Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Wir werden deshalb jetzt das tun, was wir vor der Wahl angekündigt haben, und Schritt für Schritt vorgehen, um wieder ein handhabbares Wohnungsmarkt- und Mietrecht in diesem Lande zu schaffen, wo unsere Entscheidungsbefugnis begründet ist. - Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Schulte. - Herr Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich erstaunt, was mein Vorredner eben zur Kündigungssperrfristverordnung ausgeführt hat. Er sah das Land NordrheinWestfalen in seinem jetzigen Stadium isoliert. Ich werde Ihnen im weiteren Verlauf meiner Rede nachweisen, dass das nicht der Fall ist.

Zunächst einmal möchte ich darauf abheben, dass wir es hier nicht mit einem willkürlichen Instrument zu tun haben, sondern dass sich der Minister, der dafür zuständig war und das in der vorherigen Landesregierung in der letzten Wahlperiode zu verantworten hatte, Herr Vesper, sehr viel Mühe gegeben hat. Er hat ein Institut aus Berlin eingeschaltet, das sehr renommiert ist und im Übrigen die Kündigungssperrfristverordnung in anderen Ländern mit vorbereitet hat.

Dieses Institut hat die entsprechenden Kennziffern ausgearbeitet und die Kündigungssperrfristverordnung im Einklang und im Einvernehmen mit den Kommunen erlassen. Herr Horstmann hat eben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass unter anderem Gelsenkirchen, also die Stadt des heutigen zuständigen Fachministers, damals ganz offensichtlich auf ihre Fachleute gehört hat. Der gleiche Oberbürgermeister, der damals noch auf Fachleute gehört hat, setzt sich heute als Minister über die Fachleute seines Hauses hinweg und möchte die Kündigungssperrfristverordnung aushebeln. Meine Damen und Herren, das kann ich nicht nachvollziehen. Das ist keine sachgerechte Mieterschutzpolitik, sondern das ist das pure Gegenteil.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir uns die Verordnung und ihr Zustandekommen ansehen, dann werden wir feststellen, dass es eben keine Verordnung ist, die irgendwie aufgepfropft war, sondern dass diese an Notwendigkeiten entlang zustande gekommen ist. Warum könnten Sie sich ansonsten vorstellen, dass viele Mieterinnen und Mieter sehr beunruhigt sind, dass die Kündigungssperrfristverordnung jetzt wegfal

len soll und das gekoppelt wird mit dem anvisierten Verkauf der LEG-Wohnungen, und zwar zur gleichen Zeit, in der die Viterra-Wohnungen und weitere Wohnungen privatisiert werden, in der wir also in Nordrhein-Westfalen eine Privatisierungswelle ungeahnten Ausmaßes haben? Der Mieterbund und andere Institutionen sind sehr beunruhigt und sehen in der Kombination völliger Wegfall Fehlbelegungsabgabe, Wegfall der Kündigungssperrfristverordnung und der Veränderungen, die Sie bei der LEG vornehmen wollen, auf die Mieterinnen und Mieter eine sehr große Gefahr zukommen.

Wenn Sie in Ihrem Entschließungsantrag von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt sprechen, dann geht das völlig fehl. Sie sprechen von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt in der Breite. Das ist wie mit der Durchschnittstemperatur. Wenn Sie die Füße in den Kühlschrank und den Kopf in den Herd legen, dann haben Sie am Hintern eine gute Durchschnittstemperatur. Das ist aber dann noch kein ausgeglichener Wohnungsmarkt, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte Ihnen ein wenig den Blick über Gelsenkirchen und NRW hinaus weiten. Ich zitiere:

„Durch die verlängerte Kündigungssperrfrist werden in diesen Orten, wo die Kündigungssperrfrist gilt, vor allem ältere langjährige Mieter vor dem Verlust ihrer Wohnung geschützt. Der Eigentumsbildung steht die verlängerte Sperrfrist nicht entgegen.“

Das ist ein Zitat nicht von Michael Vesper oder von Herrn Horstmann, sondern von Dr. Alois Riehl, CDU-Wirtschaftsminister in Hessen. Der Eigentumsbildung steht die verlängerte Sperrfrist nicht entgegen. Das gilt in Hessen mit einer zehnjährigen Kündigungssperrfrist. In Hamburg gibt es unter einer CDU-Regierung ebenfalls eine zehnjährige Kündigungssperrfrist bis 2014. Der Eigentumsbildung steht auch dort die verlängerte Sperrfrist nicht entgegen. Auch in Baden-Württemberg gibt es laut Kündigungssperrfristverordnung den zehnjährigen Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter. Auch dort steht der Eigentumsbildung eine Kündigungssperrfrist nicht entgegen. Ausführungen über Berlin erspare ich mir und Ihnen, denn dort wird Ihnen die Farbenlehre nicht gefallen.

Ich möchte Ihnen nun ein Zitat aus Bayern entgegenhalten. Bayerische Staatsregierung, Bericht zur sozialen Lage in Bayern:

„Um die Wohnraumkündigungen bei Umwandlungen von bisher preisgünstigen Miet- in Eigentumswohnungen sozial abzufedern, hat die Staatsregierung das Gesetz über die Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnraumversorgung unterstützt. Das - so der Sozialbericht in Bayern weiter - kommt vor allem den sozial schwächsten Mieterinnen und Mietern zugute.“

Bayern hat in mehr als 100 Städten eine solche Klausel eingeführt, also in etwa genauso vielen Städten, wie Nordrhein-Westfalen das in der letzten Wahlperiode gemacht hat.

Meine Damen und Herren, ich persönlich glaube, dass das, was Sie hier tun, Ideologie ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die gesamte Südschiene bleibt bei Kündigungssperrfristverordnungen, und zwar bei Wohnungen, die in bedeutend weniger verdichteten Wohngebieten liegen, als sie Nordrhein-Westfalen hat, die mit bedeutend weniger Problemen und die nicht mit dieser durch das Land rasenden Privatisierungswelle vor dem Hintergrund der günstigen Zinsen zu tun haben, wie das hier gegeben ist und wie Sie das durch den Verkauf der LEG noch verschärfen wollen. Wenn Sie das sehen und die Kündigungssperrfristverordnung dann, wie mein Vorredner von der CDU, als ein ideologisches Instrument, als eine Regelungswut darstellen und geißeln, dann richtet sich das letztlich gegen Sie selber. Doch das ist noch harmlos. Es richtet sich aber auch gegen die Mieterinnen und Mieter.

Ich kann Sie nur auffordern, dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPD zu folgen. Wir von den Grünen werden dafür sorgen, dass an den Standorten, wo weiter verkauft wird, wo die Menschen davon betroffen sind, wenn die Kündigungssperrfristverordnung wegfällt, ein Bewusstsein darüber entsteht, was Sie ihnen zumuten. - Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Becker. - Von der FDP spricht nun Herr Rasche.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Jetzt kommen die geistigen Urheber! - Christof Rasche [FDP]: Herr Dr. Horstmann, schön, dass Sie noch da sind!)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die neue Koalition aus FDP und CDU hat sich das Ziel gesetzt,

Nordrhein-Westfalen von Überregulierung und unnötiger Bürokratie zu befreien. Anstatt das Land, Herr Dr. Horstmann, mit Gesetzen, Verordnungen und Erlassen zu überziehen, so wie dies Rot-Grün zum Schaden der Bürger und der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen getan hat, wollen wir den Freiheitsraum der Menschen ausweiten sowie unternehmerische Kreativität und wirtschaftliche Initiativen wieder frei zur Entfaltung kommen lassen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist richtig peinlich!)

- Für Sie ist das peinlich, meine Damen und Herren, was hier passiert ist. Das ist richtig. - Der Staat muss nicht alles an sich ziehen. Das ist die Staatsgläubigkeit, Dr. Horstmann, die bei Ihnen zu Hause ist. Der Staat muss auch nicht jeden Lebensbereich im Detail regeln. Wir sind vielmehr davon überzeugt, dass Markt und Wettbewerb sowie die Gesetze von Angebot und Nachfrage weitaus bessere Ergebnisse hervorbringen als bürokratische Überregulierung des Staates.

Dies gilt nach Ansicht der Koalitionspartner ausdrücklich auch für den Wohnungsmarkt. Deshalb haben wir unter anderem vereinbart, die Kündigungssperrfristverordnung aufzuheben und die Kündigungssperrfrist bei Veräußerung von Bestandsimmobilien beziehungsweise bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen den bundesweit einheitlichen Regelungen anzupassen.

Herr Becker, ich gebe Ihnen Recht: Einige andere Bundesländer machen das anders. Aber das nimmt uns doch nicht die Freiheit, nach Vernunft und Markt in Nordrhein-Westfalen zu handeln und das entsprechend zu regeln.

(Beifall von der FDP)

Wenn Herr Schulte sagt, wir haben vor der Wahl den Wählerinnen und Wählern mitgeteilt, wie wir nach der Wahl vorgehen, dann können Sie uns doch nicht vorhalten, wir dürften nicht das machen, was wir vorher gesagt hätten, wir müssten uns nach anderen Bundesländern richten. Das ist doch Quatsch. Das haben Sie früher doch auch nicht gemacht.

Meine Damen und Herren, diese Vorgehensweise ist eine ganz konkrete Maßnahme zum Abbau von Bürokratie auf dem Wohnungsmarkt und eine konkrete Maßnahme - das ist mindestens genauso wichtig - zur Beseitigung von bestehenden Hemmnissen für Investitionen in den Wohnungsbau.

Meine Damen und Herren, die Koalition packt das Thema „Bürokratieabbau“ an. Die SPD, Herr Dr. Horstmann, hat darüber geredet und beschwört jetzt mit diesem Antrag das Ende des Abendlandes.

(Zuruf von der SPD)

Es wird so getan, als ob die Landesregierung die Mieter in Nordrhein-Westfalen völlig entrechten und schutzlos irgendeiner internationalen Immobilienmafia ausliefern wollte. Das ist doch reine populistische Stimmungsmache, Herr Dr. Horstmann. Das wissen Sie. Die Bundestagswahl ist in zwei Wochen. Jetzt wollen Sie noch einmal eine Klientel bedienen, von der Sie sich noch einige Stimmen mehr erhoffen.

(Lachen von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Auf der anderen Seite ist das, was Sie machen, eine ganz bewusste Verunsicherung der Mieter. Das beweist auch, dass die Mieter Sie am Ende gar nicht interessieren. Wahlkampf ist Ihr Thema.

(Zuruf von der SPD: Unverschämt! - Weitere Zurufe von der SPD)

Deshalb Folgendes zur Klarstellung: Auch nach der Abschaffung der Kündigungssperrfristverordnung genießen die Mieter ausreichenden Schutz durch die bundesweit geltende dreijährige Kündigungssperrfrist im BGB. Hinzu kommt, dass danach noch die mietrechtlichen Kündigungsfristen zu beachten sind, wonach Fristen bis zu neun beziehungsweise bis zu zwölf Monate einzuhalten sind. Mit diesem faktischen Kündigungsschutz von bis zu vier Jahren wird den Mieterinteressen ausreichend Rechnung getragen.

Zudem - das muss man auch beachten - wird über die Hälfte der umgewandelten Mietwohnungen ohnehin an die dort lebenden Mieter veräußert. Auch für sie braucht man keinen Kündigungsschutz mehr.

(Zurufe von der SPD)

Eine landesrechtliche Ausweitung des bundesgesetzlichen Rahmens, meine Damen und Herren, ist sachlich nicht begründet. In der Mehrzahl der 105 Kommunen, denen eine sechs- oder achtjährige Kündigungsfrist verordnet wurde, sind Wohnungsengpässe oder soziale Veränderungsprozesse weder aktuell vorhanden noch in Zukunft zu erwarten. Stattdessen gibt es doch sogar in vielen Städten Leerstandsquoten bis zu 10 %. Auch das ist ein Fakt, den wir beachten müssen.

Von einer - das ist mir sehr wichtig - besonderen Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit

Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen - so die bundesrechtliche Voraussetzung für den Erlass landeseigener Ausnahmen - kann deshalb überhaupt keine Rede sein. Wir haben eigentlich überhaupt keine Möglichkeit, eine solche Satzung in Nordrhein-Westfalen zu erlassen, wie Sie es in der Vergangenheit getan haben.

Die wenigen Fälle - da gebe ich Herrn Schulte Recht -, in denen es aufgrund knapper Bauflächenangebote zu Wohnungsengpässen kommt, rechtfertigen keine nahezu flächendeckende Anwendung der Kündigungssperrfristverordnung. Wenn es irgendwo in Teilen von NordrheinWestfalen zu Problemen kommt, müssen wir darüber reden. Wir werden dann gemeinsam überlegen, wie wir die Probleme beseitigen.

Die verlängerten Kündigungssperrfristen wie bisher führen vielmehr dazu, dass Investoren verschreckt werden

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

und die gerade in Nordrhein-Westfalen notwendige Bildung von privatem Wohneigentum behindert wird. Eine Verschlechterung der Bausubstanz bis hin zur Verwahrlosung in den jeweiligen Stadtteilen ist die Folge. Das sehen wir in vielen Stadtteilen der Großstädte. Dagegen müssen wir doch angehen. Da hilft auch kein „Weiter so!“, wie Sie das bisher gemacht haben.

Meine Damen und Herren, der SPD ist es schon in der Regierungsverantwortung nicht gelungen, den Bürokratieabbau in Nordrhein-Westfalen voranzubringen. In der Opposition wird es ihr nicht gelingen, die neue Regierung von ihrem Kurs der Deregulierung und der marktwirtschaftlichen Erneuerung Nordrhein-Westfalens abzubringen.

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])