Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Der Integrationsstaatssekretär ist zu diesem Zeitpunkt bei der Bürgermeistertagung des Städte- und Gemeindebundes NRW in Münster. Das Thema lautet: Integration von Flüchtlingen. Er informiert die rund 50 anwesenden Bürgermeister über die Integrationspolitik des Landes NRW. Dabei geht es natürlich – wie sollte es anders sein in einer Diskussionsveranstaltung mit den Bürgermeistern – vorrangig um die Integration vor Ort, nämlich in den Kommunen.

Meine Damen und Herren, wir sind stolz darauf, ein Land der regionalen und kulturellen Vielfalt zu sein, in der nicht Herkunft, sondern Haltung über Zugehörigkeit entscheidet. Diesen Stolz werden wir uns auch nicht ausreden lassen von denen, die am rechten Rand Stimmung machen gegen Einwanderung und Flüchtlinge und gegen alle, die anders sind als sie selbst.

Deshalb gilt, auch mit Blick auf die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und die AfD: klare Kante gegen rechts, klare Kante gegen die Aufwiegler und Demagogen. Eine rechte, einwanderungsfeindliche und auf Ausgrenzung setzende Partei – das sage ich auch mit Blick auf das kommende Jahr – hat im Düsseldorfer Landtag nichts, aber auch gar nichts zu suchen. Nach den Worten des Kollegen Laschet sehe ich uns an dieser Stelle Seit an Seit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es gibt in NordrheinWestfalen die gute Tradition und Praxis der integrationspolitischen Zusammenarbeit. Kollegen Römer und Laschet haben bereits darauf hingewiesen. Auch wenn wir heute keinen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen beraten, möchte ich an dieser Stelle noch einmal dazu aufrufen. Es spricht für die Kultur unserer integrationspolitischen Debatte, wenn man sieht, wie gewissenhaft, wie beteiligungsorientiert und wie intensiv das Parlament, wie Sie also als Abgeordnete, mit den Expertinnen und Experten in den Anhörungen diskutiert haben. Das war seitens aller Fraktionen immer sachlich fair und zielführend. Dafür gilt Ihnen mein ausdrücklicher Respekt und auch Dank.

Ich erinnere mich auch an die gute Zusammenarbeit bei der Integrationsoffensive von 2001, die die intensiven Diskussionen damals zum Inhalt hatte, damit wir die Grundlagen für eine gute Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen legen. Ich erinnere mich an den Aktionsplan Integration von 2006 und an das Teilhabe- und Integrationsgesetz, das ohne Gegenstimmen im Landtag verabschiedet wurde. Glauben Sie mir, niemand bedauert es mehr als der Integrationsminister des Landes, dass es nicht zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zur Integrationspolitik gekommen ist, so wie das in der Vergangenheit in der Geschichte dieses Hauses üblich war.

Wir beraten heute einen Antrag, der umfassend die Integrationspolitik des Landes beschreibt und Maßnahmen einfordert. Er betrifft alle Ressorts der Landesregierung. Denn Integration ist mehr denn je ein Querschnittsthema, das uns alle betrifft. Somit war es auch folgerichtig, dass in annähernd allen Ausschüssen des Landtags Anhörungen stattgefunden und Experten diese Diskussionen geführt haben. Damit war die Einbindung aller fachpolitischen Aspekte gewährleistet. Das war angesichts der Vielzahl und der Vielfalt der zu regelnden Aufgaben, wie sie in dem jetzigen Antrag definiert werden, erforderlich.

Ich halte den hier vorgeschlagenen Integrationsplan NRW für einen sinnvollen, für einen notwendigen Schritt zur Weiterentwicklung der nordrhein-westfälischen Teilhabe- und Integrationspolitik.

Lassen Sie uns nicht aus dem Blick verlieren, dass der integrationspolitische Konsens in Nordrhein-Westfalen ein hohes und schützenswertes Gut ist. Wir streiten – der Kollege Laschet hat es dargestellt –, wenn es nötig ist, im Detail. Die integrationspolitischen Ziele jedoch sollten wir weiterhin gemeinsam im Sinne der Geschichte dieses Hauses verfolgen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN und Lutz Lienenkämper [CDU])

Vielen Dank, Herr Minister. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss der allgemeinen Aussprache.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/12915. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/12915 angenommen mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU bei Neinstimmen der Fraktion der Piraten und der FDP-Fraktion.

Wir kommen nun zur fachlichen Aussprache zur Integration, dem zweiten Teil dieser Debatte am heutigen Morgen. Ich erteile für die SPD-Fraktion dem Kollegen Yetim das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im März dieses Jahres den ersten Entwurf ins Parlament eingebracht und haben dann nach einer sehr intensiven Phase des Austauschs mit Expertinnen und Experten über den Integrationsplan gesprochen. Jetzt liegt die überarbeitete Version vor.

Ich möchte daran erinnern, wie wir darüber diskutiert haben. Wir haben in allen Ausschüssen und in einer sehr großen, umfangreichen Anhörung im Integrationsausschuss ausgesprochen sachlich und fundiert

mit den Expertinnen und Experten diskutiert. All das, was an Erkenntnissen, Erfahrungen und Vorschlägen von den Expertinnen und Experten eingebracht wurde, haben wir bedacht. Vieles davon finden Sie jetzt in dem Integrationsplan wieder.

Herr Stamp, es ist nicht so, dass es sich um ein Sammelsurium von unstrukturierten Maßnahmen, die Rot-Grün vorschlägt, handelt. Nein, so ist es nicht. Die Vorschläge, die uns die Expertinnen und Experten mitgegeben haben, haben wir natürlich nicht alle aufgenommen – wir haben als Politiker ja auch Ideen, und als Integrationspolitiker sowieso. Den allergrößten Teil haben wir aber da reingepackt, Herr Stamp, das will ich ganz deutlich sagen. Deswegen ist es auch kein Sammelsurium, sondern es ist das, was aus der Mitte der Gesellschaft Nordrhein-Westfalens an uns herangetragen worden ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Überlegen Sie sich mal, Herr Stamp, wer alles in diesen Expertenanhörungen dabei saß: Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Unternehmer – alle saßen dabei.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Dann habt ihr es wieder rausgestrichen!)

Und das ist in diesem Integrationsplan drin. Natürlich werden Sie das eine oder andere vermissen, aber das gehört dazu. Das ist auch in Ordnung, und das ist richtig so. Aber der allergrößte Teil ist dabei.

Deswegen bin ich sehr froh und auch sehr stolz, dass Nordrhein-Westfalen das erste Bundesland ist, das ein umfassendes Konzept auf den Weg bringt. Das eine oder andere wird Ihnen da fehlen. Das sei Ihnen gestattet; das ist in Ordnung. Wir sind jedoch das erste Bundesland, das ein umfassendes Integrationskonzept auf den Weg bringt. Genauso wie bei dem Teilhabe- und Integrationsgesetz nehmen wir wieder eine Vorreiterrolle ein. Angesichts unserer langen Integrationsgeschichte steht es uns auch zu, dass wir hier vorweggehen.

Der Integrationsplan enthält fünf Handlungsfelder: Sprache und Wertevermittlung, Bildung und Ausbildung, Arbeit und berufliche Qualifikation, Zusammenleben/Wohnen, Sport und Kultur, aber auch die Stärkung der Zivilgesellschaft. Die Beratungen haben gezeigt, dass wir nicht überall einer Meinung sind. Aber wenn wir in der Integrationspolitik streiten und diskutieren, ist das immer noch der Versuch, die besten Instrumente zu generieren, um die Integration auf den Weg zu bringen und nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Darum geht es.

Wir haben ja gelernt, dass wir auch Maßnahmen anbieten müssen. In den 60er-Jahren, bei den Migrantinnen und Migranten, bei den Zuwanderern, bei den sogenannten Gastarbeitern haben wir das eben nicht gemacht. Ich glaube jedenfalls, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind.

Frau Brand, wir fahren keinen Kuschelkurs mit der CDU. In diesem Punkt sind wir uns sehr einig: Nach den langjährigen Erfahrungen können wir uns eben über bestimmte Bereiche und über den Weg streiten. Ziel ist es aber – Herr Römer hat es eben gesagt –, zu einer guten Integration der Menschen zu kommen.

Ich möchte noch zwei, drei Punkte zum Entschließungsantrag der FDP sagen. Herr Stamp, bevor ich das vergesse: Sie haben ja gerade aus den Runden berichtet, die wir zum Integrationsplan abgehalten haben. Ich kann mich daran erinnern, dass wir eigentlich eine sehr gute Diskussionskultur hatten. Ebenso kann ich mich daran erinnern, dass Sie, Herr Stamp, Forderungen hatten, bei denen ich ein wenig überrascht war.

Sie hatten zum Beispiel gefordert, dass wir die Hochschulen viel mehr unterstützen müssten. Das war in einer Sitzung im Juni. Daraufhin habe ich Ihnen gesagt: Herr Stamp, im April 2016 hat die Wissenschaftsministerin ein Programm über 30 Millionen € auf den Weg gebracht. – Das war im April, und ich habe Ihnen noch die Pressemitteilung dazu vorgelesen. Ihre Antwort war: Ja, dann kriegen wir aber was anderes.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

So viel zum Thema „Diskussionskultur“. Nur weil wir eine Ihrer Forderungen schon längst erfüllt haben, zu sagen: „Dann müssen wir aber was anderes kriegen“ – das kann nicht angehen, Herr Stamp. Das war genau so.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

In dem Entschließungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht, dass wir in Nordrhein-Westfalen Verantwortung abgeben würden, dass wir nicht gestalten und den Bund stärker in die Verantwortung nehmen wollen.

Ja, das ist auch richtig so. Denn die Menschen, die zu uns kommen – der Kollege Laschet hat das auch schon mal genauso gesagt –, kommen doch nicht in erster Linie nach Düsseldorf bzw. Passau oder nach NRW bzw. Bayern, sondern sie kommen in die Bundesrepublik Deutschland. Damit ist doch schon völlig klar, wo der Großteil der Verantwortung liegt. Deswegen ist es an dieser Stelle auch richtig, genau das einzufordern.

Ich kann nicht verstehen, warum Sie Ihre Verantwortung für NRW nicht wahrnehmen wollen. Denn darum geht es, Herr Stamp. Sie müssen Ihre Verantwortung für NRW wahrnehmen. Sie müssen genauso wie wir auch den Bund auffordern, sich hier viel stärker an den Kosten zu beteiligen, die alle Länder haben und die alle Kommunen haben.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie fordern in Ihrem Antrag – das will ich ganz deutlich sagen – die Entwicklung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften. Schauen Sie einmal auf die Seite 20.

Sie fordern eine Ausweitung des Fortbildungsangebotes für Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache. Schauen Sie einmal auf die Seite 13.

Vieles von dem, was Sie fordern, haben wir in unserem Integrationsplan drin – nicht alles, weil nicht alles vernünftig ist, aber doch jede Menge davon steht in unserem Integrationsplan.

Sie fordern Koordinierungsstellen für die Ehrenamtler. Wenn Sie durch die Kommunen in NordrheinWestfalen fahren, werden Sie sehen, dass die allermeisten Kommunen da schon längst auf den Weg sind. Sie haben bereits Koordinatoren, die sie selber bezahlen, oder sie haben ehrenamtliche Koordinatoren.

Als ich das gelesen habe, hatte ich den Eindruck, dass Sie wieder „Privat vor Staat“ haben wollen. Ich sage Ihnen: Das, was wir an Ehrenamt in den Kommunen erleben, ist genau das, was ich mir für Nordrhein-Westfalen wünsche – nämlich, dass die Menschen sich hier für die Menschen, die zu uns kommen, einsetzen. Das tun sie mit sehr viel Herzblut. Deswegen muss man ihnen an dieser Stelle nicht nur etwas vorsetzen, sondern sie unterstützen. Das tun wir. Der Integrationsminister hat es gerade vorgestellt. Mit unseren Kommunalen Integrationszentren sind wir da auf einem sehr guten Weg, finde ich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss noch eines deutlich sagen: Ich habe vor einigen Tagen gelesen, dass der Fraktionsvorsitzende der FDP gesagt hat, die FDP werde sich von Rot-Grün, was den Integrationsplan betrifft, nicht vereinnahmen lassen.

Das ist der völlig falsche Schluss, den Sie da ziehen, Herr Lindner. Denn wir haben uns bei diesem Integrationsplan von den Menschen in Nordrhein-Westfalen vereinnahmen lassen. Wer die Anhörungen mitgemacht hat und sie erlebt hat, Kollege Lindner, weiß, dass das, was hier drinsteht, von den Menschen aus Nordrhein-Westfalen gekommen ist. Deswegen lassen wir uns als Rot-Grün sehr gerne vereinnahmen.

(Christian Lindner [FDP]: Genau! Siehe SPD Essen!)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Kuper.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Integration der Flüchtlinge, die mittelfristig oder dauerhaft hier in NRW bleiben, wird die große landespolitische Aufgabe der nächsten Jahre sein. Eine erfolgreiche Integration bedarf erheblicher und auch koordinierter privater wie wirtschaftlicher als auch öffentlicher Ressourcen – vom Integrations- und Sprachkurs über das Bildungssystem bis hin zur Arbeitsmarktintegration genauso wie der Wohnraumbeschaffung und der gesellschaftlichen Integration. Hierbei sind nicht nur das Ehrenamt und die finanziellen Mittel knapp, sondern auch Infrastrukturen und qualifiziertes Personal eine knappe Ressource.

Meine Damen und Herren, unser Fraktionsvorsitzender hat in seiner Rede heute Morgen gesagt, wir würden einen anderen Integrationsplan schreiben. Wir haben in einer Vielzahl von Anträgen hier im Landtag bereits dargelegt, wie sich die CDU-Landtagsfraktion eine erfolgreiche Integrationspolitik vorstellt. Einige Aspekte will ich hier gern noch einmal darstellen.

Das Erste, was zu tun ist, ist, einen kompakten, klaren, pragmatisch fokussierten Plan aufzustellen. Was liefern Sie? Ein Sammelsurium. Wer Ihren Antrag liest, fühlt sich so wie derjenige, der das erste Mal durch einen fremden Supermarkt geht. Die Regalreihen sind unübersehbar, die Orientierung fällt schwer. Die Regale sind voll mit allem Möglichen, aber man findet nicht das, was man am dringendsten braucht. Sie wollen einen prächtigen und üppig beladenen Vollsortimenter errichten. Aber damit haben Sie sich verhoben. Genau das ist Ihnen nämlich nicht gelungen.

Dennoch fand ich es richtig, meine Damen und Herren, dass wir versucht haben, zusammen einen besseren Antrag zu formulieren als den, den Rot-Grün zunächst vorgelegt hatte. Manche Passage, die wirklich grotesk anmutete, ist zum Glück in der nun vorhandenen Version beseitigt worden. Ich erinnere an die besondere integrationspolitische Bedeutung, die Sie dem Schutz vor Haustürgeschäften und Abzocke bei Handyverträgen beimessen wollten. An der jetzigen Version merkt man, dass die Beratungen mit den Kollegen von CDU, FDP und Piraten für Sie inspirierend und hilfreich waren.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Hinzu kommt, meine Damen und Herren: Für einen Integrationsplan des Landes nimmt die Bundespolitik einen viel zu breiten Raum ein. Um im Bild zu bleiben: In viel zu vielen Regalen steht ein Zettel mit der Aufschrift: Dieses Produkt finden Sie in einem anderen – oder genauer: in einem Berliner – Geschäft.