Hendrik Wüst
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Wir haben heute den 9. Februar. Die
Zeit der Neujahrsempfänge geht langsam zu Ende. Der guten Vorsätze sind genug gefasst. Jetzt müssen Taten folgen.
Zum Beispiel in Bezug auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, aus LEPro und LEP eine zusammengefasste gesetzliche Grundlage für die Landesplanung in Nordrhein-Westfalen zu machen. Auch wenn die zuständigen Kabinettsmitglieder, Frau Kraft und Frau Schwall-Düren, gerade nicht anwesend sind, ist doch wohl genug Power vorhanden, wenn die Zuständigkeit schon in der Staatskanzlei liegt. Daran kann es also nicht mangeln.
Laut Aussage der Fachabteilung im Wirtschaftsausschuss soll auch Anfang dieses Jahres ein Kabinettsbeschluss erfolgen. Aber bis heute gibt es nicht einmal Eckpunkte oder Ähnliches.
Vielleicht werden gerade Claims abgesteckt; denn in den letzten Wochen mehren sich öffentliche Äußerungen zu dem Thema. Die Ministerpräsidentin bekennt sich regelmäßig zum Industriestandort und auch zur Energiewende. Das ist gut und richtig. Aber auch Herr Remmel äußert sich: Er will keine neuen Straßen, keine neuen Baugebiete und keine neuen Gewerbeflächen.
Das klingt wahrscheinlich nicht nur bei mir wie ein Widerspruch. Unabhängig davon stellt sich ganz objektiv die Frage, wo Industriepolitik stattfindet, wo Industrieansiedlungen, wo Energiewende und wo Gewerbe- und Arbeitsplatzausbau stattfinden sollen. Wenn das, wie Herr Remmel sagt, überall auf alten Flächen stattfinden soll und nicht auf neuen, wird es schwierig.
Es reicht nicht zu sagen, die Energiewende wird in Berlin gemacht. Dort wird sie mit einer neuen Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, mit einer Verordnung zum Netzausbau, mit Bedarfsplänen und Netzausbauplänen gemacht. Das alles ist zusammen mit einer ständigen Überarbeitung des EEG in Arbeit. Da wird es gemacht. Auch in den Kommunen wird gehandelt. Alle stehen in den Startlöchern für noch mehr und weitere regenerative Energien in Nordrhein-Westfalen.
Aber zwischen Bund und Kommunen, also im Land, kommt bisher nichts. Gibt es vielleicht den Konflikt, der aus den Worten von Frau Kraft und Herrn Remmel herauszulesen ist? Dann klären Sie ihn schnell. Solche Konflikte zu klären ist ureigene Aufgabe von Planungsrecht und Landesplanung. Solche Konflikte gegeneinander abzuwägen ist Aufgabe der Landesplanung. Und das ist jetzt Ihre Aufgabe bei diesem Thema.
Klären Sie, ob es neue Flächen für Gewerbe und Industrie geben darf oder nicht. Wir sagen Ja. Wenn
eine Wieder- und Neunutzung von Brachflächen nicht möglich ist, dann sollen eben auch neue Flächen verwendet werden: sparsam, intelligent und nicht verschwenderisch, wie es vielleicht in früheren Zeiten auch einmal der Fall war. Das sollte keiner leugnen. Aber es sollte grundsätzlich möglich sein.
Ich glaube Ihnen, dass Sie eine Energiewende wollen. Daran habe ich keinen Zweifel. Aber dann müssen Sie auch sagen, wo die Energiewende sichtbar, wo sie möglich werden soll. Der Windkrafterlass allein reicht dafür nicht. Auch planungsrechtlich müssen die Grundlagen dafür geschaffen werden. Klären Sie, wo an Autobahnen und Bahnstrecken Windkraft erzeugt werden kann. Klären Sie, wo Netzausbau betrieben werden soll. Ohne Netzausbau wird es keine Energiewende geben. Die Landesregierung muss sagen, an welchen Stellen das gehen soll. Man kann nicht überall vor Ort nur sagen, wo es gerade nicht stattfinden darf.
Packen Sie auch das Ausgleichs- und Flächenproblem an. Wir haben in einigen Teilen des Landes eine massive Flächenkonkurrenz. Als Münsterländer bin ich davon in besonderer Weise tangiert. Ich weiß, das ist nicht überall im Land der Fall. Bei uns ist das so. In meinem Kreis gibt es mittlerweile an einer Stelle Jahrespachtpreise von 1.600 € pro Hektar. Das kann niemand richtig finden. Das ist keine gesunde Entwicklung, höchstens für den Verpächter. Für das Allgemeinwohl ist es das sicher nicht. Es kann nicht richtig sein, dass wir auf dem Acker Energieerzeugung betreiben und Futter zukaufen. Das mag energiepolitisch vertretbar sein, verbraucherschutzpolitisch kann uns das beiden nicht gefallen, Herr Remmel.
In einer solchen Situation muss auch geklärt werden, ob und in welchem Umfang die bisherige Ausgleichsflächenpolitik fortgesetzt werden kann. Wenn Sie dieses Thema anpacken, können Sie nicht nur für den ländlichen Raum große Verdienste erwerben. Klären Sie auch Ihr Verhältnis zur heimischen Braunkohle. Wollen Sie noch, dass im rheinischen Revier im Rahmen der bestehenden Genehmigungen abgebaut wird oder nicht? Wir wollen das und stehen dafür gerne zur Verfügung. Wenn ich die letzte Große Anfrage betrachte, zweifle ich daran – zumindest was einen Teil der Regierung angeht.
Bei den ganzen Fragen geht es um nicht weniger als um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Es geht um die Zukunftsfähigkeit von 18 Millionen Menschen. Das fällt einem nicht in den Schoß. Jeder weiß: Stillstand ist Rückschritt. Wir müssen an dem Thema arbeiten. Sie müssen an dem Thema arbeiten. Sie sind als Regierung gewählt, um all diese Konflikte abzuwägen. Ich würde mich freuen, wenn Sie nicht nur den guten Vorsatz hätten, der im Koalitionsvertrag steht, sondern diesem nun auch Taten folgen lassen würden. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister Voigtsberger, seit einem halben Jahr liegt der Evaluationsbericht vor. Er trägt das Datum Juli 2011. Wir haben die Anhörung gehabt.
Ich habe den Eindruck: Es hat koalitionsinterne Gründe, warum Sie jetzt vor Hektik und Hysterie warnen und sagen: bitte gemach, noch ein bisschen abwarten.
Man hat den Eindruck: Da müssen erst noch parteiinterne Meinungsfindungen stattfinden.
Der Riss geht wahrscheinlich quer durch die Parteien. Die Grünen machen eine Internetbefragung. Ich schlage vor: Sie gehen am Ende der Plenarsitzung mal in die Carlstadt oder nach Oberkassel, wo die Supermärkte sind – zumindest zwei von den 60 in Nordrhein-Westfalen, die im Fernsehen gezeigt wurden. Schauen Sie sich das mal an. Dann brauchen Sie keine Internetbefragung, sondern Sie müssen nur schauen, wer da ein- und ausgeht. Das sind keine schnapskaufenden Tippelbrüder, sondern das sind Leute, die selbst lange arbeiten und gute Gründe haben, warum sie um diese Uhrzeit einkaufen.
Ich habe den Eindruck: Sie von der versammelten Linken in diesem Haus haben ein verdammt spießiges und antiquiertes Weltbild. Wenn Sie glauben, die Welt sei noch so, wie es zu der Zeit war, als die Läden mittags um 12:30 Uhr dichtmachten, um 14:30 Uhr wieder öffneten und um 18:30 Uhr wieder schlossen, dann haben Sie einige signifikante gesellschaftliche Veränderungen nicht mitbekommen.
Wir wissen alle, dass sich die Sektoren, in denen die Menschen beschäftigt sind, drastisch verändert haben – weniger in der Produktion, mehr in der Dienstleistung. In der Produktion geht es morgens um 6 Uhr oder manchmal noch früher los. Versuchen Sie einmal, jemanden aus der Dienstleistungsbranche morgens um 8 Uhr ans Telefon zu bekommen. Sie werden feststellen: Da ist meistens vor 9 Uhr niemand da. Dafür arbeiten die Leute im Dienstleistungsbereich länger. Dann geht es bis 20 Uhr, teilweise auch bis 21 Uhr – in Beratungsfirmen, Banken, Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfungsunter
nehmen usw.
Da hat sich eine ganze Menge verschoben. Das bekommt man mit Ladenöffnungszeiten nicht mehr
abgebildet, wie sie teilweise bei Ihnen und bei den Gewerkschaften diskutiert werden.
Sie haben den ganzen Bereich Internethandel. Wir sprechen seit einer Stunde über dieses Thema, ohne dass jemand darüber gesprochen hat. Das kann man doch nicht ignorieren! Schauen Sie sich mal die Umsätze von Amazon an. Nicht all diese Umsätze kommen aus Amerika, sondern auch hierher. Schauen Sie sich mal die Armada der Kleinlaster an, die morgens die Auslieferungen des Internethandels macht. Da hat sich eine ganze Menge verschoben. Das kann man nicht ignorieren.
Die Leute sind heute gewohnt, dass sie alles zu jeder Zeit bekommen. Das können wir mit einem Gesetz in Nordrhein-Westfalen nicht verhindern.
Wir haben mittlerweile Lebensmittelbringdienste, die gerade von vielen älteren Leuten gerne angenommen werden, die bereit sind, ein paar Euro mehr zu bezahlen, wenn die Tüte vom Real, von Rewe oder von Edeka gebracht wird. Auch das bekommen Sie mit solchen Gesetzen nicht in den Griff. Das halten wir hier, selbst wenn wir es gemeinsam wollten, nicht auf.
Bitte malen Sie nicht das Zerrbild der großen kalten internationalen Konzerne. Das weiß doch jeder von Ihnen besser. Jeder Edeka, jeder Rewe hat eine Betreiberfamilie oder eine Betreiberfirma. Das sind meistens Leute, die vor Ort wohnen, die selbst in den Läden arbeiten und Arbeitgeber sind. Das ist nicht Rewe in Köln oder irgendwo, der zigtausend Verkäuferinnen unter Vertrag hat. Die Verträge haben sie vor Ort. Da steht zwar „Rewe“ und „Edeka“ drauf, aber meistens sind es Familien, die zwei, drei oder maximal vier solcher Läden haben.
Wenn Frau Schneckenburger Bayern als großes Vorbild bemühen muss, weiß ich nicht, wer sich mehr Sorgen machen muss: wir oder Horst Seehofer. Oder wollen Sie ihm jetzt eine Koalition andienen? Den bemühen Sie ja sonst auch nicht so gern als Vorbild. Da müssen Sie schon bessere Argumente finden.
Sie sind auf dem Weg zu einer Bevormundung. Wir sehen, dass sich jetzt ein Bild aus mehreren Mosaiksteinchen zusammensetzt. Die letzten Flecken, wo Raucher noch ungestraft nicht in die Kälte müssen, wollen Sie ihnen wegnehmen. Ich bin kein Raucher, aber ich finde das, was Sie vorhaben, nicht unbedingt nötig.
Sie wollen vorschreiben, wann die Läden auf- und zuzumachen haben. Am Ende wollen Sie uns noch das Fleischessen vermiesen. Als Sohn einer Fleischerin kann ich damit am allerwenigsten leben, dass Sie hier eine Gemüsediktatur machen wollen. Lassen Sie das einfach bleiben. Die Menschen lassen sich heute solche Dinge nicht mehr vorschrei
ben. Das will keiner, und dafür haben die Leute Sie nicht gewählt.
Noch einmal zum Sonntag: Sie glauben immer, Sie hätten die stärksten Argumente. – Aber Sie haben da die schwächsten Argumente. Ein Blick ins Gesetz – das haben wir schon im ersten Semester gelernt – erleichtert die Rechtsfindung. Maximal viermal im Jahr – längst nicht alle Städte schöpfen das aus. Das wissen Sie doch auch. Wir wissen, warum das so ist. Denn längst nicht jeder Sonntag, an dem einfach nur die Tür aufgesperrt wird, bringt die Kosten wieder herein. Wo man traditionelle Veranstaltungen wie Bauernmärkte oder Ähnliches hat, funktioniert das. Wenn Sie einfach nur aufsperren, funktioniert gar nichts. Deswegen gibt es gar nicht überall vier.
Dann steht im Gesetz „ab 13 Uhr“, damit die Gottesdienstzeit in jedem Fall geschützt wird. Das darf man nicht ignorieren, sonst kämpft man hier gegen Regeln, die es gar nicht gibt.
Dann wird immer gesagt: In Köln gibt es dutzendweise offene Sonntage. Ich komme aus dem Kreis Borken und vergleiche das. Wenn Sie von Rodenkirchen bis nach Bocklemünd fahren, fahren Sie in der Regel genauso lange, wenn Sie auf der Autobahn nicht in einen Stau kommen, wie von Bocholt nach Ahaus oder von Borken nach Gronau bei mir im Kreis Borken.
Dann wollen Sie sagen: Das darf alles nicht sein? – Das sind völlig unterschiedliche Lebenswelten. Als ob sich jemand in Bocklemünd ins Auto setzt und dann nach Rodenkirchen knattert, um am Sonntag dort einzukaufen? – Das entspricht nicht der Realität.
Die Verkäuferin, die es da offensichtlich irgendwo gibt, die von Sonntag zu Sonntag irgendwo durch Köln gejagt wird, die immer sonntags arbeiten muss und die man jetzt schützen muss, haben Sie hier auch noch nicht eingeführt. Die gibt es in Wahrheit nicht.
Wen stört es in Bocholt, wenn in Ahaus verkaufsoffener Sonntag ist? Das stört keinen Menschen. Und die paar Leute, die dahin fahren? – Herrgott, dann lasst sie doch fahren! Dann ist es eben so. Das bisschen Freiheit halten wir alle miteinander noch aus. Sie entscheiden selbst, ob sie sich an einem Sonntag den Einkaufsstress auch noch machen oder ob sie lieber in Ruhe durch den Wald spazieren gehen.
Meine Damen, meine Herren, wir haben von Herrn Eiskirch den flammenden Appell gehört, all den Änderungsbedarf doch zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben ihn zur Kenntnis genommen. Ich habe schon im Spätsommer letzten Jahres im Wirtschaftsausschuss angeboten, darüber zu reden. Da hatte Frau
Schneckenburger den Evaluationsbericht noch nicht gelesen, der zu dem Zeitpunkt acht Wochen vorlag.
Wir können uns auch noch ein bisschen mehr Zeit lassen; das ist überhaupt kein Problem. Aber Sie werden am Ende die widerstreitenden Änderungswünsche überhaupt nicht unter einen Hut bekommen. Denn die Kirchen haben Änderungsbedarf angemeldet. – Einverstanden. Das nehme ich zur Kenntnis, und das nehme ich ernst. Die Handwerker und die Einzelhändler ebenfalls. Aber es ist jeweils ein ganz anderer Änderungsbedarf. Sie wollen etwas ganz anderes.
Sie ziehen alle am gleichen Strick, bloß nicht in die gleiche Richtung. Deswegen bin ich ziemlich sicher, dass Sie am Ende kein Gesetz hinbekommen würden, wenn Sie eines vorlegen, das den Ausgleich besser als das alte hinbekommt.
Und dann können Sie es besser so lassen, wie es ist.
Herr Stinka spricht vom Sortiment der Hofläden und lässt sich dafür in den landwirtschaftlichen Wochenblättern feiern. Es sei Ihnen gegönnt, Herr Stinka. Ich bin mal gespannt, wie man das hinbekommt. Herr Eiskirch hat eben gesagt, man müsse bei den Sortimenten aufpassen. Da gebe es Ungerechtigkeiten. – Das sehe ich auch. Das sieht jeder, der nicht total blind ist. Aber wenn man gleichzeitig anbietet, bei den Hofläden müsse das Sortiment mal ausgeweitet werden, damit der, der Spargel kauft, auch die Kartoffeln, die Butter und die Sauce hollandaise gleich mitnehmen kann, dann passt das, was Sie da erzählen, aus meiner Sicht nicht zusammen.
Insofern haben Sie unter sich noch eine Menge Klärungsbedarf. Ich finde allerdings: Wenn man Richtung Frühjahr und Sommerpause marschiert, sollten Sie zu Potte kommen und den Menschen sagen, was los ist.
Vielen Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wir werden uns mit freudiger Erwartung auf das stürzen, was Sie da in nächster Zeit vorlegen werden. – Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank. Nach der ganzen Aufregung, die Sie da gerade inszeniert haben, tut es Ihnen vielleicht mal ganz gut, einen Schluck Wasser zu trinken.
Stimmen Sie mir zu, dass es Aufgabe, Recht und Pflicht der Kommunen ist, über die Zahl und den Zuschnitt der Regionen die verkaufsoffenen Sonntage betreffend zu befinden? Stimmen Sie mir weiter zu, dass das im Falle von Köln eine rot-grüne Stadtratsmehrheit macht?
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich gerade, in welcher Zuständigkeit Herr Remmel soeben gesprochen hat.
Die Atomaufsicht liegt bei Herrn Voigtsberger. Im Aufsichtsrat in Jülich sitzt Frau Schulze. Es scheint offensichtlich noch eine geheime Arbeitsteilung in der Regierung zu geben: Wenn es um Empörung geht, ist immer Herr Remmel zuständig.
Herr Remmel, Sie haben richtigerweise gesagt: Das Parlament ist heute für die Willensbildung zuständig. – Das ist wahr. Ich habe den Eindruck, dass wir da ein Stückchen weitergekommen sind. Sie wollen keine Transporte. Sie wollen, dass das Zeug weiterhin in Jülich bleibt. Einverstanden!
Aber wenn man regiert, dann muss aus Willen auch Handeln werden. Deswegen frage ich: Was haben Sie, Herr Voigtsberger, nach dem 2. Februar denn getan, damit aus diesem noch einmal deutlich gewordenen Willen denn auch Handeln werden kann? In Wahrheit haben Sie nichts getan, die Transporte zu verhindern.
Herr Stinka hat heute Morgen in seinem ersten Beitrag schon deutlich gemacht, um was es Ihnen bei dieser Debatte wirklich geht. Auch der Antrag von SPD und Grünen nennt den Bundesumweltminister und Landesvorsitzenden der CDU schon mit Namen, und Herr Stinka hat dann angefangen, irgendwelche Wortkreationen neu zu schöpfen. Ihnen geht es darum, Ihr eigenes Nichtstun am Ende jemand anderem quasi als Schelle um den Hals zu hängen und daraus noch ein parteipolitisches Süppchen zu kochen.
Die Grünen fangen schon an, mit Landesvorstandsbeschlüssen zu mobilisieren. Im Kreis Viersen hat Frau Maaßen, die Kollegin hier im Hause, erklärt, sie wolle demnächst auch mit ihren Parteifreunden demonstrieren. Sie hat das auch schon vor Ort umgesetzt und philosophiert über konkrete Trassenführungen und darüber, über welchen Kreisverkehr das alles nachher laufen soll. Sie hätten das alles in drei
Aufsichtsratssitzungen seit dem Regierungswechsel verhindern können. Sie haben nichts getan. Deswegen finden am Ende diese Transporte ins Münsterland statt, weil Sie fahrlässig, grobfahrlässig zwei Züge haben aufeinander zurollen lassen und heute in Empörung machen.
Herr Voigtsberger, Sie haben uns am 2. Februar dieses Jahres einen, wie Sie selber sagen, ambitionierten Plan vorgestellt und sagten da etwas kess:
Ich denke, das können wir einhalten, auch wenn Herr Röttgen sagt, das entspreche nicht seiner Lebenserfahrung. Vielleicht können wir ihm daher einmal eine andere Erfahrung beschweren, dass wir so ein Verfahren durchaus optimal durchziehen können.
Dabei ging es darum – halten Sie mal Ihren Schnabel da! –, ein Verfahren durchzuziehen, dass die Lagerung in Jülich weiter bestehen kann. Wer so auf die Sahne haut, Herr Minister, der muss am Ende eben auch etwas tun. Sie sagten dann, es sei ein Gutachter tätig, der Gutachter sei bereits beauftragt und würde bis September dieses Jahres – so sagen Sie laut Plenarprotokoll – ein Gutachten vorlegen. Wo ist das Gutachten?
Es ist bis heute nicht da. Nach meiner Kenntnis ist es nicht einmal entgegen dem, was Sie gesagt haben, im Februar in Auftrag gegeben gewesen.
Ich halte Sie, Herr Voigtsberger, für einen redlichen Mann. Aber wann immer Ihre Kabinettskollegen Schulze und Remmel die Chance wittern, mit Atompolitik Ängste hier im Land schüren zu können, sitzen Sie nur noch auf der Zuschauerbank. Und das sollten Sie sich eigentlich nicht gefallen lassen.
Weil sich Herr Sagel eben besonders kundig gezeigt hat, als er sagte, die Lager seien doch alle gleich: In Jülich werden die Behälter exakt mitten im Forschungszentrum gelagert.
Und dann sagen Sie, Ahaus sei doch nur eine münsterländische Scheune. Sie sind doch oft genug dagewesen und oft genug verhaftet worden. Sie müssten das doch eigentlich kennen.
Darum herum ist ein gesicherter Doppelzaun, da ist eine Freifläche, wo man auch sehen kann, wer auf die Anlage einwirken will, nämlich solche Leute wie Sie. Das ist kein Vergleich. Ich als Münsterländer habe an dieser Debatte über die Transporte keinen
Spaß. Kein Münsterländer hat Freude an dieser Debatte. Das ist völlig klar.
Aber am meisten nerven uns Rabatzkameraden wie Sie, Herr Sagel,
und diejenigen, die vor der Kulisse Ihrer Aufforderung und der Aufforderungen der Grünen Gewalt gegen Polizisten und andere ausüben. Das ist unser größtes Problem. Ohne den von Ihnen initiierten Rabatz würden die Transporte nicht 60 Millionen € kosten, wie der Innenminister, Herr Jäger, zu Recht beklagt. Das alles wäre nicht nötig, wenn Sie nicht ständig zu Rabatz aufrufen würden.
Sie alle wissen, dass die Transporte unvermeidbar sind. Sie haben die Zeit, das zu verhindern, verstreichen lassen. Und Sie wollen es jetzt parteipolitisch jemand anderem in die Schuhe schieben. Aber Ihre Verantwortung klebt Ihnen an der Sohle wie Kaugummi.
Da meine Redezeit beendet ist, komme ich zum Schluss.
Herr Markert, Sie haben eben gesagt, ein rechtsfreier Zustand sei auch ein rechtssicherer Zustand. Darüber, was das heißt, muss ich als Jurist, ehrlich gesagt, einige Minuten nachdenken. So etwas habe ich noch nie gehört.
Sie wollen uns über das Demonstrationsrecht belehren. Niemand hat hier das Demonstrationsrecht infrage gestellt. Aber es ist schon merkwürdig, wenn Teile der Regierung zu Demonstrationen und Protesten aufrufen …
… und andere Teile nachher die Kosten dieser Proteste beklagen. – Vielen herzlichen Dank.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst ein Zitat aus § 2 der RAG-Stiftungssatzung. Darin geht es um den Zweck der Satzung. Am Ende von Absatz a wird zum Zweck ausgeführt: „… die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur in den Bergbauregionen an Ruhr und Saar, soweit dies im Zusammenhang mit dem deutschen Steinkohlenbergbau steht; …“.
Anlass unserer heutigen Debatte ist ein Interview des Vorsitzenden der SPD-Fraktion, des Kollegen Norbert Römer, vom 04.11. in der „Rheinischen Post“, in dem jedenfalls zumindest der Eindruck erweckt wird, dass dieser Zusammenhang in Zukunft aufgelöst werden soll. Das riecht, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ganz verdächtig danach, als wolle Rot-Grün in die alten Fehler der eigenen Vergangenheit zurückfallen, in der man mit der WestLB
und anderen versucht hat, im Land flächendeckend mit Milliarden Strukturpolitik zu machen. Als das Geld langsam zur Neige ging, ist man – insbesondere zu Zeiten von Herrn Clement – auf eine Leuchtturmpolitik umgeschwenkt, für die nur symbolisch der Skandal HDO steht.
Meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus dem Münsterland, aus einer Region, in der wir Anfang der 80er-Jahre nach der Textilkrise 20 % Arbeitslosigkeit hatten. Man darf nun wirklich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber es gibt etwas, was die Situation von damals mit der heutigen Situation, was diesen einen Punkt anbelangt, durchaus vergleichbar macht. Es gab damals in meiner Heimatregion in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der Ernährungsindustrie bzw. Ernährungswirtschaft das, was wir heute flächendeckend sehen, nämlich einen Fachkräftemangel. Viele der arbeitslos gewordenen Textilarbeiter kamen in teilweise sogar besser bezahlten Jobs gut unter.
Die Aufgabe in unserer Zeit besteht deshalb darin, dafür zu sorgen, dass wir dem Fachkräftemangel durch Weiterbildung, bessere Schulen, Wissenschaft und Universitäten begegnen, um damit dem immer schneller werdenden Wandel in der Beschäftigungsstruktur Rechnung zu tragen. Das ist Aufgabe des Landes bzw. verschiedener Politikfelder. Sie müssen da adäquat handeln. Wenn ich mir beispielsweise Wissenschaft/Innovationen anschaue, wird offensichtlich, dass Sie Ihr Versprechen nicht eingehalten haben, die ausfallenden Studiengebühren auszugleichen. Sie suchen jetzt offensichtlich nach ganz anderen Töpfen, um diese Versprechen einzulösen.
Wir haben jetzt anderthalb Jahre Wirtschaftspolitik dieser Regierung erlebt. Es wäre, finde ich, einmal an der Zeit, die Frage zu beantworten, was eigentlich die wirtschaftspolitische Leitlinie dieser Landesregierung ist. Wo gibt es einen Masterplan oder einen Initiativenkatalog usw.? Die gleiche Frage muss man nicht nur an den Wirtschaftsminister richten, sondern auch, was ihren Fachbereich angeht, an Frau Schulze. Ich fürchte, dass selbst den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen und in der Regierung aufgefallen ist, dass diese Fragen bisher unbeantwortet geblieben sind. Man hat den Eindruck, dass Sie jetzt in Anbetracht dieser Lücke auf die alten Rezepte zurückgreifen wollen.
Aufgabe der RAG-Stiftung ist es aber, Treuhänderin für die öffentliche Hand zu sein, um die öffentlichen Haushalte von den Ewigkeitslasten des Bergbaus freizustellen.
Das heißt, wer heute nach den Mitteln der RAGStiftung greift, wer ihr heute Mittel entzieht, der belastet die öffentliche Hand in der Zukunft, was nichts
anderes ist als die Fortsetzung Ihrer Verschuldungspolitik mit anderen Mitteln.
Die RAG-Stiftung hat bis heute einen ganz hervorragenden Job gemacht, und wir sollten alle dankbar dafür sein, dass sie ihn so unprätentiös, unauffällig und auch unpolitisch gemacht hat.
Schauen wir uns einmal die Zahlen an: Knapp anderthalb Milliarden Euro wurden über die Veräußerung von 25,01 % Evonik-Anteil erwirtschaftet. 2018 sind noch 1,5 Milliarden € von der RAG AG zu erwarten. Das sind knapp 3 Milliarden €. Mit Zinsen kommt man vielleicht auf etwas mehr als 3 Milliarden €. Der Bedarf allerdings liegt bei 8,4 Milliarden €. Da ist also noch eine ganz erhebliche Lücke zu schließen. Wird diese Lücke nicht geschlossen, kann man aus den Kapitalerträgen der prognostizierten 8,4 Milliarden €, die es dann ja nicht sind, die Ewigkeitslasten nicht bestreiten, und man fängt an, die bis dahin aufgehäufte Substanz Stück für Stück aufzuzehren, was uns am Ende auf die Füße fallen wird.
Der geplante Börsengang im Sommer 2012, wenn ich es richtig sehe, findet in einem Umfeld statt, das ich Ihnen nicht beschreiben muss. Wenn man die Kapitalmärkte mit volatil beschreibt, ist man, glaube ich, nicht ganz daneben.
Wer in dieser Lage, die nicht wirklich übermäßig komfortabel ist, Geld aus dem Topf nehmen will, das noch nicht einmal drin ist, handelt schlicht unverantwortlich. Deshalb mein Appell und deshalb unser Antrag: Gefährden Sie nicht den sozialverträglichen Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle! Gefährden Sie nicht die Tragfähigkeit eines historischen Kompromisses! Gefährden Sie nicht die verlässliche Perspektive für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien und die verlässliche Perspektive für die Region! Widerstehen Sie der Versuchung, in alte Zeiten eines Friedel Neuber zurückzufallen! Stellen Sie etwaige Planungen ein, die RAGStiftung als Ersatz für eine mäßige Wirtschaftspolitik aufzubohren. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich bin noch ganz gerührt. Vielen Dank.
Wenn Sie der Geldanlage in der Realwirtschaft das Wort reden, erlaube ich mir die Frage, ob Sie schon konkrete Pläne haben, an welchen Firmen sich die RAG-Stiftung nach Ihren oder den Plänen von Herrn Römer beteiligen soll.
Vielen herzlichen Dank. – Ich habe zum vorliegenden „Stotko-Papier“ eine Frage. War Ihr Ministerium in die Erarbeitung dieses Papiers eingebunden, oder war das ein Alleingang des Abgeordneten Stotko?
Herr Minister, Sie haben jetzt mehrfach gesagt, dass Sie das Papier von Herrn Stotko, das erste Konsenspapier, nicht kennen oder nicht kennen wollen – wie auch immer. Am 1. Dezember ist von der SPD-Fraktion ein Konsenspapier verschickt worden. Können Sie ausschließen, dass an dem von Herrn Stotko präsentierten Papier Beschäftigte Ihres Hauses mitgearbeitet haben?
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die duale Ausbildung wird von uns allen – auch von denen, die jetzt nicht zuhören – über alle Maßen geschätzt.
Sie ist ein wesentlicher Baustein und Grundlage für den guten Klang von „Made in Germany“ überall in der Welt. Sie ist Voraussetzung für Innovation und Spitzenleistung im deutschen Handwerk. Sie sichert, dass auch kleine und kleinste Betriebe ausbilden können und die Auszubildenden trotzdem ein breites Wissensspektrum vermittelt bekommen.
In NRW werden in den HandwerkskammerBildungszentren in jedem Jahr 300.000 Personen – vom Auszubildenden bis zum Betriebsinhaber – aus- und weitergebildet. Wenn wir uns überlegen, dass das allein der Staat bezahlen müsste, können wir alle erahnen, was auf uns zukäme.
Dieser Bedeutung wird die Mittelausstattung allerdings nicht ausreichend gerecht. Das Land zahlt jedes Jahr für einen Azubi 170 €, für einen Berufsschüler 2.000 € und für einen Studenten über 6.500 €.
Das Handwerk selbst hat allein in den letzten fünf Jahren über 70.000 € für die HandwerkskammerBildungszentren und für ihre Infrastruktur in die Hand genommen. Im Haushalt des Arbeitsministers stehen dafür gerade einmal 2 Millionen €. Selbst wenn öffentliche Förderung fließt, ist das Handwerk immer mit den üblichen Eigenbeteiligungen bis zu 35 % dabei.
Es ist richtig, diese Einrichtungen auch baulich in Schuss zu halten, sie vor allen Dingen aber energetisch nicht abzukoppeln. Auch beim Handwerk und seinen Einrichtungen darf es keinen Sanierungsstau geben. Da besteht also Bedarf, der bisher nicht ausreichend gedeckt wird.
Wir wissen aber auch, dass der Abfluss der Ziel-2Mittel äußerst schleppend erfolgt. Manches Projekt, das durch die Jurys grünes Licht bekommt, ist am Ende doch nicht förderfähig oder wird aus anderen Gründen nicht realisiert. Deshalb können wir getrost den Kreis der Förderberechtigten in NordrheinWestfalen um die Bildungszentren des Handwerks erweitern. Das nimmt niemandem etwas und hilft an einer Stelle, an der es nötig ist und am Ende gute Früchte tragen wird.
Nun stellt sich noch die Frage, ob das geht und ob das rechtlich möglich ist. Die Regeln für Nordrhein
Westfalen sind nicht anders als für BadenWürttemberg, Bayern und Bremen. In diesen drei Bundesländern, die unterschiedliche Regierungen haben, war es nicht nur gewollt, sondern auch möglich. Dort wurde bewiesen, dass es wie in unserem Antrag gefordert funktioniert.
Deswegen sollte es auch dieser Landesregierung möglich sein, erfolgreich tätig zu werden. Das wäre im Sinne des Handwerks, im Sinne von Ausbildung und Beschäftigung sowie im Sinne der EFRE-Ziele ein Beitrag zur Strukturverbesserung und Innovation.
Deswegen freue ich mich auf eine konstruktive Debatte. – Vielen Dank.
Verehrtes Präsidium! Verehrte Präsidentin! Herr Minister hat gerade selber gesagt, im Grunde reicht das Geld nicht. Wenn er nicht abgelesen, sondern so gesprochen hätte, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, hätte er es wahrscheinlich noch deutlicher gesagt: Es reicht beim besten Willen nicht. – Deswegen fände ich es in dieser Woche des Friedens, des großen Schulfriedens, besser, wir würden uns hier auf die Sache einigen.
Herr Eiskirch, wenn es Probleme gibt – das habe ich damals vor fünf Jahren von Gisela Walsken gelernt –, dann sind es eben jetzt Ihre Probleme und Herausforderungen.
Man muss ja wenigstens offen sein, zu lernen. Das ist halt so. Dann finde ich es schon ein bisschen bigott, wenn man jetzt sagt, im Grunde wollen wir das zwar auch, aber weil ihr das jetzt fordert, ist das blöd. Schade, dass ihr schneller seid.
Die informellen Gespräche – ich wollte eigentlich nicht davon sprechen, Herr Engstfeld –, die Sie mit Herrn Kollegen Lienenkämper geführt haben, wa
ren ja genau das. Eigentlich wollen Sie das Gleiche. Wenn Sie sagen, wir schaffen das nicht in dieser Förderperiode, dann traue ich Ihrer Regierung mehr zu als Sie.
Und außerdem will ich auf den Antragstext verweisen. Wir wollen, dass die notwendigen Voraussetzungen noch in dieser Periode dafür geschaffen werden. Aber wenn es dann in Brüssel nicht so schnell geht, werde ich der Regierung keinen Vorwurf daraus machen.
Das große Getöse vom Kollegen Eiskirch zeigt im Grunde, wer hier beleidigt ist. Ihr seid ein bisschen beleidigt. Es ist doch keiner mehr da. Es merkt doch keiner, wenn ihr jetzt zustimmt. Es wäre für eine gute Sache.
Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Brems, ich finde es schon fast putzig, wie brav Sie sich bei Ih
rer Regierung für einen Atomausstieg bedanken, der heute in Berlin beschlossen worden ist. Das ist schon einigermaßen witzig.
Entschuldigung?
Wenn Sie einen Zwischenruf machen wollen, können Sie das gerne machen.
Heute ist der Atomausstieg in Berlin beschlossen worden.
Vielen Dank. Sie loben die Bundesregierung. Das soll auch im Protokoll vermerkt werden.
Wenn der Präsident erlaubt, möchte ich gerne den Umweltminister, Herrn Remmel, zitieren, der am 3. Oktober des letzten Jahres auf der Landesversammlung des NABU ausweislich der Internetseite www.umwelt.nrw.de folgenden bemerkenswerten Satz gesagt hat; dabei ging es um den Klimawandel:
„Es steht also alles auf dem Spiel – und ob wir ‚gewinnen‘ oder ‚verlieren‘ – wir gewinnen ‚alles‘ oder wir verlieren ‚alles‘: unsere Schöpfung, unsere Welt, die uns vertraute und anvertraute Natur und unser lebens- und liebenswertes Land Nordrhein-Westfalen.―
Das sind große Worte – ich habe nichts gegen große Worte in der Politik –, vielleicht noch gesprochen in der Annahme – es ging um den Klimawandel –, dass die Bundesregierung an dem von Ihnen beklagten Ausstiegsbeschluss zur Atompolitik der damaligen Zeit festhält. Aber wer so groß spricht, darf jetzt nicht im Klein-Klein ankommen.
Der Antrag der Bundesländer, der, wie in Ihrem Antrag Drucksache 15/2214 steht, maßgeblich auf die Initiative der rot-grünen Landesregierung zurückzuführen ist, mag dem Interesse einiger Bundesländer entsprechen. Ob er in jedem einzelnen Punkt den Interessen des Energielandes Nummer eins und des Industrielandes Nummer eins, NordrheinWestfalen, entspricht, stelle ich infrage.
Sie agieren in Teilen nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – In Punkt drei Ihres Antrags befassen Sie sich mit der Entschädigungsverpflichtung. Gegen wen richtet die sich denn? – Sie richtet sich gegen die Länder, denn die Länder sind aktiv geworden wie beispielsweise Hessen. Sie haben durch Verfügungen, die sie in die Welt gesetzt haben, die Klagen ausgelöst. Ich fand das politisch richtig. Aber warum der nordrhein-westfälische Landtag ein Interesse daran ha
ben soll, dass über den Bund auch nordrheinwestfälische Steuerzahlerinnen und Steuerzahlen ins Haftungsrisiko gehen sollen, sehe ich überhaupt nicht. Das hat die hessische Landesregierung, die ich sympathischer als unsere finde, zu verantworten. Aber warum nordrhein-westfälische Steuerzahler über den Bund dafür haften sollen, kann ich mir nicht erklären.
Zu Punkt vier Ihres Antrags: Man will kein Atomkraftwerk im Stand-by haben, wenn es in den nächsten Wintern einmal eng wird. Gleichzeitig lehnt man den Import von Atomstrom ab, was ich für nur konsequent halte, damit wir uns nicht falsch verstehen. Aber was heißt das? – Dann gehen die alten Kohlekraftwerksreserven wieder ans Netz mit einem erbärmlich schlechten Wirkungsgrad. Das sagt allerdings keiner. Das passt auch nicht zu den großen Worten von Herrn Remmel. Auch dem sollen wir im Interesse des Landes offensichtlich zustimmen.
Dann geht es um Ersatzinvestitionen, die gefördert werden sollen. Gilt das auch für Kohle? Gilt das auch für die Kohlekraftwerkstechnologie, die RWE anbietet: hochflexible Braunkohlekraftwerke, die deutlich effizienter als alles sind, was wir bisher gesehen haben? Die Frage beantworten Sie nicht. Es wäre noch genug Platz auf dem Zettel gewesen, dazu etwas zu schreiben.
Bei der Optimierung und dem Ausbau der Netze auf allen Spannungsebenen wollen Sie mitreden. Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob die Länder wirklich mitreden wollen, ob Sie sich als rot-grüne Minderheitsregierung wirklich einen Gefallen tun, wenn Sie fordern, bei jedem einzelnen Trassenverlauf mitzureden. Die letzte Trasse, die Frau Höhn festgelegt hat, war die CO-Pipeline. Wo das geendet ist, sehen wir. Wenn das am Ende dazu genutzt werden soll, eine Blockadepolitik zu betreiben, werden wir Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Dann kommen Sie zu ein paar teuren Forderungen. Der Bund möge bitte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien forschen. Wenn man das alles möchte, frage ich mich: Wo ist die große Initiative, zu forschen? Ausgaben soll also bitte der Bund tragen. Auch Steuermindereinnahmen sollen bitte durch den Bund getragen werden. Wenn aber Einnahmen durch den Energie- und Klimafonds reinkommen, sollen sie bitte auf die Länder verteilt werden. Ich frage mich wirklich, für was Sie sich hier gegenseitig loben. Wenn alle Lasten am Ende beim Bund landen sollen, ist es der Atomausstieg des Bundes, der auch vom Bund bezahlt wird, und nicht der Ausstieg Ihrer Regierung.
Manches ist schon überholt wie die Forderung, kleine und mittelständische Unternehmen zu unterstützen. Es ist erstmals eine Mittelstandsentlastung von der EEG-Umlage beschlossen worden. Sie wird kommen. Rot-Grün hat mit den Großkonzernen gedealt, als Sie Ihren sogenannten Atomausstieg ge
macht haben. Die christlich-liberale Bundesregierung tut etwas für den Mittelstand.
Zwischenfazit zum rot-grünen Antrag: Manches hilft anderen Ländern, aber Nordrhein-Westfalen nicht. Manches passt nicht zusammen. Manches ist heute schon überholt. Als Sie das veröffentlicht haben, mag das noch spannend gewesen sein. Heute, insbesondere nach dem Ausstiegsbeschluss, ist das ziemlich kalter Kaffee.
Der FDP-Antrag lenkt den Blick auf spannendere Fragen. Heute kommt die Regierung vielleicht noch mit der Haltung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass― durch. Aber in den nächsten Monaten werden eine ganze Menge Konflikte auf uns zukommen. Es wird jede Menge Konflikte geben, die uns auch eine ganze Zeit lang beschäftigen werden.
Zum ersten Konflikt steht nichts in Ihrem Antrag und nichts im Bundesratsantrag. Was hält die Politik insgesamt, was halten wir, was hält jeder für sich, was halten die verschiedenen Fraktionen und Parteien bezüglich der Energiepreise für Familien für zumutbar? Es wird oft gesagt, dass der Energiepreis der heutigen Zeit wie der Brotpreis der Französischen Revolution werden kann. Machen Sie einmal jeder für sich im Stillen den Test, wie viele elektronische Geräte, wie viele kleine Helfer man schon braucht, bis man sich morgens ins Auto oder in den Zug setzt, um nach Düsseldorf zu fahren. Mit weniger als einem halben Dutzend werden Sie fast nicht auskommen. Sie können sich nass rasieren, dann ist es ein Gerät weniger. Energie ist heute kein Luxusgut mehr, sondern völlig normale Lebensgrundlage. Das war vor 40, 50 Jahren anders. Dazu sagen Sie nichts. Welchen Preis Sie für zumutbar halten, sagen Sie nicht.
Zum Preis für die Wirtschaft sagen Sie etwas – zugestanden.
Aber wenn man dann, Kollege Eiskirch, zwei Absätze Ihrer Rede direkt hintereinander hört – ich habe zugehört –, dann wird deutlich, dass Sie noch mehr Onshore-Förderung wollen.
Nein, bitte nicht so schnell kürzen, einverstanden. Das bedeutet aber auf lange Sicht mehr Förderung, mehr Kosten. Dann kann man nicht im nächsten Absatz beklagen, dass die Preise steigen.
Ich bin sowieso nicht ganz sicher, was jetzt die Linie dieser Landesregierung ist. Die ersten Monate war das Verhältnis zur Wirtschaft ja etwas tapsig. Jetzt hören wir andere Töne. Von wichtigen Beratern unterstützt wird jetzt eine Initiative gestartet, sich an die Wirtschaft heranzurobben. Auch in dieser Debatte hört man das jetzt.
Warum wir uns dann noch über eine rechtswidrige Wassersteuer Gedanken machen müssen, die die Kohleförderung belastet – auf Initiative der Linken –, weiß ich nicht. Das kostet RWE jedes Jahr 20 Milli
onen €. Das kommt nachher alles auf den Strompreis obendrauf.
Warum wir uns dann noch über ein rechtswidriges Klimaschutzgesetz Gedanken machen müssen, weiß ich auch nicht. Ich habe den Eindruck, da ist die Gesamtlinie innerhalb dieser Regierung noch nicht ganz klar.
Zweiter Konflikt, der kommen wird: Teller oder Tank? In meiner Heimat im Kreis Borken …
Das ist bei euch auch nicht viel anders. Da können Sie ruhig zuhören. Das ist in der Tat eine Region, in der das etwas deutlicher zutage tritt als noch in anderen Regionen. Dort haben wir mittlerweile Pachtpreise von 1.600 € pro Hektar pro Jahr landwirtschaftlicher Nutzfläche.
Ein moderner landwirtschaftlicher Betrieb, der Schweineveredelung macht, der also aus kleinen Ferkeln saubere Schnitzelchen macht, der kann mitgehen. – Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber mir sagen die Leute, die Ahnung davon haben: so bis zu 800 €, dann ist irgendwann Schluss.
Das heißt, wir haben heute schon einen Verdrängungswettbewerb zwischen Energieerzeugung und Lebensmittelerzeugung. Das kann man nicht mehr leugnen. Das Ende der Fahnenstange ist da längst erreicht.
Ich höre von dieser Landesregierung zu diesem Konflikt nichts. Klären Sie da einmal Ihre Linie. Immer mehr wird es ohne neue Konflikte nicht geben.
Dritter Konflikt: Welche Beeinträchtigung der Lebensqualität wollen wir den Menschen zumuten? Sie sagen, 2 % der Landesfläche sollen für Windkraft gebraucht werden. Das sind 68.000 ha – wir haben es mehrfach vorgerechnet –, 170 ha pro Stadt und Gemeinde. Ich kenne Ihre Initiativen nicht, hier – was weiß ich – in Oberkassel auf der anderen Rheinseite etwas zu machen. Es wird wahrscheinlich irgendwo anders stattfinden müssen und nicht dort, wo die Grünen ihre Hauptwählerschaft haben. Windräder an den Autobahnen, Windräder auf den Bergkämmen der Mittelgebirge, Windräder im Wald – ich kann mir das alles schwer vorstellen.
Wir können über Vieles reden, aber dann müssen wir einmal eine Grundlage für diese Diskussion haben. Wo ist der Windkrafterlass? Wo ist Ihre Linie bei dem Thema?
Oder nehmen wir das Thema „unkonventionelles Erdgas―, das mir persönlich am Herzen liegt. Wer es unter der Rettung der Welt, verehrter Herr Umweltminister, nicht mehr tut, der muss mehr schaffen als ein Moratorium, wo das zuständige Unternehmen
sagt: Davon wissen wir nichts. – Auch da fehlt in dieser Regierung die klare Linie.
Für die Energiewende muss in Deutschland Großes geleistet werden. Die Welt traut uns das zu. Wenn man einmal das Vergnügen hat, mit Ausländern zu sprechen, die sich um solche Fragen kümmern, dann fragen die manchmal mit süffisantem Lächeln: Was macht ihr denn da? Aber die allermeisten reagieren doch mit großer Zuversicht in deutsche Beharrlichkeit und deutsche Ingenieurskunst. Aber dazu müssen alle Parteien bei allen Konflikten ein Stück weit zurück von ihren alten Forderungen.
Eben wurde vom „großartigen― Herrn Sagel – mit Ironie muss man immer aufpassen –, vom Kollegen Sagel dann gesagt, die Energiewende sei populistisch und hätte etwas mit Umfragen zu tun. Ich glaube, dass man es, wenn man sieht, was in Fukushima passiert ist, jedem Menschen zugestehen muss, dass er sich eine andere Position erarbeitet. Das war sicherlich für manchen in der CDU ein weiter Weg. Das brauche ich gar nicht zu verheimlichen. Das haben Sie alle mitgekriegt.
Aber vielleicht müssen Sie jetzt an der Stelle auch einmal den einen oder anderen Schritt tun. Sie können nicht mehr bei Ihrer alten Dagegen-Politik bleiben. Das gilt für die Grünen und auch für Teile der Sozialdemokratie.
Ich wage die Prognose: Sie werden versuchen, in den nächsten Wochen den Atomausstieg für sich zu reklamieren. Sie werden sich dann bei allen folgenden Konfliktthemen sauber in die Büsche drücken. Der Antrag von SPD und Grünen ist ein erster Hinweis darauf. Er endet mit dem Verweis auf eine angeblich klare Linie der Landesregierung. Die ist weder in der Energie- noch in der Wirtschaftspolitik erkennbar. So werden Sie nicht mehr sehr lange weitermachen können. Das geht heute noch. Von der Debatte wird eh nicht viel in den Zeitungen stehen. Aber ich bin gespannt auf den Moment, in dem Sie sich den Konflikten nicht länger entziehen können. Dann werden wir Sie an Ihren großen Worten messen. – Vielen Dank.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Und wieder Datteln!“ möchte man fast sagen.
Gleich wird Herr Eiskirch wieder versuchen, der christlich-liberalen Vorgängerregierung den
Schwarzen Peter für den Stillstand in dieser Sache in die Schuhe zu schieben.
Herr Priggen wird zitiert, E.ON sei höchst arrogant und die Planer sogar dusselig.
Ich muss Ihnen klar sagen: Mir wäre es natürlich auch lieber gewesen, Datteln wäre schon in der Vorgängerregierung planungssicher und rechtssicher durchgelaufen. Mir wäre es auch lieber gewesen, die Richter hätten den Paradigmenwechsel an einem anderen Beispiel vollzogen. Nur, all das Gejammer nützt ja nichts. Heute liegt der Ball so was von klar bei Rot-Grün, dass all das Schimpfen am Ende auf die zurückfällt, die es vortragen und nur bezeugen, dass der Wille nicht da ist.
Rot-Grün im RVR hat sich einen Gutachter ausgesucht: Herrn Dr. Kment. Dieser rot-grüne Gutachter sagt jetzt: Datteln ist möglich – mit oder auch ohne Zielabweichungsverfahren. – Das heißt wohl im Klartext – das stellt man fest, wenn man all das, was dazu verfügbar ist, nachliest –: Es wird eine Änderung des GEP im Ruhrgebiet geben. Dann wird ein Antrag auf ein Zielabweichungsverfahren an die Landesregierung gestellt. Spätestens dann liegt der Ball im Verfahren auch bei Ihnen.
Herr Priggen, Sie werden aus der gestrigen Haushaltsdebatte in der „Recklinghäuser Zeitung“ zitiert – ich muss auf solche Zitate zurückgreifen, weil ich es selbst nicht mitgeschrieben habe –: Wir werden kein Gesetz hinbiegen, um zulasten der Bevölkerung zu verändern, was planerisch falsch gemacht worden ist. – Das ist Ihre Aussage. Sie nicken und bestätigen das. Dann frage ich mich: Was denn jetzt? Die Grünen im RVR machen gängig, was Sie nicht gängig machen wollen. Die Grünen im RVR wollen mit der SPD gemeinsam eine saubere, neue Rechtsgrundlage schaffen, und die Grünen in Düsseldorf nennen das „hinbiegen“ und sagen Nein. Für mich riecht das nach Ärger. Da besteht offensichtlich noch Gesprächsbedarf – in welchem Wohnzimmer auch immer.
Insgesamt stecken die Grünen jetzt in einer Falle, in die sie offensichtlich in den nächsten Monaten noch häufiger zu geraten drohen. Herr Priggen sagt Nein, Herr Trittin sagt Nein – in den letzten Tagen noch einmal erneuert bei Phoenix –, und am Ende müssen sie auf der Grundlage von Recht und Gesetz unter Umständen anders entscheiden.
Herr Rüße hat gestern bei der Rede von Herrn Laumann dazwischengerufen – ich finde Zwischenrufe immer gut, das belebt die Debatte, deswegen: nichts dagegen –, es liefe nach Recht und Gesetz. – Ja, eben! Was denn jetzt? Sie werden ein Stück weit Opfer Ihrer Dagegen-Politik, so wie bei Stuttgart 21, bei der Unterstützung des Protestes gegen die Stromtrassen oder bei der Unterstützung des Protestes beispielsweise gegen Pumpspeicher.
Sie von den Grünen konnten immer solange dagegen sein, wie garantiert war, dass sich die Bundesregierung in Berlin der Kritik stellt und die Kernkraft als Brückentechnologie nutzt. Nach Fukushima ist
jetzt klar, dass die Brücke zu den Regenerativen andere Pfeiler braucht – nur eben auch Kohle. So ist das manchmal, wenn Wünsche in Erfüllung gehen. Die Grünen sind derzeit Projektionsfläche für viel Unvereinbares. Wenn Sie glaubwürdig bleiben wollen, dann nutzen Sie die Debatte über den beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft, um Ihren Leuten zu sagen, dass an Datteln kein Weg vorbeigeht. Machen Sie sich da ehrlich, denn jetzt liegt der Ball ganz klar bei Ihnen. – Vielen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Not der Regierung muss groß sein – aber offensichtlich auch die der Fraktionen; denn gleich kommt Herr Schultheis, Ihre intellektuelle Speerspitze.
Im Ausschuss wurde gestern geschwurbelt, was das Zeug hält:
historische Abhandlungen, fast zurück bis zu den Römischen Verträgen. Im Sport würde man das „Zeitspiel“ nennen. Dieses peinliche Manöver hatte nur einen Sinn, nämlich die sehr berechtigten, sehr ernsthaften Fragen von den Ministern möglichst weit wegzuhalten.
Sie konnten mit diesen peinlichen Tricks nicht verhindern, dass die entscheidenden Punkte heute glasklar auf dem Tisch liegen: Am Mittwoch, dem 9. März, wurde der Entwurf einer Antwort auf die Anfrage des Kollegen Markert an das Forschungszentrum Jülich zur Abstimmung geschickt. Bis zum Nachmittag des Donnerstag, 10. März, wurde gemeinsam an den Formulierungen gearbeitet.
Das Ergebnis der Abstimmung zwischen dem Wissenschaftsministerium des Landes Nordrhein
Westfalen und dem Kernforschungszentrum Jülich war ein einvernehmlicher Entwurf mit einer vollständigen und richtigen Darstellung über die Lagerung des kompletten Bestandes radioaktiven Materials in Jülich. Damit wäre die Frage des Kollegen Markert sauber beantwortet gewesen.
Aber in diesen Tagen – das vergisst man aus dem heutigen Blickwinkel vielleicht zu schnell – gab es ein Thema in der Landespolitik, das uns alle gemeinsam und auch die politischen Beobachter elektrisiert hat: Neuwahlen. Es gab die Haushaltsklatsche vor dem Landesverfassungsgericht. Eine
selbstbewusste Opposition forderte Konsequenzen. Und für die CDU war klar: Bei Neuwahlen fordert Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen die Ministerpräsidentin heraus.
An dem Wochenende hatte die CDU einen erfolgreichen Parteitag. Und Sie waren offensichtlich genauso wie jetzt, Frau Löhrmann, nervös, denn es war kräftig Sand im Getriebe. – Das ist das zeitliche Umfeld der jetzt in Rede stehenden Vorkommnisse.
Am Freitag, 11. März, passierte dann die Katastrophe in Japan: Tausende Tote, Hunderttausende ohne Obdach und die beginnende atomare Katastrophe in Fukushima. An dem folgenden Wochenende, 12. und 13. März, wurden die Nachrichten über die atomare Katastrophe fast stündlich schlimmer. Irgendwann zu Beginn der neuen Woche – Montag oder Dienstag – ist dann in Ihrem Hause etwas passiert, Frau Schulze. Denn am Dienstag, dem 15. März, erreichte das Wirtschaftsministerium zur Abstimmung ein Antwortentwurf, der mit den korrekten Darstellungen aus der Vorwoche nichts mehr zu tun hatte. Im Gegenteil: Von dem Moment an wurden die Aussagen irreführend und falsch.
In den Tagen zwischen dem 10. und dem 15. März dieses Jahres hat irgendjemand das Richtige bewusst in etwas Falsches verwandelt.
Auf dieser Grundlage wurde mit dem Thema dann auch Kampagne gemacht. Am 3. April zitiert dpa Herrn Remmel, der Vorgang sei alarmierend, und es werde munter über hoch radioaktiven Atommüll in der Asse spekuliert. – Frau Schulze postet am 4. April sogar in ihrem persönlichen Facebook-Profil zu dem Vorgang – und das, obwohl sie es hätte besser wissen können und besser wissen müssen.
Denn noch bevor Sie, Frau Ministerin Schulze, am Montag, dem 4. April, nach Hannover zur Messe gefahren sind, hat das Forschungszentrum Jülich Sie vorab über eine Pressemitteilung informiert. Ich zitiere aus dieser Pressemitteilung aus Jülich vom 4. April:
„Der Gesamtbestand des in Jülich eingelagerten Kernbrennstoffs inklusive der zerbrochenen und einzementierten Kugeln ist bis auf das Milligramm genau dokumentiert.“
Trotzdem, obwohl Sie das schon vorab wussten, gaben Sie am Rande des Besuchs der Hannover Messe eine Pressemitteilung heraus.
Ich zitiere auch aus dieser Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums vom 4. April: „Aktuell
besteht Unsicherheit über den Verbleib eines Teils der Kugeln.“
In wörtlicher Rede, Frau Ministerin, sprechen Sie von Hinweisen, dass Material liege in der Asse.
Diese Hinweise gab es nicht! Alles, was in Niedersachsen dazu von der dortigen Landesregierung als Zulieferung für den Untersuchungsausschuss geschrieben ist, alles, was der Parlamentarische Staatssekretär Rachel dazu Herrn Krischer schreibt und ihm unlängst noch mündlich im Bundestag antwortet, gibt nicht den geringsten Anlass für die Vermutung, in Jülich sei der Bestand unklar oder in der Asse sei hoch radioaktives Material aus Jülich gelandet.
Jetzt auf Rachel zu verweisen ist eine reine Schutzbehauptung und nicht mehr.
Es gab, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den 60er- und 70er-Jahren Einlagerungen aus Jülich in der Asse – offiziell genehmigt, klar dokumentiert –: schwach- und mittelstark strahlendes Material, darunter zwei Fässer mit Kugeln. Dabei handelt es sich um mittel radioaktive Abfälle, nicht – wie Herr Remmel am 3. April spekuliert – um hoch radioaktive Abfälle.
All das war der Landesregierung, die die Atomaufsicht führt, immer bekannt und ist unlängst im Bundestag noch einmal klipp und klar erklärt worden. Die Atomaufsicht der Landesregierung bekommt genauso wie Euratom monatlich einen Bericht über den Kernbrennstoffbestand in Jülich. Über diese Bestandsmeldung hat es zwischen dem Kernforschungszentrum und der Landesregierung bisher kein einziges Mal Dissens gegeben. Euratom kommt mehrmals jährlich zu Kontrollen nach Jülich und bestätigt mit stetiger Regelmäßigkeit die Korrektheit der Angaben. Es war zu jedem Zeitpunkt klar, was da Sache ist.
Aber nach Fukushima und vor möglichen Neuwahlen wollten Sie das alles nicht wissen.
Sie wollten die Atompolitik der Bundesregierung und den Bundesumweltminister und CDU
Landesvorsitzenden Norbert Röttgen persönlich diskreditieren.
Genau das ist zwischen dem 10. März und dem 15. März dieses Jahres bei Ihnen im Ministerium passiert, Frau Schulze.
Ein Wort zur Atomaufsicht. Die Regierung sagt, der Verbleib möglicherweise hoch radioaktiven Materials sei unklar. Herr Markert spricht von einer „schmutzigen Bombe“. – Heute können wir alle das einigermaßen entspannt diskutieren. Aber stellen wir uns mal gemeinsam vor, an diesen Spekulationen sei irgendetwas dran gewesen,
es wäre wirklich hoch radioaktives Material nicht da, wo es hingehört – und im für die Atomaufsicht zuständigen Wirtschaftsministerium wird eine solche Befürchtung vom Abteilungsleiter abgezeichnet und nicht dem Minister vorgelegt.
Der Minister wusste davon nicht!
Jeder Mensch in Nordrhein-Westfalen erwartet, dass die zuständige Atomaufsicht weiß, was los ist. Sie wusste es nicht.
Es wurden wilde Befürchtungen in die Welt gesetzt.
Herr Minister, Sie sind dafür da, dafür zu sorgen, dass die Menschen keine Angst haben. Das Gegenteil ist passiert: Sie haben den Menschen Angst gemacht.
Dass Sie gestern Veränderungen angekündigt haben ist richtig, aber auch bitter nötig.
Ein Wort zur Staatskanzlei. Hätte die Staatskanzlei die Kleine Anfrage richtig zugewiesen, nämlich an die Atomaufsicht – also das Wirtschaftsministerium –, hätte mit einem einfachen Blick in die monatlich aktualisierten Akten in zehn Minuten klar sein können, dass kein Milligramm radioaktiven Materials verschwunden ist. Aber mit der Zuweisung an das Wissenschaftsressort nahm das Verhängnis seinen Lauf. Warum diese Zuweisung falsch erfolgt ist, will ich nicht spekulieren. Am Ende ist aber sogar die verheerende Antwort aus der Staatskanzlei mitgezeichnet worden.
Heute steht fest: Alle Informationen waren zu jeder Zeit da. Aber Sie wollten sie nicht sehen.
Sie wollten die Menschen verunsichern. Und der Verdacht liegt nahe, dass Sie auf dem Rücken der Opfer in Japan genau das mit dem Ziel gemacht haben, Norbert Röttgen zu diskreditieren.
Das ist pietätlos, verantwortungslos und skrupellos, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Eine solche Ministerin schadet dem Ansehen unseres Landes. Setzen Sie dem ein Ende! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man über die Wirtschaftspolitik dieses Landes spricht, muss man in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen haben, dass die Wirtschaftspolitik der Landesregierung die Grundlage für die Behauptung legen soll, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört sei: Zuerst wird das Wirtschaftsressort um die Landesplanung erleichtert, mit dem Klimaschutzgesetz macht dem Wirtschaftsminister dann der Umweltminister schon allein die Mitsprache streitig. Die Grundsatzfragen der Energiepolitik musste das Wirtschaftsministerium direkt an Herrn Remmel abgeben. Die Atomaufsicht ist dem Wirtschaftsministerium geblieben – was Sie daraus machen, haben wir in den letzten Tagen lebhaft erfahren.
Das Wirtschaftsressort ist gefleddert und nur noch ein Schatten seiner selbst. Schon ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt hagelt es kritische bis vernichtende Stellungnahmen. Birger Heuser, Landesvorsitzender des Verbandes „ASU – Die Familienunternehmer“, äußert sich schon zum Ende des vergangenen Jahres in der „Bild-Zeitung“ mit dem vernichtenden Fazit: „Die wollen gar nicht mit uns reden, denen ist egal, was die Wirtschaft denkt – Hauptsache wir zahlen unsere Steuern.“ Selbst der Präsident der IHK zu Köln, Bauwens-Adenauer, sah sich beim Neujahrsempfang genötigt festzustellen, dass die Landesregierung in der Verkehrs- und Industriepolitik ohne Richtung sei, und forderte ein klares Bekenntnis zum Industrieland.
Inzwischen, Kollege Eiskirch – das sollten Sie besonders sensibel betrachten – teilen selbst Gewerkschafter die Sorge um die Industriepolitik Ihrer Regierung.
Die Medien berichten darüber, dass nach 18 Uhr keine Ministertermine mehr gemacht werden, dass Terminabsprachen mit der Wirtschaft nicht funktionieren, das Ministerbüro chaotisch sei und die Motivation der Mitarbeiter leide. All das gipfelt in der Spekulation, der Minister sei nur Platzhalter für den Fall, dass es doch noch zu einer Dreierkoalition käme; er sei also ein Minister auf Abruf. All das nennt man wohl einen klassischen Fehlstart.
Die von Herrn Birger Heuser beschriebene Haltung macht sich auch an ganz konkreter Politik fest: KiesEuro, Wasserentnahmeentgelt, Bettensteuer, Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer.