Protokoll der Sitzung vom 31.08.2006

Dieses Anliegen hat der Bundesfinanzminister in seinen Vorschlägen nur unzureichend aufgegriffen. Er verzettelt sich, wenn er bei der Gewerbesteuer die eine Hälfte und bei der Körperschaftsteuer die andere Hälfte der Zinsen hinzurechnet. Bisher war vorgesehen, den Körperschaftsteuersatz von derzeit 25 % auf nur noch 12,5 % zu halbieren. Jetzt ist eine Absenkung auf 15 % geplant. Das macht deutlich: Man geht hier einen ganz anderen Weg.

Der Hauptkritikpunkt ist natürlich, dass nicht klar ist, wie das konkret gegenfinanziert werden soll. Wir sehen das so, dass die Finanzierung auf dem Rücken der Bevölkerung stattfindet. Der Mehrwertsteuersatz soll um 3 % erhöht werden. Teile der SPD-Linken äußern auch an dieser Maßnahme nach wie vor massive Kritik. Ich kann nur feststellen: Das, was Sie hier machen, geht zulasten der Bevölkerung und begünstigt mal wieder die, die wir in die Pflicht nehmen müssen. Ich kann nicht erkennen, dass Sie sich auf dem richtigen Wege befinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen sage ich noch einmal – das haben wir auch in den vier Punkten unseres Antrages formuliert –: Es darf keine Unternehmensteuerreform auf dem Rücken der Bevölkerung und des Mittelstandes geben. Eine Unternehmensteuerreform muss daher zumindest aufkommensneutral abgewickelt werden.

Die Gewerbesteuer ist als wichtigste Finanzierungsbasis der Kommunen auszubauen und nicht abzusenken, wie Sie das tun. Die konsequente Hinzurechnung von gewinnunabhängigen Be

standteilen bei gleichzeitiger Gewährung ausreichender Freibeträge führt zu einer Entlastung des Mittelstandes und schränkt die Steuersparstrategien der Dax-Unternehmen, die auf Kosten der kleinen und mittelständischen Unternehmen stattfinden, ein. Es muss eine Unternehmensteuerreform geben, die so ausgestaltet ist, dass Investitionen am Standort Deutschland gebunden werden, um Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen.

Wir können nicht erkennen, dass das von Ihnen Vorgeschlagene dazu dient. Unsere Kritik richtet sich auch klar gegen die SPD. Denn Ihre Maßnahmen gehen zulasten der Bevölkerung, ohne in dem Sinne, wie wir es verstehen, dafür zu sorgen, dass der Mittelstand gestärkt wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie belasten nur diejenigen, die sowieso schon am meisten belastet sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Sagel. – Für die FDP spricht Kollege Brockes.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte meine Rede heute mit einem Zitat beginnen:

„Die deutschen Kapitalgesellschaften sind erkennbar im internationalen Wettbewerb schlechter aufgestellt, was die Steuerbelastung betrifft.“

(Zuruf von der SPD: Goethe!)

Diese Feststellung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück trifft völlig zu. Denn bei der steuerlichen Belastung der Kapitalunternehmen steht Deutschland europaweit an der Spitze, und zwar sowohl bei der nominalen als auch bei der effektiven Belastung.

(Hannelore Kraft [SPD]: Nominal, aber nicht real!)

Endlich gesteht ein sozialdemokratischer Finanzminister ein, dass die deutschen Unternehmen, die sich auf den globalen Märkten mit ausländischen Unternehmen messen müssen, aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen hierzulande einen erheblichen Wettbewerbsnachteil haben.

Wer diesen banalen ökonomischen Zusammenhang aber offenbar noch nicht richtig verstanden hat, sind die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten. Von den Grünen möchte ich gar nicht erst sprechen. Ihr Entschließungsantrag kommt einem

Fundamentalangriff auf den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland gleich. Das hat Kollege Sagel gerade noch einmal unterstrichen.

Herr Kollege Brockes, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Walsken?

Bitte schön.

Frau Walsken, bitte.

Herr Kollege, ist Ihnen eigentlich bei Ihrer Formulierung gerade entgangen, dass die erhebliche Senkung der Körperschaftsteuer von früher 40 auf 25 % schon dazu geführt hat, dass es heute erheblich höhere Aufkommen gibt und keine geringeren? Haben Sie vielleicht auch noch in Erinnerung, in wessen Verantwortung das stand?

Liebe Frau Walsken, wenn Sie davon reden, dass das aufkommensneutral verlaufen müsse,

(Gisela Walsken [SPD]: Körperschaftsteuer!)

sehe ich nicht, wie das zu einer Verbesserung der Wirtschaft oder der unternehmerischen Situation in diesem Lande führen soll.

Meine Damen und Herren, von der NRW-SPD ist zu vernehmen,

(Gisela Walsken [SPD]: Was war das denn?)

dass dem Konzept ihres früheren Ministerpräsidenten zur Unternehmensteuerreform die soziale Balance fehle. Die vorgesehene Steuerentlastung der Konzerne sei in Nordrhein-Westfalen nicht vermittelbar – erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass die Bürger mit einer höheren Mehrwertsteuer belastet würden.

Ich stimme Ihnen zu, dass dies nicht ausgewogen erscheint. Aber das Problem ist nicht die Unternehmensteuerreform, sondern die Mehrwertsteuererhöhung. Trotz steigender Steuereinnahmen greifen Sie den Bürgerinnen und Bürgern weiter in die Tasche. Wer hat dafür gesorgt, dass auf die 2%ige Merkel-Steuer, die Sie im Wahlkampf verkündet haben, noch ein Münte-Bonus draufgekommen ist?

Die bisher bekannten Eckpunkte der schwarzroten Koalition in Berlin – hier sind noch eine Fülle von Fragen offen; beinahe täglich gibt es einen neuen Sachstand, auch heute – sind für die deutschen Unternehmen eine einzige Enttäuschung.

Denn die im internationalen Vergleich einzigartige Gewerbesteuer soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung beibehalten werden.

(Beifall von der SPD)

Der zentrale Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen wird somit zementiert. Doch damit nicht genug. Hinzu kommt die Absicht der Bundesregierung, die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung auf gewinnunabhängige Elemente wie Mieten, Pachten, Zinsen, Leasingraten oder Lizenzentgelte auszuweiten. Das würde bedeuten, dass Unternehmen auch in Verlustphasen Steuern zahlen müssen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

In vielen Fällen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht so ertragsstark sind, würde dies an die Substanz gehen. Steuersystematisch mit Blick auf das Verfassungsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wäre dies im höchsten Maße bedenklich und für viele existenzbedrohte Unternehmen das Aus. Man muss kein Prophet sein, bei einer solchen Unternehmensteuerreform würden sich Unternehmen neue Standorte im Ausland suchen. Investitionen würden in großem Umfang unterbleiben, und der Wirtschaftsstandort Deutschland würde weiter an Attraktivität einbüßen.

Unser Ziel als FDP ist es, die deutschen Unternehmen von der Sonderbelastung Gewerbesteuer zu befreien, statt sie durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage noch zusätzlich zu schröpfen. Wir wollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erhöhen und werden deshalb eine derartig kurzsichtig und rein fiskalisch ausgerichtete Steuerpolitik nicht mitmachen.

(Beifall von der FDP)

Wir brauchen eine Unternehmensteuerreform, die zu einer echten Entlastung der Unternehmen führt. Dazu muss sie in ein Gesamtpaket eingebettet werden. Nur mit Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt und niedrigeren Lohnzusatzkosten wird es gelingen, Wachstum, neue Arbeitsplätze und damit auch zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Aber davon, meine Damen und Herren, ist diese Bundesregierung leider noch meilenweit entfernt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Brockes. – Für die Landesregierung spricht der Finanzminister, Herr Dr. Linssen. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte findet zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt statt, da in Berlin am Montag die Gespräche in der Arbeitsgruppe begonnen haben und versucht wird, in den nächsten Wochen zu einem einvernehmlichen Konzept zu kommen. Sie wissen, dass die Positionen noch weit auseinander liegen, obwohl sich in den letzten Tagen gewisse Entwicklungen ergeben haben.

Es gibt eine große Erwartungshaltung – sicherlich auch aufseiten der Wirtschaft –, und deshalb ist es besonders schwierig, ein Konzept zustande zu bringen, welches zum einen die Erwartungshaltung nicht enttäuscht und zum anderen haushaltspolitisch vertretbar ist. Darauf muss jeder Finanzminister achten, und aus diesem Grunde haben sich die Finanzminister der Länder in diese Diskussion in erheblichem Maße eingebracht.

Wir sind uns sicherlich darin einig – jedenfalls habe ich so Frau Walsken verstanden –, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes hinsichtlich der steuerlichen Belastung gelitten hat. Und ich interpretiere das Ergebnis der rot-grünen Koalition aus den früheren Jahren – Sie erinnern sich an den Job-Gipfel, im Rahmen dessen die Absenkung der Körperschaftsteuer auf 19 % beschlossen wurde – so, dass auch Rot-Grün folgende Überzeugung vertritt: Wir sind nicht mehr attraktiv genug, wir sind auch durch verschiedene Elemente, die in den letzten Jahren in verschiedenen anderen Ländern in das Steuerrecht eingefügt worden sind, im Wettbewerb ins Hintertreffen geraten, und deshalb müssen wir in diesem Bereich etwas tun. – Die Beteuerung wird allenthalben ausgesprochen, aber es darf natürlich nichts kosten, damit man von der anderen Seite der Bevölkerung nicht irgendwelche Einwände spürt.

Beim Antrag der SPD ist die ganze Welt im Döschen; wenn ich es einmal so sagen darf, Frau Walsken. Das heißt, Sie möchten es wirklich allen recht machen. Aber das wird in vielen Bereichen nicht gelingen, und insofern müssen Sie zu irgendeiner Überzeugung stehen. Wollen Sie entlasten? Wollen Sie das im Maße von 5 Milliarden € oder mehr tun? – Sie haben hier gesagt, dass das „weitgehend aufkommensneutral“ geschehen solle. Ich nehme an, im Hinblick auf Ihre Partei ist dieses Etikett „weitgehend“ besonders interpretierbar.

Wir stehen mit unseren fast 39 % im internationalen Ranking hoffnungslos an letzter Stelle. Wenn wir uns auf einen Satz von 29 oder 30 % hinbewegen, dann befinden wir uns im Konzert der großen Nachbarländer wie Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden. Dann taucht natürlich sofort die Frage auf, wie viel Steuersubstrat bei einer Senkung auf ein vergleichbares Niveau nach Deutschland zurückkommt. Da gibt es viel Ermessungsspielraum, und dann wird bei der Durchsetzung des Konzeptes je nach Argumentationslinie der Betrag ein bisschen größer oder auch ein bisschen kleiner.

Wir müssen uns meiner Meinung nach darüber klar sein, dass hier keine Geschenke an Unternehmer verteilt werden sollen, und ich bitte darum, dies in der Diskussion der nächsten Wochen deutlich zu machen. Herr Sagel, bei Ihnen klingt das immer ein bisschen sehr populistisch. Vor dem Hintergrund der Zusammenhänge müssten Sie nämlich wissen, dass hier Unternehmen in ihrer Investitionsfähigkeit gestärkt werden sollen. Ob diese Unternehmen dann immer in Deutschland investieren, ist eine offene Frage.

Es soll verhindert werden – das sollte klar sein –, dass Unternehmen angesichts der globalisierten Märkte weiterhin in andere steuerlich günstigere Länder abwandern. Das ist der Effekt, den wir erreichen können. Wie viele dann von außen auf uns zukommen, ist eine weitere offene Frage, die sehr unterschiedlich beurteilt wird.

Dass es einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Schaffung von Arbeitsplätzen gibt – das haben bereits Vorredner aufgegriffen –, wird heute sicherlich differenzierter gesehen als zu Zeiten einer Stoltenberg’schen Steuerreform. Sie erinnern sich, dass damals die dreistufige Steuerreform, die vor allen Dingen in Richtung Konsumenten ging, zu unmittelbar durchschlagenden Wirkungen geführt hat.

Die Senkung von Steuersätzen ist nur eine Komponente für die Standortwahl. Beispielsweise sind die Entwicklung der Sozialsysteme, die der Arbeitsmarktpolitik oder die der Rahmenbedingungen gerade im Bereich der Bürokratie wichtige andere Faktoren, die Berücksichtigung finden sollen.

Wir haben also einen Konsens über das Ob, aber keinen Konsens über das Wie.

Herr Sagel möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. Erlauben Sie das?

Bitte schön, Herr Kollege Sagel.