Protokoll der Sitzung vom 17.09.2010

(Zuruf von den GRÜNEN)

Jetzt ist Denken wieder erlaubt. Norbert Röttgen hat eine vorbehaltlose Überprüfung aller Möglichkeiten zugesagt.

Stadtwerke – letzter Punkt.

Erstens. Die Stadtwerke sind verschieden. Herr Kollege Lienenkämper hat es gesagt.

Zweitens. Es gibt übrigens auch Stadtwerke, die Atomenergie betreiben. Die Stadtwerke München werden immer als Beispiel herangezogen. Sie sind an Atomkraftanlagen beteiligt.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Carina Gödecke)

Union und FDP haben sich immer zur Kernenergie bekannt. Wer also argumentiert, der Vertrauensschutz sei verletzt worden, der begeht eine Fehleinschätzung.

Die abgeschöpften Mittel fließen nach derzeitiger Beschlusslage in den allgemeinen Bundeshaushalt. Davon haben die Stadtwerke nicht profitiert. Durch das Gesetz und den Vertrag profitieren jetzt die Stadtwerke und die erneuerbaren Energien.

Drittens. Viele von uns sind auch Kommunalpolitiker. Es kann doch nicht sein, dass wir alle für mehr Wettbewerb sind und dann eine Gruppe – im Zweifel die,

die bei uns über die stärkste Lobby verfügt – in dem Moment, in dem es ihnen nicht mehr passt, sagt: Diese Art von Wettbewerb haben wir nicht gewollt. Wir haben lieber etwas höhere Preise und leben dann ein bisschen besser. – Das muss man einmal in aller Klarheit sagen. Die Stadtwerke möchten höhere Preise für die Wirtschaft und die Verbraucher. Das ist mit uns nicht zu machen. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Als Nächstes hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Stinka das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit dem Märchen des klimafreundlichen Atomstroms aufräume und einen Blick auf den Emissionshandel richte, möchte ich ein paar Anmerkungen zu den gerade gemachten Ausführungen machen.

Ja, der Umbau des Energieversorgungssystems ist eine Kraftanstrengung. Herr Pinkwart, Sie sprechen davon, das rettende Ufer erreichen zu wollen. Ich möchte das rettende Ufer nicht auf einem CastorTransporter erreichen.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte es auf Technologien erreichen, die für unsere Kinder und Enkel sinnvoll sind. Sie behaupten, die Landesregierung werde blind klagen. – Ich traue meiner Ministerpräsidentin zu, dass sie die Augen offen hat. Sie war im Land und weiß, dass die Neuausrichtung im Bereich der Klima- und Umwelttechnik mit dem Fortschrittsmotor Klimaschutz einhergeht. Das ist eine Politik für den Mittelstand und die Menschen mit den niedrigen Strompreisen, von denen Sie gerade gesprochen haben.

(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])

Herr Pinkwart, hören Sie einmal zu.

Sie brauchen bei all dem Vertrauen und Akzeptanz. Das müssen Sie in der gesamten Bevölkerung erreichen. Die Landesregierung traut den Beteiligten – den Mittelständlern, dem virtuellen Kraftwerk in Unna, der Firma Eickhoff in Bochum – diese Innovation zu. Sie nicht. Sie setzen auf früher und auf ein „von gestern“.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Im Rahmen der gestrigen Debatte um die Umweltzone haben wir ganz deutlich gemacht, dass Planungssicherheit auch für Mittelständler das A und O in diesem Politikbereich ist.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Pinkwart, Sie waren bei der Klimadebatte damals nicht dabei. Um die Menschen mitzunehmen,

haben SPD und Grüne eine Klimaschutzstrategie mit realistischen Zielen entwickelt. Ihre 33 % sind durch Ihre Torpedierung der Windkraft, der Biomasse und der Fotovoltaik nie erreicht worden. Sie sind im Jahr 2005 mit dem Ziel gestartet, 33 % CO2 einzusparen. Sie sind aus Ihrer Wahlperiode aber mit 8 Millionen t mehr herausgegangen. Das sind die Fakten. Wir sind bei den erneuerbaren Energien im Bundesvergleich auf Platz 12 gelandet,

(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])

weil Sie die Technologien vernachlässigt und Investoren aus dem Land vertrieben haben. Vor dem Hintergrund warne ich davor, sich auf ein epochales und weltweit einzigartiges Energiekonzept zurückzuziehen, Herr Lienenkämper. Das gab es in unserem Land definitiv nicht.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Sie haben deutlich gemacht, dass wir Vertrauen brauchen, und davon gesprochen, Vertrauen würde aufgebaut. Vertrauen wird nicht im Hinterzimmer des Kanzleramtes aufgebaut, sondern in transparenten Prozessen. Das Kanzleramt wird ohne Atomstrom beliefert. Wenn Sie hier auf die vier Glühbirnen hinweisen, frage ich mich wirklich, wo Sie denn sind, Herr Pinkwart.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es wurde gesagt: Wir geben ja Geld für die Sicherheit aus; das kriegen wir alles hin. – Sie müssen ehrlicherweise aber hinzufügen: Wenn die Ausgaben für die Sicherheit ein bestimmtes Maß überschreiten, wird ein Nachlass bei der Forderung nach dem Einsatz erneuerbarer Energien gegeben.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Das ist genau das Gleiche, als würden Sie einem Kfz-Inhaber sagen, rüste deine Bremsen nach Recht und Gesetz nach, dann bekommst du 10 l Benzin gratis. – Das ist nicht dazu angetan, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu schaffen, das wir brauchen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Endlagerfrage ist die Frage, die die Menschen überall im Land umtreibt. Wir müssen diese Frage lösen. Der zuständige Bundestagsausschuss war gestern in Gorleben. Wenn ich der „Süddeutschen Zeitung“ von gestern folgen darf, wurde der Leiter des Bundesamtes für Strahlenschutz auf Wunsch von CDU und FDP ausgeladen. Ich frage mich wirklich, wie weit Sie Ihr Verständnis mit staatlichem Handeln in Einklang bringen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Wir haben auf den Industriestandort NordrheinWestfalen und auf den Emissionshandel hingewiesen. Ihr Entschließungsantrag von heute Morgen

bezieht sich auf den Emissionshandel. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Herr Römer und ich hier vermöbelt wurden, weil wir für den Emissionshandel waren. Sie wollen ihn heute Morgen durch den Entschließungsantrag einführen und die Mittel daraus für regenerative Energien nutzen. Das ist schon eine interessante Wendung.

Wenn man sich das Szenario genau ansieht, dann sind die Laufzeitverlängerung von Kraftwerken und der Emissionshandel wichtige Grundlagen. Sie machen deutlich, dass die Emissionen gleich bleiben, wenn wir die Kraftwerke länger laufen lassen. Sie sind gedeckelt. Das haben Sie damals schon nicht verstanden. Das ist auch heute so. Die Strommenge bleibt gleich.

Die Erneuerung von Kraftwerken, die wir in Nordrhein-Westfalen dringend brauchen, um ein effizientes Klimaschutzziel zu vereinbaren, wird so unterbleiben, weil die alten Hündchen am Netz bleiben. Dabei bleiben wir weiterhin. Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung der Restlaufzeiten gerade mit Blick auf die Erneuerung des Kraftwerkparks in Nordrhein-Westfalen kontraproduktiv.

Schauen wir uns noch einmal die Energieeffizienz an, die Sie hier erwähnen. Zum Anfang Ihrer Legislaturperiode musste die Effizienzagentur personell bluten. Da findet aber die Beratung der Menschen vor Ort statt, damit diese sich effizient verhalten können.

Unsere Antwort ist klar. Die Kanzlerin hat von einer Energierevolution gesprochen. Ich würde sagen, es war ihr persönliches Waterloo, was sie da erreicht hat.

Das kann für Nordrhein-Westfalen nicht unser Ziel sein. Wir wollen den Umbau hin zum Klimaschutz mit den Menschen und mit der Industrie gestalten, damit wir vernünftig und nicht auf einem CastorTransport in die Zukunft gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Brems.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Lienenkämper, Herr Wüst – sie sind auch schon wieder aus dem Saal gegangen.

(Ralf Witzel [FDP]: Hier sitzt er doch in der ersten Reihe! – Rüdiger Sagel [LINKE]: Den übersieht man schon einmal!)

Ach, Herr Lienenkämper, da sitzen Sie! – Herr Pinkwart, bei Ihrem Entschließungsantrag musste ich an Neuseeland denken. Dort gibt es nämlich im Urwald eine Brücke. Und diese Brücke heißt „Bridge to Nowhere“, also Brücke ins Nirgendwo. Sie heißt so, weil vor ihr und hinter ihr keine Straße ist, son

dern nur Urwald. Und diese massive Betonbrücke ist eine Touristenattraktion, weil sie mitten in der Natur unnütz, überflüssig und vollkommen deplatziert erscheint und ohne Erklärung nicht klar ist, wofür sie überhaupt gebraucht wird.

An diese „Bridge to Nowhere“ musste ich denken, weil auch die schwarz-gelbe Brücke in der Kernenergie unnütz, überflüssig und deplatziert und auch nicht erkennbar ist, wofür sie überhaupt gebraucht wird. Die Stromlücke, die Sie immer wieder gern heranziehen, ist nämlich ein ganz schlechtes Märchen.

(Beifall von den GRÜNEN sowie vereinzelt von der SPD)

„Die Menschen und die Unternehmen haben einen Anspruch auf Verlässlichkeit und Planungssicherheit.“ Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, mit dieser Aussage aus Ihrem Entschließungsantrag haben Sie absolut recht. Die Menschen in Deutschland haben sich auf den Atomkonsens ebenso verlassen wie die Unternehmen.