Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Sie setzen sich nicht mit diesem Problem auseinander. Ihre Kolleginnen und Kollegen in Hamburg haben hingegen das getan. Alle Welt ist bereit, über Strukturen zu diskutieren. Das Fatale ist, dass Sie Strukturen ändern, aber gar nicht darüber reden wollen – und zwar Strukturen, die die Selektivität des Bildungssystems verschärfen. Deswegen ist Ihr Weg eine Sackgasse.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das wird noch stärker deutlich werden, wenn die von Ihnen eingesetzten Mechanismen, die in diesem System gar nicht sinnvoll wirken können, ihre fatale Wirkung entfalten werden. Wir werden das kritisch begleiten. Dann nutzen Ihnen auch solche Showanträge wie der heute vorgelegte nichts. Damit können Sie niemanden ablenken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Frau Löhrmann, Ihre Redezeit ist zu Ende. Es gibt aber noch eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Beer. Wollen Sie sie noch zulassen?

Ich kann sie natürlich zulassen.

(Zuruf von der FDP)

Ich brauche sie aber auch nicht unbedingt zuzulassen.

(Erneuter Zuruf von der FDP)

Diese Frage ist schon lange angemeldet.

Frau Löhrmann, ich möchte Sie gerne auf die Ausführungen von Herrn Recker zur Hauptschuloffensive ansprechen. Ist Ihnen bekannt, dass die Auswirkungen der Hauptschuloffensive im Augenblick vor allen Dingen dahin gehen, dass die Standorte mit Halbtagsbetrieb im Prinzip kaputt sind und dass viele Ganztagshauptschulen in Gefahr stehen, überhaupt keinen 10-B-Abschluss mehr anbieten zu können?

Mir ist bekannt, dass die Maßnahmen, die die Landesregierung zur Stärkung der Hauptschule versucht – die vom Gedanken her an sich durchaus unterstützenswert sind –, nicht greifen werden, weil sie in einem Muster hängen bleiben, das nicht weiterführen wird.

Im Übrigen hat es auch in der Vergangenheit – auch von Frau Schäfer – schon Unterstützungsversuche zur Stärkung der Hauptschule gegeben.

(Bernhard Recker [CDU]: Wo denn?)

Auch das hat nicht geholfen.

In Hamburg hat man nun erkannt, dass das alles nicht hilft, weil diese Schulform von den Eltern und von den Jugendlichen nicht mehr als zukunftsweisend empfunden wird.

(Bernhard Recker [CDU]: Weil Sie sie kaputt- reden!)

Deswegen sollten Sie sich etwas umfassender mit den Initiativen und den Diskussionen in anderen Bundesländern auseinandersetzen, lieber Herr Recker. Das sollten Sie im Interesse der Kinder und der schulischen Weiterentwicklung tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Löhrmann. – Die nächste Rednerin ist für die Landesregierung Frau Ministerin Sommer. Bitte.

(Zuruf von der SPD: Sie hat doch schon ge- redet!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Große Brömer, damit nicht irgendwann einmal in einem meiner Zeugnisse „Barbara könnte fleißiger sein“ steht – Sie haben ja eben gesagt: müssen Sie aufgefordert werden, intensiver zu arbeiten? –, möchte ich – auch im Interesse der angemessenen Gewichtung des vorliegenden Antrags – das von Ihnen ange

führte Zitat noch einmal ganz vortragen und Ihre Erinnerungslücke ausfüllen.

In diesem Antrag heißt es nämlich tatsächlich:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, an der Umsetzung der gemeinsamen Erklärung der Kultusminister und der Lehrerverbände/-gewerkschaften intensiv zu arbeiten und somit den Anteil der im Bildungssystem Scheiternden ohne Abstriche bei den Anforderungen deutlich zu senken.“

Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Ministerin, jetzt gibt es noch eine Zwischenfrage. Wollen Sie sie noch beantworten? – Nein. Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratung zu diesem Punkt.

Ich komme zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/4245 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen. –Tagesordnungspunkt 2 ist somit erledigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

3 Langzeitarbeitslosigkeit und Niedriglohnsektor in NRW: Möglichkeiten eines sozialen Arbeitsmarktes nutzen – Modell eines „Bonus für Arbeit“ erproben

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4250

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Schmeltzer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Konjunktur läuft wie geschmiert. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Wir alle konnten uns in dieser Woche durch die frisch veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur hiervon überzeugen.

Dies ist unter anderem ein Ergebnis der guten Reform, wie auch Arbeitsminister Laumann in einer seiner jüngsten Pressemitteilungen bestätigt hat.

(Beifall von der SPD)

Ungeachtet der zufriedenstellenden Situation und der guten Perspektiven kommen wir aber – besonders in Nordrhein-Westfalen – an einer Problemgruppe der Arbeitslosen nicht vorbei, nämlich den Langzeitarbeitslosen. In Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Zahl der Arbeitslosen mit aktuell 48,1 % weit über dem Bundesdurchschnitt von 41,9 %.

Das darf uns, das darf die Politik nicht ruhen lassen. Wir müssen gerade für diesen Personenkreis neue, wirksame Instrumente entwickeln, die diesen Menschen wieder eine Perspektive geben – wirtschaftlich und sozial. Wenn ich „uns“ sage, unterstelle ich, dass alle diesem Haus angehörigen Fraktionen das gleiche Bedürfnis haben und entsprechend handeln wollen.

Insbesondere die Langzeitarbeitslosen, die verschiedene Vermittlungshemmnisse vereinen, benötigen unsere besondere Aufmerksamkeit, sei es aufgrund gesundheitlicher oder persönlicher Problemlagen oder sei es, weil sie in der Wahrnehmung Dritter zu alt seien. Meistens werden sie unter den gegebenen Bedingungen keinen Arbeitsplatz, jedenfalls keinen Arbeitsplatz am allgemeinen Arbeitsmarkt erhalten.

Unser Ziel bleibt: Alle Arbeitslosen sollen einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden. Aber wir dürfen uns nicht der Realität verschließen. Nach Studien haben 400.000 bis 500.000 Menschen keine realistische Chance auf Integration in den regulären Arbeitsmarkt. Für Nordrhein-Westfalen beläuft sich die Zahl dieser Personengruppe auf 100.000 bis 125.000. Es ist heute nicht der Zeitpunkt, der Landesregierung Versäumnisse aufzuzeigen, nicht der Zeitpunkt, die falsche Entscheidung bezüglich der Rücknahme der Mittel für Arbeitslosenzentren anzusprechen. Für diese Entscheidung ist die Landesregierung alleine verantwortlich, und sie wird letztendlich entsprechende Bremsspuren bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit hinterlassen.

Begrüßenswert ist aber gerade für die Personengruppe der Langzeitarbeitslosen mit besonderen Vermittlungshemmnissen, dass der Bund mit der Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes Mittel in die Hand nehmen wird, um gerade diesen Menschen wieder eine Perspektive zu geben.

(Beifall von der SPD – Minister Karl-Josef Laumann: Mein Kombimodell!)

Eine solche neue Perspektive wird insbesondere eine höhere soziale Akzeptanz und eine deutliche Steigerung des Selbstwertgefühls zur Folge haben. Außerdem entfällt das Bangen um die Aufzehrung der Vermögenswerte nach dem Sozialgesetzbuch II. Der soziale Arbeitsmarkt wird den Menschen wieder neuen Lebens- und Arbeitsmut geben. Ein sozialer Arbeitsmarkt kann diese Möglichkeiten schaffen. Es kann uns durch neue und erweiterte Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere im öffentlichen Raum, eine beruflichsoziale Eingliederung gelingen. Befristungen, wie wir sie bei verschiedenen Maßnahmen vorfinden, sind da kontraproduktiv. Eine Förderung muss bis zur dauerhaften Unterstützung möglich sein.

Dies kann aber alles nur dann funktionieren, wenn Land und Kommunen die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Das Land muss sich zum Beispiel dort an der Finanzierung zur Einrichtung von entsprechenden Arbeitsplätzen beteiligen, wo die Bundesagentur keinen finanziellen Spielraum mehr hat. Eine Kombination aus Mitteln des Bundes aus dem SGB II, Landesmitteln und kommunalen Zuschüssen bietet die Grundlage einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Dies alles, ergänzt durch selbst erwirtschaftete Eigeneinnahmen der Träger bzw. der privaten Arbeitgeber dieser Personengruppe, kann unter dem Strich sogar zu Entlastungen bei Kommunen und Arbeitsagentur führen.

Um ein solches Modell zum Erfolg werden zu lassen, ist es unabdingbar, dass die infrage kommenden Tätigkeitsfelder vor Ort entwickelt werden. Die regionalen Konsensrunden, an denen auch die privaten Unternehmen und Arbeitgebervertreter beteiligt sind, bieten sich hier geradezu an. Die kommunale Kompetenz, die vor Ort befindliche Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt, die Erfahrung der Akteure gepaart mit den aufgezeigten Finanzierungsmöglichkeiten ermöglichen einen sozialen Arbeitsmarkt, ohne private Unternehmen vom Markt zu verdrängen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ein immer wieder auftretendes Übel muss hierbei von vornherein ausgeschlossen werden, nämlich Leistungsmissbrauch und Mitnahmeeffekte. Dadurch, dass wir in unserem Antrag eine bestimmte Personengruppe ansprechen, ist zumindest schon einmal eine Begrenzung vorgegeben. Die Konsensrunde kann und muss durch ihre Definitionen und Vorgaben die Möglichkeiten der Beschäftigung klar festlegen. Durch regelmäßige Überprüfungen muss die notwendige Förderung ständig überprüft

werden, um die entsprechenden Mitnahmeeffekte rechtzeitig auszuschließen und den Eintritt in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass wir alle hier im Haus nicht sehr weit auseinander sind – Entschuldigung, wahrscheinlich gilt das nicht für die FDP, die kein Interesse an dieser Personengruppe hat. Ein soziales Feigenblatt bleibt eben immer nur ein solches soziales Feigenblatt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, über den Niedriglohnbereich ist in den letzten Tagen, Wochen und Monaten zu Recht viel geschrieben und geredet worden. Neue Beschäftigungsfelder müssen entwickelt werden, damit die Menschen auch mit niedrigeren Einkommen einen Anreiz zum Arbeiten haben, die ihnen ein Einkommen für ein menschengerechtes und ein lebenswertes Leben erlauben.