Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Ich komme zu einem anderen Punkt, bei dem man erkennt, warum das, wofür wir heute im Prinzip stehen, vielleicht auch wichtig ist. Das ist die Strategie der FDP. Hinter alldem, was Sie, Herr Stamp, hier im Detail dazu gesagt haben, was Sie am Integrationsplan stört, steht doch der Grundgedanke, dass Sie glauben, dass die AfD vor allen Dingen dadurch stark wird, dass hier im Parlament nicht entschlossen genug Oppositionspolitik beim Thema „Flüchtlinge“ betrieben wird. Deshalb scheuen Sie sich ganz ausdrücklich, sich diesem Konsens der Demokraten anzuschließen, den wir versucht haben, in der Resolution herzustellen. Ich bedaure diese Strategie, die Sie haben, außerordentlich.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist verstrichen.

Denn ich glaube: Weder Sie werden davon profitieren, noch wird das Ansehen des Parlaments dadurch besser werden.

Ich bin überzeugt, dass der Weg, den wir mit der Resolution vorgeschlagen haben, sich nämlich über die Grundsäulen einig zu sein und im Detail nach wie vor den demokratischen Streit zu suchen, der richtige ist und dass es auch das ist, was die Menschen …

Frau Kollegin, die Redezeit ist wirklich deutlich überschritten.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich sage den letzten Halbsatz noch zu Ende.

Das, was hier im Prinzip den Konsens der Demokraten bedeutet, ist auch das, was wir den Menschen nach draußen signalisieren sollten; denn ich glaube, damit werden sie wesentlich mehr anfangen können, als den Populisten auf den Leim zu gehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mi- chele Marsching [PIRATEN]: Mit Populisten kennen Sie sich ja aus!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unser Land NRW hat in seiner 70-jährigen Geschichte immer mit Migration zu tun gehabt. Jeder vierte Einwohner in NRW hat einen Migrationshintergrund. So gesehen sind Multikulturalität und Multireligiosität gelebte Realität in unserem Land. Jede kleine Stadt und jede kleine Einrichtung ist eine Abbildung davon.

Einige wollen diese Realität nicht sehen, andere versuchen, diese Realität für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. Die aktuelle Debatte über die Flüchtlingspolitik zeigt, wie schwierig der Umgang mit den geflüchteten Menschen in unserem Land zumindest für einen Teil der Bevölkerung ist.

Meine Damen und Herren, 2015 zogen ungefähr 2,1 Millionen Menschen nach Deutschland. Zugleich zogen aber auch fast eine Million Menschen aus Deutschland fort. So gesehen haben wir einen Wanderungsüberschuss von 1,1 Millionen Menschen. Es gehört zur Realität, auch das hier zu erwähnen.

Für die Aufnahme der vielen Flüchtlinge in Deutschland haben wir weltweit wirklich sehr großen Respekt und Anerkennung bekommen. Deutschland war das einzige europäische Land, das die Menschen, die ihr Leben retten konnten, die unter unmenschlichen Bedingungen zum Teil jahrelang auf der Flucht waren und es letztendlich geschafft haben, nach Deutschland zu kommen, aufgenommen und ihnen eine Heimat geboten hat. Darauf können wir zusammen alle stolz sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ver- einzelt Beifall von den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur die Regierung und staatliche Institutionen, sondern auch einzelne Personen, Wohlfahrtsverbände, Initiativen und Kirchengemeinden haben eine in dem Maße noch nie dagewesene Unterstützung und Hilfeleistung organisiert und durchgeführt. Ohne deren Unterstützung hätten wir es überhaupt nicht geschafft, diese

Mammutaufgabe zu bewältigen. Dafür danke ich allen Verbänden, Kirchengemeinden und ehrenamtlichen Einzelpersonen von Herzen.

Trotz dieser Bereitschaft zu helfen gibt es in der öffentlichen Debatte eine Grenzverschiebung, wodurch völkische und menschenfeindliche Gedanken wieder Raum finden. So konnte eine Partei ohne Wahlprogramm in den Ländern, in denen kaum Migranten leben, mit ausländerfeindlichen Parolen 10 bzw. 20 % der Stimmen bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz aller Gemeinsamkeiten haben wir eine große Chance in diesem Landtag verpasst. Wie Sie wissen, wollten wir den Integrationsplan für NRW vor der Sommerpause verabschieden. Nach der Anhörung und Diskussion im Integrationsausschuss habe ich als Vorsitzender alle Fraktionen eingeladen, über diesen Integrationsplan zu diskutieren und einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Dass das nicht gelungen ist, bedauere ich sehr; denn ich hatte nach den ersten Gesprächen eigentlich den Eindruck, dass wir wirklich eine solche Atmosphäre hatten, dass wir inhaltlich in der Lage gewesen wären, diesen Antrag gemeinsam zu verabschieden.

Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben ziemlich lange über die Gründe diskutiert, weswegen ich sie hier nicht noch einmal erwähnen möchte. Aber erlauben Sie mir, dass ich meine Enttäuschung darüber kundtue.

Es gibt naturgemäß unterschiedliche Vorgehensweisen, wie man mit den Flüchtlingen umgeht. Das ist auch legitim. Wir werden auch weiterhin über die beste Integrationspolitik diskutieren und miteinander konkurrieren. Wir wollen die Unterschiede auch gar nicht wegdiskutieren. Wir wollten gemeinsam ein Signal nach außen senden, dass wir diese Menschen in diesem Land aufnehmen und ein Integrationsland sind. Aber diese Chance haben wir verpasst. Das bedauere ich sehr.

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, ein kurzes Zitat vorzutragen:

„Wenn auch wir anfangen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die, die es immer noch einfacher und noch klarer ausdrücken können. Ich warne vor einem Populismuswettbewerb mit der AfD.“

Das sagte Erzbischof Kardinal Woelki. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Und nun hat sich für die FDPFraktion noch einmal Herr Dr. Stamp zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kardinal Woelki hat recht, Herr Ünal. Dem ist nichts hinzuzufügen, das ist völlig richtig. Das war ja nun auch ganz klar an die Adresse nach Bayern gerichtet. Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ich würde mich freuen, wenn in Deutschland einmal wieder mehr darüber diskutiert werden würde, welche positiven Vorschläge aus Nordrhein-Westfalen kommen, als über jeden Rülpser aus München.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Aber dafür muss dann eben auch etwas kommen.

Frau Altenkamp, auf eines möchte ich noch einmal hinweisen; denn das gehört auch zu der Debatte dazu: Was die Integrationspolitik angeht, so gibt es den Konsens der demokratischen Fraktionen hier nicht. Ich will noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Piraten die Resolution ebenfalls abgelehnt haben. Sie können somit jetzt nicht versuchen, uns in irgendeine Ecke zu stellen. Das wird Ihnen nicht gelingen. Jeder, der uns kennt und weiß, wie wir inhaltlich arbeiten, weiß das auch.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte noch einmal konkret auf das Thema „Schulpflicht“ eingehen; denn an dieser Stelle wird es auch noch einmal im Unterschied deutlich. Frau Ministerin Löhrmann, die im Übrigen die Einzige in der Debatte gewesen ist, die seitens der regierungstragenden Fraktionen auf das Thema eingegangen ist, hat bei diesem Thema wieder einmal nur Modellprojekte bemüht und wieder nur Einzelfälle beschrieben.

Sie hat dann wieder Modellprojekte bemüht und Einzelfälle beschrieben. Das ist doch das Grundproblem rot-grüner Politik in Nordrhein-Westfalen. Auch für soziale Randgruppen, bei „Kein Kind zurücklassen!“ usw., werden immer irgendwelche Modellprojekte beschrieben, in denen es einen Fortschritt gibt. Insgesamt funktioniert es aber nicht.

(Beifall von der FDP)

Sie sind zum großen Wurf, den die Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen braucht, schlichtweg nicht fähig, denn das wäre die erweiterte Schulpflicht; das haben alle Experten in der Anhörung ausdrücklich gesagt. Sie scheuen sich davor, dafür die Verantwortung zu übernehmen.

(Martina Maaßen [GRÜNE]: Nicht wahr! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist keine fachliche Diskussion!)

Herr Ünal, Sie haben zu Recht beschrieben, dass Nordrhein-Westfalen eine positive Einwanderungsgeschichte hat. Sie haben viele Beispiele genannt, Herr Laschet hat vorhin auch Mesut Özil erwähnt. Es gibt viele tolle Biografien, das ist überhaupt keine Frage.

Wenn wir uns ehrlich machen, wissen wir aber auch, dass auch bei der ersten Einwanderergeneration in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Fehler gemacht worden sind, weil man keine aktive Integrationspolitik in dem Umfang gemacht hat, wie es nötig gewesen wäre, weil man gesagt hat, das sind Gastarbeiter, die gehen ohnehin wieder nach Hause, oder weil die politische Linke gesagt hat: Jeder, der zu uns kommt, ist automatisch eine Bereicherung, da brauchen wir keine aktive Integrationspolitik. – Daraus resultierend haben sich Defizite gebildet, das wissen wir doch alle.

Genau diesen Fehler dürfen wir jetzt bei den Flüchtlingen nicht wiederholen. Deswegen ist eine andere, eine viel verbindlichere Integrationspolitik nötig als das, was Sie hier vorlegen. Deswegen bleiben wir dabei: Wir lehnen den Integrationsplan ab. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Nun hat sich für die Piratenfraktion noch einmal Frau Kollegin Brand gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, liebe Zuschauer! Ganz kurz noch einmal zu dem, was Frau Altenkamp gesagt hat: Sie meinte, wir würden uns einzig auf die Forderung eines Ministeriums konzentrieren. Ich habe, denke ich, klar dargestellt, dass wir drei Säulen fordern, die alle gleich wichtig sind. Das ist wie ein dreibeiniger Stuhl. Wenn man davon nur ein Bein nimmt, klappt das Ganze auch nicht.

Diese eine Forderung nach einem Ministerium ist noch nicht einmal ursprünglich von uns. Das hat der ehemalige Integrationsminister Schneider gefordert, und wir haben es übernommen – nur falls das in Vergessenheit geraten ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Brand. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze zu einigen Punkten, die dargestellt wurden, bei denen man ein bisschen Klarstellung hineinbringen muss:

Herr Kollege Stamp, wenn Sie davon sprechen, dass wir immer nur über Modellprojekte reden und gleichzeitig den Integration Point als eine Angelegenheit herausstellen, die wir gar nicht zu vertreten haben: Wir sind das einzige Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, das diesen Integration Point mit 83 Standorten flächendeckend aufgebaut hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten Ihnen vor, dass Sprachkurse fehlen, dann frage ich: Wie war das denn bei der Diskussion zum Integrationsgesetz auf Bundesebene? Wie war das denn mit der Bundesregierung, insbesondere mit dem Bundesfinanzminister, wenn es darum ging, die Integrationskurse auszuweiten?

Wir haben nicht genügend Integrationskurse, das ist richtig, das muss ausgeweitet werden. Hier muss aber die finanzpolitische Blockade weg. Es reicht nicht, zu sagen, wir erhöhen die Teilnehmerzahl im Integrationskurs von 20 auf 25. Da wird Sie jeder vor Ort auslachen, weil es schon die Regel ist, auf 25 Teilnehmer zu erhöhen. – Also ausweiten!

Deswegen haben wir in Nordrhein-Westfalen – auch das stimmt nicht in Ihrem Antrag – zusätzliches Geld in die Hand genommen. Wir haben 4.000 Basissprachkursplätze ausgewiesen. Die Ministerpräsidentin stand Anfang des Jahres hier und hat gesagt, wir werden dieses Jahr wieder 4.000 Kursplätze ausweisen, und wenn sie nicht reichen, werden wir das erhöhen. – Das haben wir mittlerweile auch getan. Schreiben Sie in Ihren Anträgen keine Unwahrheiten!