Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

(Widerspruch von der CDU)

Ich komme zurück auf die Delikte. Warum beunruhigen uns Taschendiebstähle und Wohnungseinbrüche derart?

Ich beginne bei den Taschendiebstählen. Bei den Taschendiebstählen entscheiden sich die Täter meistens für Opfer, bei denen das unmittelbare Entdeckungsrisiko minimiert ist. Daher geraten häufig ältere Menschen in den Fokus. Bei ihnen ist der finanzielle Schaden meist ärgerlich; noch ärgerlicher sind jedoch die damit verbundenen Wege zur Neubeschaffung der Papiere.

Das Schlimmste aber ist, dass sich ältere Menschen eine Mitschuld insoweit geben, als sie glauben, sie hätten das Ganze verhindern können, wenn sie nur jünger gewesen wären. Sie fühlen sich in ihrem Alter und in ihrer zunehmenden Hilflosigkeit angegriffen und insofern ausgeliefert. Sie fühlen sich schwach und ziehen sich zum Teil aus dem öffentlichen Leben zurück. Sie gehen nicht mehr an Orte, wo sie möglicherweise bestohlen werden können. Es ist der Diebstahl der Lebensqualität, der hier in der Regel am schwersten wiegt.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Daher ist es wichtig, neben konsequenter Strafverfolgung und Kriminalitätsbekämpfung die Aufklärung, das Gespräch und auch den Hinweis auf Selbstschutz besonders in den Fokus zu nehmen.

Bei den Wohnungseinbrüchen geht das Ganze sogar noch ein Stück weiter. Hier geht es in der Regel nicht zuerst um den Verlust der finanziellen Werte; das wirkt zusätzlich bedrückend, das kommt hinzu. Betroffen ist vor allem das zutiefst verletzende Gefühl, dass in den unmittelbar intimen Lebens- und vor allem in den als sicher identifizierten Wohnbereich eingedrungen wurde.

Auch hier gilt neben konsequenter Strafverfolgung und Kriminalitätsbekämpfung, dass Beratungen zum Schutz erfolgen müssen; denn zum Glück bleiben über 43 % der Wohnungseinbrüche mittlerweile im Versuchsstadium stecken – auch weil die Täter kein Interesse daran haben, entdeckt zu werden und diesen Begegnungen daher aus dem Weg gehen.

Die Redezeit ist überschritten!

Es wurden und werden zahlreiche Maßnahmen ergriffen: Die Projekte „Riegel vor!“ und MOTIV, Auswerteverbünde, grenzübergreifende Zusammenarbeit, Schwerpunktbereiche und

Vernetzungen von Behörden. Weitere Redner werden darauf noch eingehen. – Ich darf mich herzlich bedanken.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Biesenbach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist die bekannteste und auch wichtigste Kriminalstatistik in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen war es in den letzten Jahren guter Brauch, dass der Landesinnenminister die PKS im Rahmen einer rechtzeitig angekündigten Pressekonferenz veröffentlicht und sich anschließend den Rückfragen der Journalisten stellt. Aber trotz der Vorfälle in Köln hat der Innenminister in diesem Jahr einen anderen Weg gewählt. Er hat schlicht gekniffen.

(Beifall von der CDU)

Er hat einen Termin gewählt, an dem er keine Rückfragen gestattete. Er hat nachmittags um 16:11 Uhr, zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten Redaktionen ihre Tagesarbeit schon beendet haben, eine Pressemitteilung versandt, in der er einzelne Zahlen veröffentlichte – ohne Erklärung und ohne Gelegenheit zu Rückfragen.

Er hat einen Termin an einem Nachmittag gewählt, wo am nächsten Tag der Innenausschuss tagte. Diesem war damit die Möglichkeit abgeschnitten, fristwahrend eine Aktuelle Viertelstunde zu diesem Thema einzuberufen. Herr Jäger, lassen Sie sich das deutlich sagen: Das, was Sie da veranstaltet haben, ist eines Innenministers unseres Landes unwürdig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber Sie hatten ja einen Grund: Die Zahlen – der Kollege Lürbke hat hier die meisten schon erwähnt – dokumentieren nicht nur Ihr persönliches Totalversagen, sondern auch das Totalversagen der gesamten rot-grünen Landesregierung im Bereich der inneren Sicherheit.

(Beifall von der CDU)

Lieber Herr Kollege Bialas, wenn Sie meinen, es gebe keine länderspezifischen Besonderheiten, sollten Sie vielleicht mal ein Stückchen gründlicher recherchieren. Nordrhein-Westfalen nimmt einmal mehr die Spitze ein, nämlich bei der mageren Aufklärungsquote, und zwar die Spitze am Ende der Statistik! Wir sind das Flächenland, das erneut – wie in vielen Jahren vorher – den letzten Platz bei der Kriminalitätsbekämpfung einnimmt. Nicht einmal die Hälfte aller Taten bei uns wird aufgeklärt.

Sie haben Bayern und Baden-Württemberg genannt. Dort liegt die Aufklärungsquote im Vergleich zu unserer Aufklärungsquote immerhin um 50 % höher. Nach diesen Zahlen sollten wir uns richten, nicht nach Ihren Beschwichtigungsversuchen.

(Beifall von der CDU)

Tatsächlich ist die Gesamtzahl der hier registrierten Straftaten auf 1,52 Millionen angestiegen. So viele Straftaten – weil Sie doch vergleichen wollen – gab es in Nordrhein-Westfalen nicht mehr, seitdem die rot-grüne Regierung Steinbrück im Jahr 2005 abgewählt worden ist. Dazwischen waren die Zahlen besser.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich gehe noch einmal kurz auf den Ländervergleich ein. In Nordrhein-Westfalen verzeichnen wir eine viertel Million Straftaten mehr als in Bayern und in Baden-Württemberg zusammen, obwohl in Bayern und Baden-Württemberg zusammen rund 5,7 Millionen Menschen mehr wohnen als bei uns. Das ist die Bilanz in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was ist das denn für ein Vergleich?)

Nehmen wir eine weitere Zahl; die Zahlen sprechen doch für sich. Wenn Sie die Fallzahlen ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl setzen, dann stellen Sie fest: Das Risiko, in Nordrhein-Westfalen Opfer einer Straftat zu werden, ist 1,5 Mal so hoch wie in Baden-Württemberg und 1,7 Mal so hoch wie in Bayern. Das sind die Fakten. Über die sollten wir heute reden. Dem müssen Sie sich schlicht stellen.

(Beifall von der CDU)

Ihre Bilanz, Herr Jäger, ist doch deutlich. Wiederholen wir, weil sie so schön passt, die Zahl der Wohnungseinbrüche, die wir schon mal gehört haben: In Ihrer Amtszeit hat sich die Zahl der Wohnungseinbrüche um fast 40 % erhöht.

Ich zitiere die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“:

„Ein Anstieg um fast 40 % … lässt nicht mehr viel politischen … Spielraum.“

Recht hat sie. In Nordrhein-Westfalen wird nur einer von 100 Wohnungseinbrechern zu einer Haftstrafe verurteilt. Das habe ich immer so genannt und nenne es auch heute so: Das ist das Eldorado für Kriminelle. Dagegen haben Sie weiß Gott wenig unternommen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Zeitungen machen es deutlich. Die „Rheinische Post“ spricht davon:

„Ein Landeskonzept mit … Regelungen fehlt …

Es ist ein Versäumnis, das eines so wichtigen Ministeriums nicht würdig ist und auch einfach nicht

passieren darf. Denn die Panne vermittelt den Eindruck, dass bei den Sicherheitsbehörden die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut.“

Die „Neue Rheinzeitung“ schreibt:

„Etwas hilflos appelliert Minister Jäger an die Bürger, ihre vier Wände selbst besser zu schützen.“

Das ist nicht der Weg. Es ist die originäre Aufgabe des Staates, für unsere Sicherheit zu sorgen.

Deshalb heißt es im „Westfalen-Blatt“ vom 10. März 2016:

„Peinlich auch, dass Jäger wieder einmal ausländische Banden als Täter ausgemacht hat, die schlecht zu fassen sein sollen. Dabei hat Jägers eigenes Landeskriminalamt herausgefunden,

dass die meisten Einbrecher vor Ort leben.

Dieses Land hat kein wirksames Konzept. Leider.“

Da kann man der Zeitung nur zustimmen – leider.

(Beifall von der CDU)

Wir haben weiter gehört – Herr Lürbke hat es angesprochen –: Was machen wir in der Situation? Die Menschen sollen sich mehr schützen, dann gehen wir präventiv vor: mehr Vorsorge, mehr Sicherheit.

Wenn Sie das wollen, taucht die nächste Frage auf: Wie wollen Sie den Menschen das Konzept „Einbruchsradar“ schmackhaft machen? Was sollen sie damit machen? Was soll dieses Konzept den Bürgern nützen? Sollen sie sich bewaffnen? Sollen sie ihre Häuser nicht mehr verlassen? Oder sollen sie zweimal abschließen und das Weite suchen, weil es in der Nachbarschaft so unsicher geworden ist? Was wollen Sie damit erreichen?

Der Weg muss ein anderer sein. Den zeigen uns andere Länder. Wir brauchen mehr Polizeibeamte, und wir brauchen wirksame Konzepte. Es reicht nicht aus, unsere Polizeibeamten, unsere Kriminalisten in den Gärten der Häuser, in die eingebrochen worden ist, Gipsabdrücke von den Fußspuren nehmen zu lassen. Das sind Methoden von gestern, und wir haben nicht die Mannschaften.

Wir haben Ihnen deutlich gemacht, wie unsere Konzepte aussehen. Die Ministerpräsidentin hat einige in ihr 15-Punkte-Programm übernommen. Übernehmen Sie doch alles! Dann sind Sie auf dem richtigen Weg, und Ihre Statistik würde sich ein Stückchen ändern.