Schaut man sich aber einmal an, wie das Ganze in der Praxis funktioniert, stellt man fest: Die derzeitige Regelung führt in der Tat dazu, dass sowohl für ein finanzschwaches Bundesland als auch für ein sogenanntes Geberland wenig Anreize bestehen, höhere Steuereinnahmen zu erzielen.
Genau darum geht es aber eigentlich. Wir brauchen endlich wieder höhere Steuereinnahmen. Wir brauchen endlich eine Spitzensteuer, die ihren Namen verdient. Wir brauchen eine Millionärsteuer.
Deshalb brauchen wir eine vernünftige Finanzreform in Deutschland. Dafür sind CDU und FDP aber nicht zu gewinnen. Im Gegenteil! Die FDP schreit immer noch nach Steuersenkungen. Das ist der völlig falsche Weg.
Wenn einem finanzschwachen Nehmerland mehr Finanzmittel zur Verfügung ständen, um Steuerfahndung und Betriebsprüfung zu intensivieren, würden für die erzielten Steuermehreinnahmen die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich im fast gleichen Umfang gekürzt werden.
Dieses Thema müsste tatsächlich einmal bei der Länderfinanzreform eingebracht werden. In Nordrhein-Westfalen gehen wir jetzt ja ein Stückchen auf dem Weg und stellen hier endlich mehr Steuerprüferinnen und Steuerprüfer ein.
Ähnlich erginge es einem finanzstarken Geberland, das seine entsprechenden Mehreinnahmen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs fast vollständig abführen müsste.
Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass in den finanzstärkeren Bundesländern die mögliche Steuerquote bewusst nicht ausgeschöpft wird, um den ansässigen Unternehmen zusätzliche Standortvorteile zu verschaffen. So sparen die Unternehmen Steuern und die Bundesländer Personalausgaben.
Leidtragende dieses Systems – das vor allem das System von CDU und FDP ist; Sie haben es in den letzten Jahren auch hier in Nordrhein-Westfalen praktiziert – sind große Teile der Bevölkerung, die auf solide finanzierte Leistungen der öffentlichen Hand angewiesen sind. Diese Menschen brauchen eine öffentliche Daseinsvorsorge, für die Sie nicht zur Verfügung stehen.
Die Linke hat deshalb zur Föderalismusreform den Vorschlag unterbreitet, zunächst die falsche Anreizstruktur des Länderfinanzausgleichs hinsichtlich der Personalausstattung zu entschärfen. Diese sieht vor, dass die Kosten für die Aufstockung des Personals in den Landesfinanzverwaltungen auf das Niveau der bereits ermittelten Personalbedarfsplanung im Rechenwerk des Länderfinanzausgleichs so zu berücksichtigen sind, dass Länder mit planmäßiger Personalausstattung für ihr Bemühen um Mehreinnahmen und eine wirksame Durchsetzung der Steuergesetze nicht benachteiligt werden. Das ist aber immer noch Realität.
Um den unsinnigen Steuerwettlauf nach unten dauerhaft zu stoppen, hält Die Linke perspektivisch eine Übernahme der 16 Länderfinanzverwaltungen durch den Bund für geboten. In dieser Forderung sieht sich die Fraktion nicht zuletzt durch ein Positionspapier des Bundesfinanzministeriums gestärkt.
Wenn man einmal in diese Richtung vorangehen würde, hätte man auch eine Perspektive für eine soziale Daseinsvorsorge und könnte tatsächlich gleiche Lebensbedingungen in Deutschland schaffen.
Mit CDU und FDP ist das aber nicht zu machen. Sie blockieren eine vernünftige Finanzpolitik in Deutschland, in den Ländern und natürlich auch in den Kommunen. Gerade die Kommunen in NordrheinWestfalen und die Menschen, die in diesen Städten und Gemeinden leben, sind diejenigen, die unter Ihrer Politik zu leiden haben. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. -– Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über den Länderfinanzausgleich macht einmal mehr deutlich: Dort, wo CDU und FDP fürchten, von
reißen Sie Gräben auf, verlassen Sie jeden Weg von Solidarität und scheuen Sie sich auch nicht, den Stammtisch zu bedienen – nach dem Motto: Es muss ja nicht stimmen, was ich sage; es muss sich nur so anhören, als ob es stimmen könnte.
Das gilt im Übrigen für CDU und FDP nicht nur in Ländern, in denen Sie Angst haben, in die Wüste geschickt zu werden. Das gilt auch in Ländern, in denen Sie immer noch nicht verwunden haben, dass Sie in die Wüste geschickt worden sind.
Der Länderfinanzausgleich ist ein Thema, das vor allem von Bayern nach vorne getrieben wird. Man kann ziemlich genau sagen, seit wann: seit Mitte der 90er-Jahre. Die Antwort, warum das so ist, kann ich Ihnen auch geben: weil Bayern seit Mitte der 90erJahre Geberland ist und vorher 36 Jahre lang Nehmerland war.
Über lange Phasen in diesen 36 Jahren haben – das muss man deutlich sagen – Kohle und Stahl von der Ruhr nicht nur physisch das Land im Süden aufgebaut, sondern auch mit dem Geld, das hier verdient wurde.
Dass sich die Ministerpräsidenten Mappus und Bouffier sowie ihr bayerischer Kollege Seehofer jetzt zusammenschließen, ist kein Wunder; denn sie glauben, dass sie den „Aufreger“ gefunden haben, der an ihren heimischen Stammtischen für die richtige Wallung sorgt
und es ihnen ermöglicht, dass sie – auch wenn es gegen die anderen gerichtet ist; auch wenn sie die anderen schlechtreden – daraus Profite ziehen.
Herr Weisbrich, besonders schlimm finde ich, dass Sie sich hier – ich weiß nicht, warum – zum Erfüllungsgehilfen dieser Art des Vorgehens machen
und zwar zur Steuerkraft von Nordrhein-Westfalen in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb. Diese Steuerkraft ist im Übrigen für den Länderfinanzausgleich ausschlaggebend. Auch wenn weder Herr Mappus noch Herr Bouffier noch Herr Seehofer noch Herr Weisbrich es bis jetzt verstanden haben, geht es nicht darum, welche Ausgaben die Länder tätigen. Schon gar nicht geht es darum, welche Qualität diese Ausgaben haben; dazu sage ich gleich noch etwas. Vielmehr geht es um die Einnahmekraft der Länder.
Im Jahr 2005 war diese Einnahmekraft von Nordrhein-Westfalen 2,31 % besser als der Bundesdurchschnitt und lag bei 102,31 %. Im Jahr 2006 lag sie bei 100,62 %, im Jahr 2007 bei 100,16 %,
Jetzt ist sie bei 98,5 % angekommen. Fünf Jahre lang – mit einem kleinen Schlenker –, in denen es ständig bergab ging! Das alles ist natürlich Selbstverstümmelung von Rot-Grün mit Entscheidungen, die jetzt erst anstehen und in den nächsten Jahren kostenwirksam werden.
Sie lassen nicht nur Solidarität vermissen nach dem Motto: „Solange ich etwas bekomme, ist das in Ordnung, wenn ich zahlen muss, muss ich das auf den Prüfstand stellen.“, sondern sie haben auch eine ganz interessante Vorstellung von Solidarität.
Es heißt dort nämlich: Sinnvoll und zukunftsweisend ist ein Ausgleichssystem nur dann, wenn es Anreize dafür setzt, dass mehr Empfängerländer aus ihrer Rolle herauskommen und finanziell unabhängiger von den Leistungen anderer Länder werden.
Das ist zwar ein wichtiger Teil, aber wer sich die Wirtschaftsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland anschaut, weiß genau: Es gibt Länder und Regionen in Deutschland – Nordrhein-Westfalen gehört übrigens nicht dazu! –, die auf Dauer von dieser Solidarität leben müssen, weil sie die Chancen, die etwa München hat und die München aufbauen konnte, nicht haben. Zu sagen: Wenn ich nicht erkennen kann, dass die in nächster Zeit nichts mehr von mir brauchen, dann bekommen die von mir auch nichts, ist schon eine seltsame Vorstellung, die sie von Solidarität haben.
Unsere Position und Kritik sind auch im Konzert der gesamten Länder umso glaubwürdiger, als wir über
Jahrzehnte ein Geberland waren. Würden wir so wie Bayern auftreten, könnten wir sagen: Wir brauchen in der gegenwärtigen Situation sage und schreibe 48 Jahre lang Nehmerlandqualität, bis wir das wiederbekommen haben, was wir in diesen Länderfinanzausgleich eingezahlt haben.