Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Gut!)

Sie haben zu einem Teil halb recht. Natürlich hat der letzte, der abgelehnte Haushaltsentwurf zu Neuwahlen geführt. Wenn Sie allerdings nicht die von Herrn Minister Jäger eben angesprochene gelöschte Festplatte hätten, hätten Sie ergänzen müssen: Dieser Haushalt 2012 ist auch deswegen historisch, weil er zu einer sehr überzeugenden rotgrünen Mehrheit und zu einer historischen Wahlniederlage der CDU geführt hat.

(Beifall von der SPD und von Mehrdad Mos- tofizadeh [GRÜNE])

Zur Ehrlichkeit gehört, das auch zu sagen.

Zum Zweiten hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen ausdrücklich festgestellt, dass der Zeitplan dieses heute zu beratenden Haushaltsgesetzentwurfs überhaupt und in gar keiner Weise zu beanstanden ist. Wir haben durch die Neuwahlen, die zu dem von Ihnen beklagten Ergebnis geführt haben, keinen anderen Zeitplan einhalten können. Insofern verdrehen sie hier Ihre Argumentation, wenn Sie ein Urteil heranziehen, das mit dem jetzt vorgelegten Haushalt überhaupt nichts zu tun hat.

(Widerspruch von Dr. Marcus Optendrenk [CDU])

Der Verfassungsgerichtshof hat ausdrücklich gesagt, dass der Zeitplan in Ordnung ist.

Die Beratungen dieses Haushaltsentwurfs sind in einer dritten Hinsicht wirklich denkwürdig: Es ist seit langer Zeit der erste Haushaltsentwurf, an den ich mich erinnern kann, bei dem die Opposition – in diesem Fall die CDU – keinen einzigen inhaltlichen

sachlichen Vorschlag zur Veränderung des Haushalts gemacht hat.

(Heiterkeit von der SPD – Dr. Marcus Opten- drenk [CDU] deutet auf ein Schriftstück auf seinem Platz.)

Das ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Deswegen ist dies in der Tat ein denkwürdiger Umstand, den Sie, Herr Kollege Optendrenk, sich hier entgegenhalten lassen müssen.

(Beifall von der SPD)

Wo sind Ihre Vorschläge? Einer zu den Schul- und Studienfonds ist rein technischer Natur. Dazu hatte Ihnen die Regierung ja selbst mitgeteilt, dass trotz Fortschritten im Verfahren kassenwirksam im Jahr 2012 mit einer Vereinnahmung nicht zu rechnen sei.

(Zuruf von der CDU: Das hat Herr Schemmer gesagt!)

Dann nehmen Sie das auf Ihre Kappe und wollen daraus einen Änderungsantrag machen. Wenn das Ihre Kreativleistung ist, tun Sie mir leid. Sie haben im Grunde nur abgeschrieben, was Ihnen der Finanzminister längst übergeben hat.

Was ist denn mit Ihren großspurig angekündigten Vorschlägen zur Wiedereinführung von Studiengebühren? Von Ihrem damaligen Spitzenkandidaten Röttgen wurde das wieder abgeblasen, und jetzt wissen Sie nicht mehr, was Sie machen sollen. Das ist ein völliger Eiertanz.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Auch dazu kein Vorschlag.

Was ist mit Ihren ergänzenden Vorschlägen zum Einstieg in die Elternbeitragsfreiheit von Kindertagesstätten? Auch davon ist nichts zu hören.

Insofern, meine ich, sollten Sie hier Ihren Mund nicht so weit aufreißen, indem Sie Regierung und regierungstragende Fraktionen kritisieren.

(Beifall von der SPD)

Vor allem gilt das, wenn Sie vorhalten, dass Sie die Regierung das eine oder andere Mal zum Verfassungsgerichtshof gebracht haben: In der Tat Nachtragshaushalt 2010, erster von Rot-Grün eingebrachter Haushalt. Das waren ja gar nicht Sie, sondern die Linken, was den Zeitplan angeht, 2012. So oft wie Sie in Münster waren und mit Ihrer damaligen schwarz-gelben Regierung verloren haben: Das wird diese rot-grüne Regierung bei Weitem nicht schaffen, und wenn sie noch so lange regiert. Stammgast in Münster wie Sie werden wir nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Richtung stimmt also. Bereinigt um den Sondereffekt WestLB-Restrukturierung haben wir es hier mit einer Nettoneuverschuldung von 3,6 Milliarden € zu tun. Die Regierung hat angekündigt, die

Schuldenbremse 2020 selbstverständlich in den möglichen Schritten einzuhalten.

Dass die Schritte nur so möglich sind, wie die Regierung sie jetzt in der Mittelfristplanung vorgelegt hat, daran tragen Sie von Schwarz-Gelb ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung. Wenn Sie uns nämlich nicht zum Beispiel die Altlast beim Kinderförderungsgesetz überlassen hätten, und zwar im Umfang von etlichen Hundert Millionen, die Sie – übrigens: das mussten wir vom Verfassungsgericht so feststellen lassen – den Kommunen rechtswidrig entzogen haben, müsste diese Regierung das jetzt nicht korrigieren, wie wir das in den nächsten Tagen tun werden. Das war eigentlich Ihre Pflicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Lasten aus der Phoenix-Garantie – Hunderte Millionen Euro in den nächsten Jahren –, die die Regierung daran hindern, einen noch steileren Abstieg in Richtung der Neuverschuldungsgrenze Null 2020 zu schaffen, sind doch Ihre Altlast. Das ist doch Ihre Verantwortung, die Sie der jetzigen Regierung und den regierungstragenden Fraktionen hinterlassen haben. Deswegen meine ich, ein weiteres Mal sollten Sie den Mund nicht zu voll nehmen.

Insgesamt bringen wir heute drei Änderungsanträge zum Einzelplan 20 bzw. zu einem RessortEinzelplan ein.

Die Schul- und Studienfonds – das habe ich gerade schon angedeutet – sind trotz guter Gespräche eben noch nicht etatreif und kassenwirksam.

Wir gehen davon aus, dass wir die Leistungen an die Kommunen aus dem von der schwarz-gelben Regierung verlorenen Streit vor dem Verfassungsgerichtshof schon im Haushaltsjahr 2012 in einem höheren Umfang auszahlen wollen. Auch dafür stellen wir heute durch einen Antrag die Rahmenbedingungen her.

Wir gehen auch davon aus, dass wir im Länderfinanzausgleich mit Mehreinnahmen rechnen können. Wir wissen noch nicht ganz genau, wie groß die Summe ist. Das werden wir bis zur dritten Lesung wissen und dann mit einer Restsumme auch beantragen. Das kündigen wir jetzt hier und heute schon an.

Was wir aber wissen, ist, Herr Kollege Optendrenk, dass Ihr Vorgänger seinerzeit auch bei dem Thema „Länderfinanzausgleich“ den Mund ziemlich voll genommen hat. Ich darf Sie, da Sie ihm ja nicht nur persönlich, sondern, ich glaube, auch örtlich sehr verbunden sind, bitten, ihm die schönen Grüße von uns zu überbringen. Herr Weisbrich möchte sich gern daran erinnern lassen, dass er in der Plenarsitzung am 21. Dezember 2011 dem Herrn Kollegen Körfges eine Wette angeboten hat, auf die dieser mutigerweise auch eingegangen ist. Der Wetteinsatz bestand in einer Kiste Rotwein. Da Herr Weisbrich die verloren hat und Herr Kollege Körfges sich

hat überreden lassen, die dem Arbeitskreis HFA zu spenden, bitte ich darum, dass Sie ihn um eine besonders gute Kiste Rotwein bitten.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Der Inhalt der Wette bestand schlicht und einfach darin, dass Herr Weisbrich vollmundig hier in den Raum geworfen hatte, die von der Regierung in Ansatz gebrachten Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich seien viel, viel zu hoch angesetzt. Jetzt dürfen wir noch einmal ein paar Hundert Millionen Euro kassieren. Insofern: Grüße an Herrn Weisbrich. Vielen Dank für den Wein. Wir trinken schon jetzt auf ihn und auf Sie. Prost und vielen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Börschel. – Für die FDPFraktion spricht der Abgeordnete Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute bei diesen Haushaltsberatungen wird einmal mehr deutlich: Der Gründungsfehler der rot-grünen Koalition ist der Glaube an das Märchen der vermeintlich guten Schulden. Die Achillesferse dieser Regierung ist ihr Verstoß gegen elementare Grundsätze der generationengerechten Politik.

Ob die bundesweit großzügigsten LPVG

Freistellungen, das Sozialticket, Gratis-Kita oder kostenloses Studium: Rot-Grün serviert das eine Wahlgeschenk auf Pump nach dem nächsten und legt damit den Staat immer weiter an die Ketten unkalkulierbarer Finanzmärkte.

So können Sie sicherlich das grundgesetzlich vorgeschriebene Ziel der Schuldenbremse 2020 nie erreichen.

Dabei, Herr Finanzminister, sind Sie, was die äußeren finanzpolitischen Rahmenbedingungen angeht, eigentlich der Glücksritter dieser Nation. Aber Sie schaffen es eben nicht, diesen Elfmeter auch zu verwandeln, und wollen es in Wahrheit auch gar nicht.

In einer lange andauernden Phase rekordverdächtiger Steuermehreinnahmen und historisch niedriger Zinsen sowie bei der Ausgabenbremse durch die vorläufige Haushaltsführung in diesem Jahr häufen Sie den größten Schuldenberg in der Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens an. Herr Finanzminister, wann und wie, wenn nicht bei diesen Idealbedingungen, wollen Sie den Haushalt denn ansonsten noch so leicht wieder konsolidieren?

(Beifall von der FDP)

Sie sehen in Ihrem Haushaltsentwurf eine Kreditermächtigung von 4,6 Milliarden € vor, 4,6 Milliarden € für neue Schulden. Sie wollen damit den Schulden

berg in fast derselben Größenordnung erhöhen, wie dies auch in den letzten Jahren der Fall gewesen ist. Eine signifikante Rückführung der jährlich zusätzlichen Neuverschuldung ist dabei nicht erkennbar.

Dabei hat sich die Einnahmesituation doch grundlegend geändert. Sie erhalten an Steuern voraussichtlich 6,3 Milliarden € mehr, als dies im Jahr 2010, dem Jahr Ihres Amtsantritts, geplant gewesen ist. Für eine Absenkung der Neuverschuldung bleibt davon aber bei Ihnen fast nichts sichtbar übrig.

In dieser Situation reden Sie, Herr Finanzminister, auch noch von weiteren Steuererhöhungen, von Vermögensabgaben, oder Sie reden Umverteilungsplänen das Wort.

Wir sagen Ihnen als FDP-Landtagsfraktion: Wir haben kein objektives Einnahmeproblem, sondern das gravierende Problem dieser Landesregierung ist mangelnde Haushaltsdisziplin, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)