Das kann und könnte ich mir nie vorstellen, Frau Löhrmann.

(Allgemeine Heiterkeit – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben keine große Phanta- sie!)

Im Übrigen, Frau Löhrmann, ist für mich das Formale nicht so entscheidend. Für mich ist nicht so wichtig, wie das Kind heißt. Für mich und für uns ist entscheidend, was unter dem Strich sowohl für den Schul- als auch für den Vereinssport letztlich geleistet wird. Ich erwarte einfach ganz selbstverständlich, dass Schul- und Sportbereich im Interesse der Kinder, Vereine und Schulen effektiv zusammenarbeiten. Das ist ihre Aufgabe.

Herr Recker?

Nein, ich möchte erst zu Ende reden.

Das ist ihre Pflicht. Ich sehe auch, dass das funktioniert – bei sicherlich am Anfang auch Problemen.

Aber lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich machen, weshalb diese Verknüpfung von Schulsport und Vereinssport organisatorisch aus meiner und unserer Sicht dringend notwendig ist.

Ich behaupte, der Vereinssport ist elementar abhängig von einem funktionierenden Schulsport. Nur wenn hier Interesse und Begeisterung für Aktivitäten im Sport geweckt werden, hat der Vereinssport überhaupt eine Chance, immer mehr Menschen zu gewinnen, übrigens sowohl für den Breiten- als auch für den Spitzensport.

Andererseits ist es für den Schulsport enorm wichtig, wenn er fachliche Unterstützung aus dem Vereinssport erhält.

Darum wiederhole ich meine Aussage: Schulsport und Vereinssport bedingen und ergänzen einander. Insofern ist diese Lösung aus meiner Sicht ein richtiger Weg. Dabei kommt es nicht so sehr auf die organisatorische Aufhängung an, wichtig ist, dass das Angebot an Schulsport im Interesse der Schüler möglichst breit gefächert, qualitativ

hochwertig und in ausreichendem zeitlichen Umfang gewährleistet wird. Das haben wir auch in der letzten Legislaturperiode lange diskutiert.

Die in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aufgezeigten Schreckgespenster, meine Damen und Herren, halte ich für nicht gerechtfertigt. Der Austausch zwischen den Ministerien im Bereich Sport findet statt.

(Dr. Michael Vesper [GRÜNE]: Sagen Sie mal was zu dem Beispiel!)

Die Landesregierung wird bald ihr Konzept für die in der Koalitionsvereinbarung angekündigten fünf neuen Sportschulen vorstellen.

Der Etatansatz im Haushalt 2006 für Maßnahmen des Schulsports im jeweiligen Einzelplan des Schul- und des Innenministeriums entspricht dem Etatansatz im Jahre 2005. Dies alles zeigt die Wertschätzung der Landesregierung gegenüber dem Schulsport.

Lasst uns bitte unter diesem Aspekt die Debatte führen. Ich bin sehr wohl der Meinung: Auch wenn es noch Mängel gegeben hat, bedeutet gerade die Zusammenführung dieser beiden Bereiche auch eine große Chance. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Recker. – Für die SPD spricht nun der Kollege Andreas Becker.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als jemand, der dem Landtag noch nicht lange angehört, habe ich mich besonders intensiv erkundigt, was das Thema dieses Antrags angeht. So habe ich erfahren, dass es schon immer Diskussionen über Ressortzuschnitte gab. Auch zu Beginn der letzten Legislaturperiode hat es zum Teil heftige Diskussionen über die Ressortzuschnitte innerhalb der Landesregierung gegeben; ich komme gleich noch einmal kurz darauf zurück.

Die Wurzeln der heutigen Diskussion gehen allerdings noch viel weiter zurück. Der langjährige Sportabteilungsleiter und Vizepräsident des Landessportbundes, Dr. h. c. Johannes Eulering, hat es schon vor langen Jahren verstanden, aus dem einstigen Sportreferat des Kultusministeriums, dem er vorstand, zunächst eine Gruppe, die er leitete, und dann eine Abteilung, die er ebenfalls leitete, zu machen. Er hat dabei nicht, wie manche jetzt vielleicht vermuten, die Aufgaben des Sports beziehungsweise seiner Gruppe beziehungsweise Abteilung massiv aufgebläht. Er hat