Protokoll der Sitzung vom 02.03.2016

und Kultur bewahren und stärken – Gesetzentwurf zum Kulturgutschutz muss gründlich überarbeitet werden

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/10915

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDPFraktion Frau Kollegin Schmitz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Eine neue im Mai 2014 in Kraft getretene EURichtlinie, aber auch – meine liebe Landesregierung, ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, das zu sagen – …

(Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es mag sein, dass der eine oder andere eine wichtige Besprechung zu führen hat, aber dann tun Sie das bitte außerhalb des Plenarsaals. – Frau Kollegin Schmitz, Sie haben das Wort.

Danke schön. – … die skandalöse Art und Weise, in der die nordrhein-westfälische Landesregierung in den vergangenen Jahren

mit Kunst in öffentlicher Hand umgegangen ist, sind Anlass für eine grundlegende Neuordnung des Kulturgutschutzes in Deutschland.

Auch der Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2013, der die Erfahrungen in den Ländern wiedergegeben und dem Kulturgutschutz ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat, zeigt dringenden Handlungsbedarf auf.

Der im Sommer 2015 durch die Bundesregierung lancierte verfrühte und unausgegorene Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts wurde von der gesamten Kulturszene zu Recht scharf kritisiert. Zwar sind die Ziele, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens als Grundlage für die Initiative genannt werden, durchaus anerkennenswert; sie werden mit den geplanten Maßnahmen und Vorschriften jedoch nicht erreicht werden.

Durch die pauschale Verdächtigung und Einschränkung von Tausenden rechtschaffenden Künstlern, Sammlern oder Händlern wird kein nachhaltiger Beitrag zum Kulturgutschutz geleistet. Dafür drohen die im Gesetzentwurf vorgesehenen Eingriffe in Eigentumsrechte, die bürokratischen Verfahren und realitätsfernen Vorgaben, dem Museumsstandort

Deutschland, dem Kunsthandel, dem kulturellen Austausch mit anderen Ländern sowie vielen Sammlern massiv zu schaden.

Dass die genannten Betroffenen ihre Bedenken sehr lautstark und geballt formuliert haben, überrascht offenbar auch die zuständige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Dafür spricht, dass sie relativ rasch eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfes versprochen hat. Ein schwerer kulturpolitischer Schaden, eine massive Verunsicherung der Kunstszene sowie ein enormer Vertrauensverlust waren mit diesem Schnellschuss allerdings bereits eingetreten.

Ohnehin gelingt es auch dem dann im vergangenen November von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf nicht, die Verunsicherung zu beseitigen und weiteren Schaden vom Kunst- und Kulturstandort abzuwenden, denn der Gesetzentwurf beinhaltet nach wie vor enorme Schwächen. So stellt er Sammler oder Händler von Kunst weiterhin genauso unter Generalverdacht wie private Sammler von wissenschaftlichen und historischen Gegenständen.

Ebenfalls fehlen eine klare Definition von national bedeutendem Kulturgut sowie eindeutige und transparente Kriterien, wann und wie ein Werk als national bedeutsam eingestuft werden kann. Das ist jedoch dringend nötig; denn Künstler, Eigentümer, Sammler und Händler müssen wissen können, welche Werke und Gegenstände überhaupt von den Regelungen umfasst sind und welche nicht. In diesem Zusammenhang müssen Definitionen, Abgrenzungen und Kriterien für Gegenstände bzw. Sammlungen entwickelt werden, die vorrangig von wissenschaftlichem

oder historischem Wert sind. Dass die am Strand gesammelte Muschelschale oder Fossilien einen anderen Stellenwert haben müssen als die Münze aus Pergamon oder „Der Turm der blauen Pferde“, sollte eigentlich auf der Hand liegen.

Als FDP-Fraktion sind wir außerdem der Ansicht, dass ein echter und effizienter Kulturgutschutz, der die Interessen der Allgemeinheit und der Einzelnen fair abwägt, ein Entschädigungsregime bedingt. Eingriffe in das Eigentumsrecht auf der Grundlage eines transparenten Kulturgutschutzrechts können begründet sein.

Wir unterstützen also das Anliegen der Gemeinschaft, sogenanntes national bedeutsames Kulturgut zu definieren, zu identifizieren und zu schützen. Gleichzeitig sind wir jedoch der Ansicht, dass ein Staat, der etwas für so bedeutend hält, dass besondere Regeln dafür vorgesehen werden und sogar in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht eingegriffen werden kann, auch die entsprechende Verantwortung dafür übernehmen muss.

Das heißt, es muss die Bereitschaft vorhanden sein, sich dieses Anliegen auch etwas kosten zu lassen. Eine Kostenlos-Mentalität beim Staat darf es nicht geben.

(Andreas Bialas [SPD]: Hört, hört!)

Deshalb muss ein transparentes Entschädigungsverfahren für national bedeutsames Kulturgut geschaffen werden.

Mit großer Sorge haben wir die Anmerkungen des Bundesrates zum Gesetzentwurf zur Kenntnis genommen. Dass scheinbar auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen den ohnehin problematischen Entwurf noch einmal erheblich verschärfen will, ist bedenklich.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit!

Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident. – Es kann aus kulturpolitischer Sicht nicht unser Wunsch sein, das vorgesehene Sachverständigengremium zur Begutachtung von potenziellem national bedeutsamem Kulturgut zu entmachten und diese sensiblen und bedeutenden Fragen der Kulturbürokratie zu überlassen.

Jetzt ist die Redezeit aber um!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich muss jetzt zum Ende kommen.

(Heiterkeit)

Ich werbe deshalb für den Antrag der FDPFraktion. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Bialas.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kulturgutschutz ist nichts Neues. Es geht um die Wahrung des kulturellen Erbes. Es geht um den Schutz gegen die Abwanderung nationalen Kulturgutes. Es geht aber auch darum, dass keine Märkte bestehen für Kunst, die aus Diebstählen stammt, ebenso wenig, um Terrorregime zu finanzieren.

Es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, an der sich bereits 24 von 28 EU-Staaten beteiligt haben. Insoweit ist es auch eine Anpassung an internationales Recht. Darüber hinaus ist es eine Zusammenfassung verschiedener Rechte, die bisher in drei Gesetzen normiert waren. Schließlich ist es weder eine Reaktion auf die Beckmann-Verkäufe in 2007 noch auf die Warhol-Verkäufe.

Die erste Vorlage des Gesetzentwurfs ist schon längere Zeit in der Welt, und insbesondere darin fanden sich viele diskussionswürdige Punkte. Diese wurden auch umfangreich diskutiert: in öffentlichen Veranstaltungen, in den Verbänden und auch in Fachzeitschriften. Wessen Stimme ich dabei nicht gehört habe, war die der FDP.

Danach gab es eine zweite Vorlage, erschienen am 15. September 2015. Das war der Gesetzentwurf des Bundes. Am 17. September 2015 habe ich im Ausschuss eine Anhörung zum Gesetzentwurf angeregt. Die Reaktion der CDU darauf war: Es handelt sich um ein Bundesgesetz; wir müssen die föderalen Ebenen beachten und sollten uns daher nicht so stark damit beschäftigen.

Ich finde es übrigens hochinteressant, dass die Diskussion in eine Auseinandersetzung über föderale Strukturen mündete. Die Ministerin hat in anderer Form ebenfalls Kritik geübt, indem sie fragte, wie es sein könne, dass eine Bundesgesetzgebung letztendlich derartig in Landesrecht eingreifen könne. Die Einzigen, die dieses Thema angesprochen haben, waren allerdings SPD und CDU. Von der FDP habe ich auch dazu nichts gehört.

Es kam dann nicht zu der Anhörung. Daher habe ich die Landesregierung darum gebeten, in der nächsten Ausschusssitzung darüber zu berichten, wie denn der Sachstand gewesen sei. Am 19. November 2015 wurde diesbezüglich seitens der Ministerin umfangreich dargestellt, wie das Land Nordrhein-Westfalen zum Gesetzentwurf steht und welche Kritikpunkte es anzubringen hat. Da ging es vor allen Dingen um die

Prüfungsfristen und die Eingriffsbefugnisse des Bundes; es ging auch um die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben und die damit verbundenen Kosten. Auch da – das darf ich Ihnen sagen – habe ich die Stimme der FDP nicht vernommen.

Es kam dann am 18. Dezember 2015 zur Beratung im Bundesrat. Zu diesem Zeitpunkt haben Sie die erste Pressemitteilung herausgegeben. Jetzt liegt uns ein Antrag vor, und dazu kann ich Ihnen sagen: Herzlichen Glückwunsch! Die gesamte bisherige Debatte haben Sie im Grunde genommen komplett verschlafen.

Wir werden den Antrag selbstverständlich überweisen. Wir werden dann selbstverständlich auch noch über einzelne Punkte sprechen. Allerdings – auch das kann ich Ihnen sagen – stellen die Punkte in Ihrem Antrag inhaltlich schlicht und ergreifend den alten Stand der ersten Gesetzesnovelle dar.

In Ihren Punkten wollen Sie immer Dinge skandalisieren, die längst geklärt sind. Des Weiteren haben Sie stets den falschen Eindruck, dass viele Leute sehr betroffen seien. So betroffen sind die aber gar nicht. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang mitteilen, dass der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler sich schon sehr frühzeitig zu dieser Thematik geäußert hat, und zwar dahin gehend, dass er vor einer überhitzten Debatte warne und Sachlichkeit anmahne.

Auch die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass sie mit der neuen Novelle noch nicht vollends glücklich ist. Wir sind es auch nicht. Wir haben noch einige Punkte, die uns der Kulturrat dankenswerterweise mit an die Hand gegeben hat. Darüber werden wir reden, und wir werden schauen, wie wir diese Punkte noch in die Verhandlungen einbringen können.

Selbstverständlich überweisen wir den Antrag. Aber jetzt hier so zu tun, als würde das Kulturgut durch die FDP gerettet werden, ist – ich hatte es eben schon gesagt – nicht richtig; das ist, gelinde gesagt, nur eine späte Reaktion auf eine verschlafene Debatte. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Solf.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe FDP, ich habe durchaus Verständnis für eine Partei, die versucht, über die Landesparlamente Einfluss zu nehmen, weil sie im Bundestag nicht mehr vertreten ist. Aber jetzt schießen Sie doch gewaltig über das Ziel hinaus. Wenn Sie in Ihrem Antrag davon sprechen, dass der Gesetzentwurf – ich zitiere – faktisch einen großen

kulturpolitischen Flurschaden anrichte, dann beschleicht jedenfalls mich so ein bisschen das Gefühl, dass Sie hier eher Klientelpolitik betreiben, als tatsächlich den Schutz unseres kulturellen Erbes im Blick zu haben.

Auch ich referiere ganz kurz die Fakten. Um den Schutz des Kulturgutes umfassend zu stärken und um besser gegen den illegalen Handel mit Kulturgut vorzugehen, will die Bundesregierung die bisher bestehenden Gesetze im Bereich des Kulturgutschutzes in einem neuen einheitlichen Gesetz zusammenführen und darin auch neues EU-Recht, nämlich die Rückgaberichtlinie von Mai 2014, umsetzen. Darüber hinaus soll die Umsetzung der UNESCOKonvention von 1970 verbessert und deutsches Recht an internationale Standards angepasst werden.

Ein- und Ausfuhrregelungen sollen die Sorgfaltspflichten beim Erwerb von Kulturgut stärken. Sie wissen: die Verhinderung von Handel mit archäologischen Raubgrabungsstücken ist ein gewaltiges Thema.

Im Bundeskabinett ist der Gesetzentwurf am 4. November 2015 beschlossen worden. Mitte Dezember 2015 nahm dann der Bundesrat zur geplanten Neuregelung Stellung. In ihrer Gegenäußerung wiederum stimmte die Bundesregierung – vor drei Wochen war es, glaube ich – einzelnen Vorschlägen zu. Andere Punkte sollten im weiteren parlamentarischen Verfahren noch geprüft werden. – So weit die Faktenlage.

Nun komme ich zur Begleitmusik. Es hat mich schon sehr erstaunt, was für eine Resonanz der Gesetzentwurf im feuilletonistischen Blätterwald und bei den verschiedensten Interessenten gefunden hat. Da war die Rede vom „gläsernen Bürger“, wenn er denn Kunst besitzt, und von massenweiser „kalter Enteignung“. Sogar die „Zerstörung des deutschen Kunstmarktes“ wurde beschworen.

Wenn solche Parolen im Spiel sind, werde ich immer ganz vorsichtig; denn offensichtlich sind hier massive Einzelinteressen berührt, denen gegenüber ich gerne sagen möchte: Es wird gewiss nicht alles so heiß gegessen, wie es nach Ihrer Behauptung gekocht wird.