Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

(Zuruf von den PIRATEN: Vielleicht mal nicht alles mitnehmen dann!)

an den Ausschussberatungen hier teilnimmt.

Das hat auch damit zu tun, dass viele dieser kleinen Gruppen natürlich die Veranlassung sehen, sich in den Reden zu produzieren und ihr Rederecht dort wahrzunehmen. Das führt dazu, dass eine Vielzahl von Punkten viel länger diskutiert wird, als sie vielleicht diskutiert werden müsste, wenn man sich vorher in kleineren Gruppen oder Fraktionen zusammenfinden würde.

Deshalb nochmals meine Bitte: Stimmen Sie heute zu. Ich denke, es ist ein historischer Moment für unser Land. Wir sollten diese Sperrklausel von 2,5 % heute mit breiter Wirkung dieses Landtages ins Land hinausschicken. Das ist ein wichtiges Signal für die Kommunalpolitiker vor Ort, und wir sollten möglichst breit daran mitwirken.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Nettelstroth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Dank von Herrn Kollegen Körfges anschließen und für die sehr seriöse und engagierte Arbeit in den Gremien danken. Wir haben mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, die ausgewertet wurden und eine breite Sachverständigenanhörung. Die Argumente sind in der Tat ausgetauscht worden.

Ich will nur noch auf einen Aspekt hinweisen: Es handelt sich um die Änderung der Verfassung und nicht des einfachgesetzlichen Rechts. Wir machen diese

Verfassungsänderung, weil wir der Auffassung sind, dass die Räte, Kreistage und sonstigen kommunalen Gremien handlungsfähig sein müssen. Handlungsfähig heißt dabei nicht nur, eine Sitzung beendet zu bekommen, sondern die Politik in den Gemeinden zu gestalten und nach vorne zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Mostofizadeh, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche. Herr Kern würde auch Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Nein, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. Wir können das gerne über eine Kurzintervention regeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe deswegen gestern so viel Wert auf das Thema „Vielfalt“ gelegt, weil es keineswegs so ist, dass nur SPD, CDU und Grüne in den Stadträten vertreten sind. Wenn kommunale Initiativen eine Relevanz entwickeln, schaffen sie es sehr wohl in die Stadträte und in die Gemeinderäte, und sie schaffen es sehr wohl, das auch auf Dauer zu sein. Deswegen ist das kein Gegenargument. Es geht um die Relevanz und um die Tragfähigkeit des politischen Konzeptes, das dort vorliegt.

Ich möchte mir für meine Fraktion an dieser Stelle – weil das wahrscheinlich für die weiteren Beratungen wichtig sein wird – ausdrücklich die juristischen Einschätzungen, die Kollege Körfges vorgetragen hat, zu eigen machen. Außerdem möchte ich mich dem anschließen, was Herr Kollege Nettelstroth gesagt hat. Darüber hinaus verweise ich ausdrücklich auf die ausführlichen Ausführungen im Hauptausschuss.

Ich möchte noch auf einen Nebenaspekt hinweisen – die Verfassungsgerichte gehen darauf immer gerne ein –, und das ist die Frage: Wie viele Stimmen fallen durch die verschiedenen Sperrklauseln oder Wahlsystematiken weg?

Ich kann nur sagen: Bei einem reinen Mehrheitswahlrecht, das ebenso zulässig wäre, würden bereits bis zu 49,9 % der Stimmen wegfallen. Bei einem relativen Mehrheitswahlrecht – wir konnten das in Mannheim bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg beobachten – haben wiederum 22,6 % ausgereicht, um ein Landtagsmandat für den Wahlkreis Mannheim zu erreichen. Darüber sprach hier niemand, dass das eine Bedrohung der kommunalen Parlamente sein könnte, wenn das eingeführt würde.

(Zuruf von den PIRATEN: Mein Gott, so dumm kann man doch nicht sein!)

Nach dem, was wir nachgerechnet und die Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler vorgetragen

haben, führt die faktische Sperrklausel, wie wir sie hier in Nordrhein-Westfalen kennen, zu folgendem Ergebnis – Kollege Nettelstroth hat es eben schon gesagt –: Die Sperrklausel kommt in den allermeisten Gremien überhaupt nicht zur Anwendung, und maximal im einstelligen Bereich wären in den größten Stadträten des Landes unter 4 % der Stimmen weggefallen. Das Hamburger Verfassungsgericht hat ausgeführt, dass bis zu 5,5 % – das war damals eine Entscheidung, die sich auf den konkreten Fall bezog – zu akzeptieren wären.

Ich werbe heute dafür: Stimmen Sie dieser sehr moderaten – ich habe es eben ausgeführt – Sperrklausel von 2,5 % zu. Bei der Frage der Zersplitterung hat es seit 1999 eine massive Zuspitzung gegeben.

Wir wollen das kommunale Ehrenamt stärken, und wir werden in den nächsten Wochen das Ehrenamtspaket durch den Landtag bringen. Deswegen haben wir sehr wohl deutlich gemacht, dass wir uns auch mit den niederschwelligen Punkten auseinandergesetzt haben. Dieser Gesetzentwurf ist die vernünftige Antwort auf die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Ich bitte daher um Zustimmung des gesamten Hohen Hauses. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. Bleiben Sie bitte gleich hier. Herr Kollegen Kern hat eine Kurzintervention angezeigt. – Herr Kollege Kern!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Mosatofizadeh, ich möchte an Sie die gleiche Frage richten wie an den Kollegen Körfges: Können Sie für Ihre Fraktion ausschließen, dass Sie im Nachgang zu diesem Gesetzgebungsverfahren im weiteren Verlauf einen Gesetzentwurf einbringen werden, der dazu dient, die Fraktionsstärke, die für Kommunalparlamente vorgesehen ist, von derzeit 5 % auf dann 2,5 % abzusenken? Das würde dann natürlich dem Ziel,

(Unruhe bei der SPD)

das Sie jetzt hier vortragen, diametral entgegenstehen, weil es zu einer weiteren Zersplitterung beitragen würde. Herr Körfges hat sich um diese Antwort gedrückt, was für mich die Antwort impliziert. Ich bin gespannt, wie Sie die Frage beantworten.

(Zuruf von der SPD)

Herr Kollege Kern, ich werde niemals auf Spekulationen, und seien sie noch so geschickt gestellt – diese war jetzt, zugegebenermaßen, nicht besonders geschickt eingefädelt –, eingehen. Ich für meinen Teil kann nur …

(Beifall von den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das war eine offene Frage, Herr Kollege! Eine einfache, offene Frage!)

Ich antworte so, wie ich möchte, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von den PIRATEN: Eben, das ist ja das Problem!)

Ich werbe für den Gesetzentwurf, und ich werde mich nicht an Spekulationen über andere Punkte beteiligen.

Ich kann Ihnen nur den Hinweis geben – wenn Ihre Kollegen Sie informiert hätten, könnten Sie den Kenntnisstand auch haben –: Wir haben in der letzten und in der aktuellen Ehrenamtskommission weitere Vorschläge für die Verbesserung der Ratsarbeit gemacht. Ich bin kein Freund davon, Zweiklassensysteme oder Mehrklassensysteme in den Kommunalparlamenten einzuführen, sozusagen erst die Menschen reinzulassen und ihnen dann keine Antragsrechte zukommen zu lassen, die Redezeiten zu beschränken und sie nicht an Haushaltsberatungen zu beteiligen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den PIRATEN: Da kriegst du „den Daumen hoch“!)

Deswegen bin ich der Auffassung, dass diese moderate Sperrklausel diese Unwuchten, die ich sehe und die meine Fraktion in dem jetzigen System sieht, genau die richtige Antwort ist, und ich beteilige mich nicht an weiteren Spekulationen.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh.

Bevor ich Herrn Höne für die FDP-Fraktion das Wort erteile, will ich die Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam machen, dass die Piraten soeben gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt beantragt haben.

(Unruhe)

Nachdem das alle zur Kenntnis genommen haben, wird sich die Begeisterungswelle gleich wieder legen, und Herr Höne hat die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hauses.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ergänzend zur gestrigen zweiten Lesung möchte ich heute für die Freien Demokraten drei Punkte in die Debatte einbringen.

(Zuruf von den PIRATEN: Vielleicht erklärst Du jetzt die Enthaltung!)

Erstens. Das kommunale Ehrenamt ist das Fundament unserer Demokratie. Es ist die Aufgabe und die Verantwortung des Landtages, dieses Fundament zu schützen.

Untrennbar damit verbunden ist die Attraktivität des kommunalen Ehrenamtes. Diese ist – das ist bei der Weiterentwicklung in der Ehrenamtskommission schon mit einzelnen Beispielen gemacht worden – unbedingt zu erhalten. Dieser Erhalt ist sicherlich eine ständige Aufgabe, der man sich nicht erst dann widmen darf, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Insofern steht für uns fest, dass die Antragsteller mit diesem Gesetzentwurf unter anderem das Ziel verfolgen, dieses Fundament zu schützen. Dazu kann ich ganz deutlich sagen: Hinsichtlich dieses Ziels besteht Einigkeit zwischen unserer Fraktion und den antragstellenden Fraktionen, wenngleich beim Weg wiederum nicht unbedingt Einigkeit herrscht.

Zweitens. Wenn das kommunale Ehrenamt das Fundament unserer Demokratie ist, dann sind, um im Bild zu bleiben, die wahlrechtlichen Grundsätze der Beton, aus dem dieses Fundament gegossen ist. Zu den wahlrechtlichen Grundsätzen gehört die Gleichheit der Stimme. Die Gleichheit der Stimme wird durch eine Sperrklausel ohne Zweifel eingeschränkt. Eine solche Einschränkung bedarf einer guten Begründung.

Ein solcher Grund kann die Funktionsunfähigkeit von kommunalen Vertretungen sein. Ich sage aber auch ganz deutlich, insbesondere in Richtung einzelner Vertreter der antragstellenden Fraktionen mit Blick auf die Ausschussberatung: Funktionsunfähigkeit darf nicht mit Unbequemlichkeit gleichgesetzt werden.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Um im Bild zu bleiben: Wer das tut, der gefährdet die Standfestigkeit des Hauses, über dessen Fundament ich gerade gesprochen habe.

Nun ist die Frage: Besteht überhaupt eine Funktionsstörung bei einem Rat, bei mehreren Räten? Besteht Bedarf, zu handeln? Nach Auffassung des Kollegen Mario Krüger, Bündnis 90/Die Grünen, besteht der Bedarf nicht, zumindest bestand er nicht. An dieser Stelle hat er nämlich am 26. September 2013 zum Thema „Sperrklausel“ gesagt – ich zitiere –: