Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Hinzu kommt, meine Damen und Herren: Für einen Integrationsplan des Landes nimmt die Bundespolitik einen viel zu breiten Raum ein. Um im Bild zu bleiben: In viel zu vielen Regalen steht ein Zettel mit der Aufschrift: Dieses Produkt finden Sie in einem anderen – oder genauer: in einem Berliner – Geschäft.

Meine Damen und Herren, ich finde, das Integrationsland Nordrhein-Westfalen macht sich zu klein, wenn es in jedem zweiten Absatz seines Plans nur alleine auf den Bund zeigt.

Vieles von dem, was Sie als integrationspolitische Maßnahmen verkaufen, ist keine. Stattdessen haben Sie alte rot-grüne Ladenhüter ins Schaufenster gestellt – beispielsweise mit Ihrer Forderung nach der elektronischen Gesundheitskarte, die in den Kommunen aufgrund der schlechten Konditionen niemand will.

Wenn ich bilanzieren soll, warum wir den Integrationsplan auch in der geänderten Form ablehnen, will ich das mit den Worten eines DGB-Vertreters sagen, der in der Anhörung am 27. April 2016 sehr deutlich zu Protokoll gegeben hat – ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten Herrn Michael Hermund vom DGB NRW –:

„Wir brauchen keinen Plan …, der Regelungen enthält: Das und das müsste geregelt sein, aber der Bund oder andere sind zuständig. – So ein Papier brauchen wir nicht. Der Plan braucht auch dann keine 50 Seiten zu haben. Ich finde, er könnte kurz und knackig sein und das enthalten, was das Land in eigener Regelungskompetenz leisten müsste oder muss oder kann. Ich will jetzt hier nicht schulmeisterlich sein. Es gibt die Kultushoheit und, und, und. Es gibt die Schulhoheit und, und, und. Deswegen: nur die Sachen, die das Land regeln sollte und muss.“

Und was liegt uns jetzt vor? Mehr als 30 Seiten in den Punkten I bis III mit Handlungsfeldern. Alleine die Schilderung der Ausgangslage und das sogenannte Leitbild machen schon fünf Seiten Prosa aus. Meine Damen und Herren, das ist es nicht.

Was müssen die Rahmenbedingungen für Integration sein?

Einige unserer Schwerpunkte:

Das Erste aus unserer Sicht: Kommunen stärken, denn hier wird die eigentliche Integrationsarbeit geleistet. Die Kommunen mit ihren Bürgern, Unternehmen, Verbänden, Vereinen und Ehrenamtlern leisten Überragendes, und dafür brauchen Sie die Unterstützung.

Daraus ergeben sich mindestens drei von Rot-Grün abweichende Forderungen an die Landesregierung:

Erstens. Wir brauchen eine Integrationspauschale, welche die Kommunen in die Lage versetzt, passende Rahmenbedingungen für Integration vor Ort zu schaffen.

(Beifall von der CDU)

Das kann auch mit Rahmenbedingungen des Landes verbunden sein. Aber es müssen Entscheidungsmöglichkeiten vor Ort in den Kommunen für die Integrationsarbeit bleiben. Im Jahre 2016 stehen uns dafür anteilige Bundesmittel in Höhe von 434 Millionen € bereit, die wir als Union genauso wie der Städte- und Gemeindebund vollständig an die Kommunen weitergeleitet sehen wollen. Deshalb haben

wir es im Haushaltsausschuss so beantragt. Sie haben es abgelehnt.

Zweitens. NRW ist mit 30 % das Flüchtlingsaufnahmeland Nummer eins in Deutschland, gefolgt von Niedersachsen mit 11 %.

Deshalb brauchen die Kommunen und auch die Zuwanderer dringend zum Gelingen der Integration eine landesrechtliche Wohnsitzauflage. Baden-Württemberg und Bayern haben das zeitnah auf den Weg gebracht. Sie haben sich etwas mehr Zeit gelassen. Sie sind es gemütlich angegangen – zum Schaden der Kommunen und der Integrationsarbeit. Gestern haben Sie nun im Kabinett die Wohnsitzauflage für NRW beschlossen – endlich, möchte ich sagen.

Aber warum tritt sie dann erst am 1. Dezember in Kraft und gilt nicht für die Hauptmenge der bereits zu uns gekommenen Eingereisten oder der jetzt in diesen Tagen einreisenden Flüchtlinge? Diese und viele Probleme bleiben mit dem Entwurf ungelöst.

Man muss auch sehen: Da die ankommenden Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in der Regel innerhalb der Ankunftszentren binnen 48 Stunden anerkannt werden, hat die FlüAG-Verteilung alter Art ihre Bedeutung verloren. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, mit der Wohnsitzverteilung für gerechte und gleichmäßige Verteilung im Land zu sorgen.

Daher lehnen wir Ihren neuen Verteilungsschlüssel ab, denn damit legalisieren Sie letztlich die ungerechte Flüchtlingsverteilung aus Ende 2015, indem Sie ganz andere, neue Umverteilungskriterien bringen. Da befürchten wir und ich eine klare Zusatzbelastung des ländlichen Raumes. Sie können das so machen – keine Frage. Aber das ist falsch, und das ist nicht der Weg der CDU.

(Beifall von der CDU)

Drittens. Wir brauchen dringend Wohnraum, geschätzt – es gibt da unterschiedliche Zahlen – mindestens 200.000 Wohnungen. Da ist es unhaltbar und geradezu zynisch, wenn Sie im Bereich „III. Rahmenbedingungen“ an die Kommunen appellieren, die kommunale Bauleitplanung aktiv zur Wohnraumschaffung zu nutzen, und dieselben Kommunen gleichzeitig mit Ihrem Landesentwicklungsplanentwurf bezüglich der zukünftigen möglichen Wohngebietsentwicklung massiv ausbremsen. Das geht nicht. Das akzeptieren wir so nicht.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, Integration braucht Klarheit und Verbindlichkeit. Da stimme ich Joachim Stamp zu. Das ist auch unsere Überzeugung. Deshalb fordern wir die gesetzlichen Grundlagen für verbindliche Integrationsvereinbarungen des Landes, die analog zum Bundesintegrationsgesetz gestaltet werden.

Außerdem wollen wir, dass Flüchtlinge mit Bleibeperspektive neben Sprachkenntnissen auch Kurse zu den Grundregeln unseres Zusammenlebens belegen. Das muss verpflichtend sein und auch möglichst mit entsprechenden Tests dokumentiert werden, denn Sprache ist der Schlüssel zur Integration.

Meine Damen und Herren, Aufgabe der politischen Bildung muss es sein, die Grundlagen und die Grundprinzipien unserer gesellschaftlichen und politischen Ordnung – beispielsweise Demokratie, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Religionsfreiheit, Nichtdiskriminierung und Toleranz – auch den neu zu uns gekommenen Menschen zu vermitteln. Deshalb müssen Integrationsbemühungen darauf abzielen, Rechte einerseits, aber auch Pflichten allen in Deutschland Ankommenden früh zu vermitteln, um mögliche Probleme von Anfang an zu meiden.

Wir wollen allen Generationen eine Chance geben. Die nachhaltigste Form der Integration bietet die Teilhabe am Arbeitsleben, das Miteinander in Kita, Schule, Ausbildung, Studium sowie in den Vereinen und der Gesellschaft. Deshalb müssen wir den Flüchtlingen auch die Chance auf Teilhabe ermöglichen. Und das braucht eine schnellstmögliche Erfassung von Kompetenzen wie auch eine schnellstmögliche Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Und dazu gehört für mich auch eine Verlängerung der Schulpflicht nach bayerischen Vorbild bis zum 25. Lebensjahr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es kann doch beispielsweise nicht richtig sein, dass wir einen jungen syrischen Schüler, der kriegsbedingt fünf Jahre keine Schule in Syrien besuchen konnte, in NRW mit Erreichen seines 18. Lebensjahres aus der Regelschule verbannen. Das ist nicht unsere Politik.

(Zurufe von den GRÜNEN: Das ist nicht rich- tig! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist Unsinn!)

Herr Kollege, die Redezeit ist zu Ende.

Ich komme jetzt zum Schluss.

Aus unserer Sicht haben Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, nicht begriffen, worauf es ankommt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist Schwachsinn!)

Sie haben sich für ein Sammelsurium, genannt Integrationsplan, entschieden. Das wieder einmal eine verpasste Chance für unser Land. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Frau Kollegin Velte. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir waren dicht davor – so würde ich gerne mal anfangen. Sie und wir entnehmen den Reden alle gemeinsam, wie dicht davor wir eigentlich gewesen sind, wenn es um das Thema Integration ging. Wenn Sie das ernst nehmen, was die Kolleginnen und Kollegen hier vorgetragen haben – mit einer Ausnahme –, dann sehen Sie, dass Sie ganz viele dieser Forderungen im Integrationsplan in der oder in einer abgewandelten Form wiederfinden werden.

Wir haben sehr gut – das möchte ich zu Anfang sagen – daran gearbeitet. Wir haben sehr einvernehmlich zusammengearbeitet, wir haben uns ausgetauscht. Wir haben Kompromisse gesucht und in vielen Punkten Kompromisse gefunden.

Es ist schade, dass es nicht gelungen ist, dieses wichtige Signal ins Land zu senden. Denn das Signal wäre doch gewesen, bei dem, was wir in den Anhörungen erlebt haben – da waren Moscheevereine, da waren Wohlfahrtsverbände, da waren Kirchen, da war die Wirtschaft, da waren Jobcenter, da waren Lehrerinnen und Lehrer, da waren eigentlich alle Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die sich in diesem Land solidarisch und mit ihrer Kraft der Integration von Geflüchteten widmen –, gemeinsam intensiv daran zu arbeiten, auch unser Land etwas besser zu machen.

Ich möchte jetzt noch einmal betonen – denn Herr Kuper hat vor mir gesprochen –: Ja, Herr Kuper, es sind die Kommunen, in denen diese Arbeit stattfindet. Die Anhörung in fast allen Ausschüssen hat gezeigt, wie viel in diesem Land passiert und wie stolz wir in diesem Sinne auf unser Land sein können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Natürlich weiß jede und jeder: Integration ist keine Momentaufnahme. Das ist nicht etwas, bei dem man den Schalter umlegt, Frau Brand, sondern das ist etwas, an dem man ständig arbeitet. Wenn wir auf die Entscheidung gewartet hätten, ob mit diesem Plan die KIs ausgebaut werden, dann wären wir wirklich schlecht beraten gewesen. Die Kommunalen Integrationszentren als Schlüssel, als kommunale Brücke zwischen Landtag und der Arbeit in den Kommunen gibt es schon sehr lange. Diesen Schlüssel gab es auch schon, bevor die Piraten im Landtag waren.

Zweiter Punkt: Ich danke Herrn Dr. Stamp und der FDP ausdrücklich für ihren Antrag. Warum danke ich dafür? – Weil dieser Antrag deutlich macht, dass die

FDP tatsächlich aus mehr oder weniger wahltaktischen Gründen und nicht aus inhaltlichen Gründen ausgestiegen ist. Die allermeisten Punkte, die Sie in Ihrem Antrag benennen, hatten wir schon vorab in unseren Gesprächsrunden besprochen, und dort waren wir auf einem guten Weg, uns zu einigen. Gehen wir das einmal durch.

„Flächendeckende Bereitstellung von Kombinationsangeboten sowohl aus Sprachkursen und Qualitätsfeststellungspraktika“: Das läuft in den Kommunen; Herr Kuper wird das bestätigen. Das läuft in den Jobzentren. Das läuft auch über die Arbeitsgelegenheiten, die die Bundesregierung jetzt bereitstellt.

„Entwicklung von stärker modularisierten Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten“: Mit dem Integrationsplan stärken wir doch die Weiterbildung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir bauen die Berufskollegs aus. Wir geben den Volkshochschulen Geld, Frau Brand. Ich finde, da sind wir auf einem sehr guten Weg. Es ist auch nicht das erste Mal, dass wir das machen. Nur, die Anhörungen haben uns gezeigt: Wir müssen noch mehr tun.

„Beschleunigung der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen“: Heute Morgen hatte ich das Vergnügen – es war wirklich eins –, den Geschäftsführer der IHK aus Ostwestfalen-Lippe zu hören. Er sprach Probleme offen an, machte aber auch klar, wo Lösungen auf dem Weg sind. Er sagte vor allem, dass man sich zwar vorgestellt hätte, es ginge schneller, aber schon erkennt, dass es nicht so schnell möglich ist.

Allein dieser Bezirk bietet drei Anschlussqualifikationen an und hat drei Kurse voll. Die anderen Industrie- und Handelskammern sind auf dem gleichen Weg. Sie machen einfach. Sie zerlegen sich nicht, sondern sie leisten ihren Beitrag zur Integration und damit zur Aufrechterhaltung von Vielfalt in unserem Land.

„Förderung des Unternehmertums“: Dazu gibt es einen rot-grünen Antrag, der demnächst endabgestimmt wird.