Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

(Beifall von der CDU)

Das muss unsere Aufgabe hier sein.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Autosuggestion!)

Dafür müssen wir kämpfen. Wir werden immer wieder dafür stehen, den Finger in die Wunde zu legen. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Middendorf. – Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Frau Kollegin Lüders gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Middendorf, Anwesenheit hat nichts mit Inhalten zu tun. Das nur dazu.

(Beifall von der SPD)

Sie haben wieder nicht erklärt, was Sie fordern oder welche Konzepte Sie haben, um in Angsträumen Menschen Angst zu nehmen.

Ich zitiere Sie aus den „Ruhr-Nachrichten“ vom 17. September. Da heißt es: Der Minister muss mehr für die Menschen in den Stadtbezirken tun. – Wow, coole Worte, aber leider ohne Inhalt und ohne Konzept.

(Zuruf von der SPD: Wow!)

Es ist Aufgabe dieses Parlamentes, hier um die besten Konzepte zu streiten und nicht mit Worthülsen weiter Angst zu schüren.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Lürbke, wenn Sie ein „Trinkpäckchen-Attentat“ nunmehr als Tatbestand erheben, wie nennen Sie denn bitte die Vorfälle am 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit, wo Polizeiautos angezündet wurden, Bombenanschläge im Vorfeld stattgefunden haben und die sogenannten selbsternannten Biodeutschen die Kanzlerin beschimpfen und beleidigen?

(Marc Lürbke [FDP]: 100 Personen, die zwei Beamte umzingeln, sind keine Verniedli- chung!)

Da sollten wir alle doch Verhältnismäßigkeiten realisieren

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

und insgesamt gucken, Herr Dr. Stamp, welche Entwicklungen dieses Land nimmt, wenn wir allen darin nacheifern,

(Fortgesetzte Zurufe von der FDP)

in der Spirale der Erzeugung von Hysterien möglichst vorne zu sein. Der Herr Minister hat es Ihnen gesagt: Am Ende verliert dabei nicht nur die CDU an die, die wir alle hier nicht wollen, am Ende verliert die Demokratie, weil kein Vertrauen mehr in sie gesetzt wird. Es wird kein Vertrauen mehr darin gesetzt, dass Parlamente – das sind wir alle gemeinsam – Lösungen finden, anstatt nur plakativ Sprüche in den Raum zu werfen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zu:

3 Die Wohnsitzauflage: integrationshemmend,

bevormundend und das Gegenteil von Empowerment. Die Landesregierung muss die Wohnsitzauflage für NRW sofort stoppen!

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13029

Ich erteile für die Fraktion der Piraten der Frau Kollegin Brand das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! In der Aktuellen Stunde war viel von Daten und Fakten die Rede. Richtigerweise hat der Innenminister gesagt: Sicherheit ist ein Gefühl, das ist nicht so messbar. – Gleichwohl sollten wir uns im Landtag, wenn wir Anträge schreiben und Gesetze entwickeln, auf Daten und Fakten verlassen und nicht auf ein Gefühl.

Eine Wohnsitzauflage widerspricht unseren demokratischen Ansprüchen und ist das Gegenteil von Integration.

(Beifall von den PIRATEN)

Dabei ist uns in unserem Land Integration doch so wichtig – auch in diesem Haus. Wir haben zum Integrationsplan inhaltlich wirklich gute Debatten geführt. Trotzdem müssen wir heute eine Debatte über die Einführung der Wohnsitzauflage führen, die inhaltlich und fachlich nicht zu begründen ist, sodass dies zu einer rein ideologischen Debatte wird; denn wenn keine stichhaltigen Gründe für die Einführung der Wohnsitzauflage vorhanden sind, bleibt allein die Ideologie übrig.

Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen anhand von zwei Argumenten zur Einführung der Wohnsitzauflage zeigen – ich habe eine ganze Menge mehr, aber dazu reicht leider heute die Zeit nicht –, dass Sie hier keine Sachpolitik betreiben, sondern eine innere Einstellung, ja ein Menschenbild adressieren.

Erstes Stichwort: Gettobildung. Wir reden hier nicht über Wanderungsbewegungen von einem Bundesland in ein anderes; denn dafür haben wir schon dieses Bundesgesetz.

Kurz zu diesem Bundesgesetz – ich kann Ihnen zeigen, wohin das führt –: Eine Kollegin von mir betreut zwei Flüchtlinge in Bielefeld. Die haben in ihren Heimatländern auch schon studiert. In Osnabrück gibt es einen passgenauen Studiengang mit integrationsbegleitenden Maßnahmen, zum Beispiel Sprachkurse passend zum Studiengang. Der Dekan ist begeistert. Er sagt: Jungs, macht hier bei mir den Master. – Sie dürfen es nicht. Es ist abgelehnt, denn sie wohnen ja in Bielefeld in NRW und dürfen jetzt nicht in Osnabrück in Niedersachsen studieren. Das ist „gelungene“ Integration. Vielen Dank!

Gettobildung in NRW: Die Wanderbewegungen innerhalb von NRW, die zu Gettobildungen führen sollen, können nicht mit konkreten Zahlen belegt werden. Es gibt die Zahlen einfach nicht. Es ist lediglich ein Gefühl. Das BAMF kann keine Aussagen über bundeslandinterne Umzüge treffen. Und Sie alle können das auch nicht. Die Einzigen, die dazu etwas sagen könnten, sind die Kommunen. Aber selbst die Kommunen können nur allgemeine Zahlen zu Zu- und Abwanderungen nennen; personenbezogen ist das gar nicht möglich. Es geht nicht. Die Daten werden nicht erhoben. Es bleibt also ein diffuses Gefühl, und nach diesem Gefühl machen Sie Politik.

Nächstes Stichwort: Arbeitsmarkt. Sie argumentieren, dass die Wohnsitzauflage bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt helfe. Das ist schlichtweg falsch. Damit missachten Sie vorliegende Erkenntnisse.

In der Diskussion werden immer wieder die Spätaussiedler genannt. Sie sagen: Das hat damals gut funktioniert. – Da muss ich Ihnen sagen: Das ist gelogen! Eine Untersuchung des Instituts für Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass die Wohnsitzauflage die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Spätaussiedlern um 20 Prozentpunkte gesenkt hat. Auch in Schweden wurden negative Effekte der Wohnsitzsauflage auf die Integration in den Arbeitsmarkt gemessen. Damit es noch einmal jedem klar wird, zitiere ich Herbert Brücker, Joachim Möller und Joachim Wolff vom Institut für Arbeit:

Vor dem Hintergrund dieser Evidenz ziehen wir deshalb die Schlussfolgerung, dass eine Wohnsitzauflage die Arbeitsmarktintegration behindert, möglicherweise in erheblichem Umfang.

Und Sie behaupten einfach genau das Gegenteil. Sie erzählen Märchen, Sie schüren Ängste vor Gettobildungen. Sie machen damit Politik in einem Elfenbeinturm, ohne auf den Rat von Experten, zum Beispiel auf den der Experten vom Institut für Arbeit, zu hören. Das passiert hier leider immer wieder.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, ich konnte allein mit diesen zwei Beispielen – Gettobildung und Arbeitsmarktintegration – deutlich machen, dass Ihre Argumentation keiner sachlichen Prüfung standhält. Nein, es bleibt einzig und allein Ihre Ideologie, Ihr Menschenbild.

Wir besitzen ein anderes Menschenbild als Sie. Wir sind die einzige verbliebene Fraktion, die dieses Menschenbild verteidigt. Sie alle sagen: Wir müssen den Menschen vorschreiben, wo sie wohnen und arbeiten, ja, wie sie leben. Will heißen: Die Flüchtlinge können sich nicht um sich selbst kümmern. Außerdem rotten sie sich alle in sozialen Brennpunkten zusammen.

(Zuruf von der CDU: So ein Unsinn!)

Wir sagen: Wir müssen die Menschen in die Lage versetzen, dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Das heißt, sie zu befähigen, selbstständig eine Wohnung, eine Arbeit und ein soziales Umfeld zu finden – Stichwort „Empowerment“.

Werfen Sie bitte einen Blick in unseren Entschließungsantrag zum Integrationsplan, und Sie werden sehen, dass eine andere Politik möglich ist. Das ist Integration ohne Freiheitsentzug und Sanktionen – und das funktioniert. Das heißt, dass eigentlich alle unserem Antrag heute zustimmen müssen.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat von Abraham Lincoln schließen:

„Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst.“

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Altenkamp.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorab eine Bemerkung machen: Frau Brand, ich glaube, das grundsätzliche Missverständnis zwischen Ihnen und uns – denjenigen, die das Integrationsgesetz auf Bundesebene mit unterstützt haben – ist, dass Sie glauben, dass Zuwanderung überhaupt nicht gesteuert werden muss. Ich sage Ihnen: Da liegen wir weit auseinander.

Ich gehöre zu denjenigen in meiner Partei, die mit Blick auf ein notwendiges Zuwanderungsgesetz sagen, dass es dann auch tatsächlich notwendig sein wird, zu sagen, wo sich die Menschen niederlassen sollen und wo tatsächlich für sie schnell Integrationshilfen organisiert werden können. Das hat etwas damit zu tun, dass man eben steuern muss.