Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Herr Minister Wittke, noch einmal.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Horstmann, ich nutze die Situation gerne, vor dem Hohen Hause zu sagen, dass wir mit dem Unsinn Schluss machen, den Sie eingeleitet haben. Unter Ihrer Verantwortung wurde in der letzten Verkehrsministerkonferenz, an der Sie teilgenommen haben, eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die zum Ziel hatte, eine Pkw-Maut zu erarbeiten und in Deutschland einzuführen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Ich habe dage- gen gestimmt!)

Mit diesem Unsinn ist mit dem heutigen Tage Schluss. Ich habe heute die Anweisung an mein Haus gegeben, dass sämtliche Arbeiten, die Sie eingeleitet haben, sofort beendet werden. Es wird keine weiteren Arbeiten an einer Pkw-Maut in Nordrhein-Westfalen unter meiner Verantwortung geben.

(Beifall von CDU und FDP)

Das war rot-grüne Politik der Vergangenheit. Das haben Sie in Ihrer Amtszeit in der letzten Verkehrsministerkonferenz im April vergangenen Jahres eingeleitet. Mit dem heutigen Tage ist das beendet. Herzlichen Dank, dass ich Gelegenheit hatte, das klarzustellen.

(Beifall von der CDU - Dr. Axel Horstmann meldet sich zu Wort.)

Kommen Sie bitte noch einmal nach vorne, Herr Dr. Horstmann.

Die Situation ist etwas ungewöhnlich. Mir liegt aber daran, Herr Minister Wittke, Ihnen zu sagen: Wenn Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade meines ehemaligen Hauses loben, dann wird es ganz einfach sein, auch mit den neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Ministerbüros festzustellen, dass Nordrhein-Westfalen, vertreten durch mich, gegen die entsprechende Beschlussfassung der Verkehrsministerkonferenz eingetreten ist, die übrigens auf Vorschlag Ihres Kollegen Mappus aus Baden-Württemberg zustande gekommen ist. Nordrhein-Westfalen hat dagegen gestimmt, um es ganz deutlich zu sagen.

(Christof Rasche [FDP]: Warum haben Sie dann die Federführung übernommen?)

In der Mehrheit waren die CDU- und CSU-geführten B-Länder in der Bundesrepublik Deutschland dafür. Nordrhein-Westfalen stand auf der Seite der Neinstimmen. Es ist relativ einfach, das herauszubekommen.

(Beifall von der SPD)

Okay. - Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? - Herr Minister, bitte.

Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Horstmann, da mir die Unterlagen zufälligerweise vorliegen und ich mich heute intensiv mit dem Thema beschäftigt habe, möchte ich Sie an dieser Stelle bitten, dem Hohen Hause nicht Sand in die Augen zu streuen.

Unter Ihrer Verantwortung ist im nordrheinwestfälischen Verkehrsministerium unter dessen Federführung eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, in der genau das, was ich gerade vorgetragen habe, erarbeitet worden ist. Es ist richtig, es hat einen Verkehrsministerkonferenz-Beschluss gegeben. Sie haben aber zugelassen, dass in Ihrem Hause dazu Unterlagen erstellt worden sind, dass dazu Ideenskizzen und Stellungnahmen produziert worden sind.

Wenn wir uns einig sind, dann freue ich mich, dass Sie eine Kurskorrektur vorgenommen haben, dass Sie heute eine andere Auffassung vertreten. Wir hatten diese Auffassung immer schon. Mit uns wird es heute und auch morgen keine Pkw-Maut geben. Schön das wir in dieser Frage einig sind. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn ich jetzt keine Wortmeldungen mehr feststelle, kommen wir an den Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/115 einschließlich des Entschließungsantrages Drucksache 14/156 an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie - federführend -, an den Ausschuss für Bauen und Verkehr sowie an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um Handzeichen. - Wer enthält

sich? - Wer ist dagegen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

5 Mieterschutz nicht ohne Not aufweichen! - Die von der neuen schwarz-gelben Landesregierung geplante Aufhebung der Kündigungssperrfristverordnung führt zur einschneidenden Verschlechterung des Mieterschutzes!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/120

Wir haben dazu einen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/157 vorliegen.

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Dr. Horstmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Landesregierung Unterstützung der SPD-Fraktion dort zusichern, wo es darum geht, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher in der Weise zu vertreten, wie Kollege Wittke es eben für die Autofahrer zugesagt hat.

In der Tat sind Mehrbelastungen nicht tragbar. Ich betrachte die Unterstellung - mit meinem Stimmverhalten hätte ich zu solchen Ideen beigetragen - nicht als empfindliche Störung dieser möglichen Zusammenarbeit. Ich weiß durchaus, dass man nicht jedes Ihrer Worte auf die Goldwaage legen darf, Herr Wittke.

Hier geht es auch um ein Thema des Verbraucherschutzes. Da fordere ich die Landesregierung auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Dieses Mal sind es die Mieterinnen und Mieter in Nordrhein-Westfalen, deren Besorgnisse, wie wir insbesondere aus den Ruhrgebietsstädten wissen, zurzeit beachtlich sind. Jeder spürt: Das Vermietungsgeschäft wandelt sich zum Immobilienhandel. Es sind noch nie so viele Wohnungen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland überhaupt über die "Ladentheke" gegangen, wenn ich das einmal so sagen darf, wie gerade in dieser Zeit.

Dies ist eine Entwicklung, die Mieterinnen und Mieter in Sorge versetzen kann. Ich habe dafür Verständnis. Immerhin ist es so, dass internationales Kapital, das auf den deutschen Immobilienmarkt fließt, eine Verwertung nicht nur im lang

fristigen Vermietungsgeschäft sucht, sondern auch den schnellen Euro durch den Handel mit Wohnungen sucht.

Ich finde es sehr interessant, dass die CDUFraktion und die FDP-Fraktion uns eine Beschlussvorlage vorlegen, in der von mehr Markt und weniger Bürokratie die Rede ist, aber nicht von den Sicherheitsinteressen der Mieterinnen und Mieter.

Herr Kollege Wittke, da muss ich Sie besonders in Anspruch nehmen, denn Sie sind der Bauminister dieses Landes. Ihre Aufgabe wäre es, den Interessen der Mieterinnen und Mieter in der Koalition in Düsseldorf eine Stimme zu geben. Das tun Sie bisher nicht. Dazu möchte ich Sie auffordern, Herr Kollege Wittke.

(Beifall von der SPD)

In diesem Antrag gibt es das Argument, das Mietrecht des Bundes reiche aus. Aber die Rechtslage auf der Bundesebene ermöglicht ebenso, wohl durchdacht in den einzelnen Ländern, für einzelne Mietwohnungsregionen abzuweichen, längere Sperrfristen im Falle der Wohnungsveräußerung zu verhängen. Wir haben davon nach einer sehr sorgfältigen Prüfung Gebrauch gemacht.

Im Übrigen war die Prüfung gerade in Gelsenkirchen, in der Stadt, in der Sie einmal Verantwortung getragen haben, besonders gründlich und hat sogar zu Nachbesserungen im Interesse von Gelsenkirchen geführt. Diese Verordnung ist erst im letzten Jahr erlassen worden.

Ich kann nicht erkennen, dass sich die Wohnungsmärkte seither verändert haben. Herr Wittke, auch durch den Wechsel einer Landesregierung ändern sich die Wohnungsmärkte nicht, und es ist durchaus nicht so gewesen, dass sich Land und Stadt zu einer Zeit, als SPD und Grüne die Landesregierung gestellt haben und Sie die Stadt Gelsenkirchen führten, uneinig darin gewesen wären, wie die Wohnungsmarktsituation zu beurteilen gewesen sei.

Ganz im Gegenteil: Es war sogar so, dass bei der Kündigungssperrfristverordnung, mit der dann 105 Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit einer längeren Sperrfrist von sechs bis acht Jahren versehen worden sind, Gelsenkirchen unter Ihrer Verantwortung dafür eingetreten ist, nicht sechs oder acht, sondern neun oder zehn Jahre Kündigungssperrfrist zu verhängen.

Mich interessiert also dieser Sinneswandel. Aber das ist es nicht allein. Mich interessiert vor allen Dingen: Wie gedenken Sie als Bauminister dieses Landes Ihren Auftrag, nämlich Ihre persönliche

Verantwortung für die Mieterinnen und Mieter im Lande wahrzunehmen? - Denn gerade Ihre Koalition hat den Mieterinnen und Mietern nichts zu bieten als die Abschaffung von Schutzbestimmungen. Ich erwähne nicht nur die Kündigungssperrfristverordnung, sondern auch das Umwandlungsverbot sowie Wohnungsverkäufe. Bei Ihnen ist aber von Mieterschutz an keiner Stelle die Rede.

Lassen Sie mich noch eines sagen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hatten wir in Deutschland diese bekannte Heuschreckendebatte. Worum es geht, kann man an dem Beispiel deutlich machen: Wenn es so ist - und es ist wohl so -, dass die Politik nicht in Nordrhein-Westfalen und auch nicht in Deutschland verhindern kann, dass Wohnungsbestände - auch ins Ausland - verkauft werden, dann ist es doch unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit - wenn ich es einmal so sagen darf - unter diesen Bedingungen für die Interessen der Mieterinnen und Mieter gerade in einem Land einzutreten, das eine lange Tradition in sozialer Verantwortung hat. Das ist Nordrhein-Westfalen. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Dr. Horstmann. - Bernd Schulte von der CDU-Fraktion ist der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Kündigungssperrfristverordnung spielt nicht erst eine Rolle, seit in Nordrhein-Westfalen Großverkäufe von Mietwohnungen diskutiert werden. Es ist schon länger im Gespräch. Ich hatte das Vergnügen, am 20. Mai - zwei Tage vor der Landtagswahl - am Mieterforum Ruhr in Dortmund teilzunehmen, und ich habe mit dem damaligen Bauminister über die Grundzüge der künftigen Baupolitik in diesem Lande diskutiert.

Ich habe vor der Versammlung des Mieterforums Ruhr am 20. Mai deutlich gesagt: Wenn CDU und FDP in diesem Hause eine Mehrheit bekommen, wird das abgeschafft, was über den Standard des von Rot-Grün in Berlin hinausgehenden Mietrechts geschaffen worden ist. - Das bedeutet: Reduzierung der Fristen der Kündigungssperrfristverordnung auf drei Jahre, wie das in anderen Bundesländern und bundesweit aufgrund rotgrüner Gesetzgebung in Berlin auch der Fall ist.

Wir haben dann gehandelt. Ich habe mich im Juni in diesem Hause erneut mit dem Vertreter des Mieterforums Ruhr getroffen und im Prinzip Vollzug gemeldet. Wir haben vor der Wahl nichts an

deres gesagt als das, was wir nach der Wahl machen. Wir haben für die Aussagen vor der Wahl ein Votum bekommen. Die Wählerinnen und Wähler haben uns vertraut, und auf der Grundlage dieses Vertrauens gehen wir daran, das Wohnungsmarktrecht in Nordrhein-Westfalen zu vereinfachen, zu entschlacken, von unnötigem bürokratischen Ballast zu befreien, um wieder Voraussetzungen für Investitionen in diesem Lande zu schaffen.

Sie haben sich dadurch ausgezeichnet, meine Damen und Herren von der ehemaligen rotgrünen Koalition, das Land Nordrhein-Westfalen mit einem dichten Netz an Regelungspolitik zu überziehen. Dementsprechend haben Sie 105 von 396 Kommunen im Lande zu Gebieten erklärt, in denen die Wohnungsmärkte nicht ausgeglichen seien und in denen es nötig sei, einen über das gesetzliche Maß hinausgehenden Schutz einzuführen.

Im krassen Gegensatz dazu stehen Marktbeobachtungsberichte der Wohnungsbauförderungsanstalt - Wfa -, Marktbeobachtungsberichte des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsplanung, in denen davon die Rede ist, dass wir landauf, landab - von Ausnahmen abgesehen - ausgeglichene Märkte und Teilmärkte hätten, auf denen die Schaffung eines besonderen gesetzlichen Standards nicht notwendig sei. Das ignorieren Sie. Wir haben die feste Absicht, diese Regelungspolitik abzuschaffen und durch eine Ordnungspolitik zu ersetzen, die darauf abzielt, die Märkte sehr genau zu beobachten und da tätig zu werden, wo es objektiv notwendig ist.

Sollte sich im Großraum Köln/Bonn/Düsseldorf herausstellen, dass über die drei Jahre bundesgesetzlicher Standard hinaus Handlungsbedarf besteht, so werden wir das sehr sorgfältig prüfen und gesetzgeberisch tätig werden. Aber zur Regelung von örtlich begrenzten Engpässen sind wir nicht bereit, das ganze Land in seiner ganzen Unterschiedlichkeit mit einem Regelungswerk zu überziehen.

Wir haben an vielen Stellen erlebt, meine Damen und Herren, dass die ehemalige rot-grüne Koalition bundes- oder europarechtliche Bestimmungen nicht im Verhältnis 1:1, sondern im Verhältnis 1:2, 1:3 umsetzte. Das haben Sie hier auch getan. Dies hat dazu geführt, dass Nordrhein-Westfalen in vielfacher Hinsicht eine Insel der Isolation geworden ist, die gegenüber anderen Bundesländern und gegenüber europäischen Nachbarn konkurrenz- und wettbewerbsunfähig ist. Wir führen es auf 1:1 zurück und werden dann sehen, wo im Einzelfall abweichendes Handeln erforderlich ist.

Wir werden deshalb jetzt das tun, was wir vor der Wahl angekündigt haben, und Schritt für Schritt vorgehen, um wieder ein handhabbares Wohnungsmarkt- und Mietrecht in diesem Lande zu schaffen, wo unsere Entscheidungsbefugnis begründet ist. - Vielen Dank.