Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

(Beifall von der CDU und von der FDP – Wi- derspruch von der SPD)

Aus dem Brief einer Bezirksregierung zitiere ich Folgendes:

In der Sache kann ich bestätigen, dass in Einzelfällen Lehrkräfte auf die Einhaltung ihrer beamten

rechtlichen Pflichten hingewiesen wurden. Dies jedoch als Einschüchterungsversuch oder Maulkorb zu bezeichnen, wird weder der Sache noch der Rechtslage gerecht. Ich vermag unter keinem Gesichtspunkt ein undemokratisches Verhalten darin zu sehen, dass eine Behörde von Beamten des Landes rechtskonformes Verhalten einfordert.

Frau Löhrmann, wenn Sie die allgemeine Dienstanordnung für Lehrerinnen und Lehrer ansehen, steht insbesondere das Recht aus Art. 5 des Grundgesetzes, nämlich das Recht auf freie Meinungsäußerung, jeder Lehrerin und jedem Lehrer zu. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich als Eltern oder als Sachverständige entsprechend äußern. Es kann nicht sein, dass Leute zum Rapport bestellt werden, die sich als betroffene Eltern äußern und Kritik äußern. Diese neue Kultur bringen Sie hinein, die nicht hinzunehmen ist. Das ist für mich nicht denkbar. Sie wollen Betroffene zu Beteiligten machen. Sie machen aber das Gegenteil: Sie machen Beteiligte zu Betroffenen. Sie machen keine Politik der Einladung, sondern betreiben eine Politik der Einschüchterung.

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Sie haben mit Ihrer Äußerung zwischendurch relativiert, von Ihrem Hause aus sei das nicht gegeben; die Bezirksregierungen seien selbstständig. Es ist etwas für Feinschmecker, das juristisch zu unterscheiden. Die Bezirksregierungen sind Ihnen nachgeordnet. Sie sind auch dafür verantwortlich, wie das Handeln von Bezirksregierungen vor Ort ankommt und wie das vor Ort praktiziert wird.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Da können Sie sich nicht herausreden. Deshalb möchte ich Ihnen, Frau Löhrmann, einige Forderungen mitgeben.

Erstens. Ich erwarte von Ihnen heute eine eindeutige Absage an jede Form von Bevormundung und Einschüchterung von Lehrerinnen und Lehrern.

Zweitens. Ich erwarte von Ihnen ein klares Bekenntnis zur Meinungsfreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes für alle Lehrerinnen und Lehrer,

(Widerspruch von der SPD und von den GRÜNEN)

sich als Privatpersonen und vor allem auch als besorgte Eltern frei und kritisch zu Schulfragen äußern zu dürfen.

(Karl Schultheis [SPD]: Die Ministerin ist schon vereidigt worden!)

Drittens. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Lehrerinnen und Lehrer ermuntern, …

Herr Abgeordneter Kaiser, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss.

… sich aktiv an den erforderlichen Umstrukturierungsprozessen und pädagogischen Fragestellungen zu beteiligen. Hier darf es keine Denkverbote und Androhungen von Disziplinierung geben.

Viertens. Frau Löhrmann, ich erwarte von Ihnen, dass Sie unseren Lehrerinnen und Lehrern den Rücken stärken – und zwar allen und nicht nur den politisch genehmen.

(Widerspruch von der SPD und von den GRÜNEN)

Stellen Sie sich vor, eine CDU-geführte Landesregierung hätte eine solche Maulkorbpraxis toleriert!

Herr Abgeordneter Kaiser.

Ich bin ganz sicher, dass dann jede Woche erneut Lichterketten vom Ministerium bis zum Landtag mit Ihnen an der Spitze, gefolgt von Frau Beer und Herrn Beckmann, gebildet worden wären.

(Beifall von der CDU)

Stellen Sie das eindeutig klar, damit die Lehrerinnen und Lehrer wissen:

(Zuruf von den GRÜNEN: Redezeit! – Zuruf von der SPD: Abpfiff!)

Wir wollen selbstbewusste Lehrer in unserem Lande haben. – Danke.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kaiser. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Hendricks.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne! Herr Kaiser, über Ihre Performance bin ich wirklich enttäuscht. Die Forderungen, die Sie an Frau Ministerin Löhrmann stellen, sind eigentlich durch ihre Vereidigung längst erledigt. Das heißt, sie hat sich bereits zu all diesen Forderungen ausgesprochen.

(Beifall von der SPD)

Sie hat darüber hinaus heute Morgen noch einmal ein klares Bekenntnis abgelegt. Sie hätten das hören können, wenn Sie bei der Rede von Frau Löhrmann zugehört haben.

Aber mir ist eigentlich im Verlauf dieser Aktuellen Stunde immer unklarer geworden, warum Sie sie eigentlich beantragt haben. Spätestens bei Ihrer Rede, Herr Kaiser, hatte ich das Gefühl, dass Sie auf einmal Angst vor den Entwicklungen im Land

haben und dass es Ihnen gar nicht mehr um die Frage der schützenswerten Situation von Lehrern und Lehrerinnen geht. Wir haben 17 genehmigte Gemeinschaftsschulen und viele zusätzliche Anträge. Daran lässt sich übrigens feststellen, dass es im breiten Konsens vor Ort mit den Beteiligten gelaufen ist. Sonst wären nämlich die kommunalen Beschlüsse und diese Anträge gar nicht zustande gekommen.

(Beifall von der SPD)

Ein zweiter Punkt. Natürlich, Herr Kaiser – Herr Sternberg, das ist auch eine Antwort an Sie –, kommt es auch zu Friktionen, weil es vor Ort einen Diskurs gibt. Er ist von uns auch gewollt: Wir wollen, dass dieser Diskurs stattfindet. Wenn Sie das als Ärger bezeichnen, Herr Sternberg, kann ich dazu nur sagen: Die einen sehen es als Ärger, andere sehen es als Meinungsfreiheit, und wieder andere sind der Meinung, man müsste intervenieren, wie Sie vorgeben, dass es passiert sei.

(Gunhild Böth [LINKE]: Herr Sternberg hört doch gar nicht zu!)

Wir können Ihnen nur sagen: Es ist nicht passiert.

(Klaus Kaiser [CDU]: Doch!)

Nein, es ist in dieser Form, wie Sie es dargestellt haben, nicht passiert, Herr Kaiser. Wenn Lehrer und Lehrerinnen in der Tat zu einem klärenden Gespräch gebeten werden, ist das keine disziplinarische Maßnahme.

(Lachen von der CDU und von der FDP)

Interessant ist doch, Herr Kaiser, dass Frau Löhrmann eben aus einem Brief vorgelesen hat, der an Sie gerichtet ist. Angesichts dieses Briefes, der uns damit zur Kenntnis gegeben worden ist, halte ich es für einen Skandal, wenn ein Bürgermeister Ihnen schreibt, dass der Vorgang für eine parlamentarische Debatte nicht geeignet ist, und versucht, Ihnen den Sachverhalt darzustellen, Sie es dann aber zu einem Skandal hochziehen.

(Klaus Kaiser [CDU]: Wir reden über andere Fälle!)

Ihr Ziel, Herr Kaiser, ist eine Skandalisierung der Gemeinschaftsschule über die Frage der Intervention der Schulaufsicht.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Herr Sternberg hat eben so schön von einer Wiederbelebung des Systems gesprochen. Lassen Sie mich an dieser Stelle einfach festhalten, meine Damen und Herren: Wir wiederbeleben kein System. Sie haben in der vergangenen Legislaturperiode ein System praktiziert, das genau das zum Inhalt hatte. Ihr Staatssekretär hat zum Telefonhörer gegriffen und Schulleiter angerufen, bei den Kommunen angerufen und bei der Bezirksregierung angerufen. Es

hat auch im Rahmen der letzten Kommunalwahl Interventionsaufträge aus Düsseldorf gegeben. Es hat immer und immer wieder Interventionen gegeben.

Ich habe unlängst noch mit einem guten Schulleiter gesprochen, der sich bedauerlicherweise vorzeitig hat pensionieren lassen, der mir gesagt hat: Ich war es einfach satt, die Anrufe von Herrn Winands zu bekommen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wenn ich gewusst hätte, dass ihr demnächst wieder regiert, hätte ich mich nicht vorzeitig pensionieren lassen.

(Beifall von der SPD – Lachen von der CDU und von der FDP)