Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zu der Frage zurückkommen, warum wir in unserem Antrag nicht alles im Detail vorgeben. Es wäre einfach gewesen, in unserem Antrag zu formulieren, dass wir uns der Bundesratsinitiative anschließen oder das unterstützen, was die SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt hat. Wir wollen an dieser Stelle aber allen, die es genauso wie wir für nötig halten, über ein Einwanderungsge

setz qualifiziert zu diskutieren, die Gelegenheit geben, dieses Signal aus Nordrhein-Westfalen mit uns gemeinsam zu setzen.

Für die Integration und für die Menschen, die damit Sicherheit über den richtigen Weg der Einwanderung bekommen, wäre es ein wichtiges und nützliches Signal. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn wir hier mit einer breiten Zustimmung rechnen dürften. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir wieder einmal mit der Lebenslüge an, die ja heute auch schon bei der Debatte über die Einwanderung Thema war. Ja, die CDU hat durch Armin Laschet propagiert, dass sie damit aufhören will. Ich werbe in Richtung CDU noch einmal ausdrücklich dafür, dass wir auch beim Thema „Einwanderungsgesetz“ da etwas weiterkommen; denn es ist dringend notwendig, dass wir hier mit ein paar Lebenslügen aufräumen.

1999 hatten wir mit der ersten Initiative der damaligen rot-grünen Regierung noch einen Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz, das auch die Komponenten einer Einwanderung bzw. einer Arbeitsmigration enthielt. Im Bundesrat wurde das – seinerzeit unter Federführung von Roland Koch – dann alles rausverhandelt, sodass wir damals die große Chance vertan haben.

Schauen wir uns die Zahlen an. Wer kann heute nach Deutschland kommen? Neben Asyl und Familiennachzug sind das ein paar Höchstqualifizierte. 2014 haben ganze 30.000 Menschen einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit bekommen. Viele Studien – unter anderem von Prognos; ich kann aber auch andere zitieren – kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass wir aufgrund der Demografie eine Nettoeinwanderung von 500.000 Personen jährlich brauchen.

Angesichts dieser Situation fehlt in unserem deutschen Aufenthaltsrecht eindeutig die Komponente einer gesteuerten Arbeitsmigration, die ganz klar vom humanitären Aufenthaltstitel bzw. vom Asylrecht abgegrenzt ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Schauen wir uns jetzt einmal etwas an, was ich ganz spannend finde. Es gibt nämlich eine Möglichkeit, ins Land zu kommen, die viele nicht sehen, die aber zeigt, dass es doch geht. Im Zuge der Asylkompromisse haben wir im letzten Jahr im Bundestag und

dann auch im Bundesrat einen sogenannten Einwanderungskorridor für die Westbalkanländer beschlossen. Wir haben also gesagt: Sichere Herkunftsländer, ja. Aber da wir ja sehen, dass diese Menschen nicht wirkliche Asylflüchtlinge sind, sondern tatsächlich zu uns kommen, um hier ein neues Leben zu beginnen, Arbeit aufzunehmen etc., eröffnen wir für sie einen Einwanderungskorridor. Wenn ihr einen Job nach § 26 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung habt, dürft ihr kommen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wer hat das als Erster hier gefordert?)

Ja, Herr Stamp fand das auch immer schon gut. Okay?

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)

Aber wir haben es im Bundesrat durchgesetzt. Und das war nicht leicht, Herr Stamp.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir konnten da leider nicht so sehr auf Ihre Hilfe setzen, weil Sie nicht mehr in allzu vielen Regierungen vertreten sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das kommt wieder! Keine Sorge!)

Aber wir sind uns an dieser Stelle sehr einig.

Und was passierte im letzten Jahr? Trotz riesiger bürokratischer Hürden sind von Januar bis September – dazu liegen mir Zahlen von der Bundesagentur vor – aus den Herkunftsländern Albanien, Bosnien, Montenegro, Mazedonien, Kosovo, Serbien, also aus den Balkanländern, insgesamt 3.963 Personen mit diesem Titel allein nach NRW eingewandert. Auf einmal sind sie gekommen. Schauen wir uns an, wie viele Asylanerkennungen wir für diese Personengruppe im gleichen Zeitraum hatten: 43.

Das zeigt doch, dass hier etwas gelungen ist, was wir mit dem Einwanderungsgesetz weiterführen müssen. Wir müssen davon wegkommen, dass Menschen, die ihre Sachen gepackt haben und bei uns völlig falsch im Asylsystem ankommen, nicht auf ein Einwanderungsticket umswitchen können, obwohl sie hier unter Umständen auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Wir brauchen einen zweiten Arbeitsmarkteinwanderungskorridor, auch – nicht nur, aber auch – um unser Asylsystem zu entlasten. Denn darin befinden sich sehr viele Menschen, die dort nicht hineingehören, denen man aber sehr wohl mit einer Arbeitsmigration ein anderes Angebot machen könnte.

Die Einwanderung aus den Westbalkanländern zeigt, dass es funktioniert und dass hier offenbar auch Bedarf nach diesen Arbeitskräften besteht. Das müssen natürlich sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sein. Ich schaue den Arbeitsminister an. Das ist alles

korrekt. Das sind keine Dumping-Arbeitsplätze, sondern korrekte Arbeitsplätze. Dafür gibt es auch bei uns in NRW einen Bedarf. Diese Möglichkeit müssen wir grundsätzlich schaffen.

An dieser Stelle bin ich beim Kollegen Körfges. Es reicht dafür nicht aus, eine Zahl festzulegen, ein Punktesystem einzuführen und zu sagen: Alle, die hier einen Job haben, dürfen kommen. – Vielmehr müssen wir das, wie auch alle Erfahrungen aus den klassischen Einwanderungsländern zeigen, in ein Gesamtkonzept einbetten. Wir brauchen also eine Integrationsstrategie. Dazu gehört am Ende auch die Möglichkeit, leichter die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben –

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

um noch einmal zum Thema der Aktuellen Stunde zurückzukommen. Dazu gehören aber auch klare Integrationsangebote, Förderung der Sprachkenntnisse und andere Dinge mehr. Nur dann werden wir auch ein attraktives Einwanderungsland.

Alles das zusammen braucht endlich – endlich! – eine geordnete, gesteuerte Einwanderung über ein Einwanderungsgesetz.

Ich würde mich freuen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie an dieser Stelle irgendwann einmal über Ihren Schatten springen und mit der Lebenslüge, dass Deutschland dies so nicht braucht, aufhören würden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Güler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit Erlaubnis des Präsidenten mit einem Witz anfangen, den mir neulich ein Kanadier erzählt hat, mit dem ich mich über das Einwanderungssystem in Kanada unterhalten habe. In Kanada gibt es folgenden Witz:

Wenn du in Kanada einen medizinischen Notfall hast, dann bestell dir ein Taxi; denn mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit ist der Taxifahrer ein immigrierter Arzt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wo ist denn die Pointe? – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Die er- klärt sie noch!)

So viel zur Effektivität des kanadischen Einwanderungssystems. Schaut man sich, Herr Körfges, Frau Düker, das Einwanderungsgesetz der SPD auf Bundesebene an, stellt man fest, dass es ziemlich nah am kanadischen Modell bleibt. Das gilt auch für das Punktesystem – das erwähnen Sie in Ihrem Antrag als Beispiel –, von dem die Kanadier mittlerweile abrücken.

Im Gegensatz dazu wird uns bescheinigt, dass wir eine der modernsten – auch wenn wir es so nicht nennen – Einwanderungsregelungen überhaupt haben. Ich bin nicht komplett gegen Ihre Idee. Ich sage nicht, wir brauchen das alles nicht. Ich finde nur, die von Ihnen gemachten Vorschläge, die zehn aufgeführten Punkte, sind – auch wenn Sie sagen, Sie wollten das gar nicht so starr haben – doch recht starr.

Sie laden uns heute ein, mit dem Antrag zu stimmen. Ich frage mich, wieso man das jetzt wieder kurz vor der Wahl so übers Knie brechen muss, wieso man nicht die Gelegenheit genutzt hat, vernünftig etwas vorzubereiten, anstatt es heute zur direkten Abstimmung zu stellen. Das ist nicht die einladende Art, von der Sie gerade gesprochen haben. Im Gegenteil: Das heißt für mich vielmehr, dass die SPD mal wieder versucht, eine Showdebatte zu starten und zu führen, wohlwissend, dass wir in NRW gar nicht in der Lage sind, solch ein Einwanderungsgesetz zu beschließen.

Sie können es als Bundesratsinitiative einbringen, aber – darauf sind Sie eingegangen – dazu, sich der Initiative der anderen SPD-geführten Bundesländer anzuschließen, hatte diese Landesregierung genau zwei Möglichkeiten: zum ersten Mal im Februar 2015 und zum zweiten Mal im September 2016. Diese haben Sie nicht wahrgenommen, geschweige denn, uns vorzuschlagen, wie Sie sich ein Einwanderungsgesetz vorstellen, außer diesen Vorschlägen – noch einmal – kurz vor der Wahl. Deshalb kaufe ich Ihnen auch Ihre Handreichung in unsere Richtung, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, nicht ab.

(Beifall von der CDU)

Hinzu kommt, dass uns die Aussagen der letzten Tage – vor allem die der Ministerpräsidenten – schon etwas verwirren und nachdenklich machen.

Frau Kraft fordert auf der einen Seite in einer Talkshow lauthals Abschiebungen. Zitat: Ich will die loswerden. – Sie tut aber nichts dafür. Herr Gabriel wirft der Bundeskanzlerin vor, eine Millionen Menschen ins Land geholt zu haben, und die SPDBundestagsfraktion schlägt fast zeitgleich ein Einwanderungsgesetz vor, mit dem schon im ersten Jahr 25.000 Menschen einwandern bzw. nach Deutschland geholt werden sollen. Ich finde, dass das nicht zusammenpasst.

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie mich kurz auf das Einwanderungsgesetz der SPD-Bundestagsfraktion eingehen, auch wenn Sie sich, Herr Körfges – so habe ich Sie gerade verstanden –, davon gerade distanziert haben. Die SPD fordert ein transparentes Einwanderungsgesetz, um das, was wir jetzt haben, zu vereinfachen. Ihr Vorschlag auf Bundesebene ist aber, das alles, was wir

jetzt haben, beizubehalten und on top ein Punktesystem draufzusetzen. Ich frage Sie: Wo ist da die Vereinfachung im SPD-Modell? Ich verstehe das nicht.

(Britta Altenkamp [SPD]: Alles, was Sie nicht verstehen, ist schon falsch!)

Noch mal: Alles zu behalten plus das Punktesystem oben draufzulegen, ist keine Vereinfachung. Im Gegenteil: Es verkompliziert das System.

Die jetzige Regelung ist, dass Hochqualifizierte im Wesentlichen zwei Kriterien erfüllen müssen: Das eine ist der Hochschulabschluss, das andere sind ein Arbeitsvertrag und ein Mindesteinkommensniveau von 49.600 € bzw. 36.688 €. – Das ist kein kompliziertes Verfahren. Sie wollen es aber verkomplizieren, indem Sie sagen: Ja, wir fordern zusätzliche Kriterien. – Darüber sollten Sie nachdenken, wenn Sie sagen: Wir brauchen hier Fachkräfte. – Die Menschen sollen so einfach wie möglich zu uns kommen, Sie machen aber Vorschläge, indem sie das Jetzige noch verkomplizieren. Deshalb ist das nicht durchdacht.

Noch einmal: Die Idee, in ein Einwanderungsgesetzes all das, was wir jetzt haben, zusammenzupacken und für mehr Transparenz zu sorgen, ist gut.

(Monika Düker [GRÜNE]: Es reicht aber nicht!)

Das haben wir als CDU auf Bundesebene Anfang 2015 angestoßen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nur, dass Sie das hinterher diskutieren wollen!)