Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Es braucht kein zentrales Angebot seitens des Landes. Über das Wie, das Wo, das Wann und das Was wissen die Kommunen – wie in ganz vielen anderen Bereichen – doch deutlich besser Bescheid als das Land und die Piratenfraktion des Landtags.

Anstatt die vielen Kommunen, die das heute schon gut einsetzen, für ihr Handeln zu loben, kommt in Ihrem Antrag sogar noch eine ganz pauschale Kritik vor – ich zitiere –:

„Bestehende kommerzielle Angebote verletzten den Datenschutz und werden von den Kommunen vielfach nicht akzeptiert.“

Das ist ja nun, ganz vorsichtig ausgedrückt, zu pauschal und in dieser Pauschalität, ehrlich gesagt, auch unredlich.

Viele Kommunen nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung schon heute und sind da auf einem guten Weg. Eine Lösung für alle müssen wir hier weder beschließen noch vorschreiben noch umsetzen. – Den Antrag lehnen wir ab.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag der Piraten geht auf ein wichtiges Thema ein. Es geht um das Verhältnis von Bürgern und Verwaltung. Das ist und bleibt eine Aufgabe, der sich alle Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen jeden Tag aufs Neue stellen müssen und auch stellen, gerade dann, wenn es um die Beseitigung von Mängeln geht. Keine Stadt, keine Gemeinde kann alle Mängel selbst bemerken. Deshalb sind Mängelmelder sinnvoll – das, was die Piraten vorschlagen, dagegen nicht.

Sie lassen in Ihrem Antrag ein wichtiges Detail völlig außen vor: Viele Kommunen bieten diese Dienste per Internet, Hotline oder App bereits an. Es ist gut, dass sie das tun – nicht nur, weil es eine klare Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung ist, sondern auch, weil ein landesweites System, wie Sie es sich jetzt wünschen, vieles durcheinanderbringen würde.

Nordrhein-Westfalen hat 396 Städte und Gemeinden, von der Millionenstadt Köln bis zur 4.000-Seelen-Gemeinde. Jede dieser Kommunen ist anders

aufgebaut, hat andere Strukturen, andere Wege innerhalb der Verwaltung. Ein landesweites System müsste allen Bedürfnissen gerecht werden, es würde aber auch bereits vorhandene Mängelmelder ausbremsen. Das ist keine gute Idee.

Jede Stadt, jede Gemeinde muss sich selbst die Frage stellen und selbst entscheiden: Habe ich einen Bedarf? Wo habe ich den Bedarf? Wie werde ich diesem Bedarf gerecht? Die Nähe zum Bürger ist die wichtigste Eigenschaft unserer Kommunen. Sie sollte auch in ihrer Hand bleiben, und zwar passgenau, ohne große Blaupause. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister, würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Es liegt der Wunsch nach einer Kurzintervention des Herrn Kollegen Bayer von der Fraktion der Piraten vor, der auf dem Platz von Herrn Lamla sitzt.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie und auch die beiden letzten Redner festgestellt haben, dass der Bedarf tatsächlich vorhanden ist, anders als es die SPD- und die CDU-Fraktion dargestellt haben. Es ist eben nicht so, wie vielleicht mancher Kommunalpolitiker meint, dass man ja schon alles wisse und gar keine Eingaben brauche. Es ist also ein sehr sinnvolles Instrument.

Ich schließe an: Es gibt die Initiative auf Einführung von einheitlichen Behördenrufnummern. Unser Antrag bezüglich der Mängelmelder bezieht sich sozusagen auf das Gleiche. Natürlich ist uns bekannt, dass bereits Mängelmelder existieren. Das habe ich eben in meiner Rede ausgeführt und auch die Unterschiede benannt.

Es gibt auch viele Vorteile, zum Beispiel die Vernetzung und die Zugänglichkeit, die für eine landesweite Unterstützung bzw. eine landesweite Schnittstelle sprechen. Das heißt ja nicht, dass es nicht möglich ist, diese Mängelmelder in eine kommunale App zu integrieren.

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Bayer, wir reden aneinander vorbei. Ich will es an Beispielen deutlich machen: In meiner Heimatkommune Duisburg ist eine Hotline geschaltet, über die Bürgerinnen und Bürger bei den städtischen Entsorgungsbetrieben jede wilde Müllkippe melden können, die dann innerhalb von 24 Stunden beseitigt

wird. In der Stadt Essen ist das völlig anders organisiert, da sind nach meinem Kenntnisstand nicht die Entsorgungsbetriebe anzurufen. In der Gemeinde Frauenkron in Dahlem – das ist in der Eifel; da wohnen zufällig meine Schwiegereltern – kennen die Einwohner den Bezirksbürgermeister. Den rufen sie an und sagen ihm, wo ein Mangel besteht.

Damit wird klar: Es gibt unterschiedliche Kommunen, unterschiedliche Wege und unterschiedliche Bedarfe. Es macht überhaupt keinen Sinn, an der Stelle die kommunale Selbstverwaltung aufzulösen und den Kommunen ein landesweites System überzustülpen. Das wäre nicht mehr Service für die Bürgerinnen und Bürger, sondern weniger.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/14001. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/14001 mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Fraktion der Piraten und bei Enthaltung des Abgeordneten Schwerd abgelehnt.

Ich rufe auf:

7 Abschlussbericht der Enquetekommission zur

„Zukunft der Familienpolitik in NordrheinWestfalen“ (Enquetekommission V)

Abschlussbericht der Enquetekommission „ gemäß § 61 Absatz 3 der Geschäftsordnung Drucksache 16/14000

Zu dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 16/7399 – Neudruck

Ich erteile zuerst der Vorsitzenden der Enquetekommission V, Frau Abgeordnete Hack, das Wort zu einer mündlichen Berichterstattung. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Vor fast genau zwei Jahren, am 27. Januar 2015, konstituierte sich unter der Leitung von Frau Präsidentin Gödecke die Enquetekommission

zur Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen. Vorangegangen war auf Antrag der SPDFraktion ein von diesem Haus einstimmig gefasster Einsetzungsbeschluss.

Als Vorsitzende darf ich Ihnen heute den Abschlussbericht vorstellen und zunächst einige Anmerkungen zur Arbeit einer solchen Kommission machen.

Sie tagte zwei Jahre lang zu einem umfangreichen Gegenstand von bedeutsamem Interesse. Abgeordnete aller Fraktionen und von diesen benannte Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis tagten gemeinsam, in der Regel nichtöffentlich. Dies kann die Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg befördern und ebenso den notwendigen Abstand zum tagespolitischen Geschehen schaffen.

Über die in der Kommission gewährleistete Fachlichkeit hinaus kann eine Enquetekommission externes Wissen durch Forschungsaufträge, Vorträge und anderes heranziehen. Ergebnisse ihrer Arbeit sind neben einem Bericht Handlungsempfehlungen, die mittel- und langfristig der Vorbereitung politischer Entscheidungen dienen.

Meine Damen und Herren, der Einsetzungsbeschluss für unsere Kommission enthielt den Auftrag, eine Bestandsaufnahme und -analyse des Familienlebens in Nordrhein-Westfalen vorzunehmen, dabei besonders, unter anderem orientiert am 8. Bundesfamilienbericht, die Zeitbudgets von Familien, aber auch Wünsche von Familien an die Gestaltung ihrer Zeit, die tatsächliche Umsetzung dieser Wünsche und sich daraus ergebende Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen.

Zu berücksichtigen waren unbedingt die unterschiedlichen sozialen Lagen von Familien, die unterschiedlichen Milieus, in denen sie leben, die wachsende Zahl von Familienformen, die Familienphasen sowie geänderte bzw. im Wandel befindliche Geschlechterrollen. Der Auftrag der Kommission war also kein geringerer als die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes für eine zukünftige Familienpolitik, deren herausragendes Kennzeichen es sein muss, für die unterschiedlichsten Familien verlässliche Rahmenbedingungen für ihr Familienleben, für die Gestaltung gemeinsamer Zeit bei gleichzeitiger Bewältigung von beispielsweise Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Betreuungs- und Bildungsaufgaben zu schaffen.

Der Einsetzungsbeschluss sah seinerzeit in drei Bereichen maßgebliche Bedeutung für diese Fragestellungen: auf der staatlichen und kommunalen Ebene, im Bereich der Gestaltung von Erwerbsarbeit und im Bereich der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.

Zu Beginn dieses so umrissenen Arbeitsprozesses waren weitere Einflussfaktoren festzustellen, die sich auf die gemeinsame Arbeit auswirken sollten. Von Bedeutung war natürlich die ganz eigene Fachlich

keit der von den Fraktionen benannten fünf Sachverständigen, die das höchst umfassende Thema „Familie“ aus fünf ganz unterschiedlichen Fachperspektiven mit verschiedensten Schwerpunkten bearbeiteten.

Natürlich spielten für unseren Arbeitsprozess auch subjektive Erfahrungen und aktuelle Diskussionen eine Rolle. Subjektive Erfahrungen als Familienmitglied macht jede und jeder im Alltag auf vielerlei Art. Die Themen der aktuellen Diskussionen tangieren irgendwann alle Familien. Ich möchte nur einige Beispiele nennen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Freiräume für Jugendliche, G8/G9, die Inklusion, die Situation der Pflege, die Wohnungsfrage nicht nur in Ballungsräumen, Kindertageseinrichtungen, Entgrenzung von Arbeit. Diese Themen sind sowohl hier im Landtag als auch in der Gesellschaft und in den Medien dauerhaft präsent.

Nach mehreren Monaten intensiver, teils auch strittiger Diskussion um das tatsächliche Arbeitsprogramm – eine bereits beschlossene Fassung wurde verworfen und nach, zugegeben, anstrengenden Debatten durch eine neue ersetzt – einigte sich die Kommission auf sechs Kapitel und dazugehörige Leitsätze, zu denen folglich auch die Handlungsempfehlungen erstellt werden sollten. Anhand dieser Gliederung möchte ich Ihnen nun, soweit das in der Kürze möglich ist, einen Überblick über unsere Arbeit geben, ohne dass ich der anschließenden Debatte vorgreifen möchte.

Strukturelle Rücksichtslosigkeit überwinden, Nachteilsausgleich und Gleichberechtigung für Familien gewährleisten: Die Kommission hat sich ausführlich mit dem Begriff der strukturellen Rücksichtslosigkeit beschäftigt, auch dies nicht unstrittig. Einigkeit herrschte jedoch darüber, dass Familien für ihre Mitglieder aus persönlicher, emotionaler Verbundenheit und eben um der nahestehenden Menschen willen Leistungen vielfältigster Art erbringen, diese aber der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Dafür erfahren Familien nicht die Anerkennung und Würdigung, die ihnen für diese Leistung zustände.

Die Kommission sieht sowohl rechtliche als auch finanzielle Rahmenbedingungen, die für Familien nicht angemessen, sondern oft nachteilig sind. Elternschaft und Familienleben sind zwar nicht mehr nur reine Privatsache – hier sind bereits Fortschritte erzielt worden –, wir benennen aber noch zahlreiche Sachverhalte, die Familienleben nachteilig beeinflussen.

Für einige Familienformen bedingt die mangelnde rechtliche Gleichstellung unmittelbar finanzielle Nachteile. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil unverheirateter Paare mit Kindern und die Zahl Alleinerziehender wächst – das sind überwiegend Frauen –, befasste sich die Kommission natürlich auch mit der Frage, welche Rolle die Ehe nach wie

vor für die rechtliche und damit oft auch für die finanzielle Lage von Familien spielt. Es mag keine Überraschung sein, dass hier die Positionen innerhalb der Kommission unterschiedlich waren.

Meine Damen und Herren, finanzielle Herausforderungen bestehen für Familien ab der Familiengründung mit einem oder mehreren Kindern, dann mit beachtlichen Kosten für Betreuung und frühe Bildung, für den Schulalltag und die weitere Ausbildung, zudem für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im weitesten Sinne, also Mobilität, Freizeitgestaltung und anderes.

Zugleich erfahren Familien in der Zeit der höchsten Ausgaben eine Zeit lang oder sogar dauerhaft Einkommenseinbußen durch Reduzierung oder gar gänzlichen Verzicht auf Erwerbsarbeit zugunsten der Familienarbeit. Für 15 % der Paare mit Kindern unter 18 Jahren in NRW bedeutet diese Konstellation relative Einkommensarmut; bei Alleinerziehenden ist die Zahl deutlich höher.

Bei unterschiedlich hohen Familieneinkommen ist zudem der Anteil für die Bildungsausgaben höchst unterschiedlich. Einkommensschwächere Familien geben einen deutlich höheren Teil ihres zur Verfügung stehenden Geldes dafür aus als einkommensstärkere. In der Kommission sind dazu unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen worden, die beispielweise Gebühren für Bildung und die Kindergrundsicherung betreffen.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle greife ich in meiner Berichterstattung dem Schluss des Ihnen nun allen vorliegenden Berichtes vor.

Unterschiedliche Interpretationen über die Adressaten unseres Berichtes durchzogen die gesamte Arbeit. Sollte es nur an das Land gerichtete Empfehlungen oder auch solche an die Bundesebene geben? Bei der Erstellung der Handlungsempfehlungen war klar, dass manche Veränderungen nur durch bundesgesetzliches Handeln in Gang gesetzt werden können. Zu den dann erstellten Empfehlungen an die Bundesebene haben sich die CDU-Fraktion und der Sachverständige der FDP-Fraktion, Herr Prof. Bonin, einer Bewertung enthalten. Dies ist natürlich auch im Bericht so dokumentiert.