„Wir Grüne wollen Schluss machen mit der Gängelung durch die Schulbürokratie. Wir vertrauen auf die engagierten Expertinnen und Experten in den Schulen und wollen sie in ihrer pädagogischen Kompetenz ermutigen und stärken.“
Das ist ein Zitat aus dem Wahlprogramm der Grünen zur Landtagswahl 2010. Aber das waren wohl nur Worthülsen.
Die Gängelung der Lehrer durch das von den Grünen geführte Schulministerium treibt abstruse Blüten. In der politischen Verantwortung einer grünen
Schulministerin fühlen sich Pädagogen eingeschüchtert und in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten. Selbstverständlich gilt auch für Lehrerinnen und Lehrer eine Loyalität gegenüber dem Dienstherrn. Aber es besteht ein Unterschied zwischen dem Einfordern angemessener Loyalität und Wohlverhaltenspflicht und dem Eindruck einer offensichtlich gezielten Vorgehensweise, kritische Meinungsäußerungen zu Gemeinschaftsschulen
Folgendermaßen erscheint die Situation im Moment: Lehrer und Schulleitungen sollen offenbar an einer freien Meinungsäußerung auf Veranstaltungen gehindert werden. Pädagogen wurden angehalten, an Veranstaltungen gar nicht erst teilzunehmen. Nach kritischen Äußerungen wurden Pädagogen einbestellt. Lehrern wurden disziplinarrechtliche Maßnahmen angedroht, wenn sie sich „aus Versehen“ falsch äußern oder eine politisch unerwünschte Aussage treffen. Als Folge wurde sogar die Loyalität gegenüber dem Dienstherrn überprüft.
Meine Damen und Herren, es ist wirklich abenteuerlich, wenn man die Einlassungen eines Sprechers der Bezirksregierung Arnsberg zu diesen Vorgängen in der Presse liest: Man habe Kritiker durch die Zeitungslektüre recherchiert, und diese Kritiker hätten dann einen Hinweis bekommen. – Da sitzt offensichtlich jemand in der öffentlichen Verwaltung, in der Bezirksregierung, der die Presse nach kritischen Äußerungen zur rot-grünen Schulpolitik durchforstet. Wo sind wir eigentlich? Wer glaubt, dass es sich hierbei um einen oder zwei bedauerliche Einzelfälle handelt, der irrt. Der Presse waren bereits Namen zu entnehmen.
Um die Lehrer und Schulleitungen zu schützen, werde ich hier keine weiteren Städtenamen und Schulen nennen; denn die Angst geht um.
Aber allein im Regierungsbezirk Arnsberg sind bereits 22 Fälle aus unterschiedlichen Schulformen bekannt. Diese Vorfälle beschränken sich aber nicht allein auf den Regierungsbezirk Arnsberg. Auch aus dem Regierungsbezirk Münster sind bereits mehrere Fälle bekannt. Es erfolgten nach Veranstaltungen und unpassenden Meinungsäußerungen Anrufe, in denen mit disziplinarrechtlichen Folgen bis hin zur Kürzung der Bezüge gedroht wurde. Dort wurde sogar erklärt, Personen dürfen sich nicht als Privatpersonen äußern. Uns wurde von Fällen berichtet, nach denen sich Lehrer an Schulen, die in Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden sollten, im Diskussionsprozess eingeschüchtert und geradezu mundtot gemacht fühlten. Kritik, zum Beispiel an der pädagogischen Leistungsfähigkeit dieser Schulen, sei nicht erwünscht. – Ende der Durchsage.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, tatsächlich reicht diese Strategie offenbar bis in die Personalversammlungen hinein. Wenn sich inzwischen Per
sonalräte dagegen verwahren müssen, dass man für inhaltliche Kritik in Personalversammlungen – also in nichtöffentlichen Sitzungen – später einbestellt wird, ist jedes Maß überschritten.
Spätestens hier müsste eigentlich die sozialdemokratische Seele aufbegehren. Wie bewertet denn die SPD solche Vorgänge in der ministeriellen Verantwortung ihres grünen Koalitionspartners? Die SPD hält sich immer viel darauf zugute, dass sie die Mitbestimmung ausbauen will. Die Mitbestimmung ist demnach geradezu ein Herzstück der Sozialdemokratie.
„Denn Mitbestimmung in der Arbeitswelt ist Ausdruck von Menschenwürde. Zugleich fördert sie Demokratie als Lebensform.“
„Mitbestimmung, Mitverantwortung und Mitgestaltung müssen tragende Elemente unserer Bildungseinrichtungen sein.“
Der SPD müsste es doch zutiefst widerstreben, wenn Gewerkschaftsvertreter äußern, dass offenkundig versucht wird, in internen Personalversammlungen kritische Äußerungen zu unterbinden, und wenn auf kritische Äußerungen in Personalversammlungen die Drohung der Einbestellung erfolgt.
Meine Damen und Herren, auch die öffentliche Behauptung, es gehe der Schulverwaltung um Loyalität und Neutralität, wird bei der Einladungspraxis des Schulministeriums beispielsweise zum 5. Bildungspolitischen Symposium am 19. Februar in Essen durch das eigene Verhalten des Ministeriums konterkariert.
Zurück zur Aktion „Maulkorb“. Die Aussagen über das Gefühl der Einschränkung der Meinungsfreiheit stammen sowohl von Einzelpersonen als auch von unterschiedlichen Gewerkschaften. Darum stellen sich viele Fragen an die politisch verantwortliche Schulministerin:
Erstens. Handelt Ihre Schulverwaltung aus eigenem Antrieb? – Ich denke, nein. Sonst würde es nicht mehrere Bezirksregierungen geben, aus denen Fälle bekannt sind.
Zweitens. Handelt es sich um ein gezieltes Vorgehen? – Offenbar schon. Sonst würden nicht gerade – wie man hört – Spuren verwischt.
Drittens: Gibt es für dieses Vorgehen eine Anweisung aus dem Ministerium? – Der Eindruck drängt sich zumindest auf. Warum kommt es in mehreren Bezirksregierungen zu diesem Vorgehen? Es gibt
Eltern dürfen nicht den Eindruck gewinnen, Lehrer und Schulleitungen erhielten bei Gesprächen einen politisch motivierten Maulkorb. Wenn angeblich nichts Wahres an den Vorgängen ist, dann muss die Ministerin es hier heute klipp und klar sagen und glaubwürdig vertreten.
Dann muss sie an die Schulverwaltungen und Schulen kommunizieren, dass eine freie Meinungsäußerung im Rahmen des Dienstrechts erlaubt und gewünscht ist. – Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pieper-von Heiden. – Für die SPDFraktion spricht Herr Abgeordneter Link.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal ist es beeindruckend, dass Sie eine Aktuelle Stunde beantragen und dann in so einer geringen Anzahl hier anwesend sind. Das ist beschämend für ein Thema, das Sie angeblich für so wichtig halten.
gerade bei Ihnen, Herr Witzel – sofort in den Kopf schießt, wenn Sie hier, vertreten durch Frau Piepervon Heiden, zum Thema Mitbestimmung, der Kultur der Mitbestimmung und der Bedeutung der Mitbestimmung reden, nachdem Sie fünf Jahre lang die Mitbestimmung
und die Personalräte mit Füßen getreten haben. Das ist eine Unverschämtheit den Personalräten gegenüber. Ich denke, die Kolleginnen und Kollegen vor Ort wissen sehr gut, wer wirklich ihre Vertreter hier in diesem Parlament sind.
Kommen wir zur Sache! Ich habe schon geschmunzelt, als ich diese Aktuelle Stunde auf der Tagesordnung gesehen habe: Eine Regierungskoalition, die fünf Jahre lang das Schulministerium ihr eigen genannt hat, die einen Staatssekretär Winands getragen hat, der gerne mal selber zum Telefonhörer gegriffen hat und tatsächlich – um in Ihrer Sprache zu bleiben – Angst und Schrecken verbreitet hat,
Auch der Anlass dieser Aktuellen Stunde ist lächerlich. Sie ziehen damit die Bedeutung des Themas Bildungspolitik, wo es eine breite Facette von Themen gibt,
über die es sich tatsächlich zu streiten lohnt, Herr Witzel, geradezu ins Lächerliche, weil wir heute eine Stunde damit verplempern – und so deutlich muss man es sagen –, über so einen Unsinn zu reden, anstatt uns Gedanken über Fortbildungen, über kleinere Lerngruppen, über Qualitätsentwicklung von Schule zu machen. Das ist das Produkt Ihres Antrages. Das ist das Produkt und das Ergebnis dieser Aktuellen Stunde.
Ich kann Ihnen das nicht ersparen. Wenn Sie anfügen, wie schlimm denn die Welt seit dem 9. Mai 2010 geworden ist – das bestreite ich nachdrücklich –, dann sehen wir uns doch einmal die Zeit vor dem 9. Mai an. Wir gucken uns einmal an, was noch zu Anfang des Jahres 2010 durch das CDU-geführte Schulministerium von Frau Sommer und von dem geschätzten Staatssekretär Winands gelaufen ist, als sich ein Schulleiter erdreistet hat, eine Anzeige zu schalten, um darauf hinzuweisen, dass seine Schule unterbesetzt sei. Daraufhin gab es enormen Druck aus dem Schulministerium. Er wurde in die Bezirksregierung einbestellt. Ihm wurde unmissverständlich klargemacht, dass ein solches Verhalten nicht zu tolerieren sei. Es offenbare einen Verstoß gegen das achtungs- und vertrauenswürdige Verhalten. – So war es damals in der Presse nachzulesen. Das war unter Ihrer Regierungsverantwortung, meine Damen und Herren. So war die Situation bis 2010. Daran hat sich erheblich etwas geändert.
Bevor ich auf die aktuelle Situation zu sprechen komme, Herr Witzel, will ich für Sie – damit Sie die ganze Situation in ihrer Komplexität vielleicht verstehen – kurz sagen, worum es wirklich geht: Es geht um ein Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten, die jeder Mensch hat, die ohne Wenn und Aber von – das möchte ich einmal sagen – allen Landesregierungen akzeptiert und getragen werden und für die wir einstehen. Jeder Mensch hat das grundgesetzliche Recht, seine Meinung frei zu äußern. Ich kenne niemanden, der dieses Recht bestreitet.
Andererseits geht es genauso darum, dass wir einen gesetzlichen Rahmen haben, der Vorschriften für bestimmte Berufsgruppen – in dem Fall: Beamte – enthält, der diese Grundrechte in einer gewissen Art und Weise einschränkt. Auch das ist seit Jahren und Jahrzehnten so. Das wurde von Ihrer Landesregie
rung genauso wie von dieser Landesregierung gesehen. Das ist im Übrigen auch richtig, meine Damen und Herren.
Ich verweise auf die Antwort der alten Landesregierung, von Frau Ministerin Sommer, auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Beer. Dort haben Sie genau das gesagt. Ich zitiere einmal aus der Antwort des Schulministeriums auf die Kleine Anfrage vom 22.10.2008: