Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

Ich verweise auf die Antwort der alten Landesregierung, von Frau Ministerin Sommer, auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Beer. Dort haben Sie genau das gesagt. Ich zitiere einmal aus der Antwort des Schulministeriums auf die Kleine Anfrage vom 22.10.2008:

„Sofern Dienstpflichtverletzungen festgestellt

werden, gehen die Schulaufsichtsbehörden diesen Fällen nach. Zu prüfen sind immer die Umstände des Einzelfalls. Eine allgemeine Festlegung, ob und inwieweit in Folge von Äußerungen in der Öffentlichkeit gegen bestehende Pflichten verstoßen worden ist, wäre mit dem geltenden Recht nicht vereinbar.“

Diese Rechtsauffassung war damals richtig, ist es heute auch noch. In diesem rechtlichen Rahmen bewegt sich diese Landesregierung genauso, wie sich die alte Landesregierung und die Vorgängerlandesregierungen bewegt haben. Wo Sie einen Skandal sehen, bleibt mir verborgen. Das ist wahrscheinlich Ihr Geheimnis.

Um es vielleicht zuzuspitzen, in welcher Gemengelage wir sind, stellen wir uns einmal vor, wir hätten Lehrerinnen und Lehrer gehabt, die aus ihrer Funktion – möglicherweise aus ihrer Schule heraus – aktiv für die Gemeinschaftsschule geworben hätten. Herr Witzel, ich bin mir ganz sicher: Wir hätten auf Ihren Antrag hin eine Sondersitzung des Plenums bekommen, um das zu skandalisieren und diese Landesregierung zu zwingen, disziplinarrechtlich tätig zu werden.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Geschieht doch massen- haft!)

Herr Witzel, „politische Mäßigung“ gilt – bei Ihnen ist es vergebliche Liebesmüh; ich sage es trotzdem – für beide Seiten: Auf der einen Seite darf diese Landesregierung natürlich nicht über Maß und über Gebühr aus dem Amt heraus kritisiert werden. Auf der anderen Seite darf nicht über Maß und über Gebühr für die Politik der Landesregierung geworben werden. Wir haben auf dieser Stufe eben nicht den politischen Beamten.

Das, was Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hier gemacht haben, ist ein klassischer Rohrkrepierer. Sie versuchen mit Krampf, etwas zu skandalisieren, wo es überhaupt keinen Skandal gibt. Was noch schlimmer ist: Ihnen fehlt jegliche moralische Autorität, das überhaupt zu tun.

(Lebhafter Widerspruch von der CDU)

Darüber können wir gleich gerne reden. Die Aktuelle Stunde ist nicht nur lächerlich, sondern geradezu infam.

Ich bin mir sicher, dass diese Landesregierung ihre Arbeit weiterhin mit viel Augenmaß nicht nur, aber gerade im Bereich „Schule“, nachgehen wird. Das empfehle ich übrigens auch allen Mitgliedern dieses Hauses. Wir haben gerade im Bereich „Schule“ mehr als genug zu tun. Es gibt mehr als genug Themen, über die es sich zu streiten lohnt, wo Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer einen Anspruch haben, dass wir als Parlament endlich unserer Pflicht nachkommen, gute Politik zu machen. Dieser Arbeit sollten wir nachgehen. Uns fehlt die Zeit, uns mit einem Popanz wie diesem aufzuhalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Link. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Beer.

Sehr geehrter Her Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Politische Mäßigung“, ich will dieses Stichwort des Kollegen Link gerne aufnehmen und Herrn Sternberg bitten, politische Mäßigung an den Tag zu legen. Wenn man über totalitäre Staaten spricht, ist das, glaube ich, in dieser Debatte nicht angemessen. Ich nehme Sie gerne einmal mit in den Petitionsausschuss, um über Schicksaale von verfolgten Menschen aus totalitären Staaten zu reden. Dann haben wir, glaube ich, die Gewichte wiederhergestellt. Das hat in dieser Debatte wahrhaftig überhaupt nichts zu suchen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Nein, das hier ist eher eine Aktuelle Stunde aus Absurdistan. Das muss man schon deutlich sagen. Wie ist denn die Sachlage? Ich kann verstehen, dass es für Sie schwierig – wie sagt man doch im Westfälischen – „zu verknusen“ ist. Wir haben eine unprätentiöse Ministerin, endlich eine Ministerin, die den fachlichen Diskurs kann und wahrnimmt,

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

endlich eine Ministerin, die Sprechzettel beiseitelegen kann, ohne dass den Fachabteilungen die Schweißperlen auf die Stirn treten,

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN – Lachen von der CDU und von der FDP)

endlich eine Ministerin, die den Dialog sucht und sogar zu kontroversen Debatten auffordert.

Wer das erleben will, kann zum Beispiel gerne an den Bildungskonferenzen teilnehmen. Der kann dort erleben, wie auch kontrovers diskutiert und jede Meinungsäußerung nicht nur zugelassen wird. Die Ministerin ermuntert geradezu dazu, Gegensätze zu formulieren.

Die sich jetzt – zum Teil auch in der Presse – am lautesten empören, sind bezeichnenderweise gar nicht dabei. Ich habe ja Verständnis für Ihre waid

wunden Positionen, liebe Kolleginnen aus CDU und FDP: Die gesamte Schulkriegsmaschinerie hat im Wahlkampf nicht funktioniert. Jetzt versucht man, wieder ein kleines Feld aufzumachen. Auch das wird nicht funktionieren.

Sie haben es ja auch wirklich schwer! Was machen verzweifelte Kollegen und Kolleginnen, damit es gelingt? Ich nehme einmal den Kollegen Berger: Berger dankt der CDU Krüchten, dass die Gemeinschaftsschule verhindert werden konnte! – Wenn Sie daraus Feieranlässe machen, dass regionale Schulentwicklung von Ihnen in eine solche Konfrontation getrieben wird, wissen wir doch, wes Geistes Kind Sie eigentlich sind.

Oder es gibt total ausgewogene Schulveranstaltungen – mit Herrn Sternberg zum Beispiel gerade in Köln –, wo nur aus einer Perspektive diskutiert wird. Es geht um die Fragen von G8, G9 und der Gemeinschaftsschule. Das ist ausgewogenste Diskussionskultur, die Sie uns da präsentieren. Herzlichen Dank!

Woran erinnert mich das eigentlich, was Sie heute hier vortragen? „Ministerin und Maulkorb“ – wissen Sie, was mir dabei zuerst eingefallen ist? Die Amtsvorgängerin von Frau Löhrmann hatte nämlich einen Maulkorb und neben sich einen politischen Kommissar, geschickt aus der Staatskanzlei, der die Geschäfte der Ministerin übernommen hat, die die fachlichen Veranstaltungen überhaupt nicht wahrnehmen durfte und nur die Begrüßung von Kindern und das Übergeben von Blumensträußen übernommen hat. Das hat sich in diesem Land glücklicherweise grundlegend gewandelt.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Ich fand das schmerzlich. Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Ich schätze Frau Sommer menschlich sehr, aber sie hat leider nicht die fachlichen Ansprüche erfüllt, und sie musste die Vorgaben aus der Staatskanzlei des vorherigen Ministerpräsidenten abarbeiten, auch gegen fachliche Überzeugungen. Eine Ministerin, die sich selbst als „Püppi“ ins Haus einführt, während der Staatssekretär häufig mehr durch seine investigative Energie aufgefallen ist – das hat offensichtlich Ihr Verständnis von Politik in den Häusern geprägt.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Nein!)

Also, neben der „Prinzessin Leia“ aus Bielefeld gab es auch den „Darth Vader“ im Schulministerium – Kollege Link hat schon darauf hingewiesen, was da im Land passiert ist –, und der hat selbst mal gern den Hörer in die Hand genommen, was Kolleginnen und Kollegen angeht, was die Bezirksregierung angeht, Entscheidungen an sich gezogen, und er ist vor allen Dingen vor Ort gewesen, um Städten und Gemeinden die Daumenschrauben anzulegen,

wenn es darum ging, dass man sich um Gemein

schaftsschulmodelle bemüht hat oder Gesamtschulen gründen wollte.

Das ist in der Tat die Praxis der letzten fünf Jahre gewesen. Und damit ist Schluss. Eine solche politische Kultur gibt es mit Rot-Grün in NordrheinWestfalen nicht mehr.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Sie können den Zug der Zeit, die Schulentwicklung und die Entideologisierung der Schulentwicklung vor Ort nicht aufhalten.

(Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie doch mal was zu den aktuellen Vorgaben!)

Wir haben den Knoten und die Blockaden gelöst, und die Ministerin ist in den Kommunen eine hoch geschätzte Gesprächspartnerin.

Herr Witzel, ich komme gern zu Ihnen. Denn ich will noch ein bisschen daran erinnern, welche politische Kultur durch die FDP in diesem Land Raum gegriffen hat. Ich erinnere gern an – ich sage mal – IM Wolf. Ich darf auf eine Pressenotiz aus dem Jahr 2007 zurückgreifen. Da ging es um den Konflikt der GdP und der Personalräte mit dem damaligen Innenminister Wolf. Dazu sagte Herr Richter:

Ein Innenminister muss kein Diplomat sein, aber er braucht Problemlösungskompetenz und Dialogbereitschaft. Die vermissen wir bei Herrn Wolf. Er ist sosehr von Misstrauen geprägt, dass er offenbar beratungsresistent geworden ist und jede fachliche Kritik als Majestätsbeleidigung auffasst.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Wolf habe im Innenministerium eine Kultur des Misstrauens eingeführt und die bisherige kollegiale Zusammenarbeit zerstört. Hochrangige Führungskräfte – so Puttkammer – wurden entmündigt,

(Gunhild Böth [LINKE]: Hören und dann denken!)

dürfen kaum noch eigene Entscheidungen treffen und müssen sich, bevor sie ein Problem anpacken, erst einmal die Erlaubnis zum Denken holen.

Auch dieses passiert mit der rot-grünen Regierung nicht mehr; das ist abgestellt. Das prägt genau auch das Handeln in den nachgeordneten Behörden. Es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, dass das irgendwie anders gehandhabt wird.

Deswegen: Packen Sie diese absurde Debatte beiseite, diese absurde Debatte, die Sie hier hochzuziehen versuchen!

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Ihre Aktuelle Stunde sagt eben sehr viel über Ihre Denke aus, so wie Sie es wahrscheinlich halten würden.

(Ralf Witzel [FDP]: Eben nicht! Es geht ein- zig und allein um Ihr Fehlverhalten!)

Es gibt in NRW in dieser Regierung keinen Minister und keine Ministerin, die einen Maulkorb austeilt. Das ist Fakt.

Kollege Link hat gerade schon ausgeführt, was ich mit meiner Kleinen Anfrage von der damaligen Landesregierung – zu Recht – über die Pflichtaufgaben und Loyalität von Beamten erhalten habe. Es gibt keinerlei Hinweise, dass dieses in NordrheinWestfalen nicht so weiter gepflegt wird, ganz im Gegenteil.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit.