Dass die Bundesregierung die Länder an der Erarbeitung des Energiekonzepts – obwohl es versprochen war, Herr Lienenkämper – bis heute nicht beteiligt hat, passt in dieses Bild.
Man will die Länder offenbar vollständig außen vor halten, und deswegen will man es im Endeffekt auch ohne die Zustimmung des Bundesrates durchsetzen. An diesem Vorgehen haben bereits namhafte Juristen Zweifel geäußert. Zum Beispiel der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, das Bundesjustizministerium oder auch Bundestagspräsident Lammert, selbst Bundesumweltminister Röttgen bezweifeln inzwischen, dass das Ganze ohne Bundesrat umsetzbar ist.
Meine Damen und Herren, wir als Landesregierung werden auf jeden Fall eine Umgehung des Bundesrates nicht akzeptieren, Herr Prof. Pinkwart. Das hat auch nichts mit Ideologie oder sonst etwas zu tun. Bei solchen weitreichenden Entscheidungen müssen die Länder beteiligt werden,
Sie müssen sehen, Herr Witzel, beim Ausstieg ging es um etwas ganz anderes. Dort wurden die Kommunen und das Land ja eher entlastet, was die Sicherheit betrifft. Jetzt, bei der Verlängerung von Laufzeiten, ist die Sicherheitsfrage wieder ganz, ganz entscheidend. Das heißt, wir können erheblich belastet werden, also sind wir zu beteiligen. Das ist doch ganz einfach.
Wirklich bedrückend ist für mich aber eigentlich etwas völlig anderes: Weil die Entscheidung für eine
Verlängerung der Restlaufzeiten unausgesprochen der Ausgangspunkt des ganzen Energiekonzepts ist, nimmt die Bundesregierung es letztendlich in Kauf, dass die klimapolitischen Ziele durch den Verlängerungsbeschluss konterkariert werden.
Meine Damen und Herren, die Kernenergie ist als Brückentechnologie für einen langfristigen Umbau des Energieversorgungssystems eben deswegen ungeeignet, weil die Wirtschaftlichkeit von Investitionen für eine umweltfreundliche Energieerzeugung genau dadurch gefährdet wird.
Dies gilt vor allem für Investitionen von Stadtwerken und Versorgungsunternehmen in Kraft-WärmeKopplungsanlagen, die einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und die Intensität des Wettbewerbs auf der Erzeugerstufe erhöhen. Die kommunale KWK-Erzeugung aus modernen Anlagen wird sich gegen die Erzeugungskosten abgeschriebener Großkraftwerke nicht durchsetzen können. Ebenso werden die Wettbewerbsbedingungen für neue, hocheffiziente kommunale Gemeinschaftskraftwerke verzerrt und in dem Moment die Umsetzung fast unmöglich.
Auch das Investitionsklima für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wird sich verschlechtern, weil eben befürchtet werden muss, dass der Druck auf das bewährte Einspeisungs- und Vergütungssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zunehmen wird.
Ein zweiter grundsätzlicher Einwand ist mir dabei auch besonders wichtig. Das Gutachten für die Bundesregierung zu den Energieszenarien bis 2050 wird in der Öffentlichkeit oft so verstanden, als gehe es um eine wissenschaftliche Arbeit, die Analysen und Prognosen heranzieht und mehr oder weniger daraus abgeleitete Konsequenzen zieht. Das ist völlig falsch.
Alle wesentlichen Eckdaten – die Entwicklung des Energieverbrauchs, der Anteil der erneuerbaren Energie oder die Annahmen, deren Grundlagen die Bundesregierung sonst noch vorgegeben hat – sind eben nicht wissenschaftlich begründet, sondern ganz einfach politisch vorgegeben, und die Gutachter hatten sie als Rahmendaten zu beachten. Da war also nichts mit Analyse, nichts mit Prognose, nichts mit Synthese, wie man normalerweise an so ein Gutachten herangeht.
Letztendlich – und das haben mir auch Gutachter bestätigt, Herr Lienenkämper; wir haben ja ein sogenanntes Interpretationsgespräch mit einem Gutachterinstitut geführt, um uns das Ganze erklären zu lassen – haben sie deutlich gesagt: Es ging im Endeffekt um vier Szenarien, in denen Laufzeitverlängerung und Erneuerungsbedarf verglichen wird. Das war ihr wesentlicher Auftrag. Es ging eben nicht darum, ob Laufzeitverlängerung überhaupt sinnvoll ist und wie sie sich auf den Energiemix und wie sich
dies wiederum insgesamt auswirkt. Genau das sollte nicht untersucht werden. Vielmehr ging es um Szenarien „Laufzeitverlängerung/Erneuerungsbedarf“. Das haben die Gutachter gemacht. Insoweit ist das nicht einmal im Ansatz ein Energiekonzept, sondern es ist eine Begründung für einen politischen Beschluss.
Meine Damen und Herren, die Medienberichte, die Sie in Konsequenz der Entscheidung der Bundesregierung sicherlich auch verfolgt haben, legen nahe, dass verschiedene geplante Investitionsvorhaben – nun kommen wir auch wieder auf den Standort Nordrhein-Westfalen zurück, ob es in Duisburg, in Düsseldorf, in Hagen oder in Köln ist – jetzt infrage gestellt werden. Investitionsvorhaben in Milliardenhöhe!
Ich war gestern, als Herr Dr. Papke kritisiert hatte, dass ich nicht im Plenum war, beim Verband kommunaler Unternehmen in Dortmund. 150 Vertreter kommunaler Unternehmen, vor allem Stadtwerke, die sich dort getroffen haben, haben mir bestätigt, dass jedes zweite kommunale Unternehmen die Investitionen auf den Prüfstand stellt und erheblich gefährdet sieht. Das heißt, es ist nicht nur eine vage Vermutung, sondern es ist von ihnen ganz deutlich so formuliert worden. Insoweit merken wir, welche Gefahr auch für den Standort Nordrhein-Westfalen besteht.
Ich will noch erwähnen – und ich denke, das ist gerade für das Land wie auch die kommunale Familie ganz wichtig –, dass durch die mindestens teilweise steuerliche Absetzbarkeit der geplanten Abgaben für erneuerbare Energien wie die Brennelementesteuer allein dem Land Nordrhein-Westfalen und seinen Kommunen Mindereinnahmen, die geschätzt in dreistelliger Millionenhöhe liegen, entstehen werden.
Meine Damen und Herren, letztendlich ist klar, dass eine solche Basis insgesamt für ein nationales Energiekonzept, das Sie zu Recht einfordern, Herr Lienenkämper, weil wir es brauchen, keine Basis ist. Es muss eigentlich erst noch entwickelt werden. Das hatte die Bundesregierung in dem Sinne gar nicht vor.
Deswegen, meine Damen und Herren, wird die Landesregierung im weiteren Verfahren alle ihre Möglichkeiten nutzen, um zu verhindern, dass die umweltfreundliche kommunale Stromerzeugung vom Markt gedrängt wird. Dazu habe ich gestern – wie gesagt – auf der Jahrestagung mit etwa 150 Vertretern gesprochen. Wir haben bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme, also mehr oder weniger einstimmig, eine gemeinsame Resolution verabschiedet, die diese Sorgen der Stadtwerke sehr deutlich macht.
ten, allen beteiligten Gruppen und Verbänden zu sprechen, die langfristige Rolle erneuerbarer Energien ebenso wie die effiziente Kohleverstromung im Energiemix auf einer seriöse Grundlage in einem fairen öffentlichen Dialog zu diskutieren und dann zu entscheiden. Noch einmal sei an den Anfang erinnert: Nordrhein-Westfalen ist Industrieland und Energieland. Durch die Entscheidung der Bundesregierung steht viel – ich denke: zu viel – auf dem Spiel. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Voigtsberger hat angekündigt, sachlich zu sein. Im Ton hat er das auch durchgehalten. Gleichwohl muss man sich mit dem einen oder anderen auseinandersetzen.
Sie argumentieren mit Verlässlichkeit. Wir kommen gleich noch zu einem Tagesordnungspunkt, unter dem wir diese Verlässlichkeit prüfen werden.
Das Thema „Geheimvereinbarung“ ist mehrfach genannt worden. Es war von „schmutziger Deal“ und „Geheimdeal“ die Rede. Es war seit Wochen klar, dass es einen Fonds geben würde, mit dem man regelt, dass man die Mehreinnahmen abschöpft. Es war immer klar, dass man das über einen Vertrag macht. Der Vertrag ist so geheim, dass ich ihn sogar hier habe und jedem zur Lektüre anempfehle. Der Vertrag war wenige Stunden später im Internet verfügbar.
Zum Thema „Zustimmung des Bundesrates“: Dies ist bei den Juristen umstritten; das ist wahr. Ich habe in meiner juristischen Ausbildung gelernt: Zur Sicherheit guckt man am besten einmal auf das höchste Gericht, das Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Thema „Luftsicherheitsgesetz“ in dieser Frage entschieden: Solange die Aufgaben der Länder lediglich quantitativ verlängert werden, besteht keine Zustimmungspflicht der Länder, jedenfalls dann nicht, wenn es sich nicht um eine ganz außergewöhnlich, überdurchschnittlich lange Verlängerung handelt.
Genau über diese Rechtsbegriffe muss man jetzt reden. Ist das ein solcher Fall oder nicht? Die überwiegende Mehrzahl der befragten Gutachter hat sich entschieden, dass das nicht so sei.
Herr Markert und Herr Aggelidis – der jetzt nicht da ist –, ich wollte Ihnen meinen Respekt ganz ernsthaft für Ihr politisches Erweckungserlebnis bezeugen. Es unterscheidet die verschiedenen Generationen, wie man in die Politik einsteigt. Meistens gibt es im Heranwachsendenalter ein solches Er
lebnis. In Ihrer Generation war das für viele – im Übrigen auch in meiner Familie – die Atompolitik. Für mich wie für viele in meiner Generation war es die deutsche Einheit. Wir alle müssen aufpassen, dass wir uns einerseits den Zauber dieser Faszination in allen alltäglichen Debatten bewahren. Dass andererseits daraus keine Lebenslügen werden, gilt für alle mit ihren politischen Erweckungserlebnissen.
Gleich reden wir über Kohle, jetzt über Atom. Bei beidem sind die Grünen äußerst skeptisch. Sie wissen ganz genau, dass wir so schnell, wie Sie das wollen, aus beiden Technologien nicht aussteigen können, ohne in Zukunft wahrscheinlich noch Atomstrom aus Frankreich oder dem ehemaligen Ostblock importieren zu müssen. Das ist ein Stückweit genau der Grenzgang zwischen dem politischen Erweckungserlebnis, das man im Herzen trägt, und der Lebenslüge.
Zu den Themen „schmutziger Deal“ und „Sicherheit“ ist etwas gesagt worden. Häufig – das ist hier nicht gemacht worden, will ich redlich dazusagen – wird argumentiert, die zusätzlichen Investitionen seien auf 500 Millionen € gedeckelt. Das ist nicht der Fall. Durch die Struktur von Gesetz und Vereinbarung ist sichergestellt, dass bis hin zum größtmöglichen Sicherheitsstandard investiert wird, dass am Ende alles über 500 Millionen € aus dem Fonds genommen bzw. weniger eingezahlt werden. Sicherheit geht vor Gewinn und Sicherheit geht auch vor Staatseinnahmen. So ist die Struktur dieses Kompromisses angelegt. Lesen Sie es nach! So ist die Geschichte.
Die Struktur des Gesetzes sichert: 58 % der zusätzlichen Gewinne werden durch die Körperschaftsteuer und den Fonds abgeschöpft. Frau Kanzlerin Merkel hat in meinem Beisein am vergangenen Montag zugesichert, dass sie bereit ist, mit den Ländern darüber zu reden, sie daran zu beteiligen.
Es täte der Landesregierung gut, dagegen nicht mit großem Tohuwabohu anzurennen, sondern vielleicht ein bisschen clever zu agieren und – obwohl wir kein Atomkraftwerk haben – zu versuchen, von den zusätzlichen Einnahmen etwas für unsere Projekte abzubekommen.
Zum Thema „Milliardengeschenke“ kann man auf die Aktienkurse gucken. E.ON und RWE sind eingebrochen. EnBW ist eingebrochen. Als ehemaliger Haushälter weiß ich, dass wir die Analysten von Fitch nicht mehr so gerne zitieren, wage es aber noch einmal. Der bei Fitch für die Versorger zuständige Analyst sagt: E.ON, RWE und EnBW dürften zusätzliche Sparprogramme auflegen, Dividenden kürzen und
Investitionen zurückfahren. Da diese Möglichkeiten aber begrenzt seien, könnten extremere Maßnahmen wie etwa Teilverkäufe oder Kapitalspritzen in Erwägung gezogen werden. – Das hört sich für mich nicht wie die ganz große Sause und ganz große Party an, meine Damen, meine Herren.
Zum Thema „Geld“ noch ein kleiner Zusatz. Bei der Diskussion über die Preise kam die Linkspartei eben mit den kleinen Leuten, mit denen sich keiner auseinandersetzt.
Es ist heute schon so, dass die Zeche für das Energieeinspeisegesetz in Höhe von 100 € pro Jahr bezahlt wird. Es geht um 100 € pro Jahr bei einem Einpersonenhaushalt, einem alleinstehenden Rentner. Insofern sollten auch Sie einmal darüber nachdenken, wie das mit den Preisen ist und ob es nicht gut tut, an der Stelle ein bisschen auf die Bremse zu treten.
Zur Endlagerfrage. Zweifelsfrei ist das ein Riesenproblem. Dieses Problem entsteht aber nicht durch diesen Energiekompromiss und dieses Konzept. Wenn Sie an dem Tag ausgestiegen wären, an dem Sie Ihren Deal mit den Atomkraftwerken gemacht haben, hätten Sie auch keine Lösung für das Endlager gehabt. Aber anstatt weiterzudenken hat Herr Trittin dafür gesorgt, dass das Denken verboten war.