Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Schmeltzer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schmitz, es freut mich ja, dass Sie zumindest schon einmal zur Kenntnis genommen haben, dass es schon vor zwei Monaten Printen und Spekulatius in den Regalen gab. Es zeigt, dass Sie sich mit Weihnachtsgeschenken und Weihnachtsvorbereitungen mehr beschäftigen als mit der Landeshaushaltspolitik.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das ist aber auch das Einzige, was man zustimmend zur Kenntnis nehmen kann. Auch wenn Sie als Neuling erst seit Mai diesem Parlament angehören, haben Sie wohl vergessen, dass es in diesem Jahr auch einen 14. März gegeben hat, deswegen beraten wir erst heute den Haushaltsplan 2012 in zweiter Lesung. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte man diesen Haushaltsplan schon längst verabschiedet. Das wissen Sie. Wenn Sie aber keine Pläne zur Kenntnis nehmen, dann haben Sie definitiv auch nicht zur Kenntnis genommen, dass wir einen sehr umfangreichen und detailliert formulierten Koalitionsvertrag haben. Darin steht einiges zur Landesplanung. Lesen bildet, Herr Kollege Schmitz. Das gilt insbesondere auch für den Koalitionsvertrag.

An einer Stelle haben Sie recht: Ausgangspunkt war das Jahr 2010, war die Wahl 2010 und war das, was dann folgte. Als SPD und Grüne im Jahre 2010 die Landesregierung übernommen haben, fanden wir in der Raumordnung und in der Landesplanung eine Großbaustelle mit verlorenen Gerichtsprozessen und unerledigten Aufgaben vor. Sie haben ja die Themen angesprochen, die ich nur noch einmal mit den negativen Gerichtsurteilen in Verbindung bringen will. So gab es ein verlorenes Gerichtsverfahren zum Beispiel vor dem Verfassungsgerichtshof in Sachen Factory-Outlet-Center Ochtrup. Es gab ein negatives Gerichtsurteil zum Beispiel vor dem OVG Münster für das Planungsverfahren Kraftwerk Datteln 4. Ferner gab es unerledigte Vorhaben wie zum Beispiel die von CDU und FDP groß angekündigte, aber nie erreichte Schaffung eines einheitlichen und zukunftsfesten Landesplanungs

rechts durch die inhaltliche Zusammenfassung von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan.

Die neue Landesregierung – das ist ja nach der Wahrnehmung seit 2010 der Fall – hat seit ihrem Amtsantritt in den vergangenen knapp zweieinhalb Jahren schon sehr kluge Weichenstellungen vorgenommen. Auch da gilt, Herr Kollege Schmitz, Lesen bildet.

Erstens. Das Thema Landesplanung und Raumordnung ist kein Unterthema irgendeiner Spezialpolitik mehr, sondern Sie ist dort angesiedelt, wo die übergreifenden Punkte miteinander vernetzt werden müssen, nämlich in der Staatskanzlei, also da, wo es auch hingehört. Das ist richtig. So wird deutlich, dass die Planung und die Ordnung des Raums ein ressortübergreifendes Thema ist.

Zweitens. Bei der Großbaustelle des Steinkohlekraftwerks Datteln, die die heutige Opposition uns in ihrer Regierungszeit aus Überheblichkeit und Ignoranz überlassen hat, gilt jetzt das Prinzip des Vertrauensschutzes. Planungsrechtlich bedeutet dies ganz konkret: Sofern der RVR eine Regionalplandarstellung des Kraftwerksstandorts Datteln beschließt, wird die Landesregierung die vorgesehene Rechtsprüfung auch durchführen.

Drittens. Die Landesregierung hat im April dieses Jahres entschieden, vor der Veröffentlichung des neuen, umfassenden Landesentwicklungsplans die landesplanerischen Regelungen zum großflächigen Einzelhandel in einem Sachlichen Teilplan vorzuziehen. Das haben Sie zwar angesprochen, aber anscheinend an dieser Stelle wieder nicht zur Kenntnis genommen. Mit den in diesem Entwurf enthaltenen Regelungen werden die Innenstädte, Stadt- und Ortsteilzentren gestärkt werden, und das zentrenschädliche Bauen auf der grünen Wiese wird verhindert. Die Landesregierung sammelt damit auch die Trümmerhaufen ein, die CDU und FDP nach dem Ochtrup-Urteil des Verfassungsgerichtshofs hinterlassen hatten. Sie wollten damals nicht lernen. Offensichtlich haben Sie es – das haben Sie eben bewiesen – bis heute nicht getan.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Landesregierung von SPD und Grünen wird auch die von Schwarz-Gelb immer versprochene, aber nicht gehaltene inhaltliche Zusammenfassung von Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogramm auf den Weg bringen. Sie wird einen Entwurf für einen neuen, umfassenden Landesentwicklungsplan vorlegen. Der Sachliche Teilplan Großflächiger Einzelhandel wird dann zu einem späteren Zeitpunkt in den Gesamtlandesentwicklungsplan rechtssicher eingeführt.

Genau diese Vorgehensweise in Sachen großflächiger Einzelhandel hat heute Morgen beim Frühstück mit dem Handelsverband eine deutliche Zu

stimmung bekommen. Wer dagewesen wäre, hätte das auch hören können.

Die Themen, bei denen es im Vergleich zum derzeitigen Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogramm den größten Aktualisierungsbedarf gibt, liegen auf der Hand: erstens Anpassung an den Bevölkerungsrückgang, zweitens sparsame Flächeninanspruchnahme und drittens Klimaschutz sowie Anpassung an den Klimawandel. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam zu stellen haben und die hinterher in vielen Fachpolitiken umgesetzt werden müssen.

Die Landesplanung ist zwar finanziell mit rund 2 Millionen € ein relativ kleiner Bereich im Haushalt. Sie ist aber von strategischer Bedeutung bei der Bewältigung der großen Herausforderungen der Zukunft und somit unerlässlich für die Zukunft Nordrhein-Westfalens.

Unabhängig davon, was Sie zur Kenntnis genommen haben oder nicht, Herr Kollege Schmitz, wäre es ratsam, sich in diesen Prozess einzubringen; denn dann kommen wir dahin, wo Sie zwar mit Worten hinwollten, aber nie haben Taten folgen lassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist ein besonderer Tag. Richten Sie doch bitte einmal Ihre Augen auf das Zentrum dieses Hauses: Kollege Laschet und Kollege Priggen einvernehmlich als zukunftsorientierte, landesplanerisch gewünschte Konfiguration.

(Ein Abgeordneter gestikuliert.)

Nein, das ist ein Scheibenwischer. Wenn Sie so etwas machen würden, wäre das ja eine Beleidigung. – Aber das Bild ist ein schönes Bild. Der 11.11. ist doch nah.

(Christian Lindner [FDP]: Ein Traum wird wahr!)

Meine Damen und Herren, der Kollege Schmeltzer hat noch einmal deutlich gemacht, welche Aufgaben die Landesplanung hat: überörtlich zusammenfassend und übergeordnet. Die Fachplanungen werden zusammen in die Schaltstelle der Landesregierung gegeben. Deswegen ist es auch richtig – ich betone das gerne –, dass die Landesplanung in der Staatskanzlei angesiedelt ist. Das war eine richtige Entscheidung. Dies soll auch so bleiben. Hier ist die Schaltstelle des Landes für die strategischen Ziele und für die Problemlösungen, die da anstehen.

Wenn das richtig ist – und ich meine, dass es richtig ist –, verstehe ich allerdings eins nicht: dass diese

Landesregierung ein Klimaschutzgesetz nach außen gibt, dessen Ziele zu beachten sind und somit in der Landesplanung gar nicht mehr untereinander abgewogen werden können, weil hier letztendlich ein Landesklimaschutzplan erstellt wird, dem sich alles andere unterzuordnen hat. Das kann nicht richtig sein. Entweder ist die Landesplanung übergeordnet zusammenfassend – dann ist es eine Klimaschutzfachplanung, die sich dem anzupassen hat –, oder es ist umgekehrt. Schwanz und Hund und Wedeln haben hier etwas miteinander zu tun.

(Beifall von der FDP)

Gleichwohl stelle ich fest: Dort, wo sie ist, ist sie richtig angesiedelt.

Im Übrigen kann ich nicht nachvollziehen, dass wir als Industrieland Nordrhein-Westfalen die Problematik der Anpassung an den Klimawandel hier mit einem Klimaschutzplan angehen. Wenn es richtig ist, dass 2,71 % der weltweiten CO2-Emissionen bei uns in Deutschland, davon dann 1 % in NRW, stattfinden, ist doch die Vorbildfunktion fraglich. Wenn es richtig ist, dass wir einen europaweit gedeckelten Emissionshandel haben, machen wir „Sparen, koste es, was es wolle“, und alle anderen Länder freuen sich, weil sie preiswert CO2-Zertifikate kaufen können.

Da ist vieles unausgegoren. Frau Ministerpräsidentin, wenn wir die Landesplanung wirklich als strategisches Instrument nutzen, schaffen wir es ja vielleicht, hier einiges gerade zu rücken. Wenn man sich auf diesen Weg begibt, werden wir uns sicherlich gerne beteiligen.

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege Ellerbrock, vom Kollegen Schmeltzer gibt es den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Gestatten Sie sie?

Dem Kollegen Schmeltzer immer. Ich habe ihn immer geschätzt als Darstellung eines richtigen SPD-Funktionärs.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Bitte schön.

Ich überlege noch, ob das ein Kompliment war. Ich lese das noch einmal nach, Herr Kollege Ellerbrock. – Ich habe gerade sehr aufmerksam Ihre Ausführungen in Verbindung mit Klimaschutzplan und Landesentwicklungsplan sowie Ihre Schlussfolgerungen zur Kenntnis genommen. Daraus ergibt sich für mich folgende Frage: Sind Ihnen die konkreten Inhalte des Klimaschutzplans und des Landesentwicklungsplans schon bekannt, sodass Sie diese Schlussfolgerun

gen ziehen können? Oder woher nehmen Sie Ihre Erkenntnisse?

Wenn Sie richtig zugehört hätten, hätten Sie bemerkt, dass ich das Klimaschutzgesetz und nicht den Klimaschutzplan genannt habe.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist nachzule- sen!)

Deswegen geht Ihre Frage fehl. Zuhören ist auch eine Fähigkeit. Deswegen ist das, was ich eben gesagt habe, durchaus als Kompliment zu verstehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dafür haben wir ja ein Protokoll!)

Meine Damen und Herren, wir haben auch die sogenannten FOC – Stichwort: großflächiger Einzelhandel – angesprochen. Das ist eine schwierige Kiste. Ich befürchte, dass die Landesregierung hier ein vergiftetes Danaergeschenk der Kommunen aufgegriffen hat – mit den zahlreichen Detailregelungen, die spätestens in dem umfassenden Ausführungserlass erfolgen müssen. Die Stellungnahmen dazu sind positiv wie negativ. Allerdings führen die vielen darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe nach meiner Erfahrung dazu, dass bald Klagen vorliegen werden.

(Beifall von der FDP)

Wichtig ist aber eines: Wenn wir einen Landesentwicklungsplan haben, Frau Ministerpräsidentin, und das als strategische Planung verstehen, müssen wir uns doch auch im Zusammenhang mit dem Klimaproblem fragen, worauf es bei der Energiewende ankommt. An allererster Stelle kommt es auf Speichertechnologien an – da sind Talsperren vielleicht eine Flächensache –, vor allem aber: Wie bekomme ich erneuerbare Energien in die Verbrauchszentren? – Ich muss also Leitungstrassen haben.

Da bitte ich Sie doch, den Gedanken noch einmal aufzugreifen und ihm nachzugehen – ich habe es, glaube ich, hier schon zweimal dargestellt –: Kann es in einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen nicht sinnvoll sein, dass wir in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Leitungstrassen definieren – Planung ist ja nur so gut wie die Umsetzung – und die Landesplanung und die Regionalplanung als Serviceleistung ausbauen dergestalt, dass wir diese Trassen bei Bedarf auch verfügbar machen können?

Dafür könnten wir zum Beispiel, Frau Ministerpräsidentin, auch die NRW.BANK als Infrastrukturbank nutzen. Es könnten so Verträge mit Grundeigentümern dahin gehend geschlossen werden, für den Fall der Inanspruchnahme auf Einreden zu verzichten, und über eine Preisgleitklausel auch schon die Verkaufspreise dargestellt werden. Das wäre eine Serviceleistung, die wir sicherlich zusammen mit der Industrie im Sinne der strategischen Ausrichtung Nordrhein-Westfalens sinnvoll gestalten könnten.

Die Menschen dafür haben Sie sowohl in der Landesplanungsbehörde wie in den Regionalplanungsbehörden bei den Bezirksregierungen. Die können solche Moderationen machen; die können das. Nutzen wir die Chance und geben wir denen die Freiheiten und die Aufgabenstellung, das zu tun. Dann können wir auch in dem Bereich Energiewende in ganz praktischen Schritten mit dem Serviceinstrument Landesplanung vorankommen.

Ich bitte Sie also, zu überlegen: Ist es richtig, die Landesplanung zu Grabe zu tragen und eine Klimaschutzplanung zu machen, der sich alles unterzuordnen hat? Oder ist Landesplanung nach wie vor eine strategische Ausrichtung des Landes? – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen spricht Herr Kollege Goldmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ja gestehen, dass es mich mit großer Freude erfüllt, mich in meiner ersten Rede vor und in diesem Hohen Hause dem Thema Landesentwicklungsplan widmen zu dürfen – gehören doch Landesplanung und Raumordnung neben dem Haushaltsrecht zu den Königsdisziplinen eines jeden Landesparlamentes.