Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Aber selbstverständlich, gerne.

Bitte schön.

Sagen Sie doch bitte etwas zu dem Vorschlag der CDU/CSU-Sprecher der Landtagsfraktionen zu dem Haushaltsnotlagegesetz, das diese vorschlagen. Das ist das Gegenteil von dem, was hier beantragt wird.

Sie werden dazu am Ende meines kurzen Beitrags noch etwas hören. – Aber das Schlimme bei der Feststellung „Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist gestört“, sodass man mehr Schulden aufnehmen kann, ist doch, dass die Verschuldung plötzlich als etwas Positives dargestellt wird und kein Mensch mehr ans Sparen denken muss, weil das Schuldenmachen sogar von der Verfassung gedeckt ist. Das ist für die Zukunft unseres Landes nicht richtig.

(Beifall von CDU und FDP)

Gerade deswegen ist es besser, über Haushaltsnotlagen zu sprechen. Genau das praktizieren wir bei uns. Es ist doch nur dann möglich, davon zu sprechen, den Haushalt nicht ausgleichen zu können und damit die durch Art. 83 gesetzte Grenze zu verfehlen, wenn objektiv wirklich alle Sparbemühungen ausgeschöpft werden. Diese Selbstverpflichtung wollen wir für die Zukunft mehr als bisher verfassungsrechtlich festgeschrieben haben. Das ist der Kern unseres Anliegens.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege.

Abschließend möchte ich Sie alle dazu aufrufen, bei unseren Ausschussberatungen im Vorfeld – entsprechend der Initiativen in der Vergangenheit – gemeinsam und mit Ernsthaftigkeit, Kollege Schartau, darüber nachzudenken, ob das nicht vielleicht doch der richtige Weg ist, endlich einmal Fortschritte in Sachen Generationengerechtigkeit zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klein. – Für die Grünen bittet Herr Sagel noch einmal um eine kurze Interventionszeit.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Zwei Minuten?)

Drei Minuten, ganz knapp.

Zwei Minuten sind mir noch geblieben. Herr Linssen, ist das, was Sie 1969 zur Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beschlossen haben, auch eine Lebenslüge? Es ist schon interessant, dass Sie immer dann mit dem Finger auf andere zeigen, wenn Sie Gesetze auf der anderen Seite mit beschlossen haben. Denn 1969 haben das die Roten und die Schwarzen gemeinsam beschlossen.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Da waren Sie auch noch ein Roter!)

Da war ich noch gar nichts; da war ich noch ziemlich jung. – Sie sind in der Regierung, Sie sind in der Verantwortung, und die markigen Worte, die man gerade von Ihrem finanzpolitischen Sprecher Klein gehört hat, helfen nicht weiter.

Ich stelle fest, die Haushaltskonsolidierung findet entgegen Ihrer Ankündigung nicht statt. Sie geben wieder mehr Geld aus. Sie stecken die diesjährigen Steuermehreinnahmen von 4 Milliarden €

nicht in die Haushaltskonsolidierung; Sie geben sie für andere Dinge aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man muss sich die mittelfristige Finanzplanung ansehen, an die ich mich immer gerne halte, weil darin die Zahlen in die Zukunft projiziert werden. Dort spricht der Finanzminister selber davon, dass die Schulden im Jahr 2010 weit über 130 Milliarden € betragen werden. Das ist die Realität. Wenn man sich die Gesamtsumme anschaut, ist all das nur unter der Voraussetzung richtig, dass Sie nicht das erleben, was wir erleben mussten: dass die Steuereinnahmen sinken. Sollten Sie das erleben, was wir erlebt haben, dann wird es noch ganz anders aussehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich prognostiziere Ihnen: Sie werden im Jahre 2010 für 25 % der Gesamtschulden des Landes Nordrhein-Westfalens verantwortlich sein. Das ist die Realität, und das wird das Ergebnis der Politik sein, die Sie im Augenblick betreiben.

Wenn Sie in diesem Jahr wieder über 1 Milliarde € über der Verfassungsgrenze liegen, dann zeigt das doch sehr deutlich, dass von Haushaltskonsolidierung keine Rede sein kann, denn Sie haben die Steuermehreinnahmen eben nicht vollständig in die Entschuldung gesteckt, sondern Sie geben dieses Geld für Ihre Klientelpolitik aus. Sie bedienen weiterhin die Landwirtschaftskammern mit mehr als 100 Millionen €. Sie stecken weiterhin 512 Millionen € in die Steinkohle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Sagel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Klein?

Bitte schön, Herr Klein.

Herr Kollege Sagel, können Sie bestätigen, dass sämtliche Schulden, die bis zum Ende der Legislaturperiode noch entstehen werden, alleine für die Zahlung für Ihre Schulden gebraucht werden?

Natürlich sind wir auch für Schulden der Vergangenheit verantwortlich. Ich rede mich da nicht heraus.

(Beifall von der CDU)

Aber wir haben ganz andere Bedingungen gehabt. Wir haben in den Jahren 2000, 2001 und 2002 massive Probleme gehabt, weil uns die Steuereinnahmen weggebrochen sind. Diese Situation haben Sie glücklicherweise nicht. Deswegen habe ich gerade zum Finanzminister gesagt, dass er ein Glücksritter ist.

(Minister Armin Laschet: Glücksbringer! – Zuruf von der CDU: Glücksfall!)

Sie reiten auf Dingen herum, nämlich auf Steuermehreinnahmen, für die Sie überhaupt nicht verantwortlich sind, sondern Sie haben das Glück, dass sie gerade da sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Wie ich sehe, hat sich der Finanzminister noch einmal zu Wort gemeldet, obwohl er keine Redezeit mehr hat. Das heißt, die Redezeit der Fraktionen verlängert sich entsprechend der Redezeit des Ministers.

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sagel, da wir in den Jahren 2011 und 2012 ja vermutlich neue Schulden machen müssen, werden wir im Jahr 2015 für richtig viel verantwortlich sein. Aber der Finanzminister dieses Landes hat nie von 130 Milliarden € im Jahre 2010 gesprochen. Davon sprechen Sie immer, aber nicht der Finanzminister dieses Landes. Wir fahren jährlich die Nettoneuverschuldung systematisch herunter.

Ich möchte noch etwas zu den Ausführungen von Herrn Schartau sagen. Herr Kollege Schartau, Frau Brunn hat die Keynes’sche Philosophie folgendermaßen beschrieben: Sie hat im Anfang ihre gute Wirkung und sicherlich auch Erfolge zu verzeichnen gehabt, aber die Kritik – so hat Frau Brunn es in etwa gesagt – ist Ende der 70er-Jahre deutlicher geworden und sie ist heute deutlicher denn je, weil man offensichtlich nicht mit lebenden Politikern gerechnet hat, die in der Zeit, in der es gut geht, mit ihren Ausgabenbedürfnissen nicht hinter dem Berg halten – um es vornehm auszudrücken.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Das heißt, es wird fröhlich weitergemacht wie bisher.

(Martin Börschel [SPD]: Dann haben Sie Frau Brunn aber deutlich missverstanden!)

Herr Sagel, es stimmt, dass damals vier Kriterien zur Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beschlossen worden sind. Man kann nach wie vor durchaus eine Störung zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt konstatieren. Sie wissen aber auch, dass uns alle Verfassungsrechtler zu Recht ins Stammbuch geschrieben haben: Wenn ihr die Störungslage konstatiert, dann müsst ihr, wenn ihr mit den Schulden über die landeseigenen Investitionen geht, mit diesen Mehrschulden die Störungslage beseitigen.

Das ist weder im Haushalt des Bundes noch hier im Jahre 2004, als es zum letzten Mal gemacht wurde, irgendwie in die Nähe des Wahrscheinlichen gerückt worden, sondern es wurden alle Schulden gebraucht, um das ganz normale Geschäft abzuwickeln, weil man eben in diese schwierige Situation gekommen war.

Auch in der Diskussion um Maastricht-Kriterien spielt natürlich die Keynes’sche Philosophie, wenn Sie die Diskussion einmal zurückverfolgen, eine große Rolle. Man kann natürlich auf dem Standpunkt stehen, in schwierigen Zeiten bräuchte man mehr als 3 %. Man kann aber auch die Meinung vertreten, 3 % seien die größte Ausnahme für schwierige Zeiten. Ich bin näher bei der letzteren Auffassung als bei der anderen. Deshalb ist es gut, wenn man diese Initiative der beiden Fraktionen sehr ernst nimmt.

Bezüglich der Keynes’schen Philosophie sollten Sie auch einmal überlegen, welches Potenzial – die Sozialhaushalte außen vor gelassen – die öffentliche Nachfrage im Jahre 1967, also zu Plisch und Plums Zeiten, hatte. In diesem Bereich hat sich Wesentliches verändert. Insofern tut man Plisch und Plum kein Unrecht, wenn man sagt, es war in eurer Zeit sicherlich richtig, aber wir haben neue Erkenntnisse. Im Übrigen: Der wirklich Konservative marschiert an der Spitze des Fortschritts.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt noch eine Wortmeldung der Kollegin Brunn für die Fraktion der SPD, der ich das Wort erteile.

Herr Finanzminister, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich habe deutlich gesagt, dass man 1969 nicht nur diesen Artikel, sondern mehrere Artikel zu dem Stichwort Haushalt im Grundgesetz geändert hat, und zwar nicht wegen Keynes, wegen seiner postumen Besitzergreifung von Deutschland, sondern weil man

die Lehren aus der Weimarer Republik ziehen wollte. Das kann man auch nachlesen, wenn man sich den damaligen Diskurs zu Gemüte führt.

Man wollte dem Staat ein modernes und nicht ein rein buchhalterisches Instrumentarium an die Hand geben, das ihm flexible Reaktionen insbesondere im Falle eines gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts ermöglicht. Das hat auch wegen der geschlossenen Volkswirtschaften, die es damals gab, zunächst funktioniert.

Ich habe ferner gesagt, man muss heutzutage darüber nachdenken können, wie man dieses Instrumentarium angesichts geänderter Zeiten verändert. Das ist etwas anderes als die anstehende zweite Föderalismusreform, was die Landes- und Bundesfinanzen betrifft. Diese beiden Punkte, für die man zusammenhängende Lösungen anbieten muss, muss man auseinanderhalten.