Und übrigens tragen wir durch eine entsprechende Regelung im Schulgesetz Sorge dafür, dass durch die Aufhebung der Schulbezirke bei den Berufskollegs keine Berufsschulstandorte gefährdet werden.
Mein zweiter wichtiger Punkt ist beispielhaft die Stärkung der Grundschule und des Vorschulbereiches. Wir alle sind uns einig – ich möchte hier ein Bild nehmen, meine Damen und Herren –: Beim Auftreten starker Zahnschmerzen ziehen wir nicht gleich mehrere Zähne, sondern versuchen, das Übel an der Wurzel zu packen. Und genau das wollen wir hier.
Denn als Basis jeden Lernens ist eine optimale pädagogische Arbeit an den Grundschulen absolut notwendig. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist daher elementare Voraussetzung für das Lernen überhaupt. Darum, meine Damen und Herren, wird künftig zwei Jahre vor der Einschulung ein notwendiger Sprachtest eingeführt und bei Bedarf eine vorschulische Sprachförderung verpflichtend sein. Es wird also keine Einschulung mehr ohne ausreichende Sprachkenntnisse geben, damit endlich Herkunft und soziales Umfeld keinen so großen Einfluss mehr auf den Lernerfolg haben.
Meine Damen und Herren, Lernstudios sichern zusätzlich das intensivere Fördern einzelner Schüler. Hinweisen möchte ich auch noch auf die größere Verbindlichkeit der Gutachten und die endlich größere Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen. Das sind ganz wichtige Voraussetzungen dafür, dass unser Schulsystem effizienter und gerechter wird.
Wir werden das, was wir mit dem Schulgesetz heute beschließen, mit seinen drei zentralen Aussagen umsetzen:
Wer an und in unseren Schulen etwas grundlegend verändern will, muss das Wohl und Wohlergehen unserer Kinder und Jugendlichen in den Vordergrund stellen. Unser aller Zukunft liegt in der Zukunft unserer Kinder. Genau darum müssen wir ihnen ein tragfähiges Fundament geben; das ist unser aller Auftrag. Das schafft kein Ministerium oder die Politik insgesamt; das schaffen wir nur, wenn wir alle – ich meine wirklich alle hier – zusammenstehen und begreifen, dass wir gemeinsam für die Zukunft unserer Kinder Verantwortung tragen.
Ich fand, dass es bei der abschließenden Beratung im Schulausschuss durchaus Schnittmengen gab, meine Damen und Herren, bei denen wir gegenseitig Änderungsanträgen zugestimmt haben. Ich fordere uns alle auf, diesen Versuch des gemeinsamen Handelns weiter zu führen.
Aber ich sage genauso: Wir sind vor der Wahl mit der Zusage angetreten, eine grundlegende und zukunftsweisende Bildungsreform auf den Weg zu bringen. Wir haben seinerzeit die Eckpunkte genau und klar definiert. Für dieses Ziel, mehr individuelle Förderung in einem begabungsgerechten Bildungssystem, sind wir gewählt worden, meine Damen und Herren, und wir setzen hier und heute das um, was wir vor der Wahl gesagt haben – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Hier geht es letztlich um Glaubwürdigkeit in der Politik und um Glaubwürdigkeit von Politik. Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz geben wir allen am Schulleben Beteiligten endlich die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Wir als CDU sind stolz auf dieses Gesetz. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Recker. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Schäfer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Recker, ich war gestern nicht in Berlin, nicht beim Fußballspiel – das habe ich mir hinterher auf der Leinwand angeschaut –, aber ich war gestern bei der Anhörung zur Ausbildungsordnung für die Grundschulen im Rahmen der Schulgesetznovellierung.
Das Muster, das wir bei dieser Anhörung erlebt haben, war sehr vertraut. Alle anwesenden Fachleute waren sich einig in der Ablehnung ganz zentraler Vorhaben Ihres Gesetzentwurfs.
Aber CDU und FDP saßen relativ gelangweilt da; Fragen hatten sie schon gar keine mehr, und die Abgeordneten der FDP sind vorzeitig gegangen.
Warum ist mir das hier und heute bei der zweiten Lesung eine Erwähnung wert? – Weil es exemplarisch für alle Anhörungen deutlich macht, wie gleichgültig Ihnen, meine Damen und Herren der CDU, die Meinung von Fachleuten aus Wissenschaft, Schule, Schulverwaltung, Lehrer- und Elternverbänden, der kommunalen Spitzenverbände und gerade der Schülerinnen und Schüler ist.
Man fragt sich tatsächlich in Nordrhein-Westfalen: Warum diese Änderungswut? Warum diese Beratungsresistenz bei Regierung, CDU und FDP? – Weil Sie mit aller Macht ein mittlerweile unzeitgemäßes gegliedertes Schulsystem zementieren wollen und weil Sie mit aller Macht daran festhalten, dass wir in Nordrhein-Westfalen die Kinder auch weiterhin nach der vierten Klasse auf viele verschiedene Schulformen aufteilen und ihnen keine längeren gemeinsamen Lernzeiten ermöglichen – gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis.
Jedes Mal, wenn diese Fakten thematisiert werden, sagen Sie, Herr Ministerpräsident: Wir müssen das Land vor einer ideologischen Debatte schützen. Ich frage mich: Wer ist denn hier eigentlich der Chefideologe?
Vor wem müssen wir denn das Land und die Kinder schützen? Tatsache ist doch, dass die demographische Entwicklung und die vielen Erkenntnisse der internationalen Leistungsstudien – Vergleichsstudien – die Diskussion um eine stärkere Integration in unserem Schulsystem geradezu herausfordern.
Die SPD wird und will diese Diskussion – ich betone ausdrücklich: ohne Vorfestlegung – mit den Verbänden und den gesellschaftlichen Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen führen, und ich biete auch Ihnen ausdrücklich einen ergebnisoffenen Dialog an.
Was machen Sie stattdessen? – Sie lassen sogar die Beratungen zum Schulgesetz zu einer Farce werden. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU – die FDP meine ich jetzt weniger –, hier mit Macht und Mehrheit ausgestattet haben, dürfen zu Recht erwarten, dass ein Parlament und eine Landesregierung ordentlich arbeiten. Aber statt Anhörungen auszuwerten und daraus Konsequenzen zu ziehen, bescheren Sie uns im Verlauf der Beratungen zum Schulgesetz das Bußgeld für Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren und die Diskussion um Schuluniformen. Das sind nichts anderes
Änderungswut gepaart mit Beratungsresistenz – das ist schon eine explosive Mischung. Was Sie damit den Schulen zumuten, ist ein chaotisches Regierungshandeln. Ich mache das an vier Punkten deutlich.
Das Schulgesetz tritt mitten in den Schulferien in Kraft. Die Ausbildungsordnung für die Grundschule wird morgen Abend in einer Sondersitzung des Schulausschusses behandelt – wohlgemerkt, die Anhörung war gerade erst gestern. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Schulen mit Sekundarstufe I liegt noch nicht einmal im Entwurf vor – das ist ein Handwerkszeug für unsere Schulen –, und die Gymnasien in Nordrhein-Westfalen arbeiten im nächsten Jahr mit einer vorläufigen Stundentafel, die am zuständigen Ausschuss für Schule und Weiterbildung rechtswidrig vorbei gelaufen ist; wir hätten sie nämlich eigentlich behandeln müssen.
Neben vielen handwerklichen Fehlern und den Ungereimtheiten, die wir mit unserem Entschließungsantrag kritisieren, der heute auf dem Tisch liegt, möchte ich allerdings noch einmal sehr deutlich sagen, worin für uns der größte Widerspruch liegt.
Sie versprechen – Herr Recker hat es noch einmal betont – eine bessere individuelle Förderung und mehr Durchlässigkeit, und Sie handeln mit Ihren Maßgaben genau entgegengesetzt.
Weniger Durchlässigkeit, weniger Bildungsbeteiligung, weniger Bildungschancen – das schaffen Sie mit diesem Schulgesetz und das prognostizieren Ihnen nicht nur ich und die SPD-Fraktion, sondern viele, viele der Expertinnen und Experten in allen Anhörungen.
Bis dato war ich immer der Meinung, dass zumindest Sie, meine Damen und Herren von der CDU, selber von Ihrem Gesetzeswerk überzeugt sind. Ich las dann zu meiner Überraschung das Zitat eines Christdemokraten im „Bonner GeneralAnzeiger“ vom 3. Juni. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
„Vielen von uns gehen einzelne Änderungen im Schulgesetz viel zu weit, weil sie die Chancengleichheit verringern, den Druck auf die Kinder erhöhen und zu noch mehr Selektion führen.“
Man höre und staune! Dem ist aus Sicht der Opposition nichts hinzuzufügen. Sie bekommen heute aber eine Chance, Rückgrat zu zeigen.
Ich möchte auch noch Herrn Solf erwähnen. Am 20. Juni stand im „Rhein-Sieg-Journal“ – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
„Der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Solf hat sich im Rahmen einer Diskussion mit Lehrern und Eltern im Troisdorfer Heinrich-BöllGymnasium deutlich gegen die Aufhebung der Schulbezirke ausgesprochen.“
Stimmen Sie, zumindest Herr Solf, unserem Änderungsantrag zur Beibehaltung der Schulbezirke für öffentliche Grundschulen und Berufsschulen zu. Beweisen Sie den Mut, wenn es Ihnen wirklich um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen geht. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Beer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie geht es Ihnen heute früh? Ich meine vor allem die, die gestern an der Anhörung zur Ausbildungsordnung für die Grundschule teilgenommen haben, eine zentrale Ausbildungsordnung, die Sie mal eben so in Folge Ihrer unglückseligen Schulgesetznovelle auch noch in dieser Woche durchpauken wollen.
Zum x-ten Mal mussten Sie sich harsche und einhellige Kritik von den Experten und Expertinnen anhören, die wie wir alle Zielsetzungen wie individuelle Förderung und Chancengleichheit in der Schulpolitik ausdrücklich unterstützen wollen, die aber genauso eindeutig dazu Stellung nehmen, dass die Schulgesetznovelle in den konkreten Maßnahmen genau diesen Zielen entgegensteht.